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1. Lehnt ein Dienstherr die Übernahme von Behandlungskosten aus Mitteln der Dienstunfallfürsorge ab, nachdem solche Kosten nach anerkanntem Dienstunfall über einen Zeitraum von ca. 10 Jahren übernommen worden waren, so handelt es sich nicht um die Aufhebung einer dauerhaften Bewilligung, da die Kostenübernahme regelmäßig eine nachträgliche Einzelfallentscheidung ist. Statthaft (und erforderlich) ist deshalb eine Verpflichtungsklage. Der Beamte trägt die Beweislast für das Vorliegen der behandlungsbedürftigen Dienstunfallfolge und den Ursachenzusammenhang.
2. Das Gericht genügt der Amtsermittlungspflicht, wenn es sich die notwendige Fachkunde in Bezug auf Vorliegen oder Verursachung eines HWS-Schleudertrauma (oder anderer wirbelsäulenbezogener gesundheitlicher Beeinträchtigungen als mittelbare Folge) durch Sachverständigengutachten verschafft, die im Kfz-Haftpflicht-Prozess des Unfallopfers eingeholt worden sind. Diese können im Wege des Urkundsbeweises durch Beiziehung der Prozessakten des ordentlichen Gerichts verwertet werden.
3. In einem solchen Fall kann das Gericht im Hinblick auf bereits vorliegende ausreichende Sachverständigengutachten aus beigezogenen Prozessakten des Zivilgerichts, die auch im Verwaltungsverfahren Berücksichtigung fanden und in den Verwaltungsvorgängen vorhanden sind, einen Beweisantrag eines Beteiligten nach Ermessen ablehnen.
4. Einzelfall einer Beamtin, der für medizinische Behandlungsmaßnahmen nach einem anerkannten Dienstunfall über fast 10 Jahre Unfallfürsorge gewährt wurde, die der Dienstherr dann ablehnte, als er durch einen langjährigen Kfz-Haftpflichtprozess Kenntnis von der Beamtin ungünstigen Sachverständigengutachten erhielt.
Der Bescheid der Beklagten vom 4. September 2007 in der Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 5. März 2009 werden aufgeho-ben, soweit darin Unfallfürsorgeleistungen von 202,50 Euro von der Klägerin zurückgefordert werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig voll-streckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheits-leistung in Höhe des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages ab-wenden, wenn nicht die Be¬klagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die am 0. Oktober 1957 geborene Klägerin stand seit 1976 im gehobenen Verwaltungs-dienst der Beklagten, seit 1984 als Beamtin auf Lebenszeit. Die Klägerin war in erster Ehe mit dem Ehenamen I verheiratet und hat einen aus dieser Ehe stammenden 1985 geborenen Sohn. Im März 1995 wurde sie zur Stadtamtfrau (Besoldungsgruppe A 11 Bundesbesoldungsordnung – BBesO) ernannt. Sie war im Amt 37 (Feuerwehr) der Be-klagten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden als Sachgebietsleiterin der Stelle für Rettungsdienstgebühren tätig.
3Die Klägerin hatte bereits am 26. August 1986 in E einen Autounfall erlitten, bei dem sie mit einem anderen Fahrzeug kollidierte. In Folge dessen war sie vom 26. August bis 7. September 1986 arbeitsunfähig.
4Am 1. Oktober 1997 ereignete sich der Verkehrsunfall, der im Zentrum dieses und anderer Klageverfahren steht bzw. stand, und welcher aus Sicht der Klägerin ihr Leben grundle¬gend veränderte. Die Klägerin befand sich als Beifahrerin im PKW ihres späteren Ehe¬mannes V, Opel Kadett E, amtl. Kennzeichen XX XX 000, auf dem Weg zu ihrer Dienststelle. Die Klägerin und ihr späterer Ehemann fuhren auf der Nstraße im Eer Süden stadteinwärts, als sich auf der Kreuzung mit der Straße B der Verkehrsunfall unter Beteiligung des weiteren PKW Honda Accord, amtl. Kennzeichen XX XX 00, in selber Fahrtrichtung wie sie fahrend, und dem von rechts kommenden, ein Rotlicht überfahrenden, PKW Opel Frontera, amtl. Kennzeichen X XX 000 (Geländewagen/Jeep) ereignete. Der Opel Kadett, in dem die Klägerin saß, erlitt hierbei einen wirtschaftlichen Totalschaden. Wegen der Einzelheiten des Unfallherganges wird auf Beiakte 2, Blatt 227 ff., verwiesen.
5Die Klägerin hat nach diesem Zeitpunkt ihren Dienst bei der Beklagten nicht mehr aufge-nommen. Sie meldete sich dienstunfähig und gab an, dass es sich um die Folgen eines Dienstunfalles handele. Noch am Unfalltag begab sie sich in Behandlung zum Orthopäden Dr. med. T, F, bei dem sie Schmerzen im Bereich des Nackens mit Aus¬strahlung in den linken Arm und ein Taubheitsgefühl in der linken Hand, sowie Schmerzen im Bereich der linken Schulter beklagte. Dr. med. T stellte nach seinem Befundbe¬richt vom 3. November 1997 (Beiakte 16, Blatt 12) eine klinisch erhebliche Einschränkung der Rotationsfähigkeit ihrer Halswirbelsäule (HWS) fest und fertigte Röntgenbilder dersel¬ben an. Diese ergaben nach dem Befundbericht keinen Nachweis einer knöchernen Ver-letzung, aber Zeichen einer extremen HWS-Distorsion. Dr. med. T begann eine kon-servative Behandlung mit Analgetika/Antiphlogistika sowie Krankengymnastik und Verord-nung einer Halskrause. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Befundbericht ver-wiesen.
6Die Klägerin erstattete unter dem 7. Oktober 1997 bei der Beklagten auf dortigem Formu-lar eine Dienstunfallanzeige, mit der sie den am 1. Oktober 1997 um 7.00 Uhr erlittenen Verkehrsunfall meldete und den Unfallhergang wie folgt schilderte: Auf dem Wege zum Dienst, im Kreuzungsbereich B/Ecke Nstraße, habe ein Geländewagen eine rote Ampel überfahren und somit das Fahrzeug, in dem sie als Beifahrerin zum Dienst fuhr, getroffen. Sie sei an Halswirbelsäule und Schulter in Form einer Zerrung und eines Schleudertrauma verletzt worden und deshalb zuerst in Behandlung des Dr. T aus F gewesen.
7Auf die Dienstunfallanzeige der Klägerin holte die Beklagte zunächst bei Dr. med. T den Unfallbericht vom 3. November 1997 ein. Wie dort von Dr. med. T erläutert dau¬erte die konservative Behandlung noch an, wobei mehrfach wöchentlich Krankengym¬nastik-Anwendungen durchgeführt und vom Orthopäden wöchentlich gegen die Schmerz-symptomatik mit Infusionen oder Spritzen vorgegangen wurde. Weil sich die Beschwerden nicht verbesserten, wurde eine Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) der HWS der Klä-gerin am 28. Oktober 1997 durchgeführt. Nach dem entsprechenden Bericht des Röntgen-Institut H Allee, E, vom selben Tage kam Privatdozent (PD) Dr. H. M. L zu der Beurteilung:
8"Mehrsegmentige Osteochondrose HWK 3 bis HWK 7 mit einem Befundmaximum in Höhe HWK 5/6 mit einer hier breitbasigen, partiell knöchern gedeckten Bandscheibenprotrusion sowie uncovertebralarthrotischen Veränderungen mit foraminaler Stenose, rechtsbetont, und möglicher Irritation der Radix C6 rechts. Relative spinale Stenose in dieser Höhe. Ferner links medio-lateral betonte Bandscheibenprotrusion, ohne eindeutigen radikulären Bezug. Keine cervicale Myelopathie."
9Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Berichts wird auf Beiakte 16, Blatt 14 f., verwie-sen.
10Auf der Grundlage dieses MRT wurde die Klägerin sodann in der Gemeinschaftspraxis für Neurologie und Psychiatrie (Dres. med. U u.a., E) neurologisch untersucht. Dr. med. G kam in seinem Bericht vom 31. Oktober 1997 zu der Diagnose: HWS-Schleudertrauma mit radikulärer Reizsymptomatik. In der Beurteilung legte er neben der Diagnose dar, dass sich irgendwelche Ausfälle nicht gefunden hätten und er konser¬vative Behandlung mit dem nächtlichen Tragen einer Halskrawatte sowie das Erlernen isometrischer Übungen empfehle. Von anderen physiotherapeutischen Maßnahmen solle zum jetzigen Zeitpunkt zunächst abgesehen werden. Zu diesem Bericht im Übrigen vgl. Beiakte 16, Blatt 16 f.
11Seit dem Unfalltag erstattete die Beklagte der Klägerin alle Behandlungskosten unter dem Vorbehalt der späteren Anerkennung als Dienstunfall. Nachdem der Beklagten die Be-richte des Dr. med. T, des PD Dr. med. L sowie des Dr. med. G vorla¬gen, beauftragte sie Mitte November 1997 ihr Gesundheitsamt mit dem Prüfverfahren zur Anerkennung eines Dienstunfalles.
12Nachdem die regelmäßige Physiotherapie sowie die im Oktober und November 1997 bei Dr. med. T (teilweise täglich) durchgeführte Infusionstherapie keine ausreichende Besserung herbeiführte, nahm die Klägerin im Dezember 1997 bei der Ärztin Dr. med. T1, N1, auch eine Akupunktur-Behandlung auf, wobei die Ärztin mit Bescheini¬gung vom 12. Dezember 1997 deren Indikation bestätigte, da die Klägerin an einer post-traumatischen HWS-Distorsion, Schulterdistorsion und Protrusion C4/C5, C6/C7 leide, und die bislang durchgeführten Therapien – medikamentöse und physiotherapeutische Maß-nahmen sowie Infusionen – keine dauerhafte Schmerzlinderung bewirkt hätten (Bei-akte 16, Blatt 53). Die Beklagte trug die Kosten der Akupunktur-Behandlung.
13Auf Grund des Untersuchungsauftrages der Beklagten untersuchte der Arzt im Gesund-heitsamt der Beklagten S die Klägerin am 3. Dezember 1997. Dabei legte die Klägerin auch die von Dr. med. T am 1. Oktober 1997 angefertigten Röntgenbilder ihrer HWS vor, die von Prof. Dr. med. T2 für das Gesundheitsamt befundet wurden. Auf der Grundlage der Untersuchung vom 3. Dezember 1997 sowie der Befundung der Röntgen¬bilder erteilte das Gesundheitsamt unter dem 21. Januar 1998 (Arzt S, mitgezeichnet Arzt für Orthopädie Dr. med. H1) ein Unfallgutachten über die Klägerin. Neben der Dar¬stellung des Unfallereignisses auf der Grundlage der Angaben der Klägerin sowie ihrer sich daran anschließenden Behandlung und ihrer Beschwerden im Verlauf bis aktuell wa¬ren eingehend die Befunde zur Untersuchung am 3. Dezember 1997 dargestellt, sowie nachrichtlich die Röntgenbefunde zum MRT vom 28. Oktober 1997. Die Befundung der Röntgenbilder des Dr. T vom 1. Oktober 1997 durch Prof. Dr. med.T2 ergab:
14"Flache Kyphosierung (flacher Buckel) von C3 bis C7 (HWS-Fehlstellung) bei hochgradigem osteochon-drotischem Zwischenwirbelbandscheibenverschleiß C5/C6. Aufgrund der Osteochondrosis intervertebralis C5/C6 (Bandscheiben-/Bänderverschleiß C5/C6) mäßige degenerative Dorsaldislokation von C5 gegenüber C6 mit Vor-/Rückneigung, bewegungsblockiertem Segment C5/C6 und degenerativen Zwischenwirbeleinengungen C5/C6. Reaktive spondylosis deformans der 5. und 6. Halswirbelkörper. Intervertebralgelenksverschleiß C2/C3, C3/C4, C5/C6, C6/C7 (Gelenkspalterniedrigungen). Kein Nach¬weis stattgehabter Frakturen auf den vorgelegten Röntgenaufnahmen der HWS."
15Im Ergebnis benannte das Gesundheitsamt als dienstunfallabhängige Diagnose: Akutes Schleudertrauma (Grad 2) mit Brachiomyalgien und Cephalgien, begleitet von Kribbelpar-ästhesien beidseits.
16Es legte als dienstunfallunabhängige Diagnosen fest:
17- Zustand nach Schleudertrauma vor 11 Jahren (binnen weniger Tage vollkommen ausgeheilt),
18- ausgeprägte degenerative Veränderungen der HWS.
19Das Gesundheitsamt gelangte zu der Gesamtbeurteilung: Der Verkehrsunfall am 1. Oktober 1997 sei als Dienstunfall anzuerkennen. Der dabei verursachte Körperschaden betrage 20 v. H. Eine Vorschädigung im gleichen Diagnosebereich habe vorgelegen, da in den Röntgenbefunden ausgeprägte degenerative Veränderungen zu sehen seien, die auf jeden Fall vor dem Unfallereignis bestanden haben müssten, auch wenn die Patientin vor-her keine Beschwerden gehabt habe. Die drei Bandscheibenprotrusionen (C3/C4 und C4/C5 leicht, C5/C6 ausgeprägt) hätten nicht stattgefunden, wenn vorher keine degenera-tiven Veränderungen an den jeweiligen Stellen gewesen wären. Erwähnenswert und unty-pisch sei, dass die Bandscheibenprotrusionen im Rahmen eines seitlichen Auffahrunfalles aufgetreten seien, da die seitliche Halswirbelsäule besser geschützt sei als die hintere. Mit Folgeschäden sei mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu rechnen; eine Nachuntersu-chung sei in einem Jahr notwendig. Durch den Unfall sei es zu einer richtungweisenden Verschlechterung einer schon bestehenden Erkrankung gekommen. Die Kosten der Be-handlung seien für die ersten 12 Wochen nach dem Unfallereignis von der Dienstunfallfür-sorge zu übernehmen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit müssten die jetzigen Beschwerden in naher Zukunft operativ angegangen werden. Wegen der Einzelheiten dieses Unfallgut-achtens wird auf Beiakte 16, Blatt 67 ff. Bezug genommen.
20Wie vom Gesundheitsamt vermutet, kam es schon bald zu einer Bandscheiben-Operation. Die Klägerin befand sich vom 27. Januar bis 3. Februar 1998 im Städt. Klinikum T3, wo sie am 28. Januar 1998 an der HWS operiert wurde. Nach den Berichten des Chef¬arztes der dortigen Neurochirurgie, Prof. habil. Dr. med. T4, folgte die Operations¬notwendigkeit aus der Diagnose "Nervenwurzelkompression C6 links durch vielfach subligamentär sequestrierten Bandscheibenvorfall HW 5/6 links bei Spondylosis deformans." Durchgeführt wurde nach dem OP-Bericht eine Versteifung im Segment HW 5/6 mit einer sog. Palacos-Plombe ("Spondylodese mit 0,63 cm³ Palacos nach Diskektomie und Aufspreizen HW 5/6").
21Auf Anfrage des Hauptamtes der Beklagten teilte das Gesundheitsamt (Arzt S, mitgezeichnet Dr. med. H1) unter dem 26. Februar 1998 mit, dass der Bandscheiben-vorfall in Höhe C5/C6 mit großer Wahrscheinlichkeit durch das Unfallereignis vom 1. Oktober 1997 klinisch manifest geworden bzw. entstanden sei. Daher sei dieser Band-scheibenvorfall als dienstunfallabhängige Diagnose zu betrachten.
22Demzufolge erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 5. März 1998 in Bezug auf den Un-fall am 1. Oktober 1997 und die Dienstunfallanzeige vom 7. Oktober 1997 den eingetrete-nen Körperschaden "akutes Schleudertrauma mit Brachiomyalgien und Cephalgien sowie einen Bandscheibenvorfall in Höhe der C5/C6" als Dienstunfall an. Die notwendigen Heil-behandlungskosten würden von der Beamtenunfallfürsorge auf Grund von vorhandenen Vorschädigungen im gleichen Diagnosebereich (unter Verweis auf das der Klägerin vorlie-gende Gutachten vom 21. Januar 1998) nur für die ersten 12 Wochen nach dem Unfaller-eignis übernommen.
23Parallel zu diesem Verwaltungsverfahren machte die Klägerin selbst Ansprüche gegen den Fahrer und die Halterin des unfallgegnerischen Kraftfahrzeugs Opel Frontera X XX 000 sowie die entsprechende Kfz-Haftpflichtversicherung, die G1 Versiche¬rungs-AG (im Folgenden: G1), geltend. In diesem Zusammenhang gab der be¬handelnde Orthopäde der Klägerin, Dr. med. T, auf einem Unfallmeldeformular der G1 folgenden Befund am 1. Oktober 1997:
24"Massiver Hartspann der gesamten HWS-Muskulatur; Druckschmerz über der gesamten HWS und der oberen Brustwirbelsäule (BWS); Rotation HWS schmerzhaft eingeschränkt; Schmerzen auch im Bereich linke Schulter.
25Diagnose: schwerste HWS-Distorsion nach Verkehrsunfall mit nachfolgender radikulärer Reizsymptoma¬tik. Befund bei letzter Untersuchung am 10. November 1997: Langsame Besserung der Symptomatik, aber noch belastungsabhängige Ausstrahlung in den Arm hinein, auch noch Cephalgien bei Belastung." (Beiakte 20, Blatt 45 ff.)
26Im Zusammenhang mit diesem Schadensfall holte die G1 auch einen Bericht des Neurologen Dr. med. G in Bezug auf die Klägerin ein. Dieser führte unter dem 10. März 1998 aus (dort Ziffer 9.1): Nach dem vorliegenden kernspintomographischen Befund müsse sicher von einem degenerativen Leiden im Bereich der HWS ausgegangen werden. Es bestehe die schwierige Frage, ob es durch den Unfall zu einer Verschlimme-rung eines vorbestehenden Leidens gekommen sei und dies richtungweisend war. Dies sei eine extrem komplexe Fragestellung, die nur im Rahmen eines sehr ausführlichen, wissenschaftlich begründeten nervenärztlichen Zusatz-Gutachtens geklärt werden könne (Beiakte 20, Blatt 48 ff.).
27Im gleichen Zusammenhang nahm der Operateur der Klägerin im Städt. Klinikum T3 (Chefarzt neurochirurgische Klinik, Prof. Dr. med. habil. T4) unter dem 27. April 1998 gegenüber der G1 wie folgt Stellung: Bei der Klägerin hätten im Wesentlichen alterstypische Verschleißerscheinungen als Folge des aufrechten Ganges vorgelegen. Diagnose: vielfach subligamentär sequestrierter Bandscheibenvorfall bei HW 5/6 links bei gleichzeitiger Spondylosis deformans. Den Verschlei߬erscheinungen komme kein Krankheitswert zu. Die Angaben zum Unfallhergang seien glaubhaft und auch der Unfallmechanismus sei nachvollziehbar, in Form einer Überstreckung bzw. Schleuderung der HWS. Es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen Unfall und Auftreten des Bandscheibenvorfalls. Allerdings sei es wahrscheinlich, dass die vorbeste¬henden, im weitesten Sinne altersentsprechenden Veränderungen der HWS (Anpas¬sungsvorgänge und Verschleißerscheinungen) die Entstehung des Bandscheibenvorfalls durch den Unfall begünstigt hätten. Trotzdem komme dem Unfallereignis als Ursache für den Bandscheibenvorfall ein Anteil von 80 % zu (Beiakte 20, Blatt 56 ff.).
28Parallel zu dieser Haftpflicht-Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und der G1 machte die Beklagte seit März 1998 gegenüber der G1 im eigenen Namen auf sie gemäß § 99 Landesbeamtengesetz (LBG) a. F. übergegangene Ansprüche in Be¬zug auf Behandlungskosten der Klägerin und weiteren Schadensersatz geltend.
29In einer ersten Reaktion hierauf äußerte die G1 unter dem 26. März 1998: Die Kausalität sei noch ungeklärt. Nach Feststellungen ihres technischen Dienstes sei die Unfallkausalität der geltend gemachten Verletzungen so nicht nachvollziehbar. Ansto߬stärke und -richtung seien nicht geeignet, diese Verletzungen hervorzurufen. Der Bericht des Neurologen Dr. G vom 10. März 1998 weise auf Schwierigkeiten der Ab¬grenzung zwischen degenerativem Leiden und Folgen des Unfalls hin.
30Entsprechend der zeitlichen Einschränkungen der Übernahme von Behandlungskosten durch die Unfallfürsorge hatte die Beklagte die Behandlungskosten der Klägerin schon in Bezug auf Behandlungen seit dem 8. Januar 1998 über die Beihilfe berechnet und ihr dies im April 1998 auch schriftlich mitgeteilt.
31Im Regress-Verfahren der Beklagten gegen die G1 teilte diese der Beklagten un¬ter dem 2. Juli 1998 unter Bezugnahme auf den Bericht des Dr. med. G vom 10. März 1998 mit, dass die sie beratenden Ärzte darauf hingewiesen hätten, dass die neurologische Untersuchung vom 29. Oktober 1997 keine eindeutigen neurologischen Ausfälle ergeben habe. Von daher sei auch eine Zunahme der Symptomatik im Rahmen der unfallunabhängigen Bandscheibendegeneration denkbar. Auch habe die Röntgen-funktionsaufnahme vom 28. Januar 1998 eine ansonsten unauffällige Beweglichkeit der HWS gezeigt und im OP-Befund vom selben Tage werde ein intaktes hinteres Längsband beschrieben. Auch dies spreche, entgegen den Attesten des Dr. med. T, gegen eine erhebliche unfallbedingte Schädigung der HWS. Sie hätten der Klägerin deshalb vorge-schlagen, den Direktor der Neurochirurgischen Klinik der Universitätsklinik L1, Prof. Dr. L2, mit der Zusammenhangsbegutachtung zu beauftragen.
32Wegen des vom Gesundheitsamt vorgeschlagenen Zeitraumes für eine Nachuntersu-chung und der andauernden Dienstunfähigkeit der Klägerin beauftragte das Hauptamt der Beklagten das Gesundheitsamt Anfang 1999 mit einer erneuten Untersuchung der Kläge-rin. Dabei sollte neben dem Aspekt der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit auch geprüft werden, ob die am 28. Januar 1998 durchgeführte Operation an der HWS auf Grund der unfallbedingten Verschlechterung im Diagnosebereich erfolgte, oder ob sie auch ohne das Unfallereignis auf Grund der Vorschädigung ohnehin notwendig gewesen wäre.
33Nach einer erneuten orthopädischen Untersuchung der Klägerin beim Gesundheitsamt kam Dr. med. H1 in seinem "Ärztlichen Gutachten im Rahmen von Zurruhesetzungsverfahren von Beamten und Beamtinnen wegen Dienstunfähigkeit" vom 1. Februar 1999 zu dem Gesamtergebnis, dass die medikophysikalische Therapie ausge-schöpft und die Klägerin deshalb dauernd unfähig sei, die Dienstpflichten einer Amtfrau auszufüllen. Dabei werde es für aussichtslos gehalten, dass innerhalb von 6 Monaten die volle Dienstfähigkeit wieder hergestellt werde. In dieser Stellungnahme wurde auf das Unfallnachgutachten des Gesundheitsamts vom 4. Februar 1999 Bezug genommen.
34Die Unfallnachbegutachtung des Gesundheitsamtes der Beklagten vom 4. Februar 1999 (Dr. med. H1, mitgezeichnet: Städt. Medizinaldirektor Dr. T5) erfolgte auf der Grundlage einer am 28. Januar 1999 von Dr. med. H1 durch¬geführten orthopädi¬schen Untersuchung der Klägerin, in der sie angegeben hatte: Sie sei sportlich immer ak¬tiv gewesen und habe vor dem Dienstunfall regelmäßig Sport betrieben, auch Wirbelsäu¬lengymnastik usw. Sie sei vor dem Dienstunfall niemals in or¬thopädischer Behandlung wegen der Wirbelsäule gewesen. Der Unfall habe sich ereignet, als sie mit ihrem Mann im Auto auf dem Weg zur Arbeit gewesen sei. Sie habe auf dem Beifahrersitz gesessen und sich etwa um 40 verdreht mit ihrem Oberkörper zu ihrem fah¬renden Ehemann gewandt, als plötzlich ein Auto mit hoher Geschwindigkeit auf ihrer Seite in den Vorderwagen gefah¬ren sei. Fast unmittelbar nach dem Aufprall habe sie Schmerzen im linken Unterarm und der linken Hand verspürt, zunehmend sei es zu einer Nackensteife gekommen und sie habe auch Schwindel gehabt. Derzeit spritze ihr der Orthopäde Dr. T einmal wö¬chentlich in die kleinen Wirbelgelenke; zudem erhalte sie zweimal wö¬chentlich Manual-Therapie und Krankengymnastik, auch eine Akupunktur trage zur Mus¬kelentspannung bei, helfe jedoch nur vorübergehend. Sie fühle sich weiterhin absolut nicht arbeitsfähig und habe ständige Beschwerden im linken Arm und Schulter-Nacken-Bereich sowie erhebliche Schwindelerscheinungen. Im Dunkeln habe sie eine extreme Fallnei¬gung; leichte Hausar-beiten könne sie verrichten, jedoch habe sie erhebliche Probleme beim Heben und Tra-gen, beim Arbeiten über Kopf und bei Haltevorgängen, z.B. beim Bü¬geln. Im linken Bein verspüre sie hin und wieder ein dumpfes Gefühl im Bereich der Fu߬sohle, der zuvor vor-handene Kraftverlust im linken Bein habe sich nach etwa 3-4 Monaten deutlich gebessert. Seh- und Hörstörungen habe sie nicht, jedoch nach wie vor Schwindel und Gleichge-wichtsstörungen, vor allem beim Drehen des Kopfes nach links. Liegen könne sie zurzeit nur auf einem HWS-Kissen, hin und wieder hätte sie auch Schluckstö¬rungen und sei hei-ser. Über das Versorgungsamt sei ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt worden.
35Unter Berücksichtigung der Röntgenbilder der HWS der Klägerin vom 1. Oktober 1997 sowie der Kernspintomographie der HWS vom 28. Oktober 1997 kamen die Amtsärzte zu der dienstunfallabhängigen Diagnose: Posttraumatisches Zervi¬kobrachialsyndrom links nach Beschleunigungsverletzung der HWS vom 01.10.1997, Zu¬stand nach Bandschei-benausräumung und Versteifung des Segmentes C5/C6 vom 28.01.1998.
36Dienstunfallunabhängige Diagnosen:
371. Degenerative Veränderungen der unteren HWS
382. Zustand nach Schleudertrauma vor 11 Jahren.
39Die Unfallnachbegutachtung gelangte im Wesentlichen zu der folgenden Gesamtbeurtei-lung: Der Dienstunfall am 1. Oktober 1997 habe vor allem auf Grund der neurologischen Störungen trotz durchgemachter Operation zu einer erheblichen Einschränkung der physi-schen und psychischen Leistungsfähigkeit der Klägerin geführt. Sie sei zur Zeit nicht in der Lage, als Amtfrau im Bereich der Feuerwehr an einem PC-Arbeitsplatz tätig zu sein. Die Voraussetzungen für eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gemäß § 45 LBG seien eindeutig gegeben. Da sie auf Grund eines Dienstunfalles in den Ruhestand versetzt werde, seien die Voraussetzungen zur Gewährung von Unfallruhegeld gemäß § 36 Be-amtenversorgungsgesetz (BeamtVG) gegeben. Der bei dem Dienstunfall eingetretene Körperschaden (Minderung der Erwerbsfähigkeit) betrage zurzeit 40 v. H. Obwohl im glei-chen Diagnosebereich ein Vorschaden vorgelegen habe, sei das Unfallereignis der¬art gra-vierend gewesen, dass der Vorschaden gegenüber dem dienstunfallbedingten Schaden zurücktrete. Bandscheibenvorfälle träten überwiegend ohne adäquate Trauma auf, wobei sich die neurologischen Störungen meistens allmählich verstärkten. Das Ver¬hältnis zwi-schen Vorschaden zum Unfallereignis schätze er mit 40 zu 60 ein. Weil der Verlauf der Erkrankung sehr unterschiedlich sein könne, halte er eine Nachuntersuchung nach zwei Jahren für erforderlich. Dann sei auch eine neurologische Zusatzbegutachtung erforder-lich. Es bestehe durchaus die Möglichkeit, dass sich der Zustand durch Einsteifung des Segmentes C5/C6 im Bereich der HWS verbessere, die Beschwerden geringer wür¬den und wieder Dienstfähigkeit eintrete. Andererseits könne es jedoch auch zu einer Zu¬nahme der neurologischen Störung kommen. Sämtliche Behandlungskosten seien ab dem 01.10.1997 bis zur Nachtuntersuchung drei Jahre nach dem Unfallereignis im Okto-ber 2000 von der Beamtenunfallfürsorge zu übernehmen.
40Dieses Unfallnachgutachten wurde der Klägerin gegenüber von der Beklagten, insbeson-dere von Personal- oder Hauptamt, zunächst nicht durch Bescheid bekannt gegeben oder in Be¬scheidform umgesetzt. Es erfolgte jedoch wieder die Übernahme von Be¬handlungs-kosten für Physiotherapie, orthopädische Behandlung mit Spritzen, Aku¬punktur u.ä. aus Mitteln der Unfallfürsorge, jedoch ohne Bescheide.
41Unter dem 14. April 1999 nahm der Amtsarzt Dr. med. H1 gegenüber dem Hauptamt der Beklagten auf dortiges Ersuchen erneut in Form eines Kurzgutachtens zur Dienstfä¬higkeit, der Verursachung der Dienstunfähigkeit durch den Dienstunfall am 1. Oktober 1997 und den Voraussetzun¬gen eines Unfallruhegehalts entsprechend der Unfallnachbegutachtung vom 4. Februar 1999 Stellung.
42Im April 1999 stellte das Versorgungsamt E bei der Klägerin einen Grad der Be¬hinderung (GdB) von 40 auf der Grundlage der folgenden Funktionsbeeinträchtigungen fest:
431. Posttraumatisches Zervikobrachialsyndrom links nach Beschleunigungsverlet¬zung der Halswirbelsäule, Bandscheibenoperation und Versteifung des Seg¬men¬tes C5/C6.
442. Ohrgeräusche.
453. Wiederholte Bronchitis.
46Mit Verfügung des Hauptamtes der Beklagten vom 9. Juli 1999 wurde die zu diesem Zeit-punkt immer noch dienstunfähige Klägerin, die gegen diese Maßnahme keine Einwendun-gen erhoben hatte, wegen dauerhafter Dienstunfähigkeit gemäß § 45 Abs. 1 i.V.m. § 50 Abs. 2 LBG a.F. mit Ablauf des Monats Juli 1999 in den Ruhestand versetzt.
47Mit Versorgungs-Festsetzungsbescheid vom 28. Juli 1999 gewährte die Beklagte der Klä-gerin ab dem Beginn des Ruhestandes Unfallruhegehalt aus der Besoldungsgruppe A 11 mit einem unter Anwendung von Übergangsrecht gemäß § 85 Abs. 1 BeamtVG ermittelten Ruhegehaltsatz von 67,44 %, ohne einen Versorgungsabschlag wegen vorzeitiger Zurru¬hesetzung. Wegen der im Jahre 1998 erfolgten Ehescheidung von ihrem früheren Ehe¬mann (sie war mittlerweile wieder verheiratet mit dem Ehenamen Uhr) erfolgte wegen Ver¬sor¬gungsausgleichs eine geringfügige Kürzung nach § 57 BeamtVG. Im Ergebnis erhielt die Klägerin ein Ruhegehalt von brutto monatlich DM 3.924,28. Wegen der weiteren Einzel¬heiten der Festsetzung des Unfallruhegehalts wird auf Beiakte 13, Blatt 32 ff. Bezug ge¬nommen.
48Nach der vorzeitigen Zurruhesetzung der Klägerin machte die Beklagte erneut gegenüber der G1 Schadensersatz wegen des Verkehrsunfalls der Klägerin aus übergegan¬genem Recht gemäß § 99 LBG a.F. geltend, wobei nunmehr insbesondere die während der Dienstunfähigkeit bis zur Zurruhesetzung weitergezahlten Dienstbezüge im Umfang von DM 84.045,96 gefordert wurden.
49Parallel hierzu hatte auch die Klägerin im eigenen Namen ihre Ansprüche gegen Fahrer und Halter sowie die G1 weiter verfolgt. Das von der G1 ins Auge gefasste Zusammenhangsgut¬achten war anscheinend nicht beauftragt worden. Statt dessen hatte die Klägerin schon im Juli 1998, vertreten durch Rechtsanwalt C aus E, beim Landgericht (LG) E gegen den Fahrer des Opel Frontera, die Halterin sowie die G1 die Klage 13 O 263/98 erhoben, mit der sie unter Anrechnung erfolgter Zahlungen Schmerzensgeld von über DM 30.000,00, die Feststellung der Ver¬pflichtung der Beklagten zur Tragung aller gegenwärtigen und künftigen Behand¬lungskosten sowie einen Haushaltsführungs-Schaden geltend machte.
50Im August 2000 erhob auf Grund der weiterhin in Bezug auf den Ursachenzusammenhang zweifelnden Haltung der gegnerischen Versicherung auch die Beklagte vor dem LG E aus übergegangenem Recht Klage gegen die Unfallgegner und die Versi¬cherung (13 O 389/00), mit der sie über DM 150.000,00 zuzüglich Zinsen sowie die Fest¬stellung der Verpflichtung zur Kostentragung für zukünftige Schäden begehrte. Das Zah¬lungsver-langen setzte sich aus ca. DM 12.000,00 für Behandlungskosten, etwa DM 84.000,00 Dienstbezüge sowie ca. DM 23.000,00 Versorgungsbezüge zusammen. Die Beklagte ließ sich dort anwaltlich vertreten. Ein koordiniertes Vorgehen auf Kläger¬seite fand in diesen Prozessen nicht statt. Insgesamt zeichneten sich diese zivilgerichtlichen Verfahren durch eine lange Laufzeit aus. Dabei spielte – neben häufigen Dezer¬natswechseln – eine Viel-zahl eingeholter Sachver¬ständigengutachten eine maßgebliche Rolle, bei denen längere Bearbeitungszeiten ent¬standen. Zeitweilig gingen auch die Gerichtsakten verlustig.
51Im Verfahren des LG E 13 O 263/98 ermittelte das Gericht den Sach¬verhalt durch Einholung eines interdisziplinären schriftlichen Sachverständigengutachtens, beste¬hend aus einem verkehrsunfallanalytischen und einem medizinischen Sachverstän¬digen-gutachten, zu den Fragen, welche Verletzungen die Klägerin in Folge des Verkehrs¬unfalls am 1. Oktober 1997 erlitten hatte, von wann bis wann die Klägerin in welchem Um¬fang in Folge des Unfalles arbeitsunfähig/erwerbsunfähig war, inwieweit sich etwaige Vorschäden auf die unfallbedingten Folgen ausgewirkt haben, und inwieweit die Klägerin in der Haus-haltsführung eingeschränkt war/ist (Hinweis- und Beweisbeschluss vom 16. Dezember 1998, Beiakte 17, Blatt 94 ff.). Da der medizinische Sachverständige (Univ.-Prof. Dr. med. R. L3, Direk¬tor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der I1-Universität E) ein neurologisches Zusatzgutachten für notwendig hielt, wurde auch dies vom Landgericht E beauftragt.
52Als erstes Sachverständigengutachten erging im Verfahren LG E 13 O 263/98 das unfallanalytische Gutachten des Ingenieur-Büro Dr. Ing. Q (52 Seiten) vom 8. März 2000 über den Unfallhergang, die einwirkenden Kräfte und Ge¬schwindigkeiten bzw. Geschwindigkeitsänderungen einschließlich der biomechanischen Belastungen. Der Sachverständige gelangte im Wesentlichen zu dem Ergebnis:
53"Auf der Basis der dokumentierten Unfallfolgen ist ein schräg zur Fahrzeug¬längs¬achse gerichteter Anstoß gegen die rechte Frontecke des Fahrzeu¬ges 03 (Opel Kadett), in dem sich die Klägerin als Beifahrerin befand, mit einem deutlichen seitlichen Stoßanteil abzuleiten.
54Dieser Anstoß erfolgte durch das Fahrzeug 02 (Honda Accord), während es sich nach dem ersten Anstoß zwischen dem Fahrzeug 02 und dem Beklagtenfahrzeug (Opel Frontera) in ei¬ner Drehbewegung um die Hochachse befunden hatte.
55In Folge des schrägen Anstoßes war die ursprüngliche Bewegung des Fahr¬zeuges 03 geringfügig abge¬bremst und neben einer allenfalls sehr ge¬rin¬gen Richtungsänderung im Wesentlichen Wankbewegungen sowie De¬formati¬onen an wenig struktursteifen Karosserie- und Verkleidungsteilen versursacht worden.
56Die resultierenden Insassenbelastungen können, im Vergleich zu durchge¬führten Versuchen und ausge-werteten Realunfällen, als eindeutig unkritisch, mit Beschleunigungsspitzen zwischen 1 bis 1,5 g, ange-geben werden.
57Inwieweit auch solche geringen biomechanischen Belastungen geeignet gewe¬sen sein können, einen be¬reits bestehenden deutlichen Vorschaden im Be¬reich der Wirbelsäule derart zu beeinflussen, dass die geschilderten Be¬schwerden auftreten konnten, bedarf der medizinischen Beurteilung."
58Eine Kollision zwischen dem Geländewagen Opel Frontera und dem Opel Kadett, in dem die Klägerin saß, habe nicht vorgelegen. Die Geschwindigkeitsänderung durch die Kolli¬sion quer zur Fahrzeuglängsachse habe bei einer Stoßdauer von 0,1 Sekunde – zu Guns¬ten der Klägerin – nicht mehr als 5 km/h betragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverständigengutachtens wird auf Beiakte 17, Blatt 162 bis 214 verwiesen.
59Während der sich hieran anschließenden medizinischen Begutachtung im Zivilprozess, die einige Zeit in Anspruch nahm, trat bei der Beklagten die Frage auf, ob die intensive Be-handlung der Klägerin, die diese regelmäßig in Anspruch nahm, weiterhin erforderlich bzw. durch die Folgen des Dienstunfalles geboten war. Hierzu hatte die Klägerin ein fachortho-pädisches Attest ihres behandelnden Orthopäden Dr. med. T vom 17. August 2001 vorgelegt, im dem dieser im Wesentlichen attestierte: Als Folge des Unfalls im Jahre 1997 sei ein operationswürdiger Bandscheibenvorfall behandelt worden; postoperativ bestünden weiterhin Beschwerden im Sinne von Cephalgien, Cervicobrachialgien sowie rezidivieren-den Hypästhesien im Versorgungsgebiet C4/5/6. Die Therapie bestehe aus regelmäßiger Gabe von Analgetika/Antiphlogistika, regelmäßiger Schmerzakupunktur sowie der Verord-nung von physikalischer Therapie. Die Kombination dieser drei Maßnahmen sei notwen¬dig.
60Im Hinblick auf diese Fragestellung beauftragte das Hauptamt der Beklagten das Gesund-heitsamt mit einer entsprechenden gutachterlichen Stellungnahme. Nach orthopädischer Untersuchung der Klägerin im Gesundheitsamt am 6. September 2001 nahm Dr. med. H1 unter Mitzeichnung des Städt. Medizinaldirektors Dr. med. T5 unter dem 11. September 2001 im Wesentlichen wie folgt Stellung: Er halte zur Zeit in Bezug auf die Unfallfolgen noch einmal wöchentlich eine Schmerztherapie bei dem Orthopäden Dr. T für erforderlich, darüberhinaus zweimal wöchentlich Krankengymnastik bis ein¬schließlich März 2002. Damit der Körper auch auf die gesetzten Reize reagieren könne, sollte allmählich versucht werden, die umfangreiche Behandlung zu reduzieren, da im Körper auch Regenerationsvorgänge erfolgen würden. Ab April 2002 empfehle er deshalb nach Rücksprache mit der Klägerin vierteljährliche Behandlungsserien von etwa 10 Behandlungen mit anschließender Regenerationsphase.
61Dieses Ergebnis teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 27. September 2001 mit.
62Auf eine Anfrage der Klägerin aus dem Oktober 2002, mit der diese die Behandlungsfre-quenz wieder erhöhen wollte, weil es ihr auf Grund der abgesenkten Häufigkeit ab Ap-ril 2002 schlechter gegangen sei, nahm das Gesundheitsamt unter dem 22. November 2002 (Dr. med. H1/Dr. med. T5) dahingehend im Wesentli¬chen Stellung, die Physi¬otherapie solle in Bezug auf den Dienstunfall unverändert mit 10 Behandlungen pro Quar¬tal erfolgen. In Bezug auf die (dienstunfallunabhängige) Er¬krankung der linken Schulter seien zusätzliche krankengymnastische Übungsbehandlun¬gen sowie Akupunktur und wegen einer Verkalkung im Schultergelenksbereich auch eine dreimalige extrakorporale Sto߬wellentherapie erforderlich, wobei diese genannten Be¬handlungen von der Bei¬hilfe/privaten Krankenversicherung zu tragen seien.
63Das Hauptamt der Beklagten teilte der Klägerin dieses Ergebnis unter dem 8. Januar 2003 mit.
64Wenig zuvor war im Verfahren LG E 13 O 263/98 ein weiteres Gutachten erstat¬tet worden. Das neurologisch fachärztliche Zusatzgutachten des Prof. Dr. med. T6, Leitender Oberarzt der neurologischen Klinik der I1-Universität E (unter Mitwirkung der Ärztin D) vom 25. Oktober 2002 kam zu den Beweisfra¬gen zu den folgenden Ergebnissen:
651. Die Klägerin habe in Folge des Verkehrsunfalles vom 1. Oktober 1997 ein HWS-Dis-torsionstrauma erlitten, wobei es zu einer richtungweisenden Ver¬schlechterung ih¬rer vorbestehenden degenerativen HWS-Veränderungen ge¬kommen sei. Dies sei Grund für die am 28. Januar 1998 durchgeführte Bandscheiben-OP bei HWK 5/6 gewesen.
662. Die Klägerin sei in Folge der neurologischen Störungen, die Folge des Un¬falles gewe-sen seien, bis zur OP und anschließender Rekonvaleszenz bis Mitte Ap¬ril 1998 zu 100 % arbeitsunfähig gewesen.
673. Die Vorschäden, die bereits an der HWS der Klägerin bestanden hätten, hät¬ten sich auf die unfallbedingten Folgen ausgewirkt.
684. Die Klägerin sei in den Monaten Oktober 1997 bis April 1998 in ihrer Haushalts¬füh¬rung vollständig eingeschränkt gewesen. Danach hätten sich auf neurologischem Fachge-biet keine Schädigungszeichen ergeben, die einer Haushaltsführung entge¬gen gestan-den hätten.
69In Bezug auf das Verhältnis von Vorschädigung und Unfall kam der Gutachter zu der Ein-schätzung, dass der Unfall für die Operation im Sinne einer richtungs¬weisenden Ver-schlechterung mitverantwortlich für die therapieresistenten Schmerzen und die Notwen-digkeit einer operativen Sanierung war.
70Das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. T6 gelangte über Rechtsamt und Hauptamt der Beklagten an das Gesundheitsamt zur Stellungnahme. Dieses äußerte sich unter dem 16. Januar 2003 durch Dr. med. H1 im Wesentlichen wie folgt: In Gesamt-würdigung der bisherigen Befunde sei davon auszugehen, dass das Verhältnis zwischen Vorschaden und unfallbedingtem Schaden (HWS-Schleudertrauma Grad II) im Laufe des Krankheitsprozesses eher mit 50 : 50 einzuschätzen sei, und nicht wie von Prof. T4 angegeben mit 20 : 80, bzw. von ihm selbst 1999 mit 40 : 60. Es lasse sich nicht mit hin-reichender Sicherheit sagen, ob der Bandscheibenvorfall vor dem Unfallereig¬nis schon bestanden habe und klinisch stumm war oder direkt durch das Unfallereignis ausgelöst worden sei, da keine exakten Befunde vorlägen.
71Mit größerer Wahrscheinlichkeit wäre ohne den Unfall keine Bandscheiben-Operation not-wendig gewesen, da degenerative Wirbelsäulenerkrankungen auch bei Vorliegen einer Protrusion überwiegend konservativ behandelt würden. Deshalb sei das Unfallereignis we-sentliche Ursache für die Notwendigkeit einer Operation. Die Dienstunfähigkeit hätte auch bei konservativer Behandlung und ohne Operation auf Grund einer Verschlechterung der HWS-Beschwerden auftreten können, allerdings zu einem weitaus späteren Zeitpunkt. Ohne den stattgehabten Unfall von 1997 wäre eine vorzeitige Versetzung in den Ruhe-stand eventuell nach einem Ablauf von etwa 10 bis 20 Jahren, also im Alter von 50 bis 60 Jahren möglich gewesen. Auf jeden Fall sei das Unfallereignis weiter als Dienstunfall zu bewerten, jedoch sei eine regelmäßige Nachuntersuchung zur Frage der Dienstunfä¬higkeit alle zwei Jahre sinnvoll.
72Das Verhältnis zwischen Vorschaden und dienstunfallbedingtem Schaden ändere sich im Laufe der dynamischen Krankheitsentwicklung. Zumindest im ersten Jahr nach dem Un-fall, also bis Oktober 1998, hätten die dienstunfallbedingten Störungen überwogen, even-tuell Verhältnis 40 : 60, und ab dem zweiten Jahr seien Vorschaden und unfallbedingter Schaden etwa als gleichwertig anzusehen gewesen. Selbst bei schweren Schleudertrau-men seien jedoch die Unfallfolgen nach ein bis zwei Jahren derart vermindert, dass sie gegenüber dem degenerativ bedingten Vorschaden in den Hintergrund träten. Möglicher-weise habe diese Feststellung auch Auswirkungen auf das Unfallruhegeld, denn die dau-ernde Dienstunfähigkeit beruhe dann überwiegend auf den degenerativ bedingten Vorer-krankungen. (Beiakte 25, Bl. 79 ff.)
73Nachfolgend erstattete im Verfahren LG E 13 O 263/98 auch der Sachverstän¬dige Univ.-Prof. Dr. med. L3 sein fachorthopädisches Gutachten vom 20. Oktober 2003 unter Mitwirkung des PD Dr. med. A. X (Oberarzt der Orthopädi¬schen Klinik und Poliklinik der I1-Universität E). Der Sachverstän¬dige kam auf der Grundlage einer gutachterlichen Untersuchung der Klägerin vom 7. Februar 2001 und Befundung der bei ihm vorgelegten bildgebenden Unterlagen und der sonstigen medizinischen Befunde zu der Einschätzung, dass bei der Klägerin zum Unter¬suchungszeitpunkt eine ausgeprägte, schmerzhafte Bewegungsein¬schränkung der HWS, eine deutliche schmerzhafte aktive Bewegungseinschränkung der linken Schulter bei pas¬siv freier Beweglichkeit unter Schmerzangabe, eine diffuse Kraft¬minderung im Bereich der linken oberen Extremität sowie nicht sicher segmental zuord¬nenbare Sensibilitätsstörung im Bereich der linken Hand sowie des linken vorderen Schienbeinabschnittes und der lin¬ken Ferse vorgelegen habe. Röntgenologisch habe sich nach Bandscheibenausräumung und Spondylodese C5/C6 mittels Palacosplombe eine beinahe vollständig aufgehobene Beweglichkeit im Bereich der Halswirbelsäule mit fixier¬ter Streckfehlhaltung und leichtem kyphotischem Knick im Segment C5/C6 gezeigt. Die Beweis¬fragen beantwortete der Sachverständige wie folgt:
741. Die Klägerin habe im Rahmen des Unfalls am 1. Oktober 1997 eine Beschleuni¬gungs-verletzung der HWS mit der Folge posttraumatischer Zervi¬cobra¬chialgien links erlitten. Dies wird im Wesentlichen auf die Trias "Trauma - sofort einsetzende typische Be-schwerden - Beschwerdefreiheit unmittelbar vor dem Er¬eignis" gestützt.
752. Aus orthopädischer Sicht sei die Arbeitsunfähigkeit in Folge des Unfalles wie folgt ab-zustufen: 100 % vom 1. Oktober 1997 bis 1. März 1998, 80 % vom 2. März 1998 bis 1. Mai 1998, 20 % vom 2. Mai 1998 bis 1. Oktober 1999; die Dauer-MdE in Folge des Unfalls ab dem 2. Oktober 1999 sei 10 %. Diese Ein¬schätzung orientiere sich an der entsprechenden Literatur und entspreche im Wesentlichen derjenigen des neurologi-schen Zusatzgutachtens. Es habe zu¬mindest eine richtungweisende Verschlimmerung eines vorbestehenden Lei¬dens durch den Unfall gegeben, wes¬halb die Dauer-MdE von 10 % auf den 2. Oktober 1999 gerechtfertigt sei.
763. Zum Unfallzeitpunkt hätten degenerative Veränderungen, insbesondere im Seg¬ment C6 vorgelegen, die allein radiologisch festgestellt werden konnten, da ein kli¬nisches Korrelat nach der glaubhaften Aussage der Klägerin vor dem Unfall nicht vorgelegen habe. Weil somit ein klinisch funktionell manifester Gesundheitsschaden im Sinne ei-nes Grundleidens nicht vorgelegen habe, sei auf Grund der Datenlage zumindest von einer richtungweisenden Ver¬schlimmerung eines vorbestehenden Schadens auszuge-hen, insbesondere unter Berücksichtigung der späteren Operati¬onsbedürf¬tig¬keit des Bandschei¬benschadens C5/C6. Die vorliegenden degenerati¬ven Veränderungen wür-den den klinischen Verlauf verzögern, weshalb der Mitwir¬kungsanteil der unfallun¬ab-hängigen, degenerativen Veränderungen im Verlauf zu¬nehme.
77Das Gesundheitsamt der Beklagten nahm zu diesem Gutachten gegenüber dem Haupt-amt durch Dr. med. H1 unter dem 1. Dezember 2003 im Wesentlichen wie folgt Stel¬lung: Prof. Dr. L3 und Prof. Dr. T6 hätten beide die vom Gesundheitsamt ge¬fer¬tigten Gutachten, insbesondere dasjenige des Herrn S vom 28. Januar 1998, nicht berücksichtigt, um den dynamischen Krankheitsverlauf und die Entwicklung zwischen dienstunfallbedingtem Schaden und Vorschaden besser beurteilen zu können. Herr S und er selbst hätten die Klägerin schnell nach dem Unfall untersucht und insbesondere er selbst sei der einzige Gutachter, der die Klägerin genau ein Jahr nach der Bandscheiben-operation in Höhe C5/C6 untersucht und begutachtet habe. Daher könne er den Zeitraum zwischen der operativen Versorgung und Januar 1999 wesentlich besser beurteilen als die Gutachter lange nach dem Unfallereignis.
78Auf weitere Anfrage des Amtes für Personalservice und Zentrale Dienste (Amt 11/27) am 14. Januar 2004 an das Gesundheitsamt, ob überhaupt noch dienstunfallbedingte Schädi-gungen vorlägen, die Therapien und Behandlungen erforderlich machen, deren Kosten zu übernehmen seien, nahm Dr. med. H1 unter Mitzeichnung des Facharztes für Innere Medizin und für Öffentliches Gesundheitswesen, Zusatzbezeichnung Sozialmedizin, Dr. med. T5, unter dem 13. Februar 2004 nach orthopädischer Untersuchung am 9. Februar 2004 zunächst nicht umfassend Stellung. Auf entsprechende erneute An¬frage des Personalamtes vom 3. September 2004 sah das Gesundheitsamt die Erforder¬lichkeit weiterer Zusatz-Untersuchungen und –befunde. In Bezug auf die Notwendigkeit einer Cervicalstütze aus Mitteln der Beamtenunfallfürsorge nahmen Dr. med. H1 und Dr. med. T5 unter dem 8. November 2004 im Wesentlichen wie folgt Stel¬lung: Bei der Klägerin lägen Erkrankungen im Bereich der HWS vor, die sowohl dienstun¬fallbe¬dingt als auch nicht dienstunfallbedingt identische Beschwerden verursachen würden und möglicherweise die Versorgung mit einer Cervicalstütze erforderlich machen würden. Sie¬ben Jahre nach dem Dienstunfall müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass mitt¬lerweile die dienstunfallunabhängigen Erkrankungen für die jetzigen Beschwerden ver¬ant¬wortlich seien. Ausnahmsweise sei er bereit, nochmals eine Cervicalstütze aus Mitteln der Beamtenunfallfürsorge zu befürworten, da diese das Operationsergebnis möglicher¬weise stabilisiere. Sollten weitere medico-physikalische Maßnahmen an der Wirbelsäule wegen Beschwerden erfolgen, so seien diese jedoch nicht mehr von der Dienstunfallfür¬sorge zu übernehmen.
79Nach Einholung eines internistischen Zusatzgutachtens innerhalb des Gesundheitsamtes in Bezug auf einen Zusammenhang einer möglichen chronischen Gastritis der Klägerin mit dem Autounfall (Dr. T7) vom 17. Mai 2005 (Beiakte 25, Blatt 123) kam das Gesund-heitsamt unter dem 30. Mai 2005 (Dr. med. H1/Dr. med. T5) im Wesentli¬chen zu dem Ergebnis:
80Dienstunfallabhängige Diagnose: Zustand nach Beschleunigungsverletzung der HWS vom 1. Oktober 1997 mit Ausbildung eines posttraumatischen Zervikobrachialsyndroms links, Zustand nach Bandscheibenausräumung und Versteifung des Segments C5/C6 vom 28.01.1998.
81Dienstunfallunabhängige Diagnosen: 1. Degenerative Veränderungen der unteren HWS als Vorschaden; 2. Zustand nach Schleudertrauma vor 11 Jahren (anamnestisch); 3. Funktionelle Beschwerden bei Kalkschulter links.
82Nachdem in den Zivilverfahren LG E 13 O 263/98 und 13 O 389/00 die Beteilig¬ten erhebliche Einwände gegen die Verwertung der Sachverständigengutachten des Prof. Dr. T6 sowie des Prof. Dr. L3 erhoben hatten, erging im Verfahren 13 O 389/00 ein weiterer Beweisbeschluss, in dem ein weiteres interdisziplinäres Sach¬verständigen¬gutachten angeordnet wurde, bestehend aus einem verkehrsunfallanalyti¬schen und einem medizinischen Teil. Zu Sachverständigen ernannt wurden Prof. Dipl.-Ing. T8 (unfallanalytisch) und Prof. Dr. med. D1 (medizinisch-orthopädisch). Die Beweisfragen lauteten:
831. Hat die Klägerin durch die Kollision mit dem Fahrzeug X XX 000 am 1. Oktober 1997 ein akutes Schleudertrauma mit Brachiomyalgien und Cephalgien und einen Bandschei¬benvorfall in Höhe der C5/C6 erlitten?
842. Haben die unfallbedingten Verletzungen der Klägerin dazu geführt, dass sie ihren Dienst nicht mehr aufnehmen konnte und zum 1. August 1999 in den Ruhestand versetzt werden musste?
853. Inwieweit haben sich etwaige Vorschäden auf die unfallbedingten Folgen ausgewirkt?
86Im Parallelverfahren LG E 13 O 263/98 ordnete das Gericht mit Beweisbeschluss vom 21. Mai 2004 ergänzende Stellungnahmen der Sachverständigen Prof. Dr. T6 und Prof. Dr. L3 im Hinblick auf Rügen der Beteiligten an.
87In der Folgezeit gingen im Verfahren LG E 13 O 263/98 die Zusatz-Gutachten ein: Prof. Dr. T6 (unter Beteiligung von Assistenzarzt R. M) nahm unter dem 5. April 2005 ergänzend Stellung (zu den Einzelheiten siehe Beiakte 22, Bl. 515 ff.).
88Der Sachverständige Prof. Dr. med. L3 nahm ergänzend unter dem 8. September 2005 Stellung (siehe Beiakte 22, Bl. 538 ff.).
89Kurz zuvor hatten im Verfahren LG E 13 O 389/00 die Sachverständigen unter dem 16. Juni 2005 ihr interdisziplinäres Gutachten erstattet. Der technische Teil war von Prof. Dipl. Ing. K.-H. T8 im Zusammenarbeit mit Dipl.-Ing. H. T9 er¬stellt worden (13 Seiten + 33 Seiten Anlagen) und kam zu dem Gesamtergebnis, dass der Opel Kadett, in dem die Klägerin saß, nicht mit dem Opel Frontera zusammengestoßen sei, sondern der Honda Accord mit dem Opel Frontera zusammenstieß und dadurch in eine Drehbewegung versetzt wurde und so seinerseits mit dem Opel Kadett, in dem die Kläge¬rin saß, zusammenstieß. Dadurch sei der Opel Kadett schräg von vorne rechts be¬las¬tet worden. Auf der Grundlage von Versuchsergebnissen habe die kollisionsbedingte Geschwin-digkeitsänderung – bezogen auf die Sitzposition der Klägerin – zwischen 8,9 und 12,0 km/h eingegrenzt werden können. Durch den Anstoß habe die Klägerin eine Bewe-gung nach vorn rechts ausge¬führt. Es sei nicht auszuschließen, dass sie einen Kopfanstoß erlitten habe. Die abschlie¬ßende Beurteilung der Verletzungswahrscheinlichkeit bleibe dem medizinischen Experten vorbehalten. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Gut¬achtens wird auf Beiakte 2, Blatt 226 ff., ver¬wiesen.
90Im orthopädischen Teil des interdisziplinären Gutachtens kam der Sachverständige Prof. Dr. med. W. H. M. D1 in seinem Teilgutachten (54 Seiten) im Wesentlichen zu den fol-genden Ergebnissen:
91Aus orthopädischer Sicht ergäben sich unter Berücksichtigung der Aktenlage sowie auch der persönlichen Begutachtung am 22. April 2005 keine sicheren Hinweise für verlet-zungsfördernde Faktoren im Bereich der HWS zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles am 1. Oktober 1997. Diese Einschätzung bezog sich auf die Auswirkungen der schon vor dem Unfall bestehenden degenerativen Veränderungen der HWS der Klägerin, den Überra-schungseffekt bei dem Unfall, ihre Rolle als Beifahrerin sowie ihre spezielle Sitzposition und Kopfhaltung im Moment des Zusammenstoßes ("out-of-Position").
92Sowohl für die isoliert gewertete biomechanische Belastung in Fahrzeuglängsrichtung als auch für die einwirkende biomechanische Belastung in Fahrzeugquerrichtung sowie die resultierend von schräg vorne rechts einwirkende biomechanische Belastung im Sinne ei-ner kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von 8,9 bis 12,0 km/h kam der Sach-verständige, sogar ausge¬hend von der höchstmöglichen einwirkenden biomechanischen Belastung, zu dem Ergebnis, dass eine Verletzungsmöglichkeit für die HWS der Klägerin aus orthopädischer Sicht noch eher aus¬geschlossen werden könne. Das gelte dann in der Regel auch entsprechend für das Auf¬treten einer Verletzung, so dass Verletzungsfolgen nicht weiter diskutiert werden müssten. Nach Auseinandersetzung mit den Beschwerden, die nach den Angaben der Klägerin unmittelbar nach dem Unfall bei ihr aufgetreten waren und die die erstbehandelnden Ärzte befundet haben, kommt der Sachverständige zu den Beweisfragen aus orthopädischer Sicht zu dem Ergebnis:
93"1. Frau V1 (früher Frau I) – Beifahrerin in dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX XX 000 – hat zumindest eher durch die Kollision mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen X XX 000 am 01.10.1997 kein akutes Schleudertrauma mit Brachiomyalgien und Cephalgien und einen Bandscheibenvorfall in Höhe C5/C6 erlitten.
942. Unter Berücksichtigung der Beantwortung der Frage 1 hat der Unfall am 01.10.1997 zumindest eher nicht dazu geführt, dass Frau V1 ihren Dienst nicht mehr aufnehmen konnte und zum 01.08.1999 in den Ruhestand versetzt werden musste.
953. Unter Berücksichtigung der Beantwortung der beiden o.g. Fragen kann festgehalten werden, dass die bei der Frau V1 bekannten verschleißbedingten Veränderungen der HWS vor dem Unfallereignis am 01.10.1997 nicht als sicherer Hinweis für einen verlet¬zungsfördernden Faktor zum Zeitpunkt des Unfalles am 01.10.1997 für den Bereich der HWS gewertet werden können."
96Nach Vorliegen des interdisziplinären Gutachtens T8/D1 befasste das Rechtsamt sowie das Hauptamt der Beklagten wiederum das Gesundheitsamt mit der Fragestellung. Dieses äußerte sich durch Dr. med. H1 (mitgezeichnet Prof. (BG) Dr. med. H. T10, Leiter des Gesundheitsamtes) unter dem 20. Juli 2005 ausführlich zum interdisziplinären Gutachten im Wesentlichen wie folgt: Insgesamt gesehen sei er nach wie vor der Meinung, dass bei der Klägerin eine deutliche Vorschädigung im HWS-Bereich vorgelegen und sie an diesem Morgen einen deutlich geringeren Muskeltonus aufgewie¬sen habe, als der Fahrzeugführer selbst. Auf Grund der Kombination von niedri¬gem Mus¬keltonus am Morgen als Beifahrerin und deutlicher Vorschädigung ohne Symp¬tomatik vor dem Unfall, sei es durch das Unfallereignis zu einer akuten Exazerbation eines vorher nicht behandlungsbedürftigen und offenbar auch nicht erkannten Leidens der HWS, also einer asymptomatischen Degeneration mit Gewebediskontinuität, gekommen. Dies sei eine richtungweisende Verschlechterung der Symptomatik, die in einer Bandscheiben¬ope¬ration geendet habe. Im Laufe der Jahre bestehe die Symptomatik bis heute weiter, wobei entsprechend dem dynamischen Krankheitsbild davon auszugehen sei, dass die heutigen Beschwerden überwiegend auf Grund der degenerativ bedingten Veränderungen der HWS und kaum mehr auf Grund des durchgemachten Unfalles vom 1. Oktober 1997 vor¬handen seien.
97Gegen das interdisziplinäre Gutachten sei einzuwenden, dass die entsprechenden radio-logischen Medien zum Zeitpunkt des Unfalles und danach nicht persönlich eingesehen worden seien und dass die zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen überwiegend nur für Fahrzeugführer anwendbar seien.
98Die Klägerin habe bei dem Unfall am 1. Oktober 1997 eindeutig eine akute Beschleuni-gungsverletzung der HWS erlitten. Der Gutachter habe zudem die Frage nicht beantwor-tet, ob es auch ohne das Unfallereignis zeitnah zu einer Bandscheiben-OP gekommen wäre. Der Unfall sei jedoch rechtlich wesentlich, denn nur durch sein Hinzutreten zu einer bereits bestehenden asymptomatischen Degeneration sei der Gesundheitsschaden mit großer Wahrscheinlichkeit einige Jahre früher eingetreten, als dies ohne Unfall zu erwar-ten gewesen sei. Zu einem nicht vorhersehbaren späteren Zeitpunkt wären auch ohne das Unfallereignis nahezu identische Beschwerden mit Behandlungsbedürftigkeit bis hin zur Bandscheiben-OP aufgetreten.
99Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Stellungnahme wird auf Beiakte 25, Blatt 144 ff., Bezug genommen. Die Stellungnahme des Gesundheitsamts fand in das Klageverfahren LG E 13 O 389/00 über den Rechtsanwalt der Beklagten inhaltlich Eingang und Berücksichtigung.
100Das Landgericht E führte am 19. Mai 2006 für beide Klageverfahren eine ge¬meinsame mündliche Verhandlung durch, in der der Orthopäde der Klägerin, Dr. med. A. T, der Neurologe Dr. med. H.-H. G, der Operateur Prof. Dr. med. M. T4 sowie der Amtsarzt Dr. med. H1 als sachverständige Zeugen ge¬hört wurden. Dabei waren die Sachverständigen Prof. Dr. L3 und Prof. Dr. D1 anwesend und konnten die Zeugen befragen (zu den Einzelheiten siehe Protokoll dieser mündlichen Ver¬handlung: Bei¬akte 23, Blatt 703 ff., bzw. Beiakte 2, Blatt 389 ff.).
101Aufgrund der Ergebnisse dieser mündlichen Verhandlung reichte die Klägerin die nun¬mehr wieder aufgetauchten radiologischen Befunde (Röntgenbilder und MRT-Aufnahmen) ein und die Sachverständigen Prof. Dr. L3 und Prof. Dr. D1 sollten un¬ter Berücksich¬tigung der bildgebenden Befunde eine gemeinsame abschließende Stellungnahme zu den Beweisfragen erstellen. Die Sachverständigen ga¬ben unter dem 31. Oktober 2006 ihre gemeinsame fachorthopädische gutachtliche Stellung¬nahme (12 Seiten) unter Auswertung der Bildgebung sowie unter Berücksichtigung der Aussagen der Zeugen in der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2006 ab und kamen im Wesentlichen zu dem Ge¬samtergebnis: Aus fachorthopädischer Sicht habe die Klägerin als Beifahrerin in dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX XX 000 zumindest eher durch die Kollision mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen KennzeichenX XX 000 am 1. Oktober 1997 kein akutes HWS-Schleu-dertrauma mit Brachiomyalgien und Cephalgien und einen Bandscheibenvorfall C5/C6 er-litten. Dies gelte auch, wenn man die höchstmögliche einwirkende resultierende biome-chanische Belastung zugrunde lege. Die von mehreren Ärzten dokumentierten Beschwer-den und Befunde nach dem Unfall würden nicht bestritten, könnten jedoch mit den ge-nannten Wahrscheinlichkeiten aus fachorthopädischer Sicht nicht als unfallkausal be-trachtet werden. Das Auftreten einer leichten HWS-Distorsion durch den Unfall vom 1. Oktober 1997 könne nicht ausgeschlossen, jedoch auch nicht mit an Sicherheit gren-zender Wahrscheinlichkeit bewiesen werden.
102Wenn man eine leichte HWS-Distorsion als Unfallfolge anerkenne, wäre die unfallbedingte MdE wie folgt einzustufen: Für die ersten zwei Wochen eine MdE von 100 %, für weitere zwei Wochen 50 % und für weitere zwei Wochen 20 % und anschließend 0 %.
103Die Einzelheiten dieser gemeinsamen gutachterlichen Stellungnahme ergeben sich aus Beiakte 23, Blatt 735 ff., bzw. Beiakte 2, Blatt 421 ff.
104Auf dieser Grundlage entschied das Landgericht E in beiden Klageverfahren, je¬weils durch Urteil vom 27. Juli 2007:
105Im Verfahren 13 O 263/98 verurteilte es den Fahrer des Opel Frontera sowie die G1 unter Abweisung im Übrigen zur Zahlung von 1.521,60 Euro nebst Zinsen. Als be¬gründet sah das Landgericht lediglich Schmerzensgeld von (bereits gezahl¬ten) DM 4.000,00 sowie einen Haushaltsführungsschaden von 1.521,60 Euro. Im Übrigen hielt es die Klage für unbegründet und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Das Ge¬richt sei überzeugt, dass es durch den Unfall zu einem HWS-Schleudertrauma und ei¬ner Irritation der linken Armnerven gekommen sei. Hingegen sei durch den Unfall keine schwerste HWS-Distorsion mit Gefahr einer Querschnittslähmung und kein HWS-Schleu¬dertrauma mit radikulärer Reizsymptomatik erlitten und auch kein Bandscheibenvorfall C5/C6 ausgelöst worden. Das Landgericht ging davon aus, dass es nach den Sachver¬ständigen Stellungnahmen wahrscheinlich sei, dass die Bandscheibenprotrusion zum Un¬fallzeitpunkt bereits vorlag, aber "klinisch stumm" gewesen sei. Es war auch überzeugt, dass der vorhandene Bandscheibenvorfall durch den Unfall zu der OP am 28. Januar 1997 geführt habe, worauf sich das Schmerzensgeld beziehe: Ein leichtes HWS-Schleuder¬trauma mit Irritation der linken Armnerven sowie die Bandscheibenopera¬tion am 28. Januar 1998. In Bezug auf die Operation ist das Gericht davon überzeugt, dass es zu dieser auch ohne den Unfall gekommen wäre, jedoch später. Dass die Klägerin zum 1. August 1999 in den Ruhestand versetzt worden sei, sei nicht auf den Unfall zurück zu führen. Für das Landgericht war es nicht erwiesen, dass der Unfall zu längeren Be¬schwer¬den als ca. 6 Wochen geführt habe. Der Anspruch auf Verdienstausfall bestehe nicht, weil nicht bewiesen sei, dass die Frühpensionierung durch den Dienstunfall verur¬sacht worden sei. Auch das Feststellungsbegehren sei unbegründet, weil nicht bewiesen sei, dass die Klägerin durch den Dienstunfall Dauerschäden erlitten habe, die weitere materielle Schäden verursachen könnten.
106Im Verfahren der Beklagten 13 O 389/00 verurteilte das Landgericht E den Un¬fallgegner und die G1 zur Zahlung von 16.907,38 Euro nebst Zinsen und wies die Klage im Übrigen ab. Die Stattgabe bezog sich auf die von der Beklagten er¬brachten Leistungen für Behandlungskosten bis März 1998 und die vom Un¬falltag bis Ende Ap¬ril 1998 gezahlten Dienstbezüge. Dies stützte das Landgericht im We¬sentlichen darauf, dass es wie zum Verfahren 13 O 263/98 dargelegt von der Verursa¬chung eines leichten HWS-Schleudertrauma durch den Unfall ausgeht, da das gemein¬same Gutachten D1/L3 eine leichte HWS-Distorsion nicht ausschließen könne. Die deshalb kau¬sale HWS-Distorsion nebst einer Irritation der Armnerven werde als Un¬fallfolge angese¬hen, jedoch keine Nervenwurzelschädigung und auch kein Bandscheiben¬vorfall. Zugleich sei die Operation am 28. Januar 1998 zu diesem Zeitpunkt durch den Unfall verursacht worden, weil die ausgelösten Beschwerden hierzu geführt hätten. An¬sonsten sei eine Ope¬ration deutlich später erfolgt. Für Beschwerden und Behandlungs¬kosten oder Verdienst¬ausfall u.ä. nach April 1998 sah das Landgericht keine Anspruchs¬grundlage.
107Im Klageverfahren der Beklagten 13 O 389/00 legte diese auf Empfehlung des Amtsarztes Dr. med. H1 kein Rechtsmittel ein, weshalb das Urteil rechtskräftig wurde.
108Im Eigenprozess der Klägerin 13 O 263/98 erhob die Klägerin – verbunden mit einem Wechsel ihres Bevollmächtigten: nunmehr ihr gegenwärtiger Prozessbevollmächtigter – Berufung gegen das Urteil I. Instanz zum Oberlandesgericht (OLG) E 1 U 208/07 . Nachdem der 1. Zivilsenat des OLG E im Termin vom 2. Juni 2008 darauf hingewiesen hatte, dass erheblicher Bedarf an Erörterung mehrerer Probleme, eventuell auch an einer weiteren Aufklärung (insbesondere des Problems der Bindung an den Bescheid der Stadt E vom 9. Juli 1999, der Fragen der Ver¬jäh¬rung, der überholenden Kausalität sowie der Schadensminderungspflicht) bestehe, und den Parteien einen Abfindungsvergleich in der Größenordnung von 60.000 Euro vorge¬schlagen hatte, einigten sich die Streitparteien auf die Zahlung des genannten Betrages von 60.000,00 Euro zur Abgeltung der Klageforderung und aller Ansprüche der Klägerin aus Anlass des Ver-kehrsunfallgeschehens vom 1. Oktober 1997, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob be-kannt oder unbekannt, aus der Vergangenheit herrührend, gegenwär¬tig oder zukünftig. Über die Kosten des Verfahrens entschied das OLG E mit Be¬schluss vom 4. August 2008, dass gemäß § 91 a ZPO die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben würden, weil ein annähernd gleichwertiges Nachgeben der Parteien bei dem Abfindungsbetrag von 60.000,00 Euro vorgelegen habe, der es recht¬fer¬tige, die Kosten für den Rechtsstreit und den Vergleich im Wesentlichen gleichmäßig auf die Beteiligten zu verteilen. Dabei berücksichtigte der Senat maßgeblich, dass die Beru¬fung der Klägerin in einem gewissen Maße (entsprechend der Erörterungen in dem Ver¬handlungstermin vom 2. Juni 2008: Grundsätzliche Bindung der Zivilgerichte an die Fest¬stellung der unfallbedingten Dienstunfähigkeit durch die zuständige Verwaltungs¬behörde) Erfolg versprechend war, andererseits der Sachverhalt weiter hätte aufgeklärt werden müssen, insbesondere hinsichtlich der Fragen, welche Beschwerden die Klägerin heute noch auf den Unfall zurückführen kann und in welcher Weise sie hierdurch beein¬trächtigt ist, ferner der Einwand der Beklagten zu einer überholenden Kausalität in Gestalt der Not¬wendigkeit der Operation auch ohne das Unfallereignis auf Grund einer Vorschädi¬gung.
109Parallel zu diesen Vorgängen in der ordentlichen Gerichtsbarkeit hatte die Beklagte Be-handlungskosten der Klägerin in Bezug auf Physiotherapie, Akupunktur oder die Behand-lung durch ihren Orthopäden über längere Zeit problem- und vorbehaltlos übernommen.
110Mit Antrag vom 18. September 2006 bat die Klägerin um Erstattung von Kosten für manu-elle Physiotherapie (10 Behandlungen zwischen Mai und September 2006, á 22,50 Euro, also 225,00 Euro), die ihr Orthopäde Dr. med. T zu der Diagnose "Unfallfolgen: Z.n. Schleudertrauma; Operation; HWS-Cervicalsyndrom; Cervicodorsalsyndrom" verordnet hatte. Mit weiterem Antrag vom 12. Januar 2007 machte die Klägerin Kosten für von Dr. med. T verordnete manuelle Physiotherapie geltend (10 Behandlungen zwischen September 2006 und Januar 2007, á 22,50 Euro, also 225,00 Euro), zur Diagnose "Un-fallfolgen: Z.n. Schleudertrauma; HWS; Operation".
111Dies wiederholte sich mit Anträgen vom 21. Mai 2007 und vom 20. August 2007 (jeweils 10 x manuelle Physiotherapie, je 225,00 Euro).
112Begin¬nend mit dem Antrag auf Übernahme von Dienstunfallkosten vom 18. September 2006 übernahm die Beklagte diese Kosten nur noch "unter dem Vor¬behalt der Rückforde-rung" mit der Begründung: Eine abschließende Beurteilung, inwieweit die Kosten end¬gültig durch die Dienstunfallfürsorge übernommen werden könnten, könne vor dem Hinter¬grund der ausstehenden ärztlichen Gutachten im Verfahren Stadt E ./. F1 erst zu ei¬nem späteren Zeitpunkt erfolgen (Schreiben der Beklagten vom 6. November 2006). Glei¬ches galt für die weiteren genannten Anträge (Schreiben der Beklagten vom 8. Februar 2007 und vom 13. Juni 2007).
113Unter dem 24. August 2007 teilte der Amtsarzt Dr. med. H1 dem Haupt¬amt der Beklag¬ten in Bezug auf die Klägerin mit, dass die Verhandlung vor dem Landge¬richt in Sachen Dienstunfall bei der Klägerin neue, ihm bisher nicht bekannte medizinische Tatbestände ergeben habe, auf Grund derer Unfallfolgen als Ursache für die dauernde Dienstunfähig-keit, die zur Versetzung in den Ruhestand führte, ausscheiden würden.
114Mit dem Bescheid vom 4. September 2007 zum Betreff "Gewährung von Dienstunfallkosten" regelte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die manuelle Phy-siotherapie der Klägerin. Darin führte die Beklagte im Wesentlichen aus: Anhand der im Rahmen des gerichtlichen Ver¬fahrens zum Thema der dienstunfallbedingten Schädigun-gen der Klägerin erstellten medizinischen Gutachten komme sie zu dem Ergebnis, dass aktuell keinesfalls mehr Dienstunfallfolgen vorlägen. Erstattungen durch die Dienstunfall-fürsorge der Beklagten kämen damit nicht mehr in Betracht. Die Rechnung vom 17. August 2007 könne damit nicht mehr von der Dienstunfallfürsorge berücksichtigt wer-den. Aus dem gleichen Grund könnten auch für den Zeitraum ab 2006 keine dienstunfall-bedingten Schädigungen mehr anerkannt werden, weshalb die zuletzt unter Vorbehalt ge-währten Erstattungen zurückzufordern seien. Weil die Aufwendungen in voller Höhe bei-hilfefähig seien, sei nur die Differenz zwischen der unter Vorbehalt gewährten Dienstun-fallfürsorge und den Leistungen der Beihilfe zu er¬statten. Es sei ein Betrag von 202,50 Euro zurück zu fordern. Wegen der Einzelheiten der Berechnung und weitere Ein-zelheiten wird auf den Bescheid vom 4. September 2007 (Beiakte 16, Blatt 401 f.) ver¬wie-sen. Der Betrag von 202,50 Euro werde mit den Versorgungsbezügen für Okto¬ber 2007 verrechnet. Die Rechnungen könnten im Übrigen bei der privaten Krankenversi¬cherung eingereicht werden.
115Die Klägerin erhob hiergeben unter dem 24. September 2007 Widerspruch.
116Daraufhin ordnete die Beklagte mit Schreiben vom 11. Oktober 2007 gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 4. September 2007 an.
117Nachdem die Beklagte eine Entscheidung über den Widerspruch auf Bitte der Klägerin im Hinblick auf weitergehende Begründung – wohl auch unter Berücksichtigung des offenen Berufungsverfahrens der Klägerin vor dem Landgericht E – zurückgestellt hatte, trug die Klägerin unter dem 20. November 2008 eingehend zur Begründung ihres Wider¬spruchs vor und führte in Ergänzung des Widerspruchs im Wesentlichen aus: In der Per¬sonalakte der Klägerin befinde sich keine abschließende Stellungnahme des Gesund¬heitsamts, die die Entscheidung der Beklagten trage. Die Beklagte werde deshalb erneut aufgefordert, mitzuteilen, auf welches Gutachten sie sich zur Begründung beziehe. Man könne derzeit nur davon ausgehen, dass die Beklagte sich auf die Stellung¬nahme des Dr. H1 vom 16. Januar 2003 und auf das interdisziplinäre Gutachten des Prof. Dr. T8 mit Prof. Dr. med. D1 vom 16. Juni 2005 stütze. Der Inhalt des interdiszi¬plinären Gutachtens D1/T8 sei dem Rechtsamt der Stadt E jedoch spätestens seit der Sitzung des Landgerichts E im Rechtsstreit E ./. F1 vom 19. Mai 2006 bekannt.
118Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig, da die in dem Zivilverfahren vor dem Land-gericht E eingeholten Gutachten eine andere Entschei¬dung nicht rechtfertigen könnten. Die der früheren Übernahme von Behandlungskosten zu Grunde liegende gut¬achterliche Stellung¬nahme des Dr. H1 vom 14. April 1999 entfalte Bindungswirkung. Danach stehe fest, dass die Klägerin in Folge des Dienstunfalles vom 1. Oktober 1997 ein Halswirbel-Schleu¬dertrauma und einen Bandscheibenvorfall erlitten habe, was nicht nach annähernd 10 Jahren in Frage gestellt werden könne. Unabhängig von der Bindungswir¬kung hätten auch alle behandelnden Ärzte, d.h. Dr. G sowie Dr. T4, trotz der bekann¬ten degenerativen Vorschädigungen der HWS der Klägerin festgestellt, dass die nach dem Unfall aufgetretenen und teilweise auch noch andauernden Beschwerden zu einem Anteil von bis zu 80 % auf das Unfallgeschehen zurück zu führen seien.
119Sodann sei im Klageverfahren vor dem LG E der Klägerin unter dem 8. März 2000 ein unzutreffendes unfallanalytisches Gutachten eingeholt worden, in dem die Beschleunigungsspitzen und die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung unzu-treffend zu niedrig festgestellt worden seien. Im gerichtlichen Gutachten des Prof. Dr. med. D1 vom 16. Juni 2005 sei auf Grund dieser angenommenen geringen kollisions¬be-dingten Geschwindigkeitsveränderung ausgeschlossen worden, dass die Klägerin durch den Verkehrsunfall ein akutes Halswirbel-Schleudertrauma und einen Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbel C5/C6 erlitten hätte. Hierauf könne sich die Beklagte aber schon wegen der Bindungswirkung des Bescheides vom 28. Juli 1999 nicht berufen. Zudem seien die Feststellungen des Dr. med. D1 im Gutachten vom 16. Juni 2005 aber feh¬lerhaft und auch nicht verwertbar, da sie auf den ihrerseits fehlerhaften Feststellungen des Unfallgutachters Dr. Q aus dem Gutachten vom 8. März 2000 beruhten. Die Feststellungen des Unfallgutachters Dr. Q zum Unfallhergang und vor allem zu den Unfallfolgen seien unzutreffend. Dieser habe weder die Unfallstelle vermessen, noch die Unfallfahrzeuge eingehend begutachten können. Er habe lediglich auf Grund der ihm vorgelegten Lichtbilder der beschädigten Fahrzeuge darauf geschlossen, dass die An-stoßintensität bei dem Verkehrsunfall nur gering gewesen sei. Er bemaß dies an den Be-schädigungen der Außenverblechungsteile, ohne sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob auch ggf. Querträger oder andere tragende Fahrzeugteile deformiert worden seien und daher von wesentlich größeren Aufprallkräften auszugehen sei. Tatsächlich sei auch der Querträger des Opel Kadett stark gestaucht worden.
120Die Feststellungen des Dr. med. D1 im Gutachten vom 16. Juni 2005 beruhten aber ausschließlich auf der fehlerhaften Feststellung des Dr. Q, dass die kollisions¬bedingte Geschwindigkeitsänderung des Fahrzeuges, in dem die Klägerin saß, maximal 12 km/h betragen habe, und bei einer so geringen Aufprallgeschwindigkeit ausgeschlos¬sen werden könne, dass sie ein Halswirbelschleudertrauma und eine Bandscheibenprotrusion erlitten hätte. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Dr. med. D1 als Gutachter für HWS-Traumata entsprechende Studien für die Haftpflichtversicherer er¬stellt habe und daher bei der Begutachtung der Klägerin nicht unvoreingenommen gewe¬sen sein dürfte.
121Auch der gerichtliche Sachverständige Dr. T6 habe in seinem Gutachten vom 25. Oktober 2002 selbst unter Berücksichtigung der fehlerhaften Ausführungen des Sach-verständigen Dr. Q festgestellt, dass der Unfall mitverantwortlich für die Be¬schwerden der Widerspruchsführerin im Sinne einer richtungweisenden Verschlechterung der bestehenden Vorschädigungen gewesen sein. Dies sei nach der Theorie der wesent¬lich mitwirkenden Teilursache ausreichend, da nicht erforderlich sei, dass der Dienstunfall als alleinige Ursache unter Ausschluss jeglicher sonstiger Faktoren heranzuziehen sei.
122Auch der im Berufungsverfahren der Klägerin gegen den Unfallverursacher und die Haft-pflichtversicherung vor dem OLG E geschlossene Vergleich über 60.000 Euro verdeutliche, dass die gutachterlichen Stellungnahmen, die vom Landgericht E zur Grundlage der klageabweisenden Entscheidung gemacht worden seien und von der Beklagten offensichtlich zur Begründung ihres Rücknahmebescheides herangezo¬gen wür-den, die Diagnosen der behandelnden Ärzte und des Amtsarztes nicht revidieren könnten.
123Die Beklagte wies den Widerspruch vom 24. September 2007 mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2009 zurück und begründete dies damit, dass nach den vorliegenden Stel-lungnahmen und insbesondere dem Urteil des Landgerichts E vom 27. Juli 2007 13 O 389/00 – einwandfrei feststehe, dass Arzt- und Behandlungskosten nicht mehr un-fallbedingt seien. Die Kostenübernahme im Rahmen der Dienstunfallfürsorge sei deshalb ausgeschlossen.
124Die Klägerin hat hiergegen die vorliegende Klage am 14. April 2009 erhoben, mit der sie ihr Begehren nach Gewährung weiterer Dienstunfallfürsorge auch für den Zeitraum ab 2006 weiterverfolgt. Zur Begründung bezieht sie sich allein auf die Widerspruchsbegrün-dung vom 20. November 2008.
125In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin Einwände gegen die Sachverständigen-gutachten aus den Zivilprozessen erhoben und weitere Beweiserhebung durch Sachver-ständigengutachten geltend gemacht.
126Die Klägerin beantragt,
1271. den Bescheid der Beklagten vom 4. September 2007 in der Ge¬stalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2009 teilweise aufzu-heben, soweit darin ein Betrag von 202,50 Euro von ihr zurückge-fordert wird,
1282. die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 4. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2009 zu verpflichten, ihr auch für den Zeitraum ab 2006 (entsprechend ihren Anträgen vom 18. September 2006, 12. Januar 2007, 21. Mai 2007 und 20. August 2007) Dienstunfall-fürsorge gem. § 33 Beamtenver¬sorgungsgesetz zu gewähren und die mit den Anträgen geltend gemachten Kosten zu übernehmen.
129Die Beklagte beantragt
130die Klagen abzuweisen.
131Die Beklagte führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Klägerin stünde ein An-spruch auf Gewährung von Dienstunfallkosten nicht zu. Die Sachverständigen Prof. D1 und Prof. L3 kämen in ihrem Sachverständigengutachten vom 31. Oktober 2006 ebenso wie das LG E im Urteil vom 27. Juli 2007 (13 O 389/00) und Amtsarzt Dr. H1 in seiner Stellungnahme vom 24. August 2007 zum Ergebnis, dass keine dienst¬unfallbedingten Schädigungen vorlägen. insbesondere Dr. H1 sei mit seiner Stellung¬nahme von der in seinem Gutachten vom 4. Februar 1999 und seiner Stellungnahme vom 14. April 1999 vertretenen Auffassung abgerückt und gehe davon aus, dass Unfallfolgen als Ursache für die dauernde Dienstunfähigkeit, die zur Versetzung in den Ruhestand führte, ausscheiden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass spätestens ab Ende April 1998 keine dienstunfallbedingten Schädigungen mehr vorlagen und deshalb kein An¬spruch auf Gewährung von Dienstunfallkosten gegeben war.
132Auf Vertrauensschutz könne die Klägerin sich insofern nicht berufen, weil der angegriffene Bescheid vom 4. September 2007 im Wesentlichen Wirkung für die Zukunft entfaltete. Soweit darin auch für die Jahre 2006/2007 eine Rückforderung erfolge, sei dies gerecht-fertigt, weil die Kosten nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung erstattet worden seien (Schreiben vom 6. November 2006, 8. Februar 2007 und 13. Juni 2007) und auf den Aus-gang des noch laufenden Verfahrens der Beklagten ./. Ergül (LG Düsseldorf 13 O 389/00) verwiesen wurde. Aufgrund dieses Widerrufsvorbehalts könne die Klägerin weder Vertrau-ensschutz noch Wegfall der Bereicherung einwenden. Für die Zeit vor 2006 seien keine Leistungen zurückgefordert worden. Die Beklagte sei auch zeitnah nach dem Urteil des LG E vom 27. Juli 2007 tätig geworden.
133Der Amtsarzt Dr. med. H1 ist in der mündlichen Verhandlung dazu befragt worden, wie es zu der Veränderung seines Standpunktes in Bezug auf den Unfallbezug der Beschwer¬den der Klägerin kam. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
134Der Einzelrichter hat die folgenden Akten beigezogen:
135Ø Personalakte der Beklagten (Beiakte 14);
136Ø Versorgungsakte der Beklagten (Beiakte 13);
137Ø Vorgang Unfallfürsorge der Beklagten bis August 1999 – Unterlagen aus dem zivilgerichtlichen Verfahren LG Düsseldorf 13 O 389/00 – Vorgang zur Einstellung der Unfallfürsorgeleistungen und des Unfallruhegehalts (Beiakte 16);
138Ø Vorgang Unfallfürsorge der Beklagten ab August 1999 (Beiakte 15);
139Ø Vorgang Gesundheitsamt (Beiakte 25);
140Ø Gerichtsakten LG E 13 O 263/98, Band I – IV, Ersatzband zu Band I, Sonder¬heft zu Befangenheitsantrag, Schadensgutachten Dipl. Ing. L4 (Beiakte 17 – 23)
141Ø Gutachten Dr. Ing. Q vom 8. März 2000, Sonderheft zu LG Düsseldorf 13 O 263/98 (Beiakte 12);
142Ø Gerichtsakten LG E 13 O 389/00, 2 Bände (Beiakte 1 und 2);
143Ø Gerichtsakte LG E 6 O 561/08 (Beiakte 24);
144Ø Gerichtsakte AG E – 31 C 20879/97 –, Ausdruck elektronische Akte, Teil 1 3 (Beiakten 26 - 28).
145Entscheidungsgründe:
146Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem der Rechtsstreit durch Be-schluss der Kammer vom 1. Februar 2012 gemäß § 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist.
147Die Klage ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
148Sie ist als Anfechtungsklage im Hinblick auf den Antrag zu 1. (Rückforderung) und als Verpflichtungsklage hinsichtlich des Antrags zu 2. (weitere Unfallfürsorgeleistungen) statt-haft (§ 42 Abs. 1 VwGO).
149Für den Antrag zu 2. besteht im Hinblick auf die Verpflichtung auch ein Rechtsschutzbe-dürfnis, weil die Klägerin mit einer Anfechtung der ablehnenden Bescheide allein ihr Ziel nicht erreichen kann. Die Beklagte hat mit den angegriffenen Bescheiden, soweit weitere Unfallfürsorgeleistungen abgelehnt wurden, nicht etwa zuvor bereits mit den Schreiben vom 6. November 2006, 8. Februar 2007 und 13. Juni 2007 erfolgte Kostenübernahmen aufgehoben. Die zuvor ergangenen Kostenübernahmen standen ausdrücklich unter Rückforderungsvorbehalt im Hinblick auf die ausstehende Klärung in den Zivilprozessen. Damit handelte es sich nur um vorläufige Regelungen, die die Beklagte – ohne Bindung an die Voraussetzungen des § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) – durch eine Entscheidung in der Sache ablehnend oder statt-gebend ersetzen kann.
150Auch hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 4. September 2007 nicht zuvor durch Ver-waltungsakt auf Dauer bewilligte Leistungen eingestellt. Eine Dauer-Bewilligung ist nicht ersichtlich. Die Übernahme von Behandlungskosten durch die Dienstunfallfürsorge gemäß § 33 BeamtVG ist eine Einzelfallentscheidung, die – auch bei langwieriger Behandlung und seit langem regelmäßig erfolgenden Kostenübernahmen – im Regelfall nur auf die einzelne Behandlung bezogen erfolgt und (anders als bei Unfallausgleich und Unfallruhe-gehalt) keine rentengleiche Dauerleistung (durch Dauerverwaltungsakt) darstellt. In dieser Situation ist eine Verpflichtungsklage erforderlich.
151Die Klage ist auch am 14. April 2009 fristgerecht erhoben worden. Zwar ging der Wider-spruchsbescheid am 11. März 2009 zu und die Klagefrist endete damit rechnerisch am 11. April 2009. Da es sich dabei jedoch um einen Samstag handelte, verschob sich das Fristende auf den nächsten Werktag, also den Dienstag nach Ostern, 14. April 2009.
152Die Anfechtungsklage gegen die im Bescheid der Beklagten vom 4. September 2007 ent-haltene Rückforderung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2009 ist begründet (I.). Die Verpflichtungsklage mit dem Ziel, ihr auch für den Zeitraum ab 2006 (entsprechend ihren Anträgen vom 18. September 2006, 12. Januar 2007, 21. Mai 2007 und 20. August 2007) Dienstunfall¬fürsorge gem. § 33 Beamtenver¬sorgungsgesetz zu ge-währen und die mit den Anträgen geltend gemachten Kosten zu übernehmen, ist hingegen nicht begründet. (II.)
153I.
154Der Bescheid der Beklagten vom 4. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 5. März 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, so-weit darin ein Betrag von 202,50 Euro von ihr zurückgefordert wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
155Als Grundlage der Rückforderung kommt nur § 52 Abs. 2 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) in Betracht. Dessen Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
156Nach § 52 Abs. 2 BeamtVG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungs-bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über die Heraus-gabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (Satz 1). Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen (Satz 2). Nach Satz 3 der Vorschrift kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden.
157Die Entscheidung über die Billigkeit gemäß Satz 3 ist von Amts wegen von der für die Rückforderung zuständigen Stelle zu treffen und in den Rückforderungsbescheid aufzu-nehmen. Eine unterlassene oder in rechtsfehlerhafter Weise getroffene Billigkeitsentschei-dung führt zur Fehlerhaftigkeit der Rückforderung.
158Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 12. Oktober 1967 – II C 71.67 –, BVerwGE 28, 68 (79); Weinbrenner/Bauer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Kommentar, Hauptband II, § 52 Rn. 134.
159Da die Beklagte weder im Bescheid vom 4. September 2007, der eine Rückforderung überzahlter Unfallfürsorgeleistungen in Höhe von 202,50 Euro enthält (im Übrigen erfolgte eine Verrechnung mit zustehender Beihilfe), noch im Widerspruchsbescheid vom 5. März 2009 eine Billigkeitsentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG getroffen hat, ist dies rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
160II.
161Im Übrigen ist der Bescheid vom 4. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheids vom 5. März 2009 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie kann von der Beklagten nicht verlangen, ihr Dienstunfallfürsorge gem. § 33 BeamtVG auch für den Zeitraum ab 2006 zu gewähren und die mit den Anträgen vom 18. September 2006, 12. Januar 2007, 21. Mai 2007 und 20. August 2007 geltend ge-machten Kosten zu übernehmen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
162Ermächtigungsgrundlage für die Übernahme von Behandlungskosten, um die es hier geht (Behandlung durch orthopädisch verordnete manuelle Physiotherapie), ist in der Dienst-unfallfürsorge § 33 BeamtVG, insbesondere dessen Abs. 1 Nr. 1.
163Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG wird einem Beamten Unfallfürsorge gewährt, wenn dieser durch einen Dienstunfall verletzt worden ist. Dies umfasst nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG das Heilverfahren. Das Heilverfahren wiederum erstreckt sich gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG u.a. auf die notwendige ärztliche Behandlung. Hierunter fallen sämtliche vom Arzt oder Zahnarzt vorgenommenen oder schriftlich angeordneten Heilbe-handlungen,
164Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, Beamtenversorgungsgesetz, Stand November 2011, § 33 Rn. 22.
165also auch die hier im Streit stehende ärztlich verordnete Physiotherapie.
166Die Voraussetzungen für eine Übernahme der von der Klägerin mit den Anträgen vom 18. September 2006, 12. Januar 2007, 21. Mai 2007 und 20. August 2007 gel¬tend ge-machten Kosten von manueller Physiotherapie gemäß § 33 BeamtVG, insbesondere nach Abs. 1 Nr. 1, liegen nicht vor.
167Der Verkehrsunfall der Klägerin am 1. Oktober 1997 ist – als Grundlage der Übernahme von Behandlungskosten – als Dienstunfall von der Beklagten mit dem Bescheid vom 5. März 1998 mit den Körperschäden "Akutes Schleudertrauma mit Brachiomyalgien und Cephalgien sowie ein Bandscheibenvorfall in Höhe der C5/C6" anerkannt.
168Der Ablehnung der Übernahme der Kosten mit dem Bescheid vom 4. September 2007 stehen nicht schon die Schreiben der Beklagten vom 6. November 2006, vom 8. Februar 2007 und vom 13. Juni 2007 entgegen. Die dort erfolgte Übernahme der Behandlungs¬kosten für Physiotherapie erfolgte ausdrücklich "unter dem Vor¬behalt der Rückforderung"; eine abschließende Beurteilung, inwieweit die Kosten end¬gültig durch die Dienstunfallfür¬sorge übernommen werden könnten, könne vor dem Hinter¬grund der ausstehenden ärztli¬chen Gutachten im Verfahren Stadt E ./. F1 erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Damit liegt allein eine vorläufige Regelung vor, die eine Bindung der Beklagten, deren Beseitigung nur unter den Voraussetzungen der §§ 48 ff. VwVfG möglich wäre, nicht erzeugt. Eine Verpflichtung einer Behörde zum Erlass des begehrten Verwaltungs¬aktes erfordert in einer solchen Situation das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen der Anspruchsnorm.
169Es liegt auch keine im vorhinein ergangene Dauer-Bewilligung bzw. auf Dauer angelegte Übernahme von Kosten der Physiotherapie vor, die vor der Ablehnung eine Aufhebung nach §§ 48, 49 VwVfG erforderlich machen oder Bindungswirkung in anderer Weise ent-falten könnte. In der Vergangenheit hat die Beklagte zwar seit 1997 immer Kosten für Physiotherapie der Klägerin übernommen. Dies erfolgte jedoch teilweise ohne an die Klä-gerin gerichtete Bescheide sondern durch schlichte Erstattung und im Übrigen jeweils nachträglich durch Entscheidung im Einzelfall (auch wenn sich dies über einen langen Zeitraum erstreckte). Obwohl es konkrete Auseinandersetzungen über die Frage der Häu-figkeit von Physiotherapie und anderen von der Klägerin seit 1997 regelmäßig in Anspruch genommenen ärztlichen oder ärztlich verordneten Behandlungen (orthopädische Behand-lung mit Spritzen/Schmerztherapie, Akupunktur) gab, so lässt sich diesen Vorgängen keine vorweggenommene Dauer-Bewilligung in Form eines Verwaltungsaktes entnehmen, sondern lediglich eine informelle Information der Klägerin bzw. Absichtserklärung der Be-klagten, um der Klägerin die Möglichkeit zu geben, die Behandlungshäufigkeit an dem nach Einschätzung des Gesundheitsamtes der Beklagten erforderlichen Umfang auszu-richten und nicht im Nachhinein auf Kosten "sitzenzubleiben". Nachdem die Klägerin über lange Zeit wöchentlich regelmäßig zwei Behandlungen mit Physiotherapie in Anspruch genommen und die Beklagte hierfür die Kosten als Unfallfürsorge übernommen hatte, be-fasste die Beklagte im Juli 2001 ihr Gesundheitsamt mit der Frage der erforderlichen Be-handlungshäufigkeit. Das Gesundheitsamt äußerte sich hierzu Anfang September 2001. Auf dieser Grundlage teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 27. September 2001 mit, es würden bis März 2002 zwei Behandlungen mit Physiotherapie wöchentlich (nebst 1 x Schmerztherapie wöchentlich), ab dort pro Quartal eine Behandlungsserie mit 10 Be-handlungen Physiotherapie übernommen. Zunächst ist dieses Schreiben nach dem Er-scheinungsbild, der Diktion und angesichts des Fehlens einer Rechtsbehelfsbelehrung wohl kein Verwaltungsakt, jedenfalls würde sich eine Regelung aber auf die Frage der Häufigkeit der Behandlung, also den notwendigen und angemessenen Umfang (also das Wie?) beschränken und keine Bindungswirkung hinsichtlich des Ob? einer Kostenüber-nahme – also das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Unfallfolge – entfalten.
170Da eine Bindung an einen wirksamen Verwaltungsakt über die Übernahme von Behand-lungskosten als Unfallfürsorge gemäß § 33 BeamtVG mithin nicht vorliegt, kommt es da-rauf an, ob eine behandlungsbedürftige Folge des anerkannten Dienstunfalles vom 1. Oktober 1997 vorliegt. Dies kann der Einzelrichter nicht feststellen. Die Beweislast trägt insofern – anders als im ebenfalls mit Urteil von heute entschiedenen Verfahren selben Rubrums 23 K 2582/09 – die Klägerin, die sich auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 BeamtVG beruft.
171Weil es sich um eine Unfallfolge handeln muss, ist dabei erforderlich, dass der behand-lungsbedürftige Zustand in einem Ursachenzusammenhang mit dem Dienstunfall stehen muss. Der pathologische Zustand muss entweder unmittelbare Folge des Unfalls (sog. Primärverletzung) sein oder sich als Folge der Primärverletzung darstellen (mittelbare Unfallfolge, Sekundärschaden).
172Für den Ursachenzusammenhang gilt: Ursache im Rechtssinne auf dem Gebiet der beam-tenrechtlichen Dienstunfallversorgung sind nur solche für den eingetretenen Schaden ur-sächlichen Bedingungen im naturwis¬senschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungs-weise an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Wesentliche Ursache im Dienstun-fallrecht der Beamten kann hiernach auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebe-dingtes Leiden auslöst oder (und) be¬schleunigt, wenn diesem Ereignis nicht im Verhältnis zu anderen Bedingungen – zu denen auch die bei Eintritt des Ereignisses schon vorhan-de¬ne Veranlagung gehört – eine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Scha¬densfolge zukommt, dass diese ande¬ren Bedingungen bei natürlicher Betrach¬tungs-weise allein als maßgeblich anzusehen sind. Nicht Ursachen im Rechtssinne sind dem-nach sog. Gelegenheitsursachen, d.h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetre¬tenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Be¬ziehung besteht. Dies ist der Fall, wenn die krankhaf¬te Veranlagung oder das anlagebe¬dingte Leiden so leicht ansprechbar wa¬ren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen in ihrer Eigenart uner-setzlichen Ein¬wirkungen bedurfte, sondern auch ein alltäglich vorkommendes Ereig¬nis zum selben Er¬folg geführt hätte. Eine solche unter¬geordnete Bedeutung ist insbeson¬dere auch dann an¬zunehmen, wenn das Ereignis gleichsam "der letzte Tropfen" war, "der das Maß zum Überlaufen brachte bei einer Krank¬heit, die ohnehin ausgebrochen wäre, wenn ihre Zeit gekommen wäre." Hinsichtlich der Beweislast gilt, dass der Beamte die materielle Be-weis¬last für das Vorliegen der an¬spruchsbegründenden Tatsachen trägt. Dabei gelten im Dienstunfallrecht grundsätzlich die allgemeinen Beweisgrundsätze. Der Beamte hat daher auch hinsichtlich des Nachweises des Kausalzusammenhanges den vollen Beweis zu er-bringen.
173Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschlüsse vom 8. März 2004 – 2 B 54/03 –, Juris, Rn. 7, vom 20. Februar 1998 2 B 81.97 – und vom 24. Mai 1993 2 B 57.93 ; ständige Rechtsprechung der Kammer.
174Die Klägerin kann eine gegenwärtig behandlungsbedürftige Unfallfolge nicht aus dem Be-scheid vom 5. März 1998 ableiten. Zwar sind dort als Unfallfolgen anerkannt: ein akutes Schleudertrauma mit Brachiomyalgien und Cephalgien sowie ein Bandscheibenvorfall in Höhe der C5/C6.
175Das akute Schleudertrauma mit Nervenschmerz im Arm (Brachiomyalgie) und Kopf-schmerzen (Cephalgien) liegt nicht mehr vor, sondern nach den Verordnungen von Physi-otherapie des Orthopäden Dr. med. T, die den hier streitigen Physiotherapie-Be-handlungen zugrunde liegen, ein "Zustand nach Schleudertrauma". Dies ist aber keine be-handlungsbedürftige Diagnose, sondern bedarf der Ausfüllung durch konkret therapiebe-dürftige Krankheitsbilder, wie z. B. die in den orthopädischen Verordnungen enthaltenen Diagnosen "HWS-Cervicalsyndrom" und "Cervicodorsalsyndrom". Diese sind jedoch nicht in dem Bescheid vom 5. März 1998 anerkannt und bedürfen gesonderter Betrachtung.
176Der als Unfallfolge anerkannte Bandscheibenvorfall im Segment C5/C6 der HWS der Klä-gerin ist nicht mehr vorhanden, da durch die Wirbelsäulen-Operation am 28. Januar 1998 im Städt. Klinikum T3 die Bandscheibe in diesem Segment entfernt und dieses ver¬steift worden ist. Diese Operation und eventuell daran anknüpfende Folgeprobleme sind durch den Bescheid vom 5. März 1998 nach seinem Regelungsgehalt nicht als Unfallfol¬gen anerkannt.
177Bei alledem ist zu berücksichtigen, dass der Bescheid vom 5. März 1998 eine wichtige Besonderheit enthält: Dort ist geregelt, dass die notwendigen Behandlungskosten als Un-fallfürsorge übernommen werden, jedoch wegen vorhandenen Vorschädigungen im glei-chen Diagnosebereich nur für die Dauer von 12 Wochen nach dem Unfallereignis. Eine solche Regelung ist im Unfallfürsorgerecht möglich und führt dazu, dass die sich aus der Anerkennung von Dienstunfall, Körperschaden und Unfallfolge ergebende Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen Dienstunfall und Körperschaden oder Unfallfolge auf den geregelten Zeitraum beschränkt ist. Damit ist nicht bestandskräftig festgestellt, dass nach Ablauf dieses Zeitraums die Unfallfolge ausgeheilt oder anderweitig nicht mehr vorhanden bzw. nicht mehr durch den Unfall verursacht ist. Beim Streit um weitere Leistungen der Unfallfürsorge nach Ablauf des im Anerkennungsbescheid genannten Zeit-raums ist der gesamte Kausalverlauf jedoch erneut erörterungsbedürftig, ohne dass der Anerkennungsbescheid aufgehoben werden müsste.
178Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 3. Mai 1996 – 6 A 5978/94 –, DÖD 1997, 39 f.
179Somit kann die Klägerin aus dem Bescheid vom 5. März 1998 in diesem Zusammenhang keine Rechte ableiten, außer die Feststellung, dass der Verkehrsunfall am 1. Oktober 1997 ein Dienstunfall war.
180Auch im Übrigen kann der Einzelrichter nicht feststellen, dass bei der Klägerin als be-handlungsbedürftige Folgen dieses Dienstunfalles die vom Orthopäden Dr. med. T als Grund der physiotherapeutischen Behandlung in den Verordnungen aus den Jahren 2006 und 2007 genannten Diagnosen HWS-Cervicalsyndrom oder Cervicodorsalsyndrom (oder andere behandlungsbedürftige Zustände) vorliegen.
181Bei einem Zervikalsyndrom handelt es sich um eine recht allgemeine Bezeichnung für Be-schwerden, die von der HWS ausgehen bzw. den HWS-Bereich betreffen. Typische Be-schwerden sind Nackensteife, Schmerzen im Schulterbereich, Kopfschmerzen, Gefühls-störungen in den Armen und Händen und Schmerzen bei Bewegungen des Kopfes. Die Ursachen für ein Zervikalsyndrom sind unterschiedlich, wenngleich die häufigste Ursache zumeist Störungen der gelenkigen Wirbelverbindungen im Bereich der Halswirbelsäule sind. Diese führen zu Verspannungen und/oder Muskelverhärtungen und in Folge zu anhaltenden Schmerzen mit eingeschränktem Bewegungsradius im Schulter- und Na-ckenbereich des Patienten.
182Siehe Wikipedia, Artikel "Zervikalsyndrom", www.wikipedia.de
183Da das Adjektiv "dorsal" von lat. dorsum, also dem Rücken, stammt, verweist der Begriff Zervikodorsalsyndrom zu "auf den Rücken bezogene" Umstände. Demnach ist das Zervikodorsalsyndrom eine die Halswirbelsäule (pars cervicalis) und den Rücken betref-fende Ausprägung eines Zervikalsyndroms.
184Diese Beschreibung von Beschwerden passt zu den von der Klägerin als weiterhin bei ihr vorliegend angegebenen Beeinträchtigungen. Ob diese tatsächlich vorliegen, kann offen bleiben, da der Einzelrichter nicht feststellen kann, dass diese durch den Dienstunfall vom 1. Oktober 1997 verursacht worden sind. Es reicht dabei nicht aus, dass der Ursachenzu-sammenhang überwiegend wahrscheinlich ist. Zugleich ist zwar keine absolute oder un-umstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ge-fordert, aber ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünf-tigen Zweifeln Schweigen gebietet,
185vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 28. Januar 2003 – VI ZR 139/02 –, NJW 2003, 1116; Urteil vom 3. Juni 2008 – VI ZR 235/07 –, NZV 2008, 502 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., 2007, § 108 Rn. 5 m. w. N.
186Diesen Grad an Gewissheit vermag der Einzelrichter dem Inbegriff des Verfahrens – dem gesamten Akteninhalt, den Angaben der Klägerin, allen fachlichen/ärztlichen Bescheini-gungen und Stellungnahmen über sie und den Unfall vom 1. Oktober 1997, den amtsärzt-lichen Gutachten und Stellungnahmen sowie den Sachverständigengutachten aus den Zivilprozessen vor dem Landgericht E 13 O 263/98 und 13 O 389/00 – nicht zu entnehmen.
187Es verbleiben ganz erhebliche Zweifel daran, dass die bei der Klägerin gegenwärtig vor-liegenden gesundheitlichen Einschränkungen, über die die Beteiligten nicht streiten, immer noch als wesentlich durch den Dienstunfall verursacht anzusehen sind.
188Zentral für diese Zweifel sind das interdisziplinäre Sachverständigengutachten Prof. Dipl. Ing. T8/ Prof. Dr. med. D1 vom 16. Juni 2005 und die gemeinsame sachverständige Stellungnahme Prof. Dr. med. L3/ Prof. Dr. med. D1 vom 31. Oktober 2006 aus dem Verfahren LG E 13 O 389/00.
189Der fachorthopädische Teil des interdisziplinären Sachverständigengutachtens T8/D1 vom 16. Juni 2005 (Prof. Dr. med. D1) kommt zur Frage der durch den Verkehrsunfall am 1. Oktober 1997 verursachten Körperschäden bzw. Gesundheits¬beeinträchtigungen zu dem Gesamtergebnis, dass die Klägerin durch den Unfall eher kein akutes Schleudertrauma mit Brachiomyalgien und Cephalgien sowie einen Bandscheiben¬vorfall C5/C6 erlitten habe.
190Dieses Ergebnis wird von Prof. Dr. med. D1 und Prof. Dr. med. L3 in deren ab-schließender gemeinsamer fachorthopädischer Stellungnahme vom 31. Oktober 2006 be-stätigt. Zudem könne das Auftreten einer leichten HWS-Distorsion durch den Unfall vom 01.10.1997 nicht ausgeschlossen werden.
191Diese Ergebnisse der Sachverständigen L3 und D1 lassen zwar nicht mit für eine Überzeugungsbildung des Gerichts hinreichender Sicherheit den Schluss zu, dass die Klägerin durch den Unfall nicht ein akutes Schleudertrauma mit Brachiomyalgien und Cephalgien sowie einen Bandscheibenvorfall C5/C6 erlitten hat und später infolge dessen dienstunfähig wurde. Dies ist den in den Sachverständigengutachten verwendeten Formu-lierungen unter Benutzung der Wendungen "zumindest noch eher (...) ausgeschlossen" oder "noch eher kein akutes Schleudertrauma erlitten" sowie einer inhaltlichen Auswertung der Gutachten zu entnehmen. Eindeutig ist aber, dass diese Gutachten ihre Ergebnisse mit einer deutlich überwiegenden Wahrscheinlichkeit zulasten der Klägerin feststellen. Da-nach ist eher unwahrscheinlich, dass die Klägerin durch den Dienstunfall die genannten Gesundheitsschäden erlitten hat, auch wenn dies bei dem Grad der von den Sachverstän-digen erzielten Sicherheit nicht auszuschließen ist. Ebenso wenig konnten die Sachver-ständigen L3 und D1 in der gemeinsamen sachverständigen Stellungnahme vom 31. Oktober 2006 das Auftreten einer leichten HWS-Distorsion durch den Unfall aus-schließen. Dieses "Nicht-Ausschließen-Können" bei zugleich nur geringer Wahrscheinlich-keit reicht keinesfalls für eine Überzeugung des Einzelrichters über diesen Ursachenzu-sammenhang.
192Ist aber schon die Verursachung einer leichten HWS-Distorsion (bzw. eines leichten Schleudertraumas) sowie eines akuten Schleudertrauma mit Brachiomyalgien und Cephalgien sowie eines Bandscheibenvorfalls im Bereich C5/C6 durch den Dienstunfall (als Primärverletzung) nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, so ist eine sich da-raus mit der Zeit entwickelnde andere Diagnose (z. B. Zervikalsyndrom bzw. Zervikodorsalsyndrom) ebenfalls nicht feststellbar, weil das kausale Bindeglied der Pri-märverletzung nicht hinreichend sicher festgestellt werden kann. Dabei ist zu betonen, dass der Einzelrichter nicht ausschließen kann, dass die Klägerin durch den Unfall Verlet-zungen erlitten hat, die auch gegenwärtig noch Folgen für sie haben. Dies ist jedoch nach den gerichtlichen Feststellungen eher unwahrscheinlich, jedoch keinesfalls mit hinreichen-der Gewissheit der Fall.
193Das interdisziplinäre Sachverständigengutachten T8/D1 vom 16. Juni 2005 und die gemeinsame fachorthopädische Stellungnahme L3/D1 vom 31. Oktober 2006 stellen für den Einzelrichter im Wege des Urkundsbeweises gemäß § 98 VwGO i. V. m. §§ 415 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) verwertbare Sachverständigen¬gut¬achten dar, die dem Gericht die notwendige Sachkunde zur Feststellung der (insbe¬sondere medizinischen) Tatsachen zum Ursachenzusammenhang vermitteln. Diese sach¬verständigen Gutachten und Stellungnahmen kommen aber nicht zu einem eindeutig posi¬tiven ("trifft zu") bzw. negativen ("trifft nicht zu") Ergebnis, sondern das Gericht kann die Beweisfrage nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten; das Beweisergebnis geht dahin, dass es nicht mit der notwendigen Sicherheit aufgeklärt werden kann.
194Die Sachverständigengutachten (das interdisziplinäre Sachverständigengutachten T8/D1 vom 16. Juni 2005 und die gemeinsame Stellungnahme L3/D1 vom 31. Oktober 2006) sind insgesamt überzeugend, vollständig, wider¬spruchsfrei und logisch nachvollziehbar.
195In Bezug auf die Feststellung von unfallbedingten Schädigungen der HWS, insbesondere für die Feststellung eines Schleudertrauma, und der Folgen solcher Primärverletzungen, ist letztlich der Sachverhalt durch ein fachmedizinisches Gutachten zu ermitteln, regelmä-ßig aus dem orthopädischen oder chirurgischen Fachgebiet. Zur Ermittlung des Unfallher-gangs und der biomechanischen Belastungen, die auf das Unfallopfer eingewirkt haben, kann es sinnvoll (und gegebenenfalls geboten) sein, zusätzlich als Grundlage für die fach-orthopädische bzw. -chirurgische Begutachtung unfallanalytische und/oder biomechani-sche Gutachten einzuholen. Außerdem können Zusatz-Gutachten, u.a. aus dem neurolo-gischen Fachgebiet, eingeholt werden.
196Vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., 2010, S. 468, Ziff. 8.3.4.3.
197Insofern liegen hier mit dem unfallanalytischen Gutachten, welches auch die biomechani-sche Belastung für die Klägerin untersucht, des Prof. Dipl. Ing. T8 (unfall¬analytischer Teil des interdisziplinären Gutachtens vom 16. Juni 2005) und dem von Prof. Dr. med. D1 erstatteten orthopädischen Teil des interdisziplinären Gutachtens, bzw. der gemeinsamen fachorthopädischen Stellungnahme L3/D1 vom 31. Oktober 2006 sachverständige Äußerungen aus den richtigen Fachgebieten vor, die dem Einzel¬richter die notwendige Sachkunde vermitteln.
198Nach der Einschätzung des Gerichts sind diese von Sachkunde getragen, die Gutachten sind von der Argumentations- und Gedankenführung her nachvollziehbar, teilweise sind allgemeine Grundlagen oder auch spezielle Berechnungen und Überlegungen in den um-fangreichen Anlagen zu den Gutachten aus dem Gutachtentext ausgegliedert. Alle Gut-achter sind nach der Einschätzung des Gerichts ausgesprochen fachkundig. Insbesondere der Sachverständige Prof. Dr. med. W.H.M. D1 ist ein ausgewiesener Experte für Verletzungen der HWS, insbesondere HWS-Schleudertraumata. Er forscht und veröffent-licht insofern intensiv, wie die Literatur-Hinweise in den hier berücksichtigten Sachverstän-digengutachten, der arbeitsmedizinischen Literatur, aber auch der einschlägigen Recht-sprechung zeigen,
199siehe Becke/D1/Hein/T8, "HWS-Schleudertrauma" 2000 - Standortbestimmung und Vorausblick, NZV 2000, 225 ff.; Becke/D1, Das "HWS-Schleudertrauma" – einige kritische ortho-pädische/unfallanalytische Anmerkungen, ZfSch 2002, 365 ff.; D1/Mazzotti/Becke, Wissenswerte Informationen für eine interdisziplinäre Begutachtung beim "HWS-Schleudertrauma" – eine "Wunsch-liste" aus verkehrstechnischer und orthopädischer Sicht, NZV 2001, 112 ff.; D1/Mazzotti, Stellen¬wert der verkehrstechnischen Analyse zur Ermittlung der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsände¬rung beim "HWS-Schleudertrauma", NZV 2001, 449 ff.; Mazzotti/D1, Bedarf es zur Beurteilung des "HWS-Schleudertrauma" noch der Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigen?, NZV 2002, 499 ff.; Mazzotti/Kandaouroff/D1, "Überraschungseffekt" – ein verletzungsfördernder Faktor für die HWS bei der Heckkollision?, NZV 2004, 335 ff.; Mazzotti/Kandaouroff/D1, "Out of position" – ein verletzungsfördernder Faktor für die HWS bei der Heckkollision? Gibt es neue Erkenntnisse?, NZV 2004, 561 ff.; D1, Anm. zu Amtsgericht (AG) Saarbrücken vom 31. August 2006 5 C 152/06 , Straßenverkehrsrecht 2007, 451; Mazzotti/D1, Die Belastbarkeit des Fahrzeugführers, NZV 2008, 16 ff.; Mazzotti/D1, Das "HWS-Schleudertrauma" aus orthopädischer Sicht – Stand 2008, NZV 2008, 113 ff.
200In den fachorthopädischen Gutachten ist sachgerecht vorgegangen worden, indem der Unfallmechanismus und die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung (durch den Unfallanalytiker Prof. T8 fachkundig und überzeugend ermittelt) der indivi¬duellen Belastbarkeit der Klägerin gegenübergestellt wird. Dabei werden bei ihr gegebe¬nenfalls vorliegende verletzungsfördernde Faktoren ermittelt und berücksichtigt.
201Vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Ziff. 8.3.4.3, S. 469.
202Die orthopädischen Sachverständigen Prof. Dr. med. D1 und Prof. Dr. med. L3 erliegen dabei nicht der Versuchung, aufgrund der vergleichsweise geringen kollisionsbe¬dingten Geschwindigkeitsänderung in der konkreten Anstoßrichtung (von schräg vorne rechts) von maximal 12 km/h unter Heranziehung des Arguments der "Harmlosigkeits¬grenze" zum Ergebnis zu kommen, dies könne die HWS der Klägerin nicht verletzt haben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass eine solche "Harmlosigkeits-" oder "Bagatellgrenze" nicht besteht, sondern dass auch bei geringer kollisionsbedingter Ge-schwindigkeitsänderung anhand aller Umstände des Einzelfalls zu klären sei, ob trotz der indiziellen Wirkung dieses Umstands eine Verletzung der HWS und insbesondere ein Schleudertrauma verursacht worden sei.
203Vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 28. Januar 2003 – VI ZR 139/02 –, NJW 2003, 1116 ff.; Ur¬teil vom 3. Juni 2008 – VI ZR 235/07 –, NZV 2008, 502 ff.; Urteil vom 8. Juli 2008 – VI ZR 274/07 –, NJW 2008, 2845 f.
204Wohl deshalb kommt es zu den vergleichsweise unbestimmten Aussagen der Sachver-ständigen ("zumindest eher noch" usw.), da sie zu Recht den Vorwurf vermeiden mussten, eine unzulässige Harmlosigkeitsgrenze angewandt zu haben. Dabei spricht gegen die Klägerin, dass die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung in der Anstoßrichtung nach den Feststellungen des unfallanalytischen Teils im interdisziplinären Sachverständi¬gengutachten Prof. Dipl. Ing. T8/ Prof. Dr. med. D1 vom 16. Juni 2005 zwischen 8,9 und 12,0 km/h lag. In der Situation, in der die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung weiterer Unfallfürsorgeleistungen begehrt, dürfte angesichts der Beweislastverteilung eher der niedrigste Wert, also 8,9 km/h, anzusetzen sein. Auch mit 12,0 km/h bewegt sich der Verkehrsunfall nach der auf die Klägerin einwirkenden biome-chanischen Belastung in dem Bereich, wo die "Harmlosigkeitsgrenze" diskutiert wird und es nach der Rechtsprechung eine Frage der Umstände des Einzelfalls ist, ob überhaupt ein Schleudertrauma verursacht werden kann bzw. verursacht worden ist.
205Auch ansonsten sind bei den verwerteten Sachverständigengutachten alle Vorgaben, die – im Bereich des Haftpflichtrechts, wie auch im Unfallrecht – in Bezug auf die Zusammen-hangsbegutachtung von Schleudertraumata herausgearbeitet worden sind, berücksichtigt worden.
206Vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 468 ff., Ziff. 8.3.4.3 "Zusammenhangsbeurteilung"; BGH, Urteile vom 28. Januar 2003, vom 3. Juni 2008 und vom 8. Juli 2008, alle a. a. O.
207Die Sachverständigen L3 und D1 haben die Klägerin persönlich untersucht, ihre Untersuchungsergebnisse, die berücksichtigten Fremdbefunde und insbesondere die radi-ologischen Befunde vollständig und nachvollziehbar dargestellt und in ihre Beurteilung einbezogen. Durch die gemeinsame Stellungnahme der Sachverständigen L3 und D1 vom 31. Oktober 2006 ist insbesondere der Mangel aus dem orthopädischen Teil des interdisziplinären Gutachtens vom 16. Juni 2005 abgestellt worden, der darin lag, dass Prof. Dr. med. D1 die Röntgen- und MRT-Bilder der HWS der Klägerin zunächst nicht berücksichtigen konnte, weil sie zu diesem Zeitpunkt nicht auffindbar waren. Diese Unter-lagen tauchten dann – bei einem der anderen Sachverständigen – wieder auf und das LG E gab den Sachverständigen L3 und D1 die gemeinsame Stellung¬nahme unter Berücksichtigung der radiologischen Befunde auf. Dementsprechend sind dort Röntgenaufnahmen vom 1. Oktober 1997 und vom 29. April 1998 sowie MRT-Auf¬nahmen vom 28. Oktober 1997, vom 22. Januar 1998, vom 30. Juni 1998 und vom 21. März 2000 ausgewertet worden.
208Für die gutachterliche Redlichkeit ohne tendenziöse Begutachtung in eine bestimmte Richtung hin spricht, dass insbesondere Prof. Dr. med. D1 in seiner Wortwahl die ver-bleibende Unsicherheit verdeutlicht hat ("noch eher kein", "zumindest noch eher ausge-schlossen"). Der Verlockung, etwas im Detail Unklares im Ergebnis als klar zu postulieren, hat er widerstanden. Zugleich hat er, auch gemeinsam mit Prof. Dr. med. L3, an den verschiedenen Stellen des Sachverständigengutachtens die wissenschaftlich kontroverse Diskussion und widerstreitende oder unklare Forschungsergebnisse und Studien (z. B. zum Einfluss degenerativer Veränderungen, des Überraschungsmoments oder einer "out-of-position"-Sitzhaltung auf die Verletzungswahrscheinlichkeit) offen dargestellt.
209Auch die sonstigen Sachverständigengutachten, die in den Zivilprozessen vor dem LG E eingeholt worden sind, können zu keiner anderen Einschätzung führen. Weil der Einzelrichter dem interdisziplinären Sachverständigengutachten Prof. Dipl. Ing. T8/ Prof. Dr. med. D1 vom 16. Juni 2005 und der gemeinsamen sach¬verständigen Stellungnahme Prof. Dr. med. L3/ Prof. Dr. med. D1 vom 31. Oktober 2006 folgt, berücksichtigt er die anderen Sachverständigengutachten aus¬drücklich nicht, weil er sie nicht für zutreffend hält. Der Sachverständige Prof. Dr. med. L3 hat insofern seinen der Klägerin eher günstigen Standpunkt aus seinem Gutach¬ten vom 20. Oktober 2003 (und der ergänzenden sachverständigen Stellungnahme vom 8. September 2005) in der gemeinsamen sachverständigen Stellungnahme mit Prof. Dr. med. D1 vom 31. Oktober 2006 aufgegeben. Das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. T6 vom 25. Oktober 2002 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 5. April 2005 legt das Gericht nicht zugrunde, weil es die dortigen Einschätzungen und Er¬gebnisse nicht für zutreffend hält. Die Feststellung eines Ursachenzusammenhanges durch Prof. Dr. med. T6 zu den im Zivilprozess geltend gemachten Verletzungen haben die orthopädischen Sachverständigen L3 und D1 nachvollziehbar widerlegt. Der Einzelrichter folgt dem. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass überhaupt keine neurologischen Schädigungen objektiv festgestellt wurden. Zudem handelt es sich ledig¬lich um eine neurologische Zusatzbegutachtung, die die vorrangig zur Begutachtung des hier interessierenden Ursachenzusammenhangs berufenen orthopädischen Fachgutachter in ihrer Beurteilung unterstützen soll. Deren Letzteinschätzung unterliegt der Ursachenzu¬sammenhang.
210Neben den sachverständigen Stellungnahmen spricht gegen den Ursachenzusammen-hang des Dienstunfalles am 1. Oktober 1997 mit den 2006/2007 diagnostizierten und physiotherapeutisch behandelten Beschwerden:
211Die Klägerin litt schon zum Zeitpunkt des Dienstunfalles an erheblichen degenerativen Veränderungen der HWS, deren Schwerpunkt im Segment C5/C6 lag, wo nach dem Unfall der Bandscheibenvorfall festgestellt und die Operation Ende Januar 1998 durchgeführt wurde. Da Bandscheibenvorfälle kaum traumatisch verursacht werden sondern meist nur anlässlich einer Unfallbegutachtung festgestellt werden bzw. im zeitlichen Zusammenhang mit einem Unfall klinisch manifest werden, spricht Überwiegendes dafür, dass der Band-scheibenvorfall der Klägerin schon zuvor vorlag und es im Zusammenhang mit dem Ver-kehrsunfall zur sog. Sequestration – dem Heraustreten geschädigten Bandscheibengewe-bes an der rückwärtigen Seite (dorsal), Durchbrechen des hinteren Längsbandes und Ein-dringen des Bandscheibengewebes in den Rückenmarkskanal – kam, soweit dieser Zu-stand nicht auch schon zuvor vorlag. Dies kann dann zu Beschwerden führen, ohne dass jedoch eine Nervenwurzelschädigung neurologisch (elektrophysiologisch) festgestellt wer-den konnte (vgl. Aussage des Dr. med. G im Termin LG Düsseldorf 13 O 263/98 und 13 O 389/00 am 19. Mai 2006, Beiakte 2, Bl. 389 ff.). Da keine Verletzungen knöcher¬ner oder ligamentärer Strukturen durch die unfallnah erstellten MRT-Aufnahmen (28. Oktober 1997, 22. Januar 1998) festgestellt werden konnten, kann ein traumatischer Bandscheibenvorfall ausgeschlossen werden,
212vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Ziff. 8.3.2.6.3, S. 436.
213Im Bericht zum MRT vom 28. Oktober 1997 des PD Dr. med. L sind die degenerativen Veränderungen der HWS der Klägerin in Übereinstimmung mit der Befundung der Rönt-genbilder durch Prof. Dr. med. T2 im Gesundheitsamt der Beklagten am 3. Dezember 1997 beschrieben: Osteochondrose der HWS von C3 bis C7, Befundmaximum bei C5/C6, dort eine Bandscheibenprotrusion und Verengung des Rückenmarkskanals und Zwi-schenwirbelbandscheibenverschleiß.
214Auffallend ist, dass im Bericht zum MRT vom 28. Oktober 1997 das Eindringen des Band-scheibengewebes Richtung Rückenmarkskanal, wo Nervenwurzeln beeinträchtigt werden können (Sequestration), nicht beschrieben ist. Dies war jedoch aufgrund eines MRT vom 22. Januar 1998 für Prof. Dr. T4 im Städt. Klinikum T3 Grund für die Opera¬tion am 28. Januar 1998, wie in seinem Bericht vom 5. Februar 1998 an Dr. med. T (Beiakte 25, Bl. 24 f.) dargelegt. Dies wirft die ungeklärte Frage auf, ob sich dies erst nach dem 28. Oktober 1997 degenerativ bedingt (unfallabhängig) entwickelt hat.
215Die Bedeutung der degenerativen Veränderungen haben die Sachverständigen L3 und D1 als nicht verletzungsfördernd eingeschätzt. Andere haben insofern eine Mitver¬ursachung gesehen (z. B. Prof. Dr. med. T4 von lediglich 20 %, das Gesundheits¬amt anfänglich von 40 %, später 50 %). Wenn man, anders als die Professoren L3 und D1 der Degeneration doch einen verletzungsfördernden Wert beimisst, ist die Frage, ob dieser sich in einem Bereich bewegt, in dem dem Dienstunfall noch zumindest gleichwertige Bedeutung zukommt, was die wesentliche Verursachung im Sinne des Un¬fallfürsorgerechts begründet, oder ob die Degeneration so fortgeschritten war, dass dem Verkehrsunfall nur der Wert einer Gelegenheitsursache beikam, also dem sprichwörtlichen "Tropfen, der das Fass zum Überlaufen" brachte. Hierfür spricht angesichts der ärztlichen Einschätzungen bezogen auf die Primärverletzung eher weniger.
216Im Verlauf der Zeit ist es jedoch typischerweise bei HWS-Schleudertraumata so, dass diese in ihren Auswirkungen zurückgehen und insbesondere bei leichten Traumata, wie es hier der Fall gewesen sein dürfte, persistierende Beschwerden eher degenerativen Verän-derungen zugeschrieben werden. Zugleich gibt es jedoch die wissenschaftlich ungeklärte Frage nach dem "whiplash associated disorder" (WAD) – der sog. chronischen Schleuder-trauma-Erkrankung . Bei einem nicht geringen Teil von Unfallopfern von Kfz-Kollisionen treten nach Schleudertraumata der Wirbelsäule, die eigentlich relativ schnell folgenlos ausheilen sollen, langfristige Beeinträchtigungen auf, die chronisch werden können und teils zur Berufsunfähigkeit führen.
217Vgl. Wikipedia, Artikel zu "Schleudertrauma", www.wikipedia.de; eingehend zum Begriff "Schleuder-trauma" in Bezug auf HWS-Distorsionen als Folge eines Beschleunigungsmechanismus Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 458, Ziff. 8.3.4.
218Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin hieran leidet. Beweisen lässt sich dies je-doch nicht.
219Das immer weitere Zurücktreten der Bedeutung von Unfallfolgen gegenüber degenerati-ven Prozessen, welches sich bei langandauerndem (verzögerten) Heilungs- bzw. Krank-heitsverlauf nach HWS-Beeinträchtigungen durch Verkehrsunfälle oder andere Einwirkun-gen aus ärztlicher oder gutachterlicher Sicht regelmäßig feststellen lässt, schlägt sich auch in den im Laufe des Verfahrens abgegebenen Stellungnahmen des Gesundheitsamtes der Beklagten, insbesondere des im Grunde von Anfang an beteiligten Amtsarztes Dr. med. H1, nieder: Wenn anfangs im Unfallgutachten vom 28. Januar 1998 die (Mit-) Verursa¬chung noch klar gesehen wird, auch wenn wegen der degenerativen Veränderungen die Kostenübernahme auf 12 Wochen beschränkt wird (wegen des an sich erwarteten Aus¬heilens), so wird der Bandscheibenvorfall bei C5/C6 "mit hoher Wahrscheinlichkeit" dem Unfallereignis als Folge zugeordnet. Schon diese Aussage hätte bei genauer Betrachtung dem Gericht nicht als Grundlage einer Überzeugungsbildung ausgereicht, bzw. zumindest Anlass zu Nachfragen gegeben. Diese Nachfragen hat nicht zu Unrecht die Kfz-Haftpflicht-Versicherung des Unfallgegners (G1) aufgeworfen und darauf hingewiesen, dass der Ursachenzusammenhang fraglich sei. Schon damals hatte der Neurologe Dr. med. G in seinem an die G1 gerichteten Bericht vom 10. März 1998 (dort Zif¬fer 9.1) die Frage aufgeworfen, ob es durch den Unfall zu einer Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens gekommen und dies richtungweisend gewesen sei, und gemeint, dies sei nur im Rahmen eines sehr ausführlichen, wissenschaftlich begründeten nerven¬ärztlichen Zusatz-Gutachtens zu klären. Die G1 hatte dies 1998 auch versucht und der Klägerin vorgeschlagen, den Direktor der Neurochirurgischen Klinik der Universitäts-klinik L1, Professor Dr. L2, mit der Zusammenhangsbegutachtung zu beauftragen. Hierzu kam es anscheinend nicht. Diese vertiefte Klärung hätte eventuell zu diesem frühen Zeitpunkt zu mehr Klarheit führen können, jedenfalls aber die langwierigen zivilrechtlichen und die Verwaltungsverfahren abkürzen können. Zugleich zeigt dies auch, dass schon in Bezug auf die Primärverletzung erhebliche Zweifel am Ursachenzusammenhang bestan-den, die für die möglichen Folgeerkrankungen (insbesondere Zervikalsyndrom oder Zervikodorsalsyndrom) umso stärker wiegen.
220Dementsprechend äußerte Dr. med. H1 (unter Mitzeichnung von Dr. med. T5) in seiner Stellungnahme vom 16. Januar 2003, selbst bei schweren Schleuder¬trau¬men seien die Unfallfolgen nach ein bis zwei Jahren derart vermindert, dass sie ge¬gen¬über dem degenerativ bedingten Vorschaden in den Hintergrund träten.
221Diese Entwicklung der Einschätzungen des Dr. med. H1 für das Gesundheitsamt setzte sich mit dessen Stellungnahme vom 8. November 2004 fort, in der er ausführte, 7 Jahre nach dem Dienstunfall müsse davon ausgegangen werden, dass mitt¬lerweile die dienst-unfallunabhängigen Erkrankungen für die jetzigen Beschwerden verant¬wortlich seien. Weitere medico-physikalische Maßnahmen an der Wirbelsäule wären nicht mehr von der Dienstunfallfürsorge zu übernehmen. Dies spricht für die Einschätzung des Einzelrichters, dass die wesentliche Verursachung aktueller Beschwerden der Klägerin durch den Dienstunfall jedenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen ist.
222In der Einschätzung des Gesundheitsamtes durch Dr. med. H1 (mitgezeichnet Prof. (BG) Dr. med. H. Schneitler, Leiter des Gesundheitsamtes) vom 20. Juli 2005 führt dieser aus, entsprechend dem dynamischen Krankheitsbild sei davon auszugehen, dass die heutigen Beschwerden der Klägerin überwiegend auf Grund der degenerativ bedingten Veränderungen der HWS und kaum mehr auf Grund des durchgemachten Unfalles vom 1. Oktober 1997 vorhanden seien.
223Nach alledem bleibt es bei der Einschätzung des Einzelrichters auf der Grundlage des in-terdisziplinären Sachverständigengutachtens Prof. Dipl. Ing. T8/ Prof. Dr. med. D1 vom 16. Juni 2005 und der gemeinsamen sachverständigen Stellung¬nahme Prof. Dr. med. L3/ Prof. Dr. med. D1 vom 31. Oktober 2006 sowie der dargestellten weiteren Umstände und der sich zulasten der Klägerin entwickelnden amts¬ärztlichen Äußerungen des Dr. med. H1, dass sich eine wesentliche Verursachung der aktuellen Beschwerden (insbesondere Zervikalsyndrom oder Zervikodorsalsyndrom) durch den Dienstunfall vom 1. Oktober 1997 nicht hinreichend sicher feststellen lässt.
224Die Einholung weiterer fachmedizinischer (insbesondere orthopädischer) Sachverständi-gengutachten findet nicht statt, da der Einzelrichter sich davon keine weiterführenden Be-weisergebnisse verspricht, die die erforderliche Überzeugungsgewissheit herbeizuführen vermögen. In Bezug auf die Verursachung von Körperschäden bei der Klägerin durch den Unfall vom 1. Oktober 1997 kann jetzt – bald 15 Jahre nach dem Unfalltag – nichts Neues mehr festgestellt werden. Körperliche Untersuchungen der Klägerin können aktuell nur noch den gegenwärtigen Zustand ermitteln. Als Anknüpfungs- oder Befundtatsachen ste-hen vorrangig die radiologischen Befunde aus den Jahren 1997/1998 zur Verfügung, die die bisherigen Sachverständigen bereits berücksichtigt haben. Neues ist insofern nicht zu erwarten. Zuletzt geht der Einzelrichter davon aus, keine besseren, fachkundigeren oder wissenschaftlich innovativeren Gutachter auffinden zu können. Neben Prof. Dr. med. L3, dem Direktor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der I-Uni¬versität E, in Bezug auf dessen ausreichende Gutachter-Kompetenz keine Zwei¬fel bestehen, stellt Prof. Dr. med. D1 eine ausgesprochene Koryphäe in Bezug auf Wirbelsäulenverletzungen bei Verkehrsunfällen dar, der wesentlich an der Forschung und der Fortentwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnis in diesem Bereich beteiligt ist. Wenn diese Sachverständigen gemeinsam zu keiner eindeutigeren Erkenntnis in der Lage sind, ist dies auch von anderen – in wissenschaftlich redlicher Weise – nicht zu erwarten. Jedenfalls ist ersichtlich, dass die Sachverständigen eindeutig von einer höheren Wahr¬scheinlichkeit dafür ausgehen, dass die Primärverletzungen nicht durch den Unfall vom 1. Oktober 1997 verursacht worden sind. Dies gilt nach Einschätzung des Gerichts umso mehr für Folgeerkrankungen bzw. Sekundärverletzungen.
225In dieser – nach der Beweislast zum Nachteil der Klägerin gehenden – Beweissituation ist auch unter Berücksichtigung des Beweisantrages der Klägerin zum Vorliegen behand-lungsbedürftiger Folgen des Dienstunfalls ab Mai 2006 zunächst ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten zur Frage der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung und darauf aufbauend sodann ein fachorthopädisches Sachverständigengutachten einzu-holen, kein solches Sachverständigengutachten erforderlich. Das Gericht verfügt mit dem interdisziplinären Sachverständigengutachten T8/D1 vom 16. Juni 2005 und der gemeinsamen sachverständigen fachorthopädischen Stellungnahme L3/D1 vom 31. Oktober 2006 (beide aus LG E 13 O 389/00, a. a. O.) über Sachverständigengutachten, die zu dieser Frage – nach den obigen Ausführungen – ausreichend und zutreffend Stellung nehmen und dem Gericht die notwendige Sachkunde verschaffen. Das Verwaltungsgericht genügt dem Grundsatz der Amtsermittlung, wenn es statt selbst eingeholter Sachverständigengutachten auf in das Verfahren eingeführte Sachverständigengutachten aus anderen Verfahren – z. B. amtsärztliche Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren –,
226vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. September 2010 – 8 B 15/10 –, Juris Rn. 4,
227zurückgreift, soweit diese keine offen erkennbaren Mängel oder unauflösbare Widersprü-che aufweisen, wenn sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht.
228Solche Umstände sind, wie oben bereits teilweise dargelegt, nicht ersichtlich. Deshalb war das Gericht befugt, seine Entscheidung auf die im Wege des Urkundsbeweises in das Verfahren eingeführten Gutachten aus den Zivilprozessen vor dem LG E 13 O 263/98 und 13 O 389/00 zu stützen, die als Bestandteil der beigezogenen Prozessakten dieser Verfahren für die Beteiligten ersichtlich in dieses Verfahren einbezogen wurden. Die Beteiligten hatten – die teilweise genutzte – Gelegenheit zur Akteneinsicht. Die Akten der Zivilprozesse sind ausdrücklich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden, der Einzelrichter hat unmissverständlich auf deren Auswertung und die Berück-sichtigung der im Einzelnen in der mündlichen Verhandlung angesprochenen und erörter-ten Sachverständigengutachten hingewiesen. Auch bei im Wege des Urkundsbeweises eingeführten Gutachten aus anderen Verfahren ist das Gericht befugt, einen Beweisantrag deshalb abzulehnen, weil es bereits über ein ihm die erforderliche Fachkunde verschaf¬fendes Gutachten verfügt, das in den Beiakten des Verfahrens vorhanden ist,
229vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. September 2011 – 1 A 1871/09 –, www.nrwe.de, Rn. 10 ff.
230Zugleich sind diese Gutachten von der Beklagten im Verwaltungsverfahren berücksichtigt worden und waren der maßgebliche Anlass für den Bescheid vom 4. September 2007. Deshalb finden sie sich im Verwaltungsvorgang der Beklagten, insbesondere betreffend die Ablehnung der Übernahme weiterer Behandlungskosten aus Mitteln der Unfallfürsorge (Beiakte 16, Bl. 231 – 349).
231Dabei greifen die von der Klägerin gegen diese Sachverständigengutachten erhobenen Rügen nicht durch. Irgendwelche Mängel des unfallanalytischen Gutachtens des Dr. Ing. Q vom 8. März 2000 sind ohne Bedeutung, da der Einzelrichter dies nicht ver¬wertet und dies auch für die verwerteten fachorthopädischen Gutachten keine Bedeutung hatte. Die Klägerin hatte sich darauf gestützt, dass das unfallanalytische Gutachten Dr. Ing. Q Grundlage der fachorthopädischen Gutachten sei. Dies ist nicht der Fall, da die fachorthopädischen Gutachten des Prof. Dr. med. D1 vom 16. Juni 2005 (als Teil des interdisziplinären Sachverständigengutachtens T8/D1) und die gemeinsame sachverständige Stellungnahme Prof. Dr. med. L3/ Prof. Dr. med. D1 vom 31. Oktober 2006 auf dem unfallanalytischen Gutachten des Prof. Dipl. Ing. T8 vom 16. Juni 2005 aufbauen. Dies ergibt sich für den orthopädischen Teil des interdisziplinären Sachverständigengutachtens Prof. Dipl. Ing. T8/ Prof. Dr. med. D1 vom 16. Juni 2005 schon aus dem Zusammenhang des technischen Teils dieses Gutachtens mit dem orthopädischen Teil. Zudem führt Prof. Dr. med. D1 auf S. 30 des orthopädischen Teils im 1. Absatz die Werte der kollisionsbedingten Ge¬schwindigkeitsänderung von 8,9 bis 12 km/h von vorne rechts (und deren Komponenten in Fahrzeuglängs- bzw. Querrichtung) an und bezieht sich auf Anlage A 14 des technischen Teils. Diese Anlage (sowie die genannten Werte der kollisionsbedingten Geschwindig¬keitsänderung) ist im unfallanalytischen Gutachten T8 enthalten und nicht in dem des Dr. Ing. Q.
232Die gemeinsame sachverständige Stellungnahme Prof. Dr. med. L3/ Prof. Dr. med. D1 vom 31. Oktober 2006 ergänzt das interdisziplinäre Gutachten vom 16. Juni 2005 und legt wie jenes das unfallanalytische Gutachten des Prof. T8 (und nicht das des Dr. Ing. Q) zugrunde.
233Soweit die Klägerin gegen die Begutachtung einwendet, es sei mittelbar das Gutachten des Dr. Ing. Q verwertet worden, weil Prof. Dipl. Ing. T8 die Da¬ten aus dem Gutachten Dr. Ing. Q verwendet habe, so ist dies schon nicht sub¬stantiiert, weil nicht klar ist, welche Daten im Einzelnen gemeint sind. Eine Datenüber¬nahme des Prof. Dipl. Ing. T8 von Dr. Ing. Q ist aber bei Durch¬sicht beider Gutachten nicht ersichtlich. Zwar erwähnt Prof. T8 das Gut¬achten Dr. Ing. Q, welches in den Prozessakten LG E 13 O 263/98 enthalten sei. Eine Übernahme von Daten aus dem Gutachten Dr. Ing. Q ist aber nicht ersichtlich. Die Ermittlung des Unfallhergangs und aller vom Sachverständigen festgestellten Informationen erfolgt aufgrund eigener sachverständiger Berechnungen, Si-mulationen und Überlegungen. Der Sachverständige T8 verwendet die Ver-kehrsunfallskizze und die Fotos der Polizei, die nach dem Unfall aufgenommen wurden. Hinsichtlich der Beschädigungen der beteiligten Fahrzeuge stützt er sich auf die Schaden-gutachten der Fahrzeuge (Schadensgutachten über das Fahrzeug Opel Frontera, X-XX 000, durch den Sachverständigen Dipl. Ing. H.-W. X aus O vom 2. Oktober 1997; Schadensgutachten des Dipl. Ing. K. L4, E, über den Opel Kadett E , XX-XX , des Ehemannes der Klägerin, sowie über den Honda Accord, ME-UU 23). Der Sachverständige T8 verwendet Lichtbilder aus diesen Schadengutachten im Hinblick auf die Beschädigungen der am Unfall beteiligten Kraftfahr¬zeuge. Alle sonstigen Erwägungen, Darlegungen, Berechnungen usw. unternimmt der Sachverständige mit den in seinem Gutachten dargestellten Methoden und Schritten. Eine Bezugnahme auf das Gutachten Dr. Ing. Q, eine Übernahme dort ermittelter Daten oder Verwendung dortiger Informationen ist nicht ersichtlich. Das Gutachten Dr. Ing. Q ist dort überhaupt nicht mehr erwähnt. Wie die Klägerin darauf kommt, es würden (angeblich unzutreffende) Daten aus dem Gutachten Dr. Ing. Q ver¬wendet, ist nicht erkennbar und sie oder ihr Bevollmächtigter haben dies auch nicht dar¬gelegt.
234Da sich auch die in der Widerspruchsbegründung der Klägerin vom 20. November 2008 vorgebrachten Angriffe gegen das unfallanalytische Gutachten des Dr. Ing. Q richten (dort S. 4/5), kann dies hier nicht weiterführen. Es ist aber auch in Bezug auf das Gutachten Prof. T8 nicht ersichtlich, was dieser hätte besser machen kön¬nen. Eine physische eigene Begutachtung der unfallbeteiligten Fahrzeuge war 2005 (und ist es derzeit erst recht) kaum mehr möglich, da diese nicht mehr vorhanden oder repariert sein dürften. Anders als durch Begutachtung der Lichtbilder unter Berücksichtigung der Schadensgutachten konnte nicht vorgegangen werden. Es ist zudem nicht ersichtlich, wel¬che andere sachverständige Einschätzung aus der Berücksichtigung ihres Vortrags, die Motoraufhängung sei abgerissen gewesen, folgen sollte.
235Die Kritik der Klägerin ist deshalb rein negativ, ohne dass sie ausführt, wie die Fahrzeuge hätten begutachtet werden sollen. Die Vorwürfe im Hinblick auf die Berücksichtigung un-richtiger Fahrzeugendpositionen sind nicht nachvollziehbar, da Prof. T8 diese der polizeilichen Unfallskizze entnommen hat und diese sich, soweit ersichtlich, in Übereinstimmung mit den Fotos vom Unfalltag befinden. Der Sachverständige hat zudem sehr wohl berücksichtigt, dass die Straße zum Unfallzeitpunkt nass war (S. 2 des Gutach-tens T8).
236Die vom Bevollmächtigten der Klägerin auch im Berufungsverfahren OLG E 1 U 208/07 (zu LG E 13 O 263/98) in der Berufungsbegründung vom 17. Dezember 2007 eingehend vorgetragenen Rügen gegen das unfallanalytische Gutachten Dr. Ing. Q gehen ins Leere, weil dieses Gutachten hier (wie auch in den Zivilprozessen) keine Berücksichtigung findet und insbesondere nicht erkennbar ist, inwiefern der Sach¬verständige Prof. Dipl. Ing. T8 die Dr. Ing. Q vorgeworfenen Fehler ebenfalls gemacht haben sollte.
237Besteht aber keine Notwendigkeit, ein weiteres unfallanalytisches Gutachten einzuholen, so ist auch hinsichtlich des orthopädischen Teils kein weiteres Sachverständigengutachten erforderlich. Soweit die Klägerin pauschal rügt, der Sachverständige Prof. Dr. med. D1 sei nicht unparteiisch, weil er von den Haftpflichtversicherern gefördert werde, so hat sie diesen Vorwurf nicht substantiiert. Der Einzelrichter ist diesem Vorwurf gleichwohl nach-gegangen und hat keine Anhaltspunkte für eine Parteilichkeit feststellen können. Prof. Dr. D1 mag wegen seiner wissenschaftlichen Forschungsergebnisse, die Unfallopfern mit Schleudertraumata bzw. HWS-Distorsionen im Streit mit Dienstherrn, Versicherungen, Berufsgenossenschaften oder sonstigen Trägern von Unfallentschädigungsleistungen nachteilig sind, verschiedentlich angefeindet werden. Dies ist nachvollziehbar, begründet jedoch keine Besorgnis der Befangenheit bzw. mangelnder Unparteilichkeit. Wäre Prof. Dr. med. D1 nachvollziehbar parteilich (bzw. ein korrupter Auftragsgutachter der Versi-cherungen), so wäre er wohl kaum in der Wissenschaft anerkannt, in der Rechtsprechung und der arbeitsmedizinischen Fachliteratur überall auffindbar und im Bereich des Fortbil-dungswesens in der Justiz bundesweit tätig.
238Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Das Unterliegen der Be-klagten bezieht sich nur auf einen geringfügigen Teil (202,50 Euro Rückforderung) und bleibt deshalb kostenmäßig ohne Auswirkung.
239Die Regelung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.