Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Für die Anerkennung einer Erkankung als Dienstunfall(-folge) muss sich genau bestimmen lassen, wann und wo sich das fragliche Ereignis abgespielt hat. Ort und Zeitpunkt müssen feststehen. Folglich genügt es für die zeitliche Bestimmbarkeit nicht, dass sich der Zeitraum nach Anfangs- und Schlusstag eingrenzen lässt.
2. Foglich müssen die Angaben zur den Umständen des konkreten Ereignisses in zeitlicher und örtlicher Hinsicht in ihrer Gesamtheit so bestimmt sein, dass es Konturen erhält, aufgrund derer es von anderen Geschehnissen eindeutig abgegrenzt werden kann. Jede Verwechslung mit einem anderen Ereignis muss ausgeschlossen sein.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig voll-streckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Si-cherheit in gleicher Höhe leistet.
Der am 00.0.1953 geborene Kläger steht als Polizeioberkommissar im Dienst des beklagten Landes.
2Er infizierte sich im Herbst 2010 mit Legionellen. Die Infektion erforderte eine stationäre, auch intensivmedizinische Behandlung in der Zeit vom 26. November bis 22. Dezember 2010 und vom 5. bis 12. Januar 2011 im Krankenhaus C für die Grafschaft N.
3Unter dem 5. Januar 2011 wurde nach den Angaben des Klägers eine Unfallmeldung gefertigt. Darin ist als Unfalltag und ort angegeben: 23. November 2010, 15:30 Uhr, 3. Etage des Polizeipräsidiums E an.
4In der Folge der Unfallmeldung wurde das Dienstgebäude, in dem der Kläger tätig war, durch das Hygiene-Institut des Ruhrgebietes untersucht. Dabei waren in drei von 14 untersuchten Trinkwasserproben erhöhte bzw. hohe Legionellenkonzentrationen nachweisbar, so dass seitens des Instituts ein erhöhtes bzw. hohes Infektionsrisiko über die dazugehörigen Trinkwasserversorgungsanalgen nicht ausgeschlossen werden konnte. Insofern bestehe ein akutes Infektionsrisiko bei Werten > 1.000 KBE/100 ml.
5Insbesondere wurden im Kellergeschoss, Westflügel, Dusche 1. links, Legionellen in Höhe von 4.070 KBE/100 ml gefunden. Für diese Dusche wurde seitens des Instituts als Sofortmaßnahme ein Duschverbot empfohlen. Den vor dieser Dusche liegenden Kellergang, der durch drei Türen von dem Duschraum getrennt ist, musste der Kläger vom Fahrstuhl aus kommend jedes Mal passieren, um zu seinem Spind zu gelangen.
6Im privaten Bereich des Klägers ist nach dem vom Kreis X in Auftrag gegebenen Prüfbericht vom 9. Dezember 2010 keine Legionellenkonzentration feststellbar gewesen.
7Mit Bescheid vom 14. Februar 2011 lehnte das Polizeipräsidium E es ab, das Geschehen als Dienstunfall anzuerkennen, da ein Ursachenzusammenhang zwischen der Ausübung des Dienstes und dem eingetreten Körperschaden nicht bestehe.
8Den dagegen erhobenen Widerspruch wies das Polizeipräsidium E mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2011, zugestellt am 6. Mai 2011, zurück. Zur Begründung führte es aus, ein Kausalzusammenhang bestehe nicht, da eine Infektion durch das Passieren des Kellergangs mit Sicherheit ausgeschlossen sei.
9Mit der am 25. Mai 2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
10Zur Begründung führt er unter Bezug auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 14. April 2011 - 1 K 1203/09 - aus: er habe sich auf der Dienststelle mit Legionellen infiziert; ein anderer Infektionsort scheide aus; im privaten Bereich des Klägers seien keine Legionellen gefunden worden; die hohe Konzentration von Legionellen in der Dusche stelle ein akutes Infektionsrisiko dar; es komme nicht darauf an, das sich zum eigentlichen Duschraum mehrere verschlossene Türen befinden, da der Kontakt mit kontaminiertem Wasser, etwa Wasserschwaden bei geöffneten Türen als typischer Übertragungsweg, ausreichend sei; entsprechend bestehe eine Vermutung dahingehend, dass die Infektion im Dienst erfolgt sei; den erforderlichen Beweis des Gegenteils habe das beklagte Land nicht erbracht.
11Der Kläger beantragt,
12das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2011 zu verpflichten, die Legionellenerkrankung des Klägers als Dienstunfall anzuerkennen.
13Das beklage Land beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Unter Vertiefung der bisherigen Ausführungen in den ergangenen Bescheiden meint beklagte Land zudem, dass kein Unfallereignis vorliege. Zudem sei der Austritt von Wasserschwaden physikalisch nicht möglich.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem ihm der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 30. März 2012 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) übertragen worden ist.
19Nach Anhörung der Beteiligten kann das Gericht durch Gerichtsbescheid entschieden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO).
20Die Klage ist nicht begründet.
21Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Legionellenerkrankung als Dienstunfall im Sinne des § 31 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG). Insofern erweist sich der Bescheid des Polizeipräsidiums E vom 14. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2011 als rechtmäßig (§ 115 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
22Ein Dienstunfall ist nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.
23Während das Merkmal "plötzlich" der Abgrenzung eines Einzelgeschehens gegen dauernde Einwirkungen dient, ist die örtliche und zeitliche Konkretisierung Bezugsrahmen und Voraussetzung für die Zurechnung zum Dienst,
24BVerwG, Beschluss vom 19.Januar 2006 - 2 B 46.05 -, unter: bverwg.de, zum Zeckenbiss während eines Schullandaufenthaltes.
25Daraus folgt, dass sich - entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - genau bestimmen lassen muss, wann und wo sich das fragliche Ereignis abgespielt hat. Ort und Zeitpunkt müssen feststehen. Folglich genügt es für die zeitliche Bestimmbarkeit nicht, dass sich der Zeitraum nach Anfangs- und Schlusstag eingrenzen lässt.
26Durch das Erfordernis der örtlichen und zeitlichen Bestimmbarkeit wird zum einen der Schutzbereich der Dienstunfallfürsorge festgelegt. Zum anderen dient es der Begrenzung des Risikos des Dienstherrn. Dieser soll nur für Schadensereignisse haften, die einem Nachweis zugänglich sind. Erst die eindeutige Bestimmung des Ereignisses ermöglicht es, sicher festzustellen, ob und inwieweit Veränderungen des Gesundheitszustandes des Beamten auf einen Dienstunfall zurückzuführen sind und von der Dienstunfallfürsorge nach §§ 32 ff. BeamtVG umfasst werden. Deshalb müssen die Angaben zur den Umständen des konkreten Ereignisses in zeitlicher und örtlicher Hinsicht in ihrer Gesamtheit so bestimmt sein, dass es Konturen erhält, aufgrund derer es von anderen Geschehnissen eindeutig abgegrenzt werden kann. Jede Verwechslung mit einem anderen Ereignis muss ausgeschlossen sein,
27BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2010 - 2 C 81.08 -, unter: bverwg.de (Rn. 14), zum Zeckenbiss während eines Waldprojektes.
28Diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Der Kläger stellt in der Klagebegründung selbst dar, dass er sich "im Dezember 2010" mit Legionellen infiziert habe. Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich Dezember 2010 gemeint ist, oder wohl schon November 2010; immerhin befand sich der Kläger seit dem 24. November 2010 in ärztlicher (so die Dienstunfallmeldung) bzw. seit dem 26. November 2010 in stationärer Behandlung wegen der Legionelleninfektion.
29Die Infektion lässt sich auch nicht durch die Dienstunfallmeldung vom 5. Januar 2011 zeitlich (und räumlich) näher eingrenzen. Der Meldung fehlt es bereits an einer näheren räumlichen Eingrenzung; genannt ist lediglich das Polizeipräsidium E "3. Etg."; gerade dort sind jedoch keine Legionellen gefunden worden.
30Entsprechend ist auch die zeitliche Darstellung nicht schlüssig. Die Zeit des Unfalls ist nach der Dienstunfallmeldung der "23.11.2010, 15:30". Das kann aber nicht der Zeitpunkt der Infektion sein, sondern wohl lediglich der Zeitpunkt des Auftretens erster (erheblicher) Beschwerden. Die Infektion geht dem Ausbuch der Krankheit bei Legionellen jedoch regelmäßig drei bis zehn Tage voraus.
31Dem entspricht die eingereichte ärztliche Stellungnahme des Ckrankenhauses vom 20. Oktober 2011. Ausdrücklich ausgeführt ist zudem im Untersuchungsbericht des beauftragten Hygieneinstituts, dass ein erhöhter Legionellenbefall an zwei Stellen (KG, Westflügel, Dusche 1. links und Gewahrsam Raum 40 / WC) festgesellt worden ist. Das ist nicht die in der Dienstunfallmeldung angegebene "3. Etage". In zeitlicher Hinsicht ist seitens der genannten ärztlichen Stellungnahme ausdrücklich ausgeführt, dass der Kläger "öfters an der geöffneten Tür des Duschraums" vorbeigekommen sei.
32Mithin steht für die Infektion als das mögliche und im Sinne des § 31 BeamtVG maßgebliche Ereignis weder ein genaues Datum noch ein Ort der Infektion fest. Mag dabei der Ort möglicherwiese mit dem Polizeipräsidium E hinreichend genau bestimmt sein, fehlt es im Sinne der genannten obergerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls an einer zeitlichen Eingrenzung.
33Folglich liegt eine hinreichende zeitliche Bestimmbarkeit im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nicht vor. Das Ereignis lässt sich nicht hinreichend bestimmen, um als Dienstunfall anerkannt zu werden.
34Liegt mithin schon kein hinreichend bestimmbares Unfallereignis vor, ist auf die Frage eines Kausalzusammenhangs nicht mehr einzugehen. Entsprechend erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der vom Kläger zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen.
35Zuzugestehen ist dem Kläger, dass sich insbesondere der Zeitpunkt einer Infektionskrankheit durchgängig nicht mit der nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erforderlichen Genauigkeit feststellen lässt, da der Ausbruch der Krankheit der eigentlichen Infektion regelmäßig zeitlich nachfolgt. Dieser Schwierigkeit hat der Gesetzgeber aber dadurch Rechnung getragen, dass diejenigen Infektionskrankheiten, die in der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung aufgeführt sind, gemäß § 31 Abs. 3 BeamtVG als Dienstunfälle gelten, wenn die Voraussetzung dieser Vorschrift erfüllt sind,
36BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2006 - 2 B 46.05 -, unter: bverwg.de.
37Das gilt für die Erkrankung mit Legionellen jedoch nicht, eine Anerkennung fehlt.
38Auch die weiteren Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG liegen nicht vor. Danach gilt eine Erkrankung als Dienstunfall, wenn der Beamte der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt war und der Beamte sich die Erkrankung nicht außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Danach ist ein Beamter der Gefahr der Erkrankung an einer bestimmten Krankheit (hier: Legionelleninfektion) nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung besonders ausgesetzt, wenn dessen zur Zeit der Erkrankung konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit im Ganzen gesehen ihrer Art nach erfahrungsgemäß (generell) eine hohe Wahrscheinlichkeit gerade dieser Erkrankung in sich birgt. Dabei ist nicht auf die individuelle Veranlagung des einzelnen Beamten abzustellen, sondern darauf, ob die Tätigkeit selbst nach der aus einer Vielzahl von Fällen gewonnenen Erfahrung generell mit hoher Wahrscheinlichkeit unter den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen zu der in Frage stehenden Erkrankung führt. Die besondere Gefährdung muss für die konkrete dienstliche Verrichtung typisch und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sein,
39OVG NRW, Urteil vom 13. Oktober 2010 - 1 A 3299/08 -, unter: nrwe.de (Rn. 40), zur Borrelioseerkrankung eines Forstbeamten, mit weiteren Nachweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
40In den Blick zu nehmen ist dabei die von dem Beamten im Zeitpunkt der Erkrankung konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit. Für die Beurteilung der Frage, ob die danach maßgebliche konkrete dienstliche Verrichtung des Beamten im Ganzen gesehen ihrer Art nach ein gegenüber der übrigen Bevölkerung signifikant höheres Infektionsrisiko aufweist, ist von entscheidender Bedeutung unter anderem die zeitliche Dauer, die Häufigkeit und auch die Intensität (etwa bei seuchenhaftem Auftreten der Infektionskrankheit) der Exposition zur Gefahrenquelle während der dienstlichen Verrichtung. Nur unter solchen gefahrerhöhenden Umständen wandelt sich das jeden treffende allgemeine Lebensrisiko zu einer besonderen Gefährdung im Sinne der Vorschrift mit der Folge, dass abweichend von dem Grundsatz, dass der Beamte die Folgen schicksalsmäßiger schädlicher Einwirkungen selbst zu tragen hat, der Schutz durch die dienstliche Unfallfürsorge eingreift,
41OVG NRW, Urteil vom 13. Oktober 2010 - 1 A 3299/08 -, unter: nrwe.de (Rn. 44).
42Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Infektion mit Legionellen, die jedenfalls nach der Klagebegründung durch verunreinigtes Duschwasser eingetreten sein soll, steht in keiner besonderen Beziehung zur dienstlichen Tätigkeit des Klägers. Solche Infektionen drohen vielmehr überall dort, wo erwärmtes Wasser nicht genügend hoch erhitzt oder sonst gereinigt wird.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
44Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung.