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1. Im Fall des Kindes einer Beamtin, welches eine Schädigung i.S.v. § 30 Abs 1 S 3 BeamtVG durch schädliche Einwirkungen auf seine Mutter während der Schwangerschaft geltend macht, ist eine Verpflichtungsklage auf Anerkennung einer Schädigung gemäß § 30 Abs 1 S 3 BeamtVG statthaft, da an einer solchen Anerkennung ein Interesse besteht.
2. § 30 Abs 1 S 2 und S 3 i.V.m. § 30 Abs 2 S 2 BeamtVG räumen dem Kind einer Beamtin subjektive Rechte ein, die dieses im eigenen Namen geltend machen kann.
3. Die aus § 45 Abs 4 BeamtVG folgende Antragsfrist für Ansprüche des Kindes gemäß § 30 Abs 2 S 2 BeamtVG beginnt mit der Geburt, unabhängig davon, wann die Sorgeberechtigten erkannten oder erkennen konnten, dass die Möglichkeit einer Schädigung des Kindes durch schädliche Einwirkungen aus dem dienstlichen Bereich während der Schwangerschaft besteht. Dies gilt auch, wenn die Krankheit überhaupt erst nach Ablauf der 10-Jahres-Frist nach § 45 Abs 4 S 2 i.V.m. § 45 Abs 2 BeamtVG auftritt.
4. Eine Verpflichtungsklage auf Anerkennung einer bestimmten Krankheit als Berufskrankheit gemäß § 31 Abs 3 S 1 BeamtVG setzt voraus, dass der Beamte diese zuvor bei der Behörde geltend ge-macht hat. Dies stimmt mit dem Meldeerfordernis nach § 45 Abs 1 BeamtVG überein. Eine schlichte Erwähnung in umfangreichem vorgerichtlichen Vortrag eines Beamten im Zusammenhang mit einer anderen Krankheit reicht nicht aus.
5. Krankheiten, denen der Beamte nicht nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung besonders ausgesetzt ist, sondern die aus den räumlichen Bedingungen des Dienstes folgen, können nicht als Berufskrankheiten gemäß § 31 Abs 3 S 1 BeamtVG anerkannt werden. Dadurch sind sämtliche Bauschadstoffe, Kfz-Abgase aus der Kfz-Werkstatt einer Berufsschule sowie Tabakrauch im Lehrerzimmer als Ursachen ausgeschlossen.
6. Die Anlage zur Berufskrankheitenverordnung - Berufskrankheitenliste - enthält eine abschließende Aufzählung der möglichen Berufskrankheiten. § 9 Abs 2 SGB VII ist nicht anwendbar, auch nicht analog.
7. Bei den offenen Tatbeständen der Berufskrankheitenliste, bei denen die schädigende Einwirkung, nicht jedoch die Erkrankung benannt ist ("Erkrankungen durch ...", z.B. Gruppe 13), ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass die schädigende Einwirkung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft generell zu einer bestimmten Erkrankung führen kann. Dabei ist bei bösartigen Erkrankungen auf die konkrete Tumorlokalisation bzw. die Art der Erkrankung abzustellen. Dass "Krebs" allgemein verursacht werden kann, reicht nicht aus.
8. Phthalate und Phenol sind in der Berufskrankheitenliste als schädigende Substanzen nicht aufgeführt.
9. Es lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass Benzoleinwirkungen zum Auftreten von Brustkrebs führen; dies ist deshalb keine "Erkrankung durch Benzol".
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 1. zu 2/3, der Kläger zu 2. zu 1/3.
Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die am 00.0.1958 geborene Klägerin ist verheiratet und hat drei Kinder (T, * 00.0.1988; M, * 0.0.1990; W, der Kläger, * 00.0.1993). Sie steht als Berufsschul-Lehrerin auf Lebenszeit im Schuldienst des beklagten Landes (derzeit als Oberstudienrätin, Besoldungsgruppe A 14 Bundesbesoldungsordnung – BBesO).
2Sie ist seit dem Jahr 1984 am Berufskolleg in H beschäftigt, welches heute Teil des Berufsbildungszentrums (BBZ) H ist. Sie unterrichtet die Fächer Chemie, Biologie, Ernährungslehre, Hygiene, Gesundheitswissenschaften sowie Fachkundeunterricht und technologische Übungen für Bäckereifachverkäuferinnen. Seit dem Jahr 1987 war sie dort zudem Sammlungsleiterin der Gefahrstoffe für die Chemieabteilung und seit 1992 Entsorgungsbeauftragte der gesamten Schule. Im Jahr 2003 wurde sie darüber hinaus als Gefahrstoffbeauftragte der Schule bestellt.
3Träger des BBZ H ist der Kreis O.
4Schon seit Ende der 1980er Jahre – eventuell auch schon früher – machen Lehrer des BBZ H geltend, aufgrund von Schadstoffen zu erkranken, denen sie nach ihrer Meinung in der Schule ausgesetzt (gewesen) sind. Besonders besorgt sind sie wegen Fällen von Krebserkrankungen. Der Kreis O als Schulträger setzte sich damit stets auseinander und führte Untersuchungen über mögliche Schadstoffbelastungen durch. Dies geschah teilweise durch vom Kreis O beauftragte externe Institute und Sachverständige:
5- Untersuchung der Schulen des Kreis O, darunter auch des BBZ H, auf Formaldehyd, durchgeführt vom Hygiene-Institut S (HYI) in H1 (vgl. Bericht des HYI vom 14. Oktober 1989, Tgb.-Nr. L xx/xx, Beiakte 8): Messungen am 14. August 1989, Auftraggeber Kreis O – Hochbauamt (Amt xx) –; Ergebnis: Grenzwertüberschreitungen in Bezug auf Formaldehyd im BBZ H im Schulbucharchiv und dem Computerraum; wegen der Einzelheiten wird auf Beiakte 8 verwiesen.
6- Prüfberichte des Universitätsklinikums M1, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, vom 3. April 2003 (Protokoll-Nr. x und Nr. x), Räume in Gebäude 3 (Raum 3.a und 3.b), Probenahme am 3. März 2003, Auftraggeber Kreis O – Gesundheitsamt (Amt xx) –; Untersuchung der Luft auf flüchtige organische Verbindungen (volatile organic compounds – VOC); wegen der Einzelheiten wird auf Beiakte 5 verwiesen.
7- Prüfbericht des HYI vom 10. Januar 2005 (Zeichen A-xxxxxx-xx-xx), Probenahme am 3. Dezember 2004, Auftraggeber Kreis O – Hochbauamt –; Messungen in Gebäude 3 (Räume 3.c, 3.d, 3.e, 3.a und 3.f): Untersuchung auf polychlorierte Biphenyle (PCB) und Pentachlorphenol (PCP) in Raumluft und Feststoffen sowie auf Formaldehyd und Asbestfasern in der Raumluft.
8Anlass der letztgenannten Untersuchung war nach dem Untersuchungsbericht vom 10. Januar 2005: "Nachdem bei mehreren Lehrern, die überwiegend im Gebäude 3 unterrichten, Krebserkrankungen auftraten, sollte überprüft werden, ob in den Räumen dieses Bauteils eine erhöhte Schadstoffbelastung vorliegt, die eine gesundheitliche Gefährdung darstellt und gegebenenfalls ursächlich für die Erkrankungen ist." Untersucht wurden Fugendichtmasse auf PCB, Holzpaneel-Wandverkleidungen auf PCP und im Übrigen Raumluftproben. Der Bericht kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, die durchgeführten Innenraumuntersuchungen ergäben keine Hinweise auf erhöhte Luftbelastungen durch die untersuchten Substanzen. Aufgrund der ermittelten Messwerte sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen gebäudebedingten Schadstoffbelastungen und den im Lehrerkollegium aufgetretenen Krebserkrankungen nicht anzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Berichts wird auf Beiakte 5 und Beiakte 1, Bl. 529 – 543, verwiesen.
9Im August 2005 wurde bei der Klägerin eine Brustkrebserkrankung festgestellt. Diagnostiziert wurde ein invasives Mamma-Karzinom rechts mit Lymphknotenmetastasierung in der rechten Achselhöhle (Axilla). Zunächst wurde eine neoadjuvante Chemotherapie durchgeführt. Nach deren Abschluss unterzog sich die Klägerin einer brusterhaltenden Resektion mit Entfernung auch des axillären Lymphknotens. Postoperativ kam eine Strahlentherapie sowie eine Langzeitbehandlung mit Antiöstrogen zur Anwendung. Seitdem befindet sich die Erkrankung in vollständiger Remission. Wegen der Einzelheiten wird auf Beiakte 2, Bl. 3 ff. verwiesen.
10Schon bald nach ihrer Erkrankung stellte die Klägerin, bei der wegen der Krebserkrankung ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 mit Schwerbehindertenausweis festgestellt ist, einen möglichen Zusammenhang mit Schadstoffbelastungen im BBZ H her, insbesondere als im Oktober 2005 ihre Kollegin L – die verstorbene Lehrerin, deren Witwer Kläger in der ebenfalls heute verhandelten und entschiedenen Sache 23 K 2989/09 ist – ebenfalls an Brustkrebs erkrankte. Deshalb nahm die Klägerin seitdem erheblichen Einfluss auf den Gang der Untersuchungen der Schadstoffbelastungen im BBZ, indem sie gegenüber der Schulleitung des BBZ und dem Schulträger unter großem persönlichen Einsatz die Interessen der Lehrerschaft des BBZ an einer Aufklärung der möglichen Schadstoffbelastungen verfolgte. Unter anderem aufgrund ihres beharrlichen Bemühens wurden im Auftrag des Kreis O weitere Untersuchungen vorgenommen:
11- Prüfbericht des HYI vom 22. Dezember 2005 (Zeichen A-000000-00-00), Probenahme am 17. November 2005, Auftraggeber Kreis O – Hochbauamt –, Messungen in Gebäuden 1 und 7 (Aula, Schulbüro, Räume 1.g, 1.h, 1.i, Kfz-Halle, 1.j, 7.h): Untersuchung von Feststoffproben auf PCP, PCB, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), VOC und Asbest; Untersuchung von Raumluftproben auf PCB, PCP, PAK, Asbest, VOC, Dieselmotoremissionen (DME) sowie Formaldehyd (Beiakte 2, Bl. 53 – 88).
12Der Bericht kam wie derjenige vom 10. Januar 2005 zu dem zusammenfassenden Ergebnis, die in ausgewählten Räumen durchgeführten Innenraumuntersuchungen hätten keine Hinweise auf erhöhte Luftbelastungen ergeben, weshalb ein ursächlicher Zusammenhang zwischen gebäudebedingten Schadstoffbelastungen und den im Lehrerkollegium aufgetretenen Krebserkrankungen nicht anzunehmen sei. Auch in der Kfz-Halle werde bei fachgerechtem Einsatz der Abgas-Absauganlage die Technische Richtkonzentration (TRK) an DME eingehalten. Da der Messwert jedoch vergleichsweise nah an der TRK lag, werde empfohlen, innerhalb der nächsten Jahre durch technische Überarbeitung der Absauganlage eine Absenkung der DME-Konzentration anzustreben.
13Nachdem gegen diesen Prüfbericht von der Lehrerschaft des BBZ, insbesondere von der Klägerin, eingewandt worden war, es seien nicht die problematischen Räume untersucht worden, in denen Lehrer mit Krebserkrankungen lange Zeit unterrichtet hätten, gab der Kreis O ein weiteres Gutachten in Auftrag, bei dem von der Klägerin benannte Räume beprobt wurden:
14- Prüfbericht des HYI vom 25. August 2006 (Zeichen A-000000-00-00), Probenahme am 17. Juli 2006, Auftraggeber Kreis O – Hochbauamt –; Gebäude 7 und 1: Räume 7.h, 7.k, 7.l, 1.i, 1.m, Büro Schulverwaltung (Gebäude 1, 1. OG); Raumluftuntersuchung (RLU) zur Bestimmung von Formaldehyd, VOC und Phthalaten (Beiakte 2, Bl. 93 - 119).
15Dieser Prüfbericht diente der Kontrolle der längerfristigen Einhaltung der VOC-Messergebnisse vom 17. November 2005, der entsprechenden Überprüfung zusätzlicher Räume sowie der Feststellung des Phthalatgehalts der Raumluft. Zusammenfassend stellte das HYI erneut fest, dass die Untersuchungen keine Hinweise auf erhöhte Luftbelastungen durch die entsprechenden Substanzen ergeben hätten und deshalb kein ursächlicher Zusammenhang mit den Krebserkrankungen im Lehrerkollegium anzunehmen sei.
16Weil die Klägerin auf mögliche Gefahren hingewiesen hatte, die eventuell von aus Weich-Kunststoff bestehenden, im Unterricht der Bäckereifachverkäuferinnen eingesetzten Lebensmittelattrappen (Backwaren- und Konfektmodelle) ausgingen, waren diese Lebensmittelattrappen aus dem Raum für den Verkaufsunterricht der Bäckereifachverkäuferinnen (Raum 1.m in Gebäude 1) entfernt und in einem Keller der Schule gelagert worden. Die Klägerin beauftragte in Bezug auf die Lebensmittelattrappen im November 2006 auf eigene Kosten das Analyselabor in C GmbH (C), welches die Modelle untersuchte:
17- Prüfbericht Nr. A 000 0000P der C GmbH vom 10. November 2006: Prüfung einer Materialprobe der Lebensmittelmodelle auf VOC, insbesondere Weichmacher, im Feststoff (Beiakte 2, Bl. 120 ff.);
18- Prüfbericht Nr. A 000 00000 der C GmbH vom 28. November 2006, Prüfung vom 22. - 24. November 2006: Luftprobe der Ausgasungen der Lebensmittelattrappen bei 60°C, Untersuchung auf VOC (Beiakte 2, Bl. 123 ff.).
19Etwa zeitgleich hatte der Kreis O auf Drängen der Lehrerschaft des BBZ, insbesondere der Klägerin, ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben, das dazu diente, die aus Sicht der Lehrerschaft problematischen Räume auf bisher nicht untersuchte Schadstoffe zu prüfen, sowie die Lebensmittelattrappen aus der Ausbildung der Bäckereifachverkäuferinnen auf Schadstoffbelastung zu testen:
20- Prüfbericht des HYI vom 14. Dezember 2006 (Zeichen A-000000-00-00), Probenahme am 6./7. November 2006, Auftraggeber Kreis O – Hochbauamt –; Raumluftproben auf Phthalate in den Räumen 1.m, 7.k, 7.l, Feststoffproben auf Phthalate und Flammschutzmittel (Untersuchung des PVC-Bodens und des Hausstaubs, in Raum 1.m zusätzlich auch der Lebensmittelattrappen); Untersuchung der Lebensmittelattrappen auf VOC-Emissionen in Prüfkammer durch Gaschromatographie/ Massenspektrometrie (Beiakte 2, Bl. 343 - 366).
21Die Messergebnisse fielen insgesamt aus Sicht des HYI im Wesentlichen unproblematisch aus. Ein zusammenfassendes Ergebnis fehlt in diesem Bericht. Zu der Untersuchung der Lebensmittelmodelle in einer Prüfkammer führt der Bericht aus, es seien in der Prüfkammerluft hohe Gehalte an 1-Butanol, Aldehyden (Benzaldehyd, Butanal), Ketonen (Methylethylketon, 2-Hexanon), sekundärem Butylformiat und Benzol nachgewiesen worden; inwieweit die Modelle bei der Verwendung im Unterricht eine gesundheitliche Gefährdung dargestellt hätten, hänge im Wesentlichen von der Menge des eingesetzten Materials ab und könne nach den vorliegenden Daten nicht abgeschätzt werden. Bei der Raumluftmessung im Raum 1.m am 17. Juli 2006 seien dort (ohne die Lebensmittelmodelle) keine erhöhten VOC-Werte gemessen worden.
22Noch bevor der Prüfbericht vom 14. Dezember 2006 im BBZ bekannt wurde, reichte die Klägerin unter dem 5. Dezember 2006 über die Schulleitung des BBZ bei der Bezirksregierung Düsseldorf ihre Unfallmeldung ein, mit der sie beantragte, ihre Erkrankung an einem Mammakarzinom der rechten Brust, einer Lymphknotenmetastase in der rechten Axilla und einem sekundären Armlymphödem als Dienstunfall anzuerkennen. Sie machte im Wesentlichen geltend: Sie sei Opfer einer langjährigen chronischen Vergiftung im Dienst durch drei giftige Umweltschadstoffe, die in der Atemluft gemessen worden seien: Formaldehyd, Dibutylphthalat (DBP) und Phenol. Das DBP stamme vermutlich aus dem PVC-Boden und sei deshalb wohl seit ihrer Einstellung 1984 immer in der Atemluft in den Klassenzimmern vorhanden gewesen. Die Konzentration des giftigen Phenols sei wohl über die Jahre immer mehr geworden, da zunehmend Lebensmittelattrappen der Firma E angeschafft worden seien, die nachweislich Phenol in die Luft abgegeben hätten. Die Belastung mit dem giftigen Formaldehyd, welches wohl aus Holzschränken und ähnlichen damit belasteten Baustoffen stamme, wäre über die Jahre vermutlich geringer geworden, weil die Schadstoffe durch Ausgasung wohl abgenommen hätten. Im Lehrerzimmer habe sie über die gesamte Zeit passiv geraucht. Die Vergiftung sei vor allem in den Räumen 1.n und 1.o (in den Anfangsjahren), später in den naturwissenschaftlichen Räumen 7.p, 7.h, 7.k, 7.l und 7.q sowie dem Raum für die Bäckereifachverkäuferinnen 1.m eingetreten. Beigefügt waren 11 umfangreiche Anlagen:
23- Anlage 1: ärztliche Bescheinigungen zur Erkrankung;
24- Anlage 2: 22-seitige Darstellung der Klägerin zum Unfallhergang, zum Ablauf, ihren Recherchen, den Vorgängen in der Schule, den verschiedenen Messungen etc.;
25- Anlage 3: Bestätigungen von Zeugen (Lehrerinnen L, U, T1);
26- Anlage 4: ihre Mängelanzeige vom 13. September 2005 zu Raum 1.m;
27- Anlage 5: Prüfbericht HYI vom 22. Dezember 2005 – A-000000-00-00;
28- Anlage 6: Sicherheitsdatenblatt des Herstellers des Materials der Lebensmittelattrappen vom 2. Februar 2006 zum Werkstoff "P 1281 natur 10/00 Formenguss";
29- Anlage 7: Prüfbericht HYI vom 25. August 2006 – A-000000-00-00;
30- Anlage 8: Prüfbericht C GmbH vom 8. November 2006 – A 000 0000P;
31- Anlage 9: Prüfbericht C GmbH vom 22. November 2006 – A 000 0000I;
32- Anlage 10: Rechnungen für die Prüfberichte der C GmbH;
33- Anlage 11: Rechnungen für mit ihren Erkrankungen im Zusammenhang stehende Behandlungen etc.
34Nach Angaben der Klägerin waren sämtliche Behandlungskosten usw. nach der Beihilfeverordnung NRW (BVO) sowie durch ihre private Krankenversicherung übernommen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Unfallmeldung wird auf Beiakte 2, Bl. 1 – 251, Bezug genommen.
35Mit Bescheid vom 16. Januar 2007 lehnte die Bezirksregierung Düsseldorf den Antrag der Klägerin, der zugleich als Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit verstanden wurde, ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Ein Dienstunfall gemäß § 31 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) komme nicht in Betracht, weil dies ein plötzliches Ereignis voraussetze, was bei den von ihr geltend gemachten Dauereinwirkungen fehle. Eine Anerkennung ihrer Erkrankungen an einem Mammacarcinom rechte Brust, einer Lymphknotenmetastase rechte Axilla und sekundärem Armlymphödem als Berufskrankheit gemäß § 31 Abs. 3 BeamtVG sei auch nicht möglich. Sie sei nicht nach der Art der dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt gewesen. Der ausgeübte Lehrerberuf berge nicht die besondere Gefährdung in sich, an Brustkrebs zu erkranken. Die sonstigen dienstlichen Bedingungen, z. B. die besondere Beschaffenheit des Dienstgebäudes, müssten unberücksichtigt bleiben, weshalb Einwirkungen durch PVC-Böden, die Holzschränke oder sonstige Baustoffe außer Berücksichtigung blieben. Der Umgang mit eventuell schadstoffemittierenden Lebensmittelattrappen sei nur beachtlich, soweit die Gefährdung durch die Benutzung von Lebensmittelattrappen typisch für die Lehrtätigkeit sei und in erheblich höherem Maße vorkomme als bei der übrigen Bevölkerung. Daran fehle es jedoch.
36Die Klägerin, vertreten durch die jetzige Bevollmächtigte ihres Sohnes, erhob hiergegen unter dem 12. Februar 2007 Widerspruch, mit dem sie jetzt auch die Erkrankung ihres Sohnes W an "Diabetes Typ I" geltend machte. Zur Begründung führte die Bevollmächtigte aus: Die Erkrankung ihres Sohnes sei durch die chronische Vergiftung seiner Mutter verursacht und deshalb ebenfalls anzuerkennen. Die Gefährdung durch Lebensmittelattrappen sei eine Folge der spezifischen Dienstausübung der Klägerin Dabei handele es sich hinsichtlich der Schadstoffe nicht um einen Verdacht, sondern die Schadstoffbelastungen mit Formaldehyd, DBP und Phenol seien durch die gutachterlichen Messungen belegt. Das nunmehr vorliegende weitere Gutachten des HYI zum Probenahmedatum 6./7. November 2006 belege erhebliche Belastungen des Frischstaubs in den Klassenräumen, die zur Initiation, Promotion und Progression der Brustkrebserkrankung der Klägerin sowie der Autoimmunerkrankung ihres Sohnes geführt hätten. Die spezifische Lehrtätigkeit sei bei der Frage nach dem besonderen Ausgesetztsein gemäß § 31 Abs. 3 BeamtVG zu berücksichtigen. Durch die Tätigkeit der Klägerin mit den Lebensmittelattrappen bei der Ausbildung der Bäckereifachverkäuferinnen sei sie deren Ausgasungen ständig ausgesetzt gewesen. Diese seien durch die Lagerung der Attrappen im Raum 1.m dort auch immer in der Atemluft vorhanden gewesen. Die Modelle hätten neben anderen Stoffen insbesondere Phenol und Benzol ausgegast. Die durch diese Stoffe bei der konkreten dienstlichen Verwendung der Klägerin verursachte Erkrankung sei in der auch für § 31 Abs. 3 BeamtVG einschlägigen, auf Basis des § 9 SGB VII erlassenen Berufskrankheitenverordnung (BKV) und der dazu gehörigen Liste der Berufskrankheiten (Berufskrankheitenliste) in Nr. 1303 enthalten. Die Erkrankungen durch Benzol gehörten zu den anerkannten Berufskrankheiten. Dabei sei der wissenschaftliche Zusammenhang zwischen der Einwirkung von Benzol und Phenol auf den Körper und der Erkrankung an Brustkrebs wissenschaftlich belegt. Beim Umgang mit vergifteten Lebensmittelattrappen und dem Einatmen von deren Ausgasungen handele es sich dabei gerade nicht um ein allgemeines Lebensrisiko, das von den räumlichen Beschaffenheiten der Diensträume ausgehe. Aufgrund der Regelung in § 9 Abs. 3 SGB VII werde der Ursachenzusammenhang vermutet, soweit keine sonstigen Ursachen außerhalb der beruflichen Tätigkeit festzustellen seien. Bei der Klägerin lägen keine Risikofaktoren für eine Erkrankung an Brustkrebs vor: Nichtraucherin, normalgewichtig, drei Kinder lange gestillt, keinerlei familiäre Vorbelastung. Weiterhin hätten die Lebensmittelattrappen aber auch weitere giftige, brustkrebsfördernde Schadstoffe abgegeben, nämlich Phthalate und andere Weichmacher. Diese seien zwar von Nr. 1303 der Berufskrankheitenliste nicht erfasst, müssten aber gemäß dem analog anwendbaren § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit anerkannt werden, weil deren krebsfördernde Wirkung mittlerweile wissenschaftlich anerkannt sei. Die Weichmacher würden als endokrine Disruptoren und Tumorpromotoren angesehen. Hierdurch werde auch der Bezug zur Autoimmunerkrankung ihres Sohnes hergestellt. Letztlich sei der Ursachenzusammenhang aufgrund einer Gesamtbewertung der diversen gutachterlich belegten Schadstoffbelastungen und unter Berücksichtigung additiver und synergistischer Effekte sowie dem Tatbestand, dass fast alle Frauen, die jahrelang in diesen Klassenräumen vorwiegend gearbeitet haben, gutartige Brustgewebeveränderungen oder bösartige Brusttumore aufweisen, anzunehmen. Durch diese Situation habe der Arbeitgeber der Klägerin auch seine Fürsorgepflichten verletzt. Die Unfallversicherungsträger hätten dabei nach § 9 Abs. 8 SGB VII an der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mitzuwirken. Wenn ihr Arbeitgeber dies nicht mache und den Sachverhalt im Fall der Klägerin nicht aufkläre, sei dem Widerspruch schon wegen der entsprechenden Untätigkeit stattzugeben. Dem Widerspruch beigefügt waren weitere Anlagen:
37- Anlage 1a: Bescheinigung zur Erkrankung ihres Sohnes;
38- Anlage 1b: Fragebogen des Deutschen Diabetes Zentrums (DDZ) zur Erkrankung ihres Sohnes;
39- Anlage 1c: Bescheinigung über den Gesundheitszustand der Klägerin vom 18. Dezember 2006 (Universitätsklinikum E1, Frauenklinik, Prof. Dr. C1);
40- Anlage 2a: 45-seitige schriftliche Darstellung der Klägerin: "Brustkrebs einer Lehrerin und Diabetes Typ I ihres Sohnes – ein Dienstunfall" vom 10. Februar 2007;
41- Anlage 3a: weitere Zeugenbescheinigung;
42- Anlage 7a: Prüfbericht HYI vom 14. Dezember 2006 – A-000000-00-00 –.
43Wegen der weiteren Einzelheiten des Widerspruchs wird auf Beiakte 2, Bl. 275 – 366, Bezug genommen.
44Die Bezirksregierung Düsseldorf beauftragte daraufhin unter dem 5. April 2007 den Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Klinische Immunologie am Universitätsklinikum E1, Prof. Dr. med. I, mit einem internistisch-hämatologisch-onkologischen Gutachten zur Verursachung der Erkrankung der Klägerin an Brustkrebs, Lymphknotenmetastase und sekundärem Armlymphödem sowie der Erkrankung des Sohnes an Diabetes Mellitus Typ I. Der Gutachtenauftrag benannte insofern als relevante Schadstoffe: DBP, Formaldehyd, Phenol, Benzol, Bisphenol A, Benzylbutylphthalat (BBP), Di-2-ethylhexylphthalat (DEHP), Dioctylphthalat (DOP), Di-n-butylphthalat (DNBP) und Di-n-octylphthalat (DNOP). Dabei hob die Bezirksregierung hervor, rechtlich wesentlich könne nur der dienstliche Umgang mit den Lebensmittelattrappen und die Tätigkeit als Gefahrstoffbeauftragte sein. In Bezug auf den Sohn sei zu prüfen, ob es sich bei der Diabetes Typ I-Erkrankung um eine Schädigung handele, die durch besondere Einwirkungen während der Schwangerschaft verursacht worden ist, die generell geeignet seien, bei der Klägerin eine Berufskrankheit zu verursachen. Wegen der Einzelheiten wird auf Beiakte 1, Bl. 367 – 371, verwiesen.
45Im Laufe des Widerspruchsverfahrens reichte die Klägerin verschiedene weitere Unterlagen sowie eigene Stellungnahmen und Ausarbeitungen ein, u.a.
46- ihre Mängelanzeige zur Abgas-Absauganlage in der Kfz-Werkstatt vom 25. Oktober 2005,
47- die Mängelanzeige der Klägerin und verschiedener anderer Lehrer vom 23. Mai 2007 zur Staubbelastung aufgrund von Reinigungsmängeln in den Räumen 1.m, 7.k – 7.q,
48- die Mängelanzeige der Fachkonferenz Naturwissenschaft vom 19. September 2007 zu den Räumen der 3. Etage in Gebäude 7 und den dort gehäuft aufgetretenen Erkrankungen von Lehrern an Krebs und anderen schweren und chronischen Erkrankungen,
49- die Mängelanzeige der Fachkonferenz Nahrung vom 19. September 2007 zu Raum 1.m und den dort gemessenen oder vermuteten Schadstoffen sowie den erkrankten dort tätigen Lehrern,
50- die Mängelanzeige der Klägerin und weiterer Lehrer zu Raum 1.r aufgrund auffälligen Kunststoffgeruchs und vermuteten Schadstoffbelastungen,
51- die Mängelanzeige des Kollegiums des BBZ von Dezember 2007 zu Gebäude 3 in Bezug auf Schadstoffbelastungen, besonders PCB im PVC-Boden und PCP in Holzverkleidungen,
52- ihre Ausarbeitung "Krebserkrankungen am BBZ H" einschließlich einer Bilddarstellung an Krebs erkrankter oder verstorbener Lehrer mit einer räumlichen Zuordnung zu deren langjährigen Unterrichts- oder Aufenthaltsräumen und den dort gemessenen Schadstoffen,
53- sowie eine erweiterte Fassung der Bilddarstellung erkrankter und verstorbener Kollegen nebst den betroffenen Organsystemen und den Tumorlokalisationen, verbunden mit einer tabellarischen Darstellung der als problematisch angesehenen Räume des BBZ mit einer Darstellung der Schadstoffe, der stattgefundenen Messungen und der Messwerte sowie einer Beschreibung der Raumsituation und der bei dort langjährig unterrichtenden Lehrern aufgetretenen schweren Erkrankungen (Beiakte 1, Bl. 599 – 609).
54Zudem berief sie sich auf die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (HessVGH) bestätigte Entscheidung des VG Kassel vom 12. Oktober 2005 – 1 E 3503/96 –und reichte Informationen über einen am 4. September 2007 in der ZDF-Sendung Frontal21 gesendeten Beitrag "Gift im Klassenzimmer – Schulen machen krank" ein.
55Mit Schreiben vom 10. Juni 2007 beantragte die Klägerin bei der Schulleitung des BBZ, ab dem kommenden Schuljahr nicht mehr in Räumen in Gebäude 7 unterrichten zu müssen, weil dies für sie bei bestehender Krebserkrankung eine Gesundheitsgefährdung darstelle.
56Während des Widerspruchsverfahrens befasste die Klägerin – unter Einschaltung des Regierungsvizepräsidenten – auch das bei der Bezirksregierung Düsseldorf für den Arbeitsschutz zuständige Dezernat mit der Angelegenheit. Dies sah angesichts der vorliegenden Gutachten keinen Anlass zum Tätigwerden.
57Unter dem 12. November 2007 gab der beauftragte Sachverständige sein hämatologisch-onkologisches Gutachten zum Zusammenhang zwischen einer beruflichen Schadstoffexposition und der Brustkrebserkrankung der Klägerin sowie dem Diabetes Mellitus Typ I ihres Sohnes ab. Er kam im Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen: Zu der Frage, ob die Erkrankung der Klägerin an Brustkrebs (oder Krebs generell) durch einen der im Gutachtenauftrag genannten Stoffe als Berufskrankheit in der Anlage 1 zur BerufskrankheitenVO aufgeführt sei (I.), führte Prof. Dr. med. I aus, dass insbesondere Benzol in Nr. 1303 der BerufskrankheitenVO erfasst und auch dessen grundsätzliche karzinogene Potenz unbestritten sei; anerkannte Berufserkrankungen seien insofern Leukämien und lymphoproliferative Erkrankungen, nicht jedoch solide Tumoren wie Mammakarzinome. Da statistische Untersuchungen sowohl Hinweise auf die Verursachung von Brustkrebserkrankungen bei benzolexponierten Personen aufwiesen als auch ein erhöhtes Brustkrebsrisiko durch Benzoleinwirkung nicht erkennen ließen, sei ein sicherer kausaler Zusammenhang zwischen Benzolexposition und dem Auftreten von Mammacarcinomen bei Menschen nicht herzustellen. Zur Frage, ob ein Kausalzusammenhang zwischen der dienstlichen Verrichtung und der Erkrankung der Klägerin bestehe und welche anderen Ursachen in Betracht kämen (II.): Auf der Grundlage der dargestellten widersprüchlichen Studienlage und der unklaren ätiologischen Bedeutung einer Benzolexposition für das Auftreten eines Mammacarcinoms sei die Abgrenzung zu anderen potentiellen Krankheitsauslösern schwierig. Abgesehen von dem unstreitig krebserregenden Schadstoff Benzol, das in der Gruppe 2 der Gefahrstoffverordnung (GefStVO) enthalten und für das deshalb keine Werte einer zulässigen, nicht gesundheitsschädlichen maximalen Arbeitsplatz-Konzentration (MAK) existierten, seien anerkannte Risikofaktoren zu berücksichtigen: Brustkrebs-Erkrankung von Verwandten 1. Grades, frühe Menarche, späte Menopause, späte 1. Schwangerschaft, Alter über 50 Jahre, Alkoholkonsum sowie stattgehabte Bestrahlungsexposition. Östrogentherapie und mittelfristige orale Konzeption seien keine gesicherten Risikofaktoren. Zugleich träten 70 - 80 % der Mammacarcinome bei Frauen ohne Risikofaktoren auf. Bei der Klägerin läge mit der späten 1. Schwangerschaft ein Risikofaktor vor. Weiter seien die von ihr selbst angeführten Phthalate nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft ein möglicher Faktor, welcher die Brustkrebsentstehung fördern könne; diese seien jedoch nicht in der Anlage I zur BKV enthalten, träten zugleich aber ubiquitär auf und könnten demnach nicht allein auf den beruflichen Bereich zurückgeführt werden. Zu der Frage, ob bei der Klägerin als Berufsschullehrerin mit dem Fach "Fachkundeunterricht für Bäckereifachverkäuferinnen" bzw. als Sammlungsleiterin der Gefahrstoffe für die Chemieabteilung und Entsorgungsbeauftragte der Schadstoffe der Schule eine erheblich erhöhte Wahrscheinlichkeit im Sinne einer Verdoppelung des Erkrankungsrisikos an einer Krankheit im Sinne der unter I. ermittelten Berufskrankheit der Anlage I der BKV bestehe (III.): Es gebe epidemiologische Studien über erhöhte Brustkrebsgefährdung von Lehrerinnen, wobei unklar sei, wodurch dies bedingt sei. Epidemiologische Studien speziell bezogen auf die konkrete Verwendung der Klägerin gäbe es nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt lasse die Datenlage deshalb eine Anerkennung der Brustkrebserkrankung als Berufskrankheit nicht zu. Zum Sohn der Klägerin machte der Sachverständige keine Ausführungen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverständigengutachtens wird auf Beiakte 1, Bl. 505 - 514 verwiesen.
58Nachdem der damaligen Bevollmächtigten der Klägerin das Gutachten erst Ende April 2008 übersandt worden war, trat die Klägerin dem Gutachten mit einer eingehend begründeten Stellungnahme entgegen, welche ihre Bevollmächtigte unter dem 5. Mai 2008 vorlegte. Sie rügte im Wesentlichen: Die monokausale Beschränkung des gutachterlichen Blickwinkels auf Benzol gehe an der Wirklichkeit und der Vielzahl der Schadstoffe, denen sie am BBZ ausgesetzt gewesen sei, vorbei. Bei Expositionen gegenüber mehreren Schadstoffen seien additive, überadditive und synergistische Effekte zu berücksichtigen. Die Einwirkungen durch Abgase aus der Kfz-Werkstatt seien nicht berücksichtigt, aus der giftige Gase über Jahre ungefiltert in die Atemluft der im selben Gebäude Beschäftigten gedrungen seien. Die Umstände der Schadstoffmessungen im Raum 1.m seien zudem nicht sachgerecht gewesen. Auch aus der Prüfgenauigkeit des untersuchenden Instituts folgten Mängel der Messungen, die sich relevant auswirkten. Der Sachverständige habe auch eine Studie zu ihren Lasten berücksichtigt, die sich nicht mit Benzol, sondern mit einem im BBZ nicht nachgewiesenen Benzolderivat befasst habe. Die auffällige Phenolbelastung des Verkaufsraums 1.m sei nicht berücksichtigt worden. Phenol entstehe auch im Körper bei der Umwandlung von aufgenommenem Benzol. Dem Phenol werde dabei die besondere toxische Wirkung des Benzols beigemessen. Phenol sei auch nur im Verkaufsraum nachgewiesen worden und entstamme den Lebensmittelmodellen. Es sei ein giftiger, hautresorptiver und mutagener Schadstoff. Weiter seien die Belastungen des Verkaufsraums (und anderer Räume) mit Formaldehyd und Phthalaten nicht berücksichtigt. Die vom Sachverständigen zu Frage I. zugrunde gelegten Studien seien nicht aktuell, da sie zwischen 1980 und 1999 veröffentlicht worden seien. Die auf den Zusammenhang zwischen Benzolexposition und Brustkrebs bezogenen zwei Studien sprächen für einen solchen Zusammenhang. Die übrigen fünf insofern berücksichtigten Studien seien weniger oder gar nicht geeignet, in ihrem Fall berücksichtigt zu werden, da sie sich auf Tierversuche, allgemein auf Krebsinzidenz durch Benzol oder Brustkrebsinzidenz durch β-Benzol-Hexachlorid bezögen. Es sei nicht ihr anzulasten, dass der Sachverhalt nicht vollständig ermittelt worden und dies auch nicht nachholbar sei, weil die Lebensmittelmodelle entgegen ihrem Willen entsorgt worden seien, ohne sie zu wiegen, und auch die Holzschränke, in denen die Modelle gelagert worden waren, nicht mehr existierten. Es liege kein Risikofaktor "späte 1. Schwangerschaft" bei ihr vor, da sie mit ihrem 1. Kind im Alter von 29 Jahren schwanger war; "spätgebärend" sei man jedoch erst deutlich über dem 30. Lebensjahr. Bei ihr lägen auch keine genetischen Risikofaktoren vor. Da eine Anerkennung nach § 9 Abs. 2 SGB VII möglich sei, sei der Gutachtenauftrag schon falsch gewesen, weil er nicht in der Berufskrankheitenliste enthaltene Schadstoffe als Ursachen aus dem Gutachtenauftrag ausgeschlossen habe, wie z. B. Phthalate, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit anderen Schadstoffen. Die Weichmacher, insbesondere Phthalate, hätten die Rolle des PCB übernommen und würden die Bevölkerung gefährden. Einige, so z. B. DEHP, seien heute schon in gewissen Produkten verboten und die Produktion sei in Deutschland teilweise eingestellt worden. Das Umweltbundesamt warne teilweise vor Weichmachern. Die von ihr in der Anlage 2a zum Widerspruch auf S. 4 zitierte Studie von Weber weise auf die erhöhte Krebsinzidenz bei Berufsschullehrern hin. Zudem sei die hohe Zahl der übrigen erkrankten Beschäftigten des BBZ zu berücksichtigen. In Bezug auf ihren Sohn sei unabhängig von der Beurteilung ihrer Brustkrebserkrankung dessen Krankheit auf die Einwirkungen zurückzuführen, denen sie beruflich ausgesetzt gewesen sei. Insbesondere die Weichmacher (im PVC-Boden, im Staub, im Tabakrauch im Lehrerzimmer) hätten ihren Sohn in der Schwangerschaft pränatal geschädigt, da diese Stoffe plazentagängig seien, und postnatal ebenfalls, da sie in die Muttermilch gehen würden. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Stellungnahme wird auf Beiakte 1, Bl. 567 – 573, Bezug genommen.
59Der Sachverständige sah keinen Anlass zu einer ergänzenden inhaltlichen Stellungnahme.
60Im Laufe des Jahres 2008 fand über die Frage der Schadstoffbelastungen weiterhin intensiver Austausch zwischen der Lehrerschaft und der Leitung des BBZ sowie dem Kreis O als Schulträger statt. Die Lehrer forderten weitere Schadstoffmessungen, möglichst durch ein anderes Institut, da sie teilweise Zweifel an der Unabhängigkeit des Hygiene-Instituts S hatten. Die Situation spitzte sich insofern zu, als bei der im Oktober 2005 ebenfalls an Brustkrebs erkrankten Kollegin der Klägerin – der verstorbenen Ehefrau des Klägers in der auch heute verhandelten und entschiedenen Sache 23 K 2989/09 –, die ebenfalls langjährig in Raum 1.m unterrichtet hatte und mit den Lebensmittelmodellen umgegangen war, im Frühsommer 2008 Metastasen festgestellt worden waren. Die Klägerin erklärte daraufhin gegenüber ihrem Schulleiter, nicht mehr in schadstoffbelasteten Räumen unterrichten zu wollen. Sie wurde dann ab dem 1. August 2008 zum N-Berufskolleg in T2 abgeordnet, wo sie bis heute beschäftigt ist.
61Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2008 wies die Bezirksregierung Düsseldorf den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: In der Anlage 1 zur BKV nicht genannte Erkrankungen könnten keine Berücksichtigung finden. Deshalb müssten von der Klägerin vermutete ergänzende weitere Umwelteinflüsse außer Betracht bleiben. Auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens seien die Krebserkrankung der Klägerin und die Diabetes ihres Sohnes nicht als Erkrankungen im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG anzusehen. Eine Anerkennung nach Nr. 1303 sei nicht möglich, weil in Bezug auf die Brustkrebserkrankung ein sicherer Zusammenhang mit der Benzolexposition nicht festzustellen sei. Das Vorliegen sonstiger Risikofaktoren sei unerheblich, da 70 – 80 % der Mammacarcinome bei Patientinnen ohne Risikofaktoren aufträten. Phthalate seien in der Anlage I zur BKV nicht enthalten. Eine § 9 Abs. 2 SGB VII entsprechende Regelung kenne das Beamtenrecht nicht. Weil die Datenlage zum jetzigen Zeitpunkt die Anerkennung der Brustkrebserkrankung als Berufskrankheit nicht zulasse, scheide auch eine Anerkennung der Diabeteserkrankung des Sohnes aus. Der Widerspruchsbescheid wurde am 21. Oktober 2008 zur Post gegeben.
62Die Klägerin hat am 18. November 2008 durch ihren jetzigen Bevollmächtigten hiergegen Klage erhoben. Sie begehrt die Anerkennung ihrer Erkrankungen an Brustkrebs und Leukopenie sowie der Erkrankung ihres Sohnes an Diabetes Mellitus Typ I als Dienstunfall/Dienstkrankheiten gemäß § 31 BeamtVG.
63Aufgrund der Bemühungen der Lehrerschaft des BBZ im Jahr 2008, für das der Schulträger Verständnis aufbrachte, gab dieser weitere Gutachten in Auftrag. Nunmehr wurde auf Betreiben der Lehrer das C Umweltinstitut (CUI) beauftragt. Zunächst wurden die vom Lehrerrat (maßgeblich getragen von der Klägerin) benannten Räume in Gebäude 1, 3 und 7 untersucht. Bei den Messungen waren die Klägerin, Vertreter des Lehrerrats und der Schulleitung des BBZ anwesend:
64- Gutachten H 0000 BB vom 17. Februar 2009, Probenahmen am 19./ 20. November 2008; Untersuchung der Räume 1.m, 3.d und 7.h auf VOC, Feinstaub, Formaldehyd, Phthalate, PCB und Flammschutzmittel (Beiakten 5 und 8).
65Das Gutachten kam unter "Fazit und Empfehlungen" dazu, dass insgesamt die relevanten Grenz- oder Richtwerte eingehalten worden seien, sah jedoch ein Problem bei einer erhöhten Belastung mit PCB in Raum 3.d, wo der Vorsorge-Richtwert (sog. RW I) von 300 ng/m3 zwar eingehalten worden, eine Überschreitung bei höheren Temperaturen, z. B. im Sommer, jedoch nicht auszuschließen sei. Dementsprechend empfahl das CUI in der Zusammenfassung, es solle die Quelle gefunden werden, die Ursache der erhöhten PCB-Belastung in Gebäude 3 sei; zudem seien weitere Messungen empfehlenswert, um die Einhaltung der Richtwerte unter besonderer Berücksichtigung der jahreszeitlichen Schwankungen sicherzustellen. Als mögliche PCB-Quelle seien Dichtmassen in den Außenfugen des Gebäudes denkbar, von denen eine Rückstellprobe für eine künftige Untersuchung genommen worden war. In den Räumen 1.m und 7.l wurden im Staub erhöhte Phthalatbelastungen (DiNP und DEHP) festgestellt, zu deren gesundheitlicher Relevanz aufgrund der wissenschaftlich ungeklärten Situation keine sichere Aussage getroffen werden könne. Insofern werde langfristig empfohlen, den PVC-Boden, z. B. im Rahmen üblicher Renovierungszyklen, gegen phthalatfreie Materialien auszutauschen.
66Die im Gutachten des CUI vom 17. Februar 2009 erwähnte Rückstellprobe der Dichtmasse aus einer Außenfuge von Gebäude 3 wurde nachfolgend im Auftrag des Hochbauamtes des Kreis O vom CUI untersucht:
67- Gutachten H 0000 BB vom 18. August 2009 (Bl. 163 – 168 der Gerichtsakte).
68Darin stellte das CUI zu der dauerelastischen Fugendichtmasse fest, dass diese zu 10 % (100.000 mg/kg) aus PCB bestand, was nach dem Gutachten als "hoch belastet" einzustufen sei. Die Ergebnisse der früheren Raumluftmessungen hätten jedoch auf eine weitere Primärquelle von PCB hingedeutet.
69Aufgrund der Empfehlung des CUI im Gutachten vom 17. Februar 2009 zu einer Kontrollmessung auf PCB in Gebäude 3 im Sommer gab der Kreis O eine weitere Untersuchung des CUI in Auftrag:
70- Beprobung am 5. August 2009, Gutachten H 0000 BB vom 18. August 2009: Messung auf PCB in Bezug auf Räume in Gebäude 3, teils Feststoffprobe Fugendichtmasse, ansonsten RLU (Beiakte 5 und Bl. 67 – 72 der Gerichtsakte).
71Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass die dauerelastische Fugendichtmasse der Elemente der Außenfassade von Gebäude 3 im Rahmen der in diesem Zeitraum fast abgeschlossenen Fassadensanierung herausgeschnitten worden war. Eine an einem Fenster aufgefundene Probe an Fugendichtmasse wies – anders als zuvor bei der Rückstellprobe – nur geringen PCB-Gehalt auf. Auch bei sommerlichen Temperaturen wurde der RW I in den untersuchten Räumen nicht überschritten. Gleichwohl sah das CUI aufgrund der erhöhten Messwerte Anhaltspunkte für eine eventuell noch vorhandene PCB-Primärquelle.
72Das Gericht hat den Sohn der Klägerin, W, mit Verfügung vom 9. Dezember 2010 im Einvernehmen mit der Klägerin und ihrem Bevollmächtigten in das Verfahren als Kläger zu 2. einbezogen.
73Zur Begründung ihres Begehrens auf Anerkennung der Erkrankung an Brustkrebs und Leukopenie wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und führt im Wesentlichen ergänzend aus: Die geltend gemachten Erkrankungen seien in der BKV unter Nr. 1303 erfasst als "Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol". Sie sei als Lehrerin ihrer Fächer sowie durch die Sonderaufgaben als Sammlungsleiterin, Entsorgungs- und Gefahrstoffbeauftragte Benzol oder seinen Homologen besonders ausgesetzt gewesen. Insbesondere Benzol und Alkylbenzene als Bestandteile der Ausgasungen der von ihr im Unterricht der Bäckereifachverkäuferinnen verwendeten Lebensmittelattrappen seien im Raum 1.m des BBZ in großen Mengen nachgewiesen worden. Sie habe dort Unterricht für diese Schülergruppe in Verkaufskunde und Technologie erteilt. Die ab 1986 angeschafften Lebensmittelmodelle der Fa. E seien in Raum 1.m in Holzschränken gelagert gewesen und wären ständig im Unterricht eingesetzt worden. Von den Modellen, die ungeschützt mit den Händen angefasst worden seien, sei ein starker Kunststoffgeruch ausgegangen und der ganze Raum habe danach gerochen. Nach dem Prüfbericht des Hygieneinstituts S vom 14. Dezember 2006, S. 9, seien bei der Prüfung der Backwaren- und Konfekt-Kunststoffmodelle hohe Benzolausdünstungen von 362 µg/m3 und in einer weiteren Messung Alkylbenzole festgestellt worden. Dass bei der Raumluftmessung am 17. Juli 2006 im Unterrichtsraum 1.m keine erhöhten VOC-Raumluftwerte ermittelt worden seien, habe daran gelegen, dass die Attrappen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr dort gelagert wurden. Der von ihr selbst in Auftrag gegebene Prüfbericht des C vom 28. November 2006 belege jedoch die schädlichen Ausgasungen der Lebensmittelattrappen. Außer ihr hätten noch die Kolleginnen T1 und L dort langjährig unterrichtet. Frau L sei auch an Brustkrebs erkrankt und mittlerweile verstorben. Sie und Frau L hätten zudem – anders als die restlichen Kollegen des Bäckerei-Handwerks – in Gebäude 3 den Computerraum 3.s intensiv zur EDV-Schulung von Bäckereifachverkäuferinnen sowie für Internet-Recherchen und den Einsatz von Lernprogrammen im Technologie-Unterricht genutzt. Zum Computerraum weise schon das in den Akten des Gesundheitsamtes des Kreis O in H enthaltene Begehungsprotokoll vom 29. April 2004 auf "Phenolgeruch durch die große Anzahl elektrischer Geräte" hin. In den ersten Jahren ihrer Tätigkeit seien die Chemieräume noch in Gebäude 3 gewesen: Raum 3.t und 3.u. Dort hätten die im Unterricht verwendeten Chemikalien in unbelüfteten Schränken im Klassenraum gelagert. Nach dem Umzug der Chemieabteilung in das Gebäude 7 seien diese Räume dann lange als Kunsträume genutzt worden. Die beiden Kunstlehrerinnen, die dort langjährig unterrichtet hätten, seien mittlerweile beide an Krebs erkrankt: Zunächst Frau C3 an Darmkrebs, dann Frau X an Brustkrebs. In Bezug auf diese Räume heiße es im Begehungsprotokoll vom 29. April 2004: "PVC-Boden, auffälliger Geruch ohne Hinweis auf Geruchsquelle". Mit der Fertigstellung von Gebäude 7 sei die Chemieabteilung nach dort verlegt worden. Chemieklassenraum sei dann Raum 7.l geworden. Dort habe es immerhin den Durchreichabzug zwischen Klassenraum und Sammlungsraum gegeben. Allein der Schrank für leichtflüchtige Gefahrstoffe sei für 5 Minuten/Stunde belüftet worden. Die Chemikalienauszugsdurchreichschränke, der Giftschrank und die Chemikalieneinbauschränke seien nicht belüftet gewesen und hätten in den Raum ausgegast. Erst Jahre später seien diese mit der automatischen Absaugung des Durchreichabzugs verbunden worden. Die Problematik sei im Sommer wegen des Flachdachs des Gebäudes und der Raumsituation in der obersten Etage besonders schwerwiegend gewesen. In den nicht über Lichtschutzrollos verfügenden Räumen hätten zeitweilig Raumtemperaturen von 40°C geherrscht. Dies erhöhe Ausgasungen von Chemikalien. Im Chemieklassenraum habe sie regelmäßig Experimente mit Gefahrstoffen, teilweise mit Benzol und seinen Abkömmlingen, durchgeführt. Die dabei verwendeten Stoffe ergäben sich aus dem von ihr eingereichten Auszug aus der Chemikalien-Liste, Stand 1996, mit giftigen und teils sehr giftigen Stoffen, die im Giftschrank in Raum 7.k gelagert waren. Benzol sei zudem aus der Kfz-Werkstatt in die anderen Räume des Gebäudes gedrungen. Weil sie in ihren Aufgabenbereichen aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit diesen Einwirkungen permanent ausgesetzt gewesen sei, sei die für eine Anerkennung als Berufskrankheit erforderliche Benzolexposition gegeben. Selbst in den Pausen habe sie wegen des Passivrauchens im Lehrerzimmer keine Freiheit von Kontamination gehabt. Zudem sei eine Belastung mit Innenraumbauschadstoffen nachgewiesen: In Gebäude 3 PCB, PCP und Phenol, in Gebäude 7 vorrangig giftige Phthalate wie DEHP, DBP und BBP. Die angesprochenen Lebensmittelmodelle hätten aber auch andere brustkrebsfördernde, giftige Inhaltsstoffe enthalten, die in den Prüfberichten ausgewiesen seien, insbesondere Bisphenol A (BPA) und Nonylphenol. Diese Stoffe seien wissenschaftlich als Tumorpromotoren, Allergene und Immunmodulatoren anerkannt. Auch wenn Phthalate und andere Stoffe selbst keine Karzinogene seien, würden sie die durch die Benzolbelastungen entstandenen Krebserkrankungen beschleunigen. Bei entsprechender Anwendung von § 9 Abs. 2 SGB VII sei demnach auch die nachgewiesene Phthalat-Exposition zu berücksichtigen. Die Frischstaub-Prüfergebnisse der Umwelt-Institute hätten belegt, dass die Phthalat-Werte alle über den sog. Normalwerten gelegen hätten. Im Verkaufsraum 1.m sei der Auffälligkeitswert für DNOP um das 109-fache, im naturwissenschaftlichen Sammlungsraum 7.k der Auffälligkeitswert von DEHP um das 13-fache und im naturwissenschaftlichen Klassenraum 7.l um das 20-fache überschritten worden. In allen diesen Räumen sei sie über viele Jahre hinweg beschäftigt gewesen. Ebenfalls habe sie in Gebäude 3 über lange Jahre viel unterrichtet. Dort seien Belastungen durch PCB und PCP nachgewiesen worden, insbesondere in Räumen mit Holzverkleidung. Diese Stoffe würden als chlororganische Verbindungen unter Nr. 1302 und Nr. 1310 der Berufskrankheitenliste fallen. Nach wissenschaftlichen Studien sei der Zusammenhang zwischen PCP, PCB und Brustkrebserkrankungen anerkannt. Laborärztliche Berichte von Anfang 2008 und Mitte 2009 hätten bei ihr PCB-Kongenere, PCP und DDE im Blut sowie Abbauprodukte von Phthalaten im Urin nachgewiesen. Damit sei bewiesen, dass diese lipophilen Stoffe auch in ihrem Brustgewebe angereichert seien. Der Kausalzusammenhang zu ihren mit Bescheinigungen nachgewiesenen Erkrankungen ergäbe sich zunächst aus der gesetzlichen widerlegbaren Vermutung, zudem aber auch aus weiteren Aspekten: In einem relativ kurzen Zeitraum seien im Lehrerkollegium von den etwa 100 Lehrerinnen und Lehrern, die schon 1993 am BBZ unterrichtet hätten, 14 Kolleginnen und Kollegen an Krebs erkrankt, wovon 9 verstorben seien. Eine im Jahr 2009 an Brustkrebs erkrankte Kollegin sei Kunstlehrerin gewesen und habe seit etwa 10 Jahren in den gleichen Unterrichtsräumen wie sie gearbeitet. Von den drei Lehrerinnen, die über einen längeren Zeitraum im Raum 1.m gearbeitet hätten, seien zwei gleichzeitig an Brustkrebs erkrankt, bei der dritten seien gutartige Veränderungen des Brustgewebes festgestellt worden. Alle drei Lehrerinnen, die 1993 im Chemieklassenraum 7.l unterrichtet hätten, seien später an Krebs erkrankt (Frau U, Frau I1 und sie selbst); die Nutzung des Raumes 7.l ergäbe sich aus dem Raumbelegungsplan von 1993. Auch statistische Erwägungen sprächen für die Verursachung der Brustkrebserkrankungen durch die besonderen Verhältnisse am BBZ H: Nach allgemeiner Statistik würden auf 100.000 Frauen in der Altersgruppe von 45 – 49 Jahren 129 an Brustkrebs erkranken, in der Gruppe von 50 - 54 Jahren 209 Frauen. Am BBZ seien in der Altersgruppe von 45 – 54 Jahren hingegen 4 von 25 erkrankt, was einer Inzidenz von 16.000 auf 100.000 entspreche. Die Inzidenzrate sei etwa 60-fach erhöht. Dies stimme mit den im Gutachten des Prof. Dr. med. I vom 12. November 2007 herangezogenen Studien überein, wonach Brustkrebs durch Benzol-Exposition grundsätzlich in Betracht komme. Insbesondere in Bezug auf ihre Erkrankung an Leukopenie sei anerkannt, dass Benzol Leukopenie verursachen könne. Es gehe nicht um die Verursachung der Leukopenie durch die Brustkrebserkrankung, sondern um eine eigenständige Ursachenkette, bei der die Benzolexposition die Leukopenie-Erkrankung herbeigeführt habe.
74Der Kläger trägt zur Begründung seines auf die Anerkennung der Erkrankung an Diabetes Mellitus Typ I als Dienstkrankheit gemäß § 31 Abs. 3 BeamtVG gerichteten Begehrens in Ergänzung des Vorbringens seiner Mutter im Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren zu den Schadstoffen, deren Schädlichkeit, den Räumen mit Schadstoffbelastungen sowie zur Verursachung seiner Erkrankung ergänzend im Wesentlichen vor: Die im BBZ wirkenden, von seiner Mutter angeführten Schadstoffe seien nicht nur karzinogen, sondern auch erbgutverändernd und/oder fruchtschädigend. Seine Erkrankung sei letztlich durch dieselben Stoffe verursacht worden, wie die Erkrankung seiner Mutter an Brustkrebs und Leukopenie. Weil er schon als Säugling unter asthmatischen Atemwegserkrankungen gelitten habe, habe seine Mutter ihn auf ärztlichen Rat mehrere Jahre gestillt. Am 10. Juni 2006 sei bei ihm die Autoimmunerkrankung Diabetes Mellitus Typ I diagnostiziert worden. Die Exposition seiner Mutter gegenüber den von ihr vorgetragenen Schadstoffen während der Zeit der Schwangerschaft und in der Zeit, in der sie ihn gestillt habe, ergebe sich aus Folgendem: Im Oktober 1992 habe seine Mutter den Fachkundenachweis nach der Gefahrstoffverordnung (GefStVO) erworben. Im Anschluss daran, also während Schwangerschaft und Stillzeit in Bezug auf ihn, habe sie begonnen, die vorhandenen Chemikalien in den Fachbereichen des BBZ zu katalogisieren und nach den gültigen Bestimmungen zu etikettieren und zu lagern. Sie habe als Entsorgungsbeauftragte Chemikalienreste, gebrauchte Gefahrstoffe der Naturwissenschaften, der Metalltechnik (wie Kühlschmierstoffe, technische Öle) sowie der Kfz-Abteilung (wie Altöl, diverse Chemikalien) regelmäßig zu entsorgen gehabt. Sie habe auch die zu entsorgenden Stoffe in Listen erfasst und vorübergehend im Sammlungsraum 7.k zwischengelagert. Weiterhin habe sie z. B. im September 1993, während sie ihn noch gestillt habe, die Eingliederung der Chemikaliensammlung der zu diesem Zeitpunkt in das BBZ integrierten Oer Schule in die Sammlung des BBZ durchgeführt. Die Anerkennung seiner Erkrankung sei von der Anerkennung der Brustkrebserkrankung seiner Mutter unabhängig. Seine Erkrankung sei nicht durch ihre Brustkrebserkrankung, sondern unmittelbar durch die Schadstoffe ausgelöst worden. Seine Mutter sei während der Zeit, in der sie mit ihm schwanger war bzw. ihn gestillt hat, nicht von den Verpflichtungen als Lehrerin der Chemie, Sammlungsleiterin sowie pädagogische Leiterin der naturwissenschaftlichen Abteilung oder als Entsorgungsbeauftragte freigestellt worden. Es sei auch keine arbeitsplatzspezifische Unterweisung im Umgang mit Gefahrstoffen und keine arbeitsplatzspezifische Aufklärung nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) erfolgt. Eine Einsichtnahme in die Gefährdungsbeurteilung ihres Dienstpostens gemäß § 5 ArbSchG sei seiner Mutter nicht gewährt worden. Es sei zweifelhaft, ob es diese überhaupt gebe.
75Im Klageverfahren hat die Klägerin zur Stützung ihres Vorbringens zudem die folgenden Unterlagen eingereicht, deren Inhalt der Einzelrichter als Vortrag der Kläger berücksichtigt:
76- Laborärztliche Befundberichte des Labor Dr. med. L1, N, in Bezug auf die Klägerin vom 7. Januar 2008 und vom 19. Juni 2009 (Bl. 50/51 der Gerichtsakte),
77- Gefahrstoffverzeichnis BBZ H, Stand August 2005: 582 Produkte (Bl. 100 – 129 der Gerichtsakte),
78- Betriebsanweisung gem. § 20 GefStVO für das BBZ H, Stand 2004 (Bl. 149 – 158 der Gerichtsakte),
79- eine eigene Darstellung der Klägerin vom 8. Januar 2011: "Umgang mit Gefahrstoffen und gefährlichen Betriebsmitteln, insbesondere Benzol und Benzenen",
80- Bericht des S1verbandes (S1V) vom 29. November 2006, BG-interne-Nummer 00000000A, zur Messung der Schadstoffbelastungen durch Abgase von PKW-Motoren in der Kfz-Werkstatt.
81Die Klägerin verfügt noch über einige der Backwaren- und Konfektmodelle, die sie in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat.
82Die Klägerin beantragt,
83das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung Düsseldorf vom 16. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2008 zu verpflichten, ihre Brustkrebserkrankung und ihre Leukopenie-Erkrankung als Dienstunfall bzw. Dienstkrankheit gemäß § 31 BeamtVG anzuerkennen.
84Der Kläger beantragt,
85das beklagte Land unter teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2008 zu verpflichten, seine Erkrankung an Diabetes Mellitus Typ I als Schädigung im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG anzuerkennen.
86Das beklagte Land beantragt,
87die Klagen abzuweisen.
88Zur Begründung führt die Bezirksregierung Düsseldorf im Wesentlichen aus: Die Brustkrebserkrankung der Klägerin sei auf der Grundlage des Gutachtens des Prof. Dr. I nicht anzuerkennen, weil der Kausalzusammenhang nicht festgestellt werden könne. Zudem sei sie als Lehrerin der Gefahr der Erkrankung an Brustkrebs nicht besonders ausgesetzt. Die Leukopenie der Klägerin sei wohl eine Folge der Krebserkrankung; weil die Brustkrebserkrankung nicht anerkannt worden sei, sei auch die Leukopenie nicht anerkennungsfähig. In Bezug auf die Diabetes-Erkrankung des Klägers könne diese nicht anerkannt werden, weil sie auf die Schadstoffbelastung zurückgeführt werde, die als Auslöser der Brustkrebserkrankung nicht anerkannt worden sei; deshalb erfolge keine materielle Prüfung.
89Das Gericht hat die folgenden Akten beigezogen:
90- Beiakte 1: Unfallakte, Band II,
91- Beiakte 2: Unfallakte, Band I,
92- Beiakten 3 und 4: Personalakten Bezirksregierung Düsseldorf – Unterordner A –, Band I und II,
93- Beiakten 5 und 8: Akten des Gesundheitsamts H (Kreis O) über Schadstoffbelastungen am BBZ H,
94- Beiakten 6 und 7: beim BBZ H geführte Personal-Nebenakten über die Klägerin.
95Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und die beigezogenen Akten der Bezirksregierung Düsseldorf, des Kreis O und des BBZ H Bezug genommen.
96Entscheidungsgründe:
97Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 6. Dezember 2010 gemäß § 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist.
98Die Klagen haben keinen Erfolg.
99Die Klage des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet (I.). Die Klage der Klägerin ist teilweise unzulässig, im Übrigen nicht begründet (II.)
100Es ist zunächst zulässig, dass die Kläger ihre verschiedenen Begehren in einem Klageverfahren verfolgen. Dies ist im Wege der einfachen Streitgenossenschaft gemäß § 64 VwGO in Verbindung mit § 60 der Zivilprozessordnung (ZPO) möglich, weil die Kläger aus demselben tatsächlichen Grund – den vorgetragenen Schadstoffeinwirkungen im Dienstgebäude des BBZ H – klagen und gleichartige und auf im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen Gründen beruhende Ansprüche geltend machen. Es handelt sich um eine einfache Streitgenossenschaft, da die Kläger ihre verschiedenen Begehren auch in getrennten Klageverfahren geltend machen könnten und kein Fall einer notwendigen Streitgenossenschaft vorliegt, § 64 VwGO in Verbindung mit § 62 ZPO.
101Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., 2009, § 64 Rn. 4 ff.
102Dies stellt zugleich eine objektive Klagehäufung dar, die gemäß § 44 VwGO zulässig ist, da die Klagen im Zusammenhang stehen, sich gegen denselben Beklagten richten und dasselbe Gericht zuständig ist.
103I.
104Die Klage des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
105Sie ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO zulässig, insbesondere statthaft.
106Der Kläger macht die Verpflichtung des beklagten Landes zur Erteilung eines ihn begünstigenden Verwaltungsaktes – der Anerkennung seiner Erkrankung an Diabetes Mellitus Typ I als Schädigung im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG – geltend. Der Einzelrichter geht davon aus, dass es im Fall eines Kindes einer Beamtin, welches Ansprüche gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 BeamtVG aufgrund einer Schädigung während der Schwangerschaft gegenüber dem Dienstherrn der Mutter geltend macht, sinnvoll und auch rechtlich möglich ist, einen feststellenden (Grund-)Verwaltungsakt zu erlassen, ähnlich der Anerkennung eines Dienstunfalls oder einer Berufskrankheit, die gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG bei Vorliegen der Voraussetzungen anerkannt werden. Diese Vorschrift ist auf die Schädigung des Kindes einer Beamtin im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 BeamtVG – zumindest entsprechend – anzuwenden. Dies ist sinnvoll, weil so die grundsätzliche Frage, ob eine Gesundheitsbeschädigung eines Kindes durch einen Dienstunfall der Mutter oder deren Gesundheit gefährdende Einwirkungen im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG verursacht worden ist, vorab, gegebenenfalls auch verwaltungsgerichtlich, geklärt werden kann. Ist eine solche Schädigung bestandskräftig anerkannt, können dann alle Einzelfragen der Gewährung von Leistungen der Dienstunfallfürsorge an das Kind gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG behandelt werden.
107Der Kläger ist klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, weil ihm möglicherweise ein subjektiv-öffentlicher Anspruch auf die Anerkennung seiner Krankheit gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2, 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG zusteht. Die mit dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 (VersÄndG 2001) mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingefügten Regelungen über die Folgen von Schädigungen der Kinder von Beamtinnen durch Dienstunfälle oder schädliche Einwirkungen während der Schwangerschaft (§§ 30 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 Satz 2, 45 Abs. 4 BeamtVG) begründen eigene Rechte des Kindes,
108vgl. Begründung des Entwurfs eines Versorgungsänderungsgesetzes 2001, BTDr. 14/7064, S. 32, Begründung A. II., sowie S. 35, B. "Zu Artikel 1, Zu Nummer 20 (§ 30)"; Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand März 2009, § 30 Rn. 38; Bauer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Kommentar, Hauptband I, § 45 Erl. 6, Ziff. 1.
109Hierfür spricht schon der Wortlaut von § 30 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 Satz 2 BeamtVG. Aus diesem Grund hat der Einzelrichter den Kläger in das Rubrum des Verfahrens aufnehmen lassen. Es ist unter Berücksichtigung des mit der Klageschrift vom 18. November 2008 anhängig gemachten Begehrens, welches auch die Anerkennung der Krankheit des Klägers umfasst, im Wege der Auslegung nach § 88 VwGO davon auszugehen, dass mit der Klage auch die Rechte des Klägers gewahrt und geltend gemacht werden sollten. Dass er in der Klageschrift nicht als Kläger genannt ist, ist insofern unschädlich.
110Der Klage steht nicht das Erfordernis eines Vorverfahrens gemäß § 68 VwGO entgegen. Zwar hat der Kläger vor der Klageerhebung das gemäß § 68 Abs. 1, Abs. 2 VwGO grundsätzlich im Beamtenversorgungsrecht weiterhin erforderliche Vorverfahren (vgl. § 179 a Satz 2 Landesbeamtengesetz NRW – LBG – a. F. bzw. § 104 Abs. 1 Satz 2 LBG n. F.) nicht durchgeführt. Der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 8. Oktober 2008 ist zwar inhaltlich an ihn gerichtet und stellt ihm gegenüber einen Verwaltungsakt dar, es ist ihm gegenüber jedoch kein Widerspruchsbescheid, da die Bezirksregierung darin erstmals über das von seiner Mutter mit ihrem Widerspruch vom 12. Februar 2007 vorgebrachte Begehren, seine Erkrankung an Diabetes Mellitus Typ I als "Berufskrankheit" anzuerkennen, entschieden hat. Ihm gegenüber war der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung vom 8. Oktober 2008 deshalb ein Ausgangsbescheid, gegen den er zunächst Widerspruch hätte erheben müssen. Auch die Bezirksregierung hat im Widerspruchsbescheid jedoch nicht hinreichend klar nach den verschiedenen Begehren und den entsprechenden Verfahrensbeteiligten unterschieden und deshalb den Kläger auch nicht auf die gesonderte Widerspruchsmöglichkeit gegen die ihm gegenüber (erstmals) erfolgte Ablehnung seines Anerkennungsbegehrens mit einer Rechtsbehelfsbelehrung hingewiesen. Die Rechtsmittelbelehrung wies allein auf die Klage zum Verwaltungsgericht (VG) hin.
111Dieser Widerspruch ist jedoch entbehrlich. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist anerkannt, dass über die in § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO ausdrücklich zugelassenen Ausnahmen vom Erfordernis eines Vorverfahrens hinaus ein solches dann entbehrlich ist, wenn der Zweck dieses Verfahrens nicht mehr erreicht werden kann. Das BVerwG hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass diese Zwecke nicht mehr erreicht werden können und deshalb ein Vorverfahren entbehrlich ist, wenn sich die beklagte oder anderweitig mit dem Verfahren befasste Widerspruchsbehörde in einer Weise zur Streitfrage geäußert hat, aufgrund der das (negative) Ergebnis eines nachzuholenden Widerspruchsverfahrens bereits feststeht.
112Vgl. Urteile vom 9. Juni 1967 – VII C 18.66 –, BVerwGE 27, 181 ff., vom 23. Oktober 1980 – 2 A 4/78 –, DVBl. 1981, 502 ff., und vom 2. September 1983 – 7 C 97/81 –, DVBl. 1984, 91 ff.
113Es ist offensichtlich, dass die Bezirksregierung Düsseldorf, die sowohl das beklagte Land im Klageverfahren vertritt, als auch Widerspruchsbehörde für einen Widerspruch des Klägers gegen den ablehnenden Bescheid vom 8. Oktober 2008 war, über einen Widerspruch des Klägers nicht anders entschieden hätte. Sie hatte aus ihrer Sicht den maßgeblichen Sachverhalt durch das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. I vom 12. November 2007 ermittelt und sah keinen Raum für eine Anerkennung der Krankheit des Klägers, weil sie davon ausging, dass dann, wenn die Brustkrebserkrankung der Klägerin nicht anerkannt werden konnte, auch die Voraussetzungen einer Anerkennung der Krankheit des Klägers schon deshalb fehlen. Diesen Standpunkt hat die Bezirksregierung Düsseldorf auch im gesamten Klageverfahren beibehalten. Sie hat auch – ohne dass dies erforderlich wäre – nach der (klarstellenden) Einbeziehung des Klägers in das Klageverfahren im Zusammenhang mit der Ladung vom 9. Dezember 2010 nicht gerügt, dass das Vorverfahren fehle.
114Der Kläger hat zudem die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1, Abs. 2 VwGO gewahrt, auch wenn der Einzelrichter erst im Dezember 2010 veranlasst hat, ihn in dem Verfahren als Kläger aufzunehmen. Dies diente allein der Klarstellung und hat keinen konstitutiven Charakter. Nach den obigen Ausführungen war schon die Klageschrift vom 18. November 2008 – auch aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung – derart auszulegen, dass auch der Sohn der Klägerin sein Begehren auf Anerkennung seiner Krankheit im eigenen Namen – und demnach als Kläger – geltend machte Die Klageschrift ging angesichts der am 21. Oktober 2008 erfolgten Aufgabe des Widerspruchsbescheids zur Post am 18. November 2008 fristgerecht ein (§§ 74, 57 Abs. 1, Abs. 2 VwGO, 222 ZPO).
115Die Klage des Klägers ist jedoch nicht begründet. Soweit sich der als Widerspruchsbescheid bezeichnete Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 8. Oktober 2008 auf den Kläger bezieht, ist dieser rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; er hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Erkrankung an Diabetes Mellitus Typ I als Schädigung im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
116Die Voraussetzungen einer Anerkennung der Erkrankung des Klägers an Diabetes Mellitus Typ I als Schädigung im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG liegen nicht vor. Hier fehlt es schon an den verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Anerkennung einer solchen Schädigung.
117Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG wird Unfallfürsorge auch dem Kind einer Beamtin gewährt, das durch deren Dienstunfall während der Schwangerschaft unmittelbar geschädigt wurde. Nach Satz 3 der Vorschrift gilt dies auch, wenn die Schädigung durch besondere Einwirkungen verursacht worden ist, die generell geeignet sind, bei der Mutter einen Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG – also eine Berufskrankheit – zu verursachen. In diesen Fällen erhält das Kind der Beamtin gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG Leistungen für das Heilverfahren (§§ 33, 34), Unfallausgleich (§ 35) und Unterhaltsbeitrag gemäß § 38 a BeamtVG. Die hierauf bezogenen besonderen Verfahrensregelungen sind in § 45 Abs. 4 BeamtVG enthalten: Unfallfürsorge nach § 30 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG wird nur gewährt, wenn der Unfall der Beamtin innerhalb der Fristen nach § 45 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtVG gemeldet und als Dienstunfall anerkannt worden ist (Satz 1). Der Anspruch auf Unfallfürsorge nach § 30 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG ist innerhalb von zwei Jahren vom Tag der Geburt an von den Sorgeberechtigten geltend zu machen (Satz 2). § 45 Abs. 2 BeamtVG gilt mit der Maßgabe, dass die Zehn-Jahres-Frist am Tag der Geburt zu laufen beginnt (Satz 3). Der Antrag muss, nachdem mit der Möglichkeit einer Schädigung durch den Dienstunfall der Mutter während der Schwangerschaft gerechnet werden konnte oder das Hindernis für den Antrag weggefallen ist, innerhalb von drei Monaten gestellt werden (Satz 4).
118Der Kläger macht die Anerkennung einer Schädigung im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG geltend, da er sich auf schädliche Dauereinwirkungen beruft, denen seine Mutter nach seinem Vorbringen während der Schwangerschaft im BBZ ausgesetzt gewesen sein soll. In einer solchen Konstellation kommt eine Schädigung im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG nicht in Betracht, da dies einen Dienstunfall der beamteten Mutter und damit ein plötzliches Ereignis (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) voraussetzt, woran es bei Dauereinwirkungen fehlt.
119Der Einzelrichter lässt offen, ob die mit dem VersÄndG 2001 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2002 eingefügten Vorschriften, aus denen der Kläger seinen Anspruch ableitet, überhaupt auf seinen Fall Anwendung finden. Teilweise wird die Auffassung vertreten, das VersÄndG 2001 enthalte keine Übergangsregelung und erfasse deshalb nur Einwirkungen, denen die Beamtin nach dem 31. Dezember 2001 ausgesetzt war. Vor diesem Zeitpunkt liegende Einwirkungen blieben unberücksichtigt. Dies schließe vor dem 1. Januar 2002 geborene Kinder von den neu geschaffenen Ansprüchen aus.
120Vgl. Bauer, a. a. O., § 45 Erl. 6 Ziff. 1; § 30 Erl. 2b Ziff. 1.3; Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG/BeamtVG, Stand November 2009, § 30 BeamtVG Rn. 52, § 45 BeamtVG Rn. 18 a – c.
121Für diese Auffassung spricht Einiges, insbesondere der Grundsatz, dass für die Beurteilung, ob schädliche Einwirkungen im dienstlichen Bereich zur Anerkennung einer Berufskrankheit gemäß § 31 Abs. 3 BeamtVG führen können, auf die Rechtslage und den Stand der Berufskrankheitenliste abzustellen ist, die im Zeitpunkt der Einwirkungen galt bzw. gilt.
122Darauf kommt es jedoch nicht an, weil auch dann, wenn man auf den Kläger den erst ab dem 1. Januar 2002 geltenden § 30 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG (zu seinen Gunsten) für anwendbar hält, der Anspruch nicht besteht, weil er nicht innerhalb der in § 45 Abs. 4 geregelten Fristen geltend gemacht worden ist. Der Einzelrichter geht dabei davon aus, dass dann, wenn man die Regelungen über die Anspruchsberechtigung des während der Schwangerschaft geschädigten Kindes gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 Satz 2 BeamtVG auch auf vor dem 1. Januar 2002 geborene Kinder von Beamtinnen und auf vor diesem Zeitpunkt erfolgte schädliche Einwirkungen anwenden will, dann die Fristen gemäß § 45 Abs. 4 BeamtVG auch schon vor dem 1. Januar 2002 beginnen, wenn die Voraussetzungen hierfür vorlagen.
123Der Kläger hat die Antragsfrist gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 BeamtVG nicht eingehalten. Da es sich bei den in § 45 BeamtVG geregelten Fristen um Ausschlussfristen handelt, ist er mit seinem Anspruch ausgeschlossen, ohne dass das beklagte Land oder das Gericht insofern eine Wiedereinsetzung gewähren oder im Ermessenswege von der Frist absehen könnte.
124Vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof (HessVGH), Beschluss vom 7. März 1995 – 1 UE 1098/92 –, IÖD 1995, 236 f.
125Anders als im Fall einer Schädigung eines ungeborenen Kindes durch einen Dienstunfall der beamteten Mutter während der Schwangerschaft, für den gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG erforderlich ist, dass der Dienstunfall der Mutter innerhalb der Fristen gemäß § 45 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtVG gemeldet und gemäß Abs. 3 als Dienstunfall anerkannt worden ist, ist eine Meldung einer (möglichen) Berufskrankheit der Mutter im Fall von unter § 30 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG fallenden dienstlichen Dauereinwirkungen nicht erforderlich. Jedoch ist ein Anspruch auf Unfallfürsorge für ein während der Schwangerschaft geschädigtes Kind einer Beamtin – und damit auch der Anspruch auf Anerkennung einer Schädigung im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG – innerhalb von zwei Jahren ab der Geburt geltend zu machen. Die 2-Jahres-Frist, die am Tag der Geburt beginnt, ist abgelaufen, da die Mutter des Klägers seine Erkrankung erst mit dem Widerspruch vom 12. Februar 2007 geltend gemacht hat. In Fällen, in denen Schädigungen erst nach Ablauf der 2-Jahres-Frist auftreten oder deren möglicher Zusammenhang mit im Dienst erfolgten schädlichen Dauereinwirkungen auf die Mutter während der Schwangerschaft erst später erkennbar wird, gilt die Zehn-Jahres-Frist des § 45 Abs. 2 BeamtVG mit der Maßgabe, dass die Frist wiederum am Tag der Geburt zu laufen beginnt, § 45 Abs. 4 Satz 3 BeamtVG. Auch diese Frist ist abgelaufen, da die Mutter des Klägers seine Erkrankung mit dem Widerspruch vom 12. Februar 2007 mehr als 13 Jahre nach seiner Geburt geltend gemacht hat.
126Das BeamtVG sieht insofern keinen Spielraum für die Berücksichtigung des Umstands vor, dass die Erkrankung des Klägers an Diabetes Mellitus Typ I wohl erst im Sommer 2006 diagnostiziert worden ist und die Klägerin dann nach ihren Schilderungen erst im Jahr 2007 einen möglichen Zusammenhang mit ihrer Schadstoffexposition in der Schule während Schwangerschaft und Stillzeit erkannt hat. Die vom Kläger insofern gesehene Ungleichbehandlung mit gesetzlich Unfallversicherten stellt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) dar, da die Systeme der Beamtenversorgung einschließlich der beamtenrechtlichen Dienstunfallfürsorge einerseits und der gesetzlichen Sozialversicherungen, insbesondere der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), andererseits voneinander getrennte Versorgungssysteme darstellen, in denen bei weitgehenden Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten auch Unterschiede vorhanden und zulässig sind. Es gibt zudem keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, dass die Beamten dienstunfallrechtlich in jeder Beziehung den Arbeitnehmern im allgemeinen Wirtschaftsleben gleichgestellt sein müssen,
127vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 17. Mai 1995 – 3 B 94.3181 –, BayVBl. 1995, 727 f.; VG Lüneburg, Urteil vom 15. März 2006 – 1 A 32/05 –, Juris Rn. 18.
128Die unvermeidlichen Härten im Einzelfall, die sich – wie im Fall des Klägers – aus jeder gesetzlichen Ausschlussfrist ergeben, sind im System solcher Fristen angelegt und verfassungsrechtlich zulässig.
129Das Rundschreiben des Bundesministerium des Innern (BMI) vom 3. September 2002 (GMBl. S. 689), wonach bei einer Schädigung eines Kindes einer Beamtin im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG die Ausschlussfrist erst beginne, wenn die Sorgeberechtigten bei einer ärztlichen Diagnose der Erkrankung mit einem Zusammenhang mit der Dienstausübung der Mutter rechnen konnten,
130zitiert nach Bauer, a. a. O., § 45 Erl. 6, Ziff. 4,
131führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieses Rundschreiben stellt kein für die Verwaltungsgerichte beachtliches Recht mit Außenwirkung dar, sondern enthält allein eine innerhalb der Verwaltung geltende Vorschrift. Zudem sind Verwaltungsvorschriften von Bundesministerien in der Landesverwaltung ohne Bedeutung. Darüber hinaus kann eine Verwaltungsvorschrift, die mit dem Gesetz nicht im Einklang steht, für ein VG nie Bedeutung entfalten. Die Regelung der Zehn-Jahres-Frist in § 45 Abs. 4 Satz 3 BeamtVG ist in Bezug auf den Beginn mit dem Tag der Geburt eindeutig und lässt eine Auslegung, wie mit dem Rundschreiben erfolgt, nicht zu.
132II.
133Die Klage der Klägerin ist teilweise unzulässig, soweit sie die Leukopenie betrifft (1.), im Übrigen ist sie unbegründet (2.).
134Sie ist als Verpflichtungsklage ohne Weiteres zulässig und insbesondere statthaft, soweit die Klägerin die Verpflichtung des beklagten Landes zur Anerkennung ihrer Brustkrebserkrankung (in der Unfallmeldung vom 5. Dezember 2006: "Mammakarzinom rechte Brust, Lymphknotenmetastase rechte Axilla, sekundäres Armlymphödem") als Dienstunfall bzw. Dienstkrankheit gemäß § 31 BeamtVG begehrt.
1351.
136Die Klage ist jedoch unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Anerkennung der Leukopenie begehrt wird.
137Es fehlt insofern an einem über diesen Streitgegenstand durchgeführten Verwaltungsverfahren, welches durch einen – hier insbesondere durch § 45 Abs. 1 BeamtVG als "Meldung" geforderten – Antrag auf Anerkennung der Leukopenie als Dienstunfall oder Berufskrankheit in Gang gesetzt werden müsste. Weil es daran fehlt, hat die Bezirksregierung Düsseldorf sich mit der Leukopenie der Klägerin überhaupt noch nicht befasst. In Betracht kommende Ermittlungen sind nicht erfolgt. Das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. I vom 12. November 2007 bezieht sich demgemäß nicht auf diese Erkrankung. Ein Ablehnungsbescheid in Bezug auf die Leukopenie ist nicht ergangen. Auch ein Widerspruchsverfahren, welches gegen eine Ablehnung durchzuführen wäre, und ein entsprechender Widerspruchsbescheid liegen nicht vor. In Bezug auf den Widerspruchsbescheid hat der Bevollmächtigte der Klägerin dies in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Nach der Einschätzung des Gerichts hat die Klägerin das Begehren auf Anerkennung der Leukopenie gemäß § 31 BeamtVG erstmals mit der Klage gegenüber der Bezirksregierung Düsseldorf als zuständiger Stelle geltend gemacht. Dies ist – jedenfalls wegen fehlenden Vorverfahrens, § 68 VwGO, vor allem aber weil das Begehren überhaupt noch nicht gegenüber der Behörde geltend gemacht worden ist – unzulässig.
138Hierbei legt der Einzelrichter zugrunde, dass ein Begehren auf Anerkennung einer Krankheit gemäß § 31 BeamtVG – nach den für die Frage, ob eine Meldung im Sinne von § 45 Abs. 1 BeamtVG vorliegt, geltenden Maßstäben – voraussetzt, dass die zuständige Behörde in hinreichender Klarheit und Deutlichkeit durch den Beamten mit einem Sachverhalt konfrontiert wird, der bei sachgerechter Bewertung dazu führen muss, dass hierzu ein Verwaltungsverfahren durchzuführen, gegebenenfalls Ermittlungen anzustellen und das Verwaltungsverfahren mit einem Verwaltungsakt abzuschließen ist.
139Zu den Anforderungen an eine Meldung im Sinne von § 45 Abs. 1 BeamtVG vgl. Urteil des Einzelrichters vom 27. April 2009 – 23 K 5499/07 –, www.nrwe.de (nicht rechtskräftig) m. w. N.
140Nach diesem Maßstab hat die Klägerin vor der Klageerhebung in keiner Weise bei der Bezirksregierung als dienstvorgesetzter Stelle, an die eine Meldung im Sinne von § 45 Abs. 1 BeamtVG und dementsprechend auch das hier relevante vor der Klageerhebung erforderliche an die Behörde gerichtete Anerkennungs-Begehren zu richten ist, die Anerkennung ihrer Leukopenie gemäß § 31 BeamtVG geltend gemacht.
141Diese Erkrankung ist zwar im vorgerichtlichen Vorbringen der Klägerin erwähnt, jedoch nicht in einer Weise, dass deren Anerkennung Streitgegenstand eines Verwaltungsverfahrens wäre oder ihre Bedeutung als Gegenstand eines unfallfürsorgerechtlichen Begehrens der Klägerin erkennbar geworden wäre. Dabei ist es nicht Aufgabe der dienstvorgesetzten Stelle, aus dem Vorbringen einer Beamtin, welches ca. 340 Akten-Seiten umfasst, jedwede körperliche Beeinträchtigung mit eventuellem dienstlichen Bezug herauszufiltern und von Amts wegen ein unfallfürsorgerechtliches Verwaltungsverfahren zu eröffnen, ohne dass die Beamtin ein entsprechendes Begehren deutlich macht. Der Dienstvorgesetzte muss Dienstunfälle nämlich nicht erahnen,
142vgl. Bauer, a. a. O., § 45 Erl. 1, Ziff. 4.
143Mit ihrer Unfallmeldung vom 5. Dezember 2006 meldete die Klägerin ihre Brustkrebserkrankung mit den entsprechenden Sekundärerkrankungen. In diesem 251-seitigen Konvolut ist die Leukopenie nicht erwähnt, wohl weil sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht diagnostiziert war. Mit dem Widerspruch vom 12. Februar 2007 machte die Klägerin deutlich und ausdrücklich die Erkrankung ihres Sohnes, des Klägers, zum Gegenstand des Verwaltungsverfahrens. Im Widerspruchsschreiben selbst ist die Leukopenie nicht erwähnt. Schon die Hervorhebung ihrer eigenen Erkrankungen in der Unfallmeldung sowie der Erkrankung ihres Sohnes im Widerspruch führt nach Einschätzung des Gerichts dazu, dass diese Erkrankungen nach dem objektivierten Empfängerhorizont einer sorgfältig arbeitenden Behörde Gegenstand des Verwaltungsverfahrens sein sollten. Alles sonstige, dass nicht in dieser Weise hervorgehoben ist, sich aber im umfangreichen in den Anlagen zum Widerspruch enthaltenen Vorbringen der Klägerin finden lässt, ist nicht gemeldet im Sinne von § 45 Abs. 1 BeamtVG und nicht als Begehren an die Behörde in einer Weise herangetragen, wie dies für eine Klageerhebung im Wege der Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO ohne ergangenen Ausgangs- oder Widerspruchsbescheid erforderlich wäre. Die Leukopenie findet sich in der Dienstunfallakte erstmals in Gestalt eines Attestes des Prof. Dr. med. C1 vom 18. Dezember 2006 (Beiakte 2, Bl. 295, Anlage 1 c zum Widerspruch). Dies reicht jedoch nicht aus, weil ansonsten z. B. auch die dort genannten Schlafstörungen zum Gegenstand des Verwaltungsverfahrens geworden wären. Dies wäre nicht sachgerecht. Auch in der Anlage 2a zum Widerspruch ("Brustkrebs einer Lehrerin und Diabetes Typ I ihres Sohnes – ein Dienstunfall", Beiakte 2, Bl. 296 ff.) erwähnt sie auf S. 28 ihrer Ausarbeitung im 2. Absatz unter Ziff. 12.1.3 die Leukopenie im Zusammenhang mit möglichen Einwirkungen von Benzol und Phenol (Beiakte 2, Bl. 323):
144"Die Einwirkung kleinerer Mengen (von Benzol, Anm. des Einzelrichters) über einen längeren Zeitraum kann zu schwerer Schädigung des blutbildenden Systems und der Kapillaren führen. Während eine Leukopenie [...] schon sehr früh nachgewiesen werden kann, [...] (...) Selbst längere Zeit nach Wegfall der Benzolexposition können noch Blutbildveränderungen auftreten; Spätrezidive nach scheinbarer Ausheilung sind möglich. Ist meine zur Zeit noch bestehende Leukopenie eine Folge der Phenol/Benzol-Vergiftung? (siehe Anlage 1 c des Widerspruchs)."
145Hier wird ein gewisser Zusammenhang mit den dienstlichen Schadstoffeinwirkungen hergestellt. Durch die Formulierung als Frage bleibt der Zusammenhang jedoch im Unbestimmten. Wäre dies als Feststellung formuliert, wäre es deutlicher, wobei sich auch dann die Frage stellen würde, ob Beamte ihre Begehren nicht so deutlich machen müssen, dass es nicht langwierigem Suchen in Hunderten von Aktenseiten bedarf, um mögliche Begehren herauszufiltern. Wegen der Frageform ist dies unter Berücksichtigung der Gesamtumstände kein hinreichendes Geltendmachen dieser Erkrankung gegenüber der Bezirksregierung, welches die Klage zulässig werden ließe. Gleiches gilt für die Erwähnung der Leukopenie als mögliche Folge von Benzol und der Feststellung, dass sie unter Leukopenie leide, in ihrer unter dem 5. Mai 2008 eingereichten Stellungnahme zum Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. I (Beiakte 1, Bl. 569, 3. Aufzählungspunkt). Auch dies hält das Gericht nicht für ausreichend.
146Dass die Klage insofern unzulässig ist und über die Frage der Anerkennung der Leukopenie als Berufskrankheit keine sachliche Entscheidung des Gerichts ergeht, schließt die Klägerin mit diesem Begehren nicht endgültig aus. Die Leukopenie dürfte mit der Klageerhebung jedenfalls (mittelbar) geltend gemacht sein, so dass die Klägerin bei der Bezirksregierung nach Abschluss des Klageverfahrens hierzu eine Entscheidung einfordern kann. Eine Einhaltung der Meldefrist gemäß § 45 BeamtVG scheint nicht ausgeschlossen. In der Sache gehört die Leukopenie zu den von Nr. 1303 der Berufskrankheitenliste erfassten Erkrankungen durch Benzol, bzw. nach aktuellem Stand der Berufskrankheitenliste von Nr. 1318 erfassten Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol,
147vgl. Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 1318, S. 5, Ziff. III.1. "Toxische Knochenmarksdepression", Bekanntmachung des BMAS vom 30. Dezember 2009 – IVa4-45222-1318 – GMBl 5/6/2010, S. 94 ff.
1482.
149Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
150Der Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 16. Januar 2007 und deren Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2007, soweit letzterer die Anerkennung der Brustkrebserkrankung der Klägerin betrifft, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch auf Anerkennung ihrer Brustkrebserkrankung als Dienstunfall bzw. als Berufskrankheit (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
151Dies ergibt sich in Bezug auf eine Anerkennung als Dienstunfall schon daraus, dass ein solcher gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ein plötzliches Ereignis voraussetzt. Dadurch sind Schädigungen durch Dauereinwirkungen, wie sie die Klägerin allein geltend macht, ausgeschlossen.
152Es liegen aber auch nicht die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin auf Anerkennung ihrer Brustkrebserkrankung (einschließlich der Lymphknotenmetastasierung in der rechten Axilla und des sekundären Armlymphödems) als Berufskrankheit gemäß § 31 Abs. 3 BeamtVG vor.
153Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG gilt es als Dienstunfall, wenn ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit erkrankt, es sei denn, dass sich der Beamte die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Die in Betracht kommenden Krankheiten bestimmt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates (Satz 3). Auf Grund dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung die Verordnung zur Durchführung des § 31 Abs. 3 BeamtVG vom 20. Juni 1977 erlassen (BGBl. I S. 1004). Nach § 1 dieser Verordnung werden als Krankheiten im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG die in der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV), der sog. Berufskrankheitenliste, in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort im Einzelnen bezeichneten Maßgaben bestimmt. Andere Krankheiten kommen nicht in Betracht. Dabei ist die Frage, ob eine Krankheit als Dienstunfall gilt, nach dem Recht zu beurteilen, das in dem Zeitpunkt gegolten hat, in dem sich der Beamte die Krankheit zugezogen hat,
154vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 2. Dezember 1997 6 A 2874/96 , RiA 1999, 101.
155In Bezug auf sämtliche Einwirkungen von Schadstoffen, die tatsächlich oder nach dem Vorbringen der Klägerin von Baustoffen oder der Ausstattung der Schulgebäude (z. B. mit Böden, Wandverkleidungen oder Mobiliar) ausgehen und sich deshalb in der Raumluft oder im Staub wiederfinden können, war die Klägerin den eventuell von diesen Stoffen ausgehenden Gefahren, an einer in der Berufskrankheitenliste aufgeführten Krankheit zu erkranken, nicht nach der Art ihrer dienstlichen Verrichtung besonders ausgesetzt im Sinne von § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG.
156Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG setzt § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG nicht voraus, dass die durch die Art der dienstlichen Verrichtung hervorgerufene Gefährdung generell den Dienstobliegenheiten anhaftet; vielmehr genügt es, wenn die eintretende Gefährdung der konkreten dienstlichen Verrichtung ihrer Art nach eigentümlich ist, allerdings nur dann, wenn sich die Erkrankung als typische Folge des Dienstes darstellt. Maßgebend kommt es darauf an, ob die von dem Beamten zum Zeitpunkt der Erkrankung ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung gerade an dieser Krankheit in sich birgt.
157Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. November 1960 – VI C 144.58 –, BVerwGE 11, 229 (232 f.), und vom 4. September 1969 – II C 106.67 –, BVerwGE 34, 4, jeweils zu § 135 Abs. 3 BBG a. F.; Beschluss vom 15. Mai 1996 – 2 B 106.95 –, Juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 – 21 A 2244/07 –, Juris, und vom 24. Februar 2009 – 3 A 1468/08 – (soweit ersichtlich nicht veröffentlicht).
158Nicht als Dienstunfall im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG gelten demgegenüber Erkrankungen, die auf schädlichen Einwirkungen beruhen, die z. B. von der Beschaffenheit des Dienstzimmers oder Dienstgebäudes ausgehen. Denn es kommt auf die Art der dienstlichen Verrichtung an, nicht auf die sonstigen – räumlichen – Bedingungen, unter denen der Dienst stattfindet.
159Vgl. BayVGH, Urteil vom 17. Mai 1995, a. a. O.; OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 und vom 24. Februar 2009, a. a. O., jeweils m. w. N. aus der insofern einhelligen Kommentierung zu § 31 Abs. 3 BeamtVG; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Februar 1996 – 2 A 11573/95 –, NVwZ-RR 1997, 45 f.; ständige Rechtsprechung der Kammer.
160Die vereinzelten abweichenden Auffassungen anderer Gerichte,
161vgl. VG Aachen, Urteil vom 3. April 2008 – 1 K 521/07 –; VG Kassel, Urteil vom 12. Oktober 2005 – 1 E 3503/96 –, bestätigt durch HessVGH, Beschluss vom 8. Dezember 2006 – 1 UZ 231/06 – (alle soweit ersichtlich nicht veröffentlicht),
162auf die sich die Klägerin teilweise beruft, geben keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Das VG Aachen ist der Auffassung, dass die Art der dienstlichen Verrichtung selbstverständlich auch durch die Rahmenbedingungen bestimmt werde, unter denen der Dienst verrichtet wird und die der Beamte nicht beeinflussen, geschweige denn sich ihnen entziehen kann,
163vgl. S. 5 des Urteilsumdrucks.
164Dies überzeugt nicht, auch wenn das Ergebnis im Interesse der von schädlichen Einwirkungen in Dienstgebäuden betroffenen Menschen wünschenswert erscheint. Denn der Gesetzgeber stellt nach dem Wortlaut von § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG eindeutig auf die Art und nicht den Ort der dienstlichen Verrichtung ab, anders als im dienstliche Auslandseinsätze von Beamten betreffenden Satz 2 der Vorschrift, bei dem alle gesundheitsschädlichen Verhältnisse Berücksichtigung finden, denen der Beamte "am Ort" seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war. Dies spricht systematisch für die herrschende Meinung. Dementsprechend ist das OVG NRW der Entscheidung des VG Aachen inhaltlich entgegengetreten,
165vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2009, a. a. O., S. 5 f. des Urteilsumdruckes.
166Die Entscheidungen des VG Kassel und des HessVGH betreffen den Fall des auch in dem von der Klägerin im Widerspruchsverfahren in Bezug genommenen Fernseh-Bericht,
167vgl. ZDF, Frontal21 am 4. September 2007: "Gift im Klassenzimmer", in schriftlicher Form von Esser/Klar, Beiakte 1, Bl. 467 ff.,
168angesprochenen hessischen Grundschul-Rektors, dessen Erkrankung an einem Hodentumor im Rahmen einer Multiorganerkrankung als "bedingt durch den Aufenthalt in seinem Dienstzimmer in der Grundschule" und die dort gegebene PCB-Belastung der Schule zu der Anerkennung der BK-Nr. 1302 ("Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe") führte. Der HessVGH lehnte den Antrag des beklagten Landes auf Zulassung der Berufung ab, weil keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des VG Kassel bestünden. Beide Gerichte haben sich in den Entscheidungsgründen nicht mit der dieses Ergebnis ausschließenden Rechtsprechung auseinandergesetzt. Ob dies an den besonderen Umständen des Einzelfalles lag, in dem von etwa 20 Lehrern der Schule 10 an Krebs erkrankt und 5 zwischen 38 und 45 Jahre alte Lehrkräfte bereits verstorben waren,
169vgl. Esser/Klar, Manuskript des Fernseh-Beitrags, Beiakte 1, Bl. 471,
170bleibt unklar. Mangels auf diesen Gesichtspunkt bezogener Begründung können die hessischen Entscheidungen keinen Anlass zu einer Änderung der Rechtsprechung der Kammer geben. Letztlich steht hinter der herrschenden Rechtsprechung die zutreffende Erwägung, dass es sich bei Gefahren durch schädliche Einwirkungen aufgrund von Bauschadstoffen in Gebäuden um ein allgemeines Lebensrisiko handelt, das jeden auch im privaten Bereich, jedenfalls aber jeden in Gebäuden Beschäftigten – innerhalb oder außerhalb des Anwendungsbereichs des Beamtenversorgungsgesetzes, gleich welcher Berufsgruppe – treffen kann. Dies ist damit kein speziell berufliches und keine Berufsgruppe gesondert treffendes Risiko. Allein der Regelung solcher Risiken dient aber das Berufskrankheitenrecht.
171Nach dieser Rechtsprechung sind mithin sämtliche von der Klägerin geltend gemachten Einwirkungen, die sie auf Baustoffe (z. B. Fußbodenbeläge, insbesondere PVC-Boden, Fugendichtmasse etc.) oder Ausstattungsmerkmale (z. B. Holzschränke) zurückführt, von der Ursachenbetrachtung unter dem Gesichtspunkt einer Berufskrankheit gemäß § 31 Abs. 3 BeamtVG ausgeschlossen. Gleiches gilt auch für die Einwirkungen, die eventuell durch Abgase aus der Kfz-Werkstatt bewirkt wurden, welche nach den in der Vergangenheit vorhandenen Bedingungen möglicherweise in andere Räume desselben Gebäudes eindringen konnten. Auch diese wirkten auf alle dort Beschäftigten oder auch auf die Schüler in gleicher Weise ein. Es ist kein aus der Art der dienstlichen Verrichtung einer Berufsschullehrerin folgendes berufsgruppenspezifisches Risiko. Ebenso ist auch der Tabakrauch im Lehrerzimmer, den die Klägerin bis zur Durchsetzung des Rauchverbots eingeatmet haben dürfte, ein nicht aus der Art der Verrichtung folgendes allgemeines Lebensrisiko in einer Gesellschaft, in der bis vor kurzer Zeit (fast) überall geraucht wurde bzw. geraucht werden konnte und durfte.
172In Bezug auf die Übrigen von der Klägerin geltend gemachten schädlichen Dauereinwirkungen, die sich aus ihrem Umgang mit den aus Weich-PVC bestehenden Backwaren- und Konfektmodellen, ihrer Tätigkeit als Chemielehrerin beim Umgang mit Schadstoffen im Unterricht, ihrer Aufgabe als Leiterin der Sammlung der Schadstoffe für die Chemieabteilung, als Entsorgungsbeauftragte und als Gefahrstoffbeauftragte der Schule, bei denen sie mit verschiedensten Schadstoffen in verschiedener Art und Weise in Berührung kam, ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sie diesen Einwirkungen nach der Art ihrer dienstlichen Verrichtung besonders ausgesetzt war. Denn es ist insofern nach der dargestellten Rechtsprechung nicht auf die allgemeine Verrichtung (z. B. "Lehrer") abzustellen, sondern es kommt auf die konkrete dienstliche Verwendung an. Bei ihr dürfte damit darauf abzustellen sein, dass sie Berufsschul-Lehrerin mit einer Fächerkombination ist, die sie in Berührung mit Schadstoffen kommen lässt. Insbesondere die als Teil des Unterrichts der Bäckereifachverkäuferinnen erfolgte Benutzung der Lebensmittelattrappen im Unterricht setzt sie den Einwirkungen dieser Modelle aus. Auch die Verwendung als Sammlungsleiterin, Entsorgungs- und Gefahrstoffbeauftragte ist zu berücksichtigen, führt zu möglichen Einwirkungen von Schadstoffen und hebt sie aus der Gruppe der Lehrer bzw. Berufsschullehrer im Allgemeinen heraus.
173Vgl. zur Anerkennung einer Erkrankung an Enzephalopathie als Berufskrankheit nach BK-Nr. 1303 aufgrund Styrol-Einwirkungen eines Berufsschullehrers, denen dieser beim Unterricht in der Verarbeitung von Kunststoff besonders ausgesetzt war: VG Ansbach, Urteil vom 27. Februar 2002 – AN 12 K 00.01278 –, Juris.
174Ob sie aufgrund der Art ihrer Verrichtung tatsächlich zur Überzeugung des Gerichts der Gefahr der Erkrankung an einer Berufskrankheit besonders ausgesetzt war, was der Sachverständige im Gutachten vom 12. November 2007 nach derzeitiger Datenlage nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen konnte (dort zu III.), lässt das Gericht offen, da es darauf nicht ankommt.
175Eine Anerkennung ihrer Erkrankung im Hinblick auf die aus ihrer konkreten Verwendung folgenden Schadstoffeinwirkungen ist jedoch ausgeschlossen, weil nicht festgestellt werden kann, dass die geltend gemachte Brustkrebserkrankung der Klägerin in der Berufskrankheitenliste aufgeführt ist bzw. sich einer dort aufgeführten Krankheit zuordnen lässt.
176Die Anlage I zur BKV, die Berufskrankheitenliste, enthält für das Unfallfürsorgerecht der unter das BeamtVG fallenden Personen einen abschließenden Katalog von Krankheiten, die zur Anerkennung einer Berufskrankheit gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG führen können. Eine § 9 Abs. 2 SGB VII entsprechende Vorschrift, wonach eine nicht in der Berufskrankheitenliste enthaltene Erkrankung "wie eine Berufskrankheit" anerkannt wird, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Berufskrankheitenliste vorliegen, existiert im Beamtenversorgungsrecht nicht. Eine analoge Anwendung scheidet aus. Dies ist verfassungsrechtlich und zugleich im Hinblick auf europarechtliche Regelungen unbedenklich.
177Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 1995 – 2 B 61/95 –, Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 10; die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 18. März 1998 – 2 BvR 2459/95 – nicht zur Entscheidung angenommen; Beschluss vom 13. Januar 1978 – VI B 57.77 –, ZBR 1978, 202 ff.; OVG NRW, Urteil vom 24. Mai 2002 – 1 A 6168/96 –, Juris Rn. 65 ff.; BayVGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 – 3 B 05.1370 –, Juris Rn. 23; Bauer, a. a. O., § 31 Erl. 16 Ziff. 1.2; Brockhaus, a. a. O., § 31 BeamtVG, Rn. 165 m. w. N.
178Eine Erkrankung an Brustkrebs bzw. Mammakarzinom, Lymphknotenmetastase oder sekundärem Armlymphödem ist in der Berufskrankheitenliste ausdrücklich nicht erwähnt. Diese Erkrankungen können lediglich dann als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn sie dort als "Erkrankungen durch ..." einen bestimmten Stoff erfasst sind. In Betracht kommen insofern die Berufskrankheiten der Gruppe 13 ("Durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten – Lösemittel, Schädlingsbekämpfungsmittel (Pestizide) und sonstige chemische Stoffe"). Bei den in Gruppe 13 aufgeführten Berufskrankheiten-Tatbeständen handelt es sich um sog. offene Tatbestände, die die schädigende Einwirkung (Noxe) benennen, aber das Krankheitsbild offen lassen. Diesen liegen jedoch in gleicher Weise wie Berufskrankheiten, die konkrete Krankheitsbilder benennen, bestimmte Krankheitsbilder zugrunde, für die die medizinische Wissenschaft die Voraussetzungen für die sog. Berufskrankheitenreife herausgearbeitet hat: generelle Geeignetheit einer Noxe zur Verursachung einer bestimmten Erkrankung sowie typischerweise erhöhtes Erkrankungsrisiko einer bestimmten Berufsgruppe, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Diese Krankheitsbilder sind zwar nicht in den offenen Tatbeständen, aber in den entsprechenden hierzu erlassenen amtlichen Merkblättern bzw. in neuerer Zeit in den amtlichen Begründungen enthalten. Durch die offene Formulierung besteht die Möglichkeit, weitere Krankheitsbilder in die Anerkennungspraxis einzubeziehen, wenn später entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden.
179Vgl. Mehrtens/Brandenburg, Berufskrankheitenverordnung, Stand Mai 2010, § 9, Ziff. 6.3.
180Die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zu den einzelnen Berufskrankheiten herausgegebenen Merkblätter stellen den vom Sachverständigenbeirat zu den Berufskrankheiten zu einem bestimmten Zeitpunkt ermittelten Stand der medizinischen Wissenschaft dar. Sie sind nicht als antizipierte Sachverständigengutachten heranzuziehen, da sie veraltet sein können; als Interpretationshilfe können sie dienen, es ist jedoch stets der aktuelle Stand der medizinischen Wissenschaft zugrundezulegen.
181Vgl. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O., Ziff. 12.
182Dabei gilt zu den Beweisanforderungen: Es muss im Vollbeweis – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – festgestellt werden, dass eine in der Berufskrankheitenliste aufgeführte Berufskrankheit vorliegt und dass der Beamte nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an dieser Krankheit besonders ausgesetzt war.
183So zum Berufskrankheitenrecht nach § 9 SGB VII: Mehrtens/Brandenburg, a. a. O., Ziff. 26.1.
184Ist dies der Fall, wird der Kausalzusammenhang zwischen der dienstlichen Einwirkung und der Erkrankung widerlegbar vermutet, § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG. Für die offenen Tatbestände, insbesondere die hier in Betracht kommenden aus Gruppe 13 der Berufskrankheitenliste, gilt, dass damit im Vollbeweis festgestellt werden muss, dass die Brustkrebserkrankung im Allgemeinen eine "Erkrankung durch" den in der Berufskrankheitenliste genannten Schadstoff ist.
185Nach diesen Grundsätzen lässt sich die Erkrankung der Klägerin an Brustkrebs keiner der in der Berufskrankheitenliste aufgeführten Erkrankungen zuordnen.
186Danach scheiden insbesondere sämtliche Phthalate aus, die eventuell durch den Umgang mit den Lebensmittelmodellen auf die Klägerin eingewirkt haben, weil sie keiner der in der Berufskrankheitenliste aufgeführten Krankheiten, insbesondere nicht denjenigen in Gruppe 13, zugeordnet werden können. Deren schädliche Wirkung wird zwar derzeit in der Wissenschaft erforscht und es bestehen Verdachtsmomente für deren Gefährlichkeit, zu einer Aufnahme in die Berufskrankheitenliste ist es jedoch noch nicht gekommen.
187Auch der Stoff Phenol, dessen Einwirkungen die Klägerin bei der Entstehung ihrer Erkrankung für sehr erheblich hält, ist in der Berufskrankheitenliste nicht erfasst: Ausdrücklich ist er nicht genannt. Er kann aber auch nicht zu den in Nr. 1303 der Berufskrankheitenliste genannten Schadstoffen "Benzol, seine Homologe oder Styrol" gezählt werden. Phenol ist offensichtlich kein Benzol und kein Styrol. Es ist aber auch kein Homolog von Benzol. Im Merkblatt zur BK-Nr. 1303,
188Bekanntmachung des BMA vom 24. Februar 1964, BArbBl Fachteil Arbeitsschutz 1964, 30, zu finden z. B. unter www.dgaum.de/index.php/recht/berufskrankheiten-verordnung/merkblaetter,
189sind als technisch besonders bedeutsame Homologe von Benzol Toluol und Xylol genannt. Diese Stoffe bestehen wie Benzol (C6H6) allein aus Kohlenstoff- (C) und Wasserstoffatomen (H): Toluol (C7H8) und Xylol (C8H10). Phenol hingegen (C6H6O) verfügt zusätzlich über ein Sauerstoffatom, das sich mit einem der Wasserstoffatome zu einer sog. Hydroxy-Gruppe verbindet. Es ist damit kein Homolog des Benzol, da diese sämtlich durch die abstrakte Summenformel CnH2n-6 definiert sind,
190vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 15. Dezember 2009 – 5 LC 388/07 –, Juris Rn. 36.
191Man kann Phenol auch nicht deshalb unter "Benzol" und die BK-Nr. 1303 fassen, weil Benzol im Körper im Rahmen des Stoffwechsels zu Phenol umgewandelt wird und der Phenolstufe des Benzolabbaus im Körper die besondere Toxizität des Benzols zugerechnet wird. Die Klägerin hat zwar Recht, wenn sie auf diesen Stoffwechsel-Prozess hinweist,
192vgl. insofern die Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nr. 1318 "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol", Bekanntmachung des BMAS vom 1. September 2007 – IVa 4-45222 – GMBl 49-51/2007, S. 974 ff., dort S. 5,
193jedoch ist in der Wissenschaftlichen Begründung zu BK-Nr. 1318 erläutert, warum Phenol, wenn es von außen aufgenommen wird, nicht in der gleichen Weise schädlich ist:
194"Die Frage, warum Benzol, jedoch nicht Phenol, hämatotoxisch ist, dürfte eine Folge der lokalen Verteilung der Stoffwechselaktivität im Lebergewebe sein. Exogen zugeführtes Phenol wird bereits im Gastrointestinaltrakt (bei oraler Aufnahme) oder im periportalen Bereich konjugiert und damit entgiftet. Im Körper aus Benzol gebildetes Phenol wird jedoch in der Leber erst in einem nachgeschalteten Areal, nämlich zentrilobulär, gebildet, so dass es der Konjugation weitgehend entgeht." (Wiss. Begründung, S. 6)
195Phenol ist damit ebenfalls nicht als Schadstoff in der Berufskrankheitenliste erfasst.
196Das als Ausgasung der Lebensmittelmodelle gemessene Toluol – unzweifelhaft ein Benzol-Homolog – ist zwar in BK-Nr. 1303 erfasst, weil es giftig ist und vielfältige schädliche Wirkungen hat, es erzeugt nach aktueller wissenschaftlicher Einschätzung jedoch keine Krebserkrankungen,
197vgl. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O., Kommentar Berufskrankheitenliste, Teil M 1303, Anm. 2; Artikel zu Toluol in Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Toluol.
198Auch der von der Klägerin in den Mittelpunkt ihres Vorbringens gestellte Stoff Benzol, der als Ausgasung aus den Lebensmittelattrappen gemessen worden ist und in Bezug auf den es wegen seines krebserzeugenden Charakters keinen unschädlichen Wert gibt, kann nicht zur Anerkennung einer in der Berufskrankheitenliste genannten Berufskrankheit führen. Zwar kommt insofern die BK-Nr. 1303 "Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol" in Betracht. Die speziellere BK-Nr. 1318 ist erst mit Wirkung ab 1. Juli 2009 in Kraft getreten. Wie dargestellt dienen die offenen BK-Tatbestände der Erfassung anerkannter Berufskrankheiten, die in der Berufskrankheitenliste jedoch nicht genannt sind. Die Berufskrankheit "Erkrankungen durch Benzol", der früher eine andere Ziffer als 1303 zugeordnet war, wurde 1925 in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen, weil bekannt war, dass Benzol als Blutgift wirkt und eine toxische Wirkung auf das blutbildende Knochenmark hat, weshalb es zu einer Reduktion bestimmter Blutbestandteile kommen kann, z. B. in Gestalt einer Leukopenie (Mangel an weißen Blutkörperchen). Seit mehreren Jahrzehnten ist auch erwiesen, dass Benzol beim Menschen krebserregende Wirkungen hat, die seitdem in der BK-Nr. 1303 erfasst waren. Seit Inkrafttreten der BK-Nr. 1318 sind die anerkannten Krebsarten aufgrund von Benzolexposition dort erfasst. Für die Zeit davor, so im Fall der Klägerin, bei der die Brustkrebserkrankung im August 2005 festgestellt wurde, sind die anerkannten Krebsarten in BK-Nr. 1303 erfasst. Wissenschaftlich anerkannt – und deshalb in BK-Nr. 1318 nunmehr gesondert geregelt – sind als Krebserkrankungen ("maligne Erkrankungen"): Leukämien, Non-Hodgkin-Lymphome, myelodysplastische Syndrome und myeloproliferative Erkrankungen.
199Vgl. Wissenschaftliche Begründung zu BK-Nr. 1318, a. a. O., S. 1.
200Es reicht insofern bei malignen Erkrankungen für die Feststellung einer "Erkrankung durch Benzol" nicht aus, dass "Krebs" eine mögliche Erkrankung durch Benzol ist. Es ist vielmehr erforderlich, festzustellen, dass nach arbeitsmedizinischer Erfahrung die im Einzelfall vorliegende Tumorlokalisation bzw. Art der malignen Erkrankung mit dem entsprechenden Schadstoff übereinstimmt. Dazu sind Organe oder Organsysteme zu bestimmen, die als Zielorgane bestimmter Schadstoffe nach arbeitsmedizinischer Erfahrung anerkannt sind.
201Vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., 2003, S. 1160 f., Ziff. 18.3.3.1; S. 1169, Ziff. 18.3.3.8.
202Der Einzelrichter kann nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass Brustkrebs (Mammakarzinom) eine "Erkrankung durch Benzol" im Sinne der BK-Nr. 1303 ist. Dies ergibt sich vor allem aus dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. I vom 12. November 2007. Dieser hat – in Übereinstimmung mit allen dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen zu den Erkrankungen durch Benzol – in seiner Stellungnahme zu der Frage, ob eine Erkrankung an einem Mammakarzinom eine in der Berufskrankheitenliste enthaltene Erkrankung ist (Ziff. I), die zentrale Aussage getroffen, dass Benzol krebserregend sei, jedoch anerkannte Berufskrankheiten nach BK-Nr. 1303 vor allem Leukämien und lymphoproliferative Erkrankungen seien, nicht jedoch solide Tumoren wie ein Mammakarzinom. Der Sachverständige stützt dies auf wissenschaftliche Studien, die sowohl für als auch gegen eine Bedeutung einer Benzolexposition sprechen. Auf dieser Grundlage ist es offensichtlich vertretbar, davon auszugehen, dass nicht sicher festgestellt werden kann, dass ein Mammakarzinom eine "Erkrankung durch Benzol" ist, auch wenn dies nicht auszuschließen ist. Dies reicht für einen Vollbeweis nicht aus. Der Sachverständige hätte aufgrund seiner sachverständigen Einschätzung einer für die Relevanz von Benzol sprechenden Studie aufgrund ihrer höheren Überzeugungskraft, besserer wissenschaftlicher Methodik oder ähnlichen Gründen Vorrang einräumen können. Dies hat er jedoch nicht getan. Der Einzelrichter verfügt insofern über keine besseren Kenntnisse der medizinischen Wissenschaft als der Sachverständige.
203Das Sachverständigengutachten überzeugt das Gericht nach Methodik, Aufbau und Inhalt. Es ist widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Der Sachverständige musste die Klägerin nicht körperlich untersuchen, weil es auf die abstrakte Frage ankam, ob Brustkrebs eine Erkrankung durch Benzol im Sinne der BK-Nr. 1303 ist. Der Sachverständige ist als Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Klinische Immunologie am Universitätsklinikum E1 tätig und insofern von seiner Fachkunde her unzweifelhaft.
204Die gegen das Gutachten vorgetragenen Einwände der Klägerin überzeugen den Einzelrichter nicht. Dass die vom Sachverständigen zu I. angeführten Studien sämtlich vor dem Jahr 2000 veröffentlicht worden sind, schließt deren Richtigkeit nicht aus. Sie hat selbst keine jüngeren Studien benannt, die einschlägig sind und Anlass zu der Annahme gäben, der Sachverständige verfüge nicht über die notwendige Fachkunde bzw. das Gutachten sei nicht zutreffend. Die von ihr in Bezug genommenen Studien, v.a. diejenigen, die sie in ihrer mit dem Widerspruch eingereichten Stellungnahme "Brustkrebs einer Lehrerin und Diabetes Typ I ihres Sohnes – ein Dienstunfall" (Anlage 2a, Beiakte 2, Bl. 296 ff.) angeführt hat (dort S. 4/5, Studien in Fn. 3 – 9), sind teilweise nicht aktueller als die vom Sachverständigen herangezogenen; soweit sie jünger sind, ist nicht zu erkennen, dass diese sich speziell mit dem arbeitsmedizinischen Ursachenzusammenhang zwischen Benzolexposition und Brustkrebs befassen. Sie scheinen sich eher auf die im Sachverständigengutachten vom 12. November 2007 unter Ziff. III. behandelte Frage der besonderen Gefährdung der Berufsgruppe der Klägerin ("nach der Art der dienstlichen Verrichtung") zu beziehen. Die Rüge, es sei vom Sachverständigen auch eine Studie über den Zusammenhang von β-Benzol-Hexachlorid und Brustkrebs, worum es überhaupt nicht gehe, trifft zu. Dies ist aber unschädlich, da der Sachverständige auch andere gegen einen Zusammenhang von Benzoleinwirkungen und Mammakarzinomen sprechende Studien berücksichtigt hat. Zudem ist nach der Darstellung des Sachverständigen schon aus Sicht der Autoren der für einen solchen Zusammenhang sprechenden zwei Studien deren Validität eingeschränkt. Diese Einwände – wie auch die übrigen Kritikpunkte der Klägerin gegen das Gutachten – sind somit kein Anlass für weitere Ermittlungen durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.
205Das Ergebnis des Sachverständigen steht vielmehr in Übereinstimmung mit sämtlichen arbeitsmedizinischen und berufskrankheitenrechtlichen Informationen über die BK-Nr. 1303 und Benzol: Im Merkblatt zur BK-Nr. 1303, welches offensichtlich veraltet ist, ist von Brustkrebs nicht die Rede. Auch die Kommentierung zur Berufskrankheitenliste nennt Brustkrebs nicht,
206vgl. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O., Teil M 1303.
207Zu Benzolexposition oder der BK-Nr. 1303 wird stets auf Leukämie hingewiesen,
208vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 1147, Ziff. 18.2.1; S. 1155, Ziff. 18.2.3.
209Die Darstellung zur Verursachung von Krebserkrankungen, die aktuell von BK-Nr. 1318 erfasst werden, was sich für die Zeit vor dem 1. Juli 2009 auf BK-Nr. 1303 übertragen lässt, erkennt allein die Krebserkrankungen in Gestalt der Leukämien, Non-Hodgkin-Lymphome, myelodysplastischen Syndrome und myeloproliferativen Erkrankungen an,
210vgl. Wiss. Begründung zu BK-Nr. 1318, a. a. O., S. 1.
211Dies sind sämtlich keine soliden Tumoren. Die Wiss. Begründung spricht darüber hinaus von Hinweisen auf benzolbedingte Krebserkrankungen der Niere, des Magens, des Dickdarms und der Lunge. Insofern sei die Datenlage bezüglich dieser Tumorlokalisationen jedoch unzureichend und uneinheitlich, weshalb diese nicht Gegenstand der Empfehlung zur Aufnahme in die Berufskrankheitenliste waren,
212vgl. Wiss. Begründung zu BK-Nr. 1318, a. a. O., S. 4, Ziff. 1.3.
213Dem ist zu entnehmen, dass nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft von 2007 schon keine für eine Empfehlung zur Aufnahme als Berufskrankheit hinreichende Klarheit in Bezug auf die genannten soliden Tumoren bestand. Im Gegenschluss kann dies nur heißen, dass für eine generelle Risikoerhöhung durch Benzolexposition, an einem Mammakarzinom zu erkranken, für den Ärztlichen Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim BMAS noch weniger sprach.
214Auch in Wikipedia zu Brustkrebs ist unter "Ursachen und Risikofaktoren" kein Hinweis auf Benzol vorhanden, vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Brustkrebs.
215Der veröffentlichten Rechtsprechung zum Berufskrankheitenrecht lässt sich – sowohl zu § 31 Abs. 3 BeamtVG, als auch zu § 9 SGB VII – ebenfalls nichts entnehmen, was die Auffassung der Klägerin, ihre Brustkrebserkrankung sei eine Erkrankung durch Benzol im Sinne der BK-Nr. 1303, stützen würde.
216Es können zugunsten der Klägerin auch keine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterungen berücksichtigt werden. Ihr dahin gehender Verweis auf die Zahl der schweren und chronischen, insbesondere malignen, Erkrankungen im BBZ H, der Hervorhebung des Umstands, dass von den drei Lehrerinnen, die langjährig in Raum 1.m und mit den Lebensmittelattrappen gearbeitet haben, zwei an Brustkrebs und eine an gutartigen Brustgewebeveränderungen erkrankt sind, von den drei Lehrerinnen, die langjährig im Chemieklassenraum 7.l unterrichtet haben, alle an Krebs erkrankt sind, sich auch anderen Räumen des BBZ auffällig viele Mitglieder des dortigen Kollegiums zuordnen lassen, die an Krebs erkrankt sind, und die Gesamtzahl der an Krebs erkrankten Lehrer außergewöhnlich hoch erscheint, ändert an der Einschätzung des Einzelrichters nichts. Denn diese Umstände sind zwar in der Tat auffällig und stärken Vermutungen, dass jedenfalls in der Vergangenheit Schadstoffbelastungen im BBZ H vorgelegen haben mögen. Sie sind aber für die Frage, ob generell Brustkrebs eine "Erkrankung durch Benzol" ist, ohne Bedeutung. Die Krebserkrankungen am BBZ, auf die die Klägerin hinweist, sind ganz verschiedener Art und weisen unterschiedliche Tumorlokalisationen und betroffene Organsysteme auf.
217Nach alledem hatte das Gericht keinen Anlass, ein gerichtliches Sachverständigengutachten zur generellen Verursachung von Mammakarzinomen durch Benzol einzuholen. Die Klägerin hat ein solches auch in der mündlichen Verhandlung, in der das Gericht auf seine diesbezügliche Einschätzung hingewiesen hat, nicht beantragt.
218Soweit die Klägerin sämtliche im BBZ vorhandenen Schadstoffe mit der eingereichten Liste "Gefahrstoffverzeichnisse, Stand August 2005, BBZ H: 582 Produkte" benannt hat, ist damit kein Stoff substantiiert dargelegt, der ihre Brustkrebserkrankung ausgelöst haben könnte. Gleiches gilt für die in ihrer Darstellung "Umgang mit Gefahrstoffen und gefährlichen Betriebsmitteln, insbesondere Benzol und Benzenen" vom 8. Januar 2011 enthaltene gescannte Liste von fast 40 im sog. Giftschrank der Sammlung der chemischen Abteilung aufbewahrten giftigen Schadstoffe. Wenn die Klägerin das Gericht dazu bewegen will, sich eingehend, gegebenenfalls mit Sachverhaltsermittlung durch Sachverständigengutachten, mit einem möglichen Schadstoff als Ursache einer Berufskrankheit auseinanderzusetzen, so muss sie sich die Mühe machen, den Stoff konkret zu benennen sowie die Art der Exposition zu dem jeweiligen Schadstoff und deren Intensität vorzutragen. Daran fehlt es bei der Vorlage einer Liste.
219Die Klägerin dringt auch nicht mit ihrer Argumentation durch, ihre Brustkrebserkrankung sei auf eine Kombination verschiedener Schadstoffe – insbesondere Benzol, Formaldehyd, Phthalate – zurückzuführen, was sie mit additiven, überadditiven und synergistischen Effekten beschreibt. Kombinierte Wirkungen von verschiedenen Noxen sind grundsätzlich denkbar und können als Berufskrankheiten in die Berufskrankheitenliste aufgenommen werden (z. B. BK-Nr. 4114). Ein zum Vorbringen der Klägerin passender Tatbestand fehlt dort, insbesondere zum Zusammenwirken von Benzol und Phthalaten. Soweit damit eine Berufskrankheit, die durch ein Zusammenwirken verschiedener Stoffe verursacht worden sein soll, anerkannt werden soll, muss dies immer noch eine "Erkrankung durch Benzol" sein. Dann muss die Benzolexposition in der Betrachtung des Zusammenwirkens der Stoffe für die Verursachung des Mammakarzinoms noch als richtungweisende Teilursache angesehen werden. Dies ist beim Zusammenwirken verschiedener, nicht näher in ihren Verursachungsbeiträgen und Einwirkungsdosen differenzierter Schadstoffe, nicht festzustellen. Es bedürfte eingehenden Vortrags, wenn es überhaupt anerkennungsfähig wäre. Insofern fehlt es jedenfalls am substantiierten Vortrag.
220Vgl. zur kumulativen Kausalität verschiedener Einwirkungen: Mehrtens/Brandenburg, a. a. O., § 9 Ziff. 25.2.
221Weil schon keine in der Berufskrankheitenliste aufgeführte Erkrankung festgestellt werden konnte, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob nach der Dauer, Art und Intensität der Exposition gegenüber dem jeweiligen Schadstoff von einem besonderen Ausgesetztsein im Sinne von § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG auszugehen ist. In diesem Zusammenhang wäre in Bezug auf den jeweiligen Schadstoff der Frage nachzugehen, ob Richt- oder Grenzwerte überschritten wurden, soweit solche vorliegen, oder auch sonst die Schadstoffeinwirkung bei einer Gesamtbetrachtung derart war, dass die widerlegbare Vermutung von der schädlichen Einwirkung auf die festgestellte Berufskrankheit gerechtfertigt ist. Hierzu bestand jedoch kein Anlass.
222Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 2 ZPO. Das Begehren lässt sich letztlich in drei voneinander unabhängige Streitgegenstände aufspalten (Klage des Klägers auf Anerkennung seiner Erkrankung, Klage der Klägerin auf Anerkennung der Leukopenie sowie Klage der Klägerin auf Anerkennung der Brustkrebserkrankung), welche sämtlich gleich zu gewichten sind. Deshalb ist es sachgerecht, dass die Klägerin für die zwei Streitgegenstände, in Bezug auf die sie gegenüber dem beklagten Land unterliegt, 2/3 der Kosten, und der Kläger das verbleibende Drittel für sein Unterliegen trägt.
223Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.