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1. Die Meldefrist gemäß § 45 Abs 1 BeamtVG beginnt bei einer möglichen Berufserkrankung gemäß § 31 Abs 3 S 1 BeamtVG mit dem Auftreten der Erkrankung bzw. mit dem Zeitpunkt, zu dem sich der Beamte die Erkrankung zugezogen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob er erkannte oder erkennen konnte, dass es sich dabei möglicherweise um eine Berufskrankheit im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG handelt.
2. Gelangt der Beamte schon innerhalb der 2-Jahres-Frist nach § 45 Abs. 1 BeamtVG zu der Erkenntnis, dass es sich um eine mögliche Berufskrankheit handeln könnte, oder musste er mit dieser Möglichkeit rechnen, so besteht kein Anlass, ihm eine längere Frist einzuräumen. In diesem Fall ist die 10-Jahres-Frist nach § 45 Abs 2 BeamtVG nicht eröffnet.
3. Der Beamte muss mit der Möglichkeit, dass es sich um eine Berufskrankheit im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG handelt, nicht erst dann rechnen, wenn dies feststeht oder er ärztlicherseits hierauf hingewiesen wird. Nach der seit 01.01.2002 geltenden neuen Fassung des § 45 Abs 2 BeamtVG reicht ein geringer Grad an Sicherheit.
4. Das Auftreten von Metastasen nach einer Primärerkrankung an Brustkrebs ist nicht als neue Krankheit anzusehen, die eine neue Meldefrist in Gang setzt.
5. Im Einzelfall Abweisung der Klage des Witwers einer an Metastasen nach Brustkrebserkrankung verstorbenen Lehrerin an einem Berufskolleg auf Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit. Die Lehrerin hatte die Erkrankung auf Schadstoffbelastungen in der Schule zurückgeführt. Die Meldefrist war schon zu deren Lebzeiten abgelaufen.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreck¬bar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages ab¬wenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Si¬cherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der 1951 geborene Kläger – beamteter Lehrer im Landesdienst – ist der Ehemann der verstorbenen Frau L. Sie waren seit dem Jahr 1976 verheiratet und hatten zwei 1982 und 1993 geborene Töchter. Die Ehefrau des Klägers stand als Berufsschullehrerin im Schuldienst des beklagten Landes (zuletzt als Studienrätin, Besoldungsgruppe A 13 Bundesbesoldungsordnung – BBesO). Sie war seit dem Jahr 1979 am Berufskolleg in H beschäftigt, welches heute Teil des Berufsbildungszentrums (BBZ) H ist. Sie unterrichtete dort die Fächer Ernährungslehre, Technologie/Fachkunde, Mathematik, Wirtschaftslehre und Politik, insbesondere in Klassen für Bäckereifachverkäuferinnen sowie allgemein im Nahrungsbereich. Seit der Geburt des ersten Kindes befand sie sich in Teilzeitbeschäftigung verschiedenen Umfangs, soweit sie nicht wegen Kindererziehungszeit beurlaubt war.
2Träger des BBZ H ist der Kreis O.
3Schon seit Ende der 1980er Jahre – eventuell auch schon früher – machen Lehrer des BBZ H geltend, aufgrund von Schadstoffen zu erkranken, denen sie nach ihrer Meinung in der Schule ausgesetzt (gewesen) sind. Besonders besorgt sind sie wegen Fällen von Krebserkrankungen. Der Kreis O als Schulträger setzte sich damit stets auseinander und führte Untersuchungen über mögliche Schadstoffbelastungen durch. Dies geschah teilweise durch vom Kreis O beauftragte externe Institute und Sachverständige. Nach Aktenlage sind insofern u.a. ersichtlich:
4- Untersuchung der Schulen des Kreis O, darunter auch des BBZ H, auf Formaldehyd, durchgeführt vom Hygiene-Institut des Ruhrgebiets (HYI) in H1 (vgl. Bericht des HYI vom 14. Oktober 1989, Tgb.-Nr. L 35/89, Beiakte 8 zu 23 K 7945/08): Messungen am 14. August 1989, Auftraggeber Kreis O – Hochbauamt (Amt 65) –; Ergebnis: Grenzwertüberschreitungen in Bezug auf Formaldehyd im BBZ H im Schulbucharchiv und dem Computerraum; wegen der Einzelheiten wird auf Beiakte 8 zu 23 K 7945/08 verwiesen.
5- Prüfberichte des Universitätsklinikums M, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, vom 3. April 2003 (Protokoll-Nr. 00000000/0000000 und Nr. 00000000/0000000), Räume in Gebäude 3 (Raum 3.a und 3.b), Probenahme am 3. März 2003, Auftraggeber Kreis O – Gesundheitsamt (Amt 53) –; Untersuchung der Luft auf flüchtige organische Verbindungen (volatile organic compounds – VOC); wegen der Einzelheiten wird auf Beiakte 5 zu 23 K 7945/08 verwiesen.
6- Prüfbericht des HYI vom 10. Januar 2005 (Zeichen A-000000-00-Me), Probenahme am 3. Dezember 2004, Auftraggeber Kreis O – Hochbauamt –; Messungen in Gebäude 3 (Räume 3.c, 3.d, 3.e, 3.a und 3.f): Untersuchung auf polychlorierte Biphenyle (PCB) und Pentachlorphenol (PCP) in Raumluft und Feststoffen sowie auf Formaldehyd und Asbestfasern in der Raumluft.
7Anlass der letztgenannten Untersuchung war nach dem Untersuchungsbericht vom 10. Januar 2005: "Nachdem bei mehreren Lehrern, die überwiegend im Gebäude 3 unterrichten, Krebserkrankungen auftraten, sollte überprüft werden, ob in den Räumen dieses Bauteils eine erhöhte Schadstoffbelastung vorliegt, die eine gesundheitliche Gefährdung darstellt und gegebenenfalls ursächlich für die Erkrankungen ist." Untersucht wurden Fugendichtmasse auf PCB, Holzpaneel-Wandverkleidungen auf PCP und im Übrigen Raumluftproben. Der Bericht kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, die durchgeführten Innenraumuntersuchungen ergäben keine Hinweise auf erhöhte Luftbelastungen durch die untersuchten Substanzen. Aufgrund der ermittelten Messwerte sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen gebäudebedingten Schadstoffbelastungen und den im Lehrerkollegium aufgetretenen Krebserkrankungen nicht anzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Berichts wird auf Beiakte 5 und Beiakte 1, Bl. 529 – 543, jeweils zu 23 K 7945/08, verwiesen.
8Mitte des Monats Oktober des Jahres 2005 wurde bei der verstorbenen Ehefrau des Klägers eine Brustkrebserkrankung festgestellt. Diagnostiziert wurde ein invasives Mammakarzinom links. Am 25. Oktober 2005 erfolgte eine operative Entfernung des Tumors. Im Anschluss wurden Chemo- und Strahlentherapien sowie eine Antiöstrogen-Behandlung durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf Beiakte 1, Bl. 5 ff. Bezug genommen.
9Nur kurze Zeit davor war im August 2005 bei einer Kollegin der Ehefrau des Klägers, der Oberstudienrätin (OStR’in) I – Klägerin der auch am heutigen Tage verhandelten und entschiedenen Sache 23 K 7945/08, ebenfalls ein invasives Mammakarzinom festgestellt worden. Auch bei ihr führte dies zu einer entsprechenden Operation.
10Im Hinblick auf die Erkrankung der Ehefrau des Klägers erkannte das Versorgungsamt Düsseldorf bei ihr ab dem 23. November 2005 einen Grad der Behinderung von 50 an.
11Im 1. Halbjahr des Jahres 2006 durchlief die Ehefrau des Klägers die verschiedenen genannten Therapien und führte eine der Rehabilitation dienende Kur durch. Soweit ersichtlich war sie seit der sicheren Diagnose ihrer Brustkrebserkrankung nicht im Dienst. Zum Beginn des neuen Schuljahres 2006/2007 nahm sie den Dienst im BBZ H wieder auf, wobei auf ihren Antrag vom 8. Juni 2006 während des Winterhalbjahres eine Wiedereingliederung mit 6,5 Wochenstunden durchgeführt wurde. Dabei reduzierte die Bezirksregierung Düsseldorf ihre bestehende Teilzeitbeschäftigung von 13 Wochenstunden auf die Hälfte, also 6 ½ Stunden.
12Die ebenfalls an Brustkrebs erkrankte Kollegin der Ehefrau des Klägers, OStR’in I, stellte bald nach deren Erkrankung einen möglichen Zusammenhang mit Schadstoffbelastungen im BBZ H her. Deshalb nahm sie erheblichen Einfluss auf den Gang der Untersuchungen der Schadstoffbelastungen im BBZ, indem sie gegenüber der Schulleitung des BBZ und dem Schulträger intensiv die Interessen der Lehrerschaft des BBZ an einer Aufklärung der möglichen Schadstoffbelastungen verfolgte. Unter anderem aufgrund des beharrlichen Bemühens der OStR’in I wurden im Auftrag des Kreis O weitere Untersuchungen vorgenommen:
13- Prüfbericht des HYI vom 22. Dezember 2005 (Zeichen A-000000-00-Se), Probenahme am 17. November 2005, Auftraggeber Kreis O – Hochbauamt –, Messungen in Gebäuden 1 und 7 (Aula, Schulbüro, Räume 1.g, 1.h, 1.i, Kfz-Halle, 1.j, 7.k): Untersuchung von Feststoffproben auf PCP, PCB, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), VOC und Asbest; Untersuchung von Raumluftproben auf PCB, PCP, PAK, Asbest, VOC, Dieselmotoremissionen (DME) sowie Formaldehyd (Beiakte 2 zu 23 K 7945/08, Bl. 53 – 88).
14Der Bericht kam wie derjenige vom 10. Januar 2005 zu dem zusammenfassenden Ergebnis, die in ausgewählten Räumen durchgeführten Innenraumuntersuchungen hätten keine Hinweise auf erhöhte Luftbelastungen ergeben, weshalb ein ursächlicher Zusammenhang zwischen gebäudebedingten Schadstoffbelastungen und den im Lehrerkollegium aufgetretenen Krebserkrankungen nicht anzunehmen sei. Auch in der Kfz-Halle werde bei fachgerechtem Einsatz der Abgas-Absauganlage die Technische Richtkonzentration (TRK) an DME eingehalten. Da der Messwert jedoch vergleichsweise nah an der TRK lag, werde empfohlen, innerhalb der nächsten Jahre durch technische Überarbeitung der Absauganlage eine Absenkung der DME-Konzentration anzustreben.
15Nachdem gegen diesen Prüfbericht von der Lehrerschaft des BBZ, insbesondere von der OStR’in I, eingewandt worden war, es seien nicht die problematischen Räume untersucht worden, in denen Lehrer mit Krebserkrankungen lange Zeit unterrichtet hätten, gab der Kreis O ein weiteres Gutachten in Auftrag, bei dem von der Lehrerschaft des BBZ benannte Räume beprobt wurden:
16- Prüfbericht des HYI vom 25. August 2006 (Zeichen A-000000-00-Me), Probenahme am 17. Juli 2006, Auftraggeber Kreis O – Hochbauamt –; Gebäude 7 und 1: Räume 7.k, 7.l, 7.m, 1.i, 1.n, Büro Schulverwaltung (Gebäude 1, 1. OG); Raumluftuntersuchung (RLU) zur Bestimmung von Formaldehyd, VOC und Phthalaten (Beiakte 2 zu 23 K 7945/08, Bl. 93 - 119).
17Dieser Prüfbericht diente der Kontrolle der längerfristigen Einhaltung der VOC-Messergebnisse vom 17. November 2005, der entsprechenden Überprüfung zusätzlicher Räume sowie der Feststellung des Phthalatgehalts der Raumluft. Zusammenfassend stellte das HYI erneut fest, dass die Untersuchungen keine Hinweise auf erhöhte Luftbelastungen durch die entsprechenden Substanzen ergeben hätten und deshalb kein ursächlicher Zusammenhang mit den Krebserkrankungen im Lehrerkollegium anzunehmen sei.
18In der Zeit nach dem Bekanntwerden dieses Berichts am BBZ kam es dort am 24. Oktober 2006 zu einer Besprechung zwischen der Schulleitung, Vertretern des Lehrerrats sowie OStR’in I und der Ehefrau des Klägers. Darin ging es um den Stand der Schadstoffmessungen, eventuelle Fehler der Messungen, die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen und die Frage der Verursachung von Krebserkrankungen durch die Schadstoffe.
19Weil die OStR’in I auf mögliche Gefahren hingewiesen hatte, die eventuell von aus Weich-Kunststoff bestehenden, im Unterricht der Bäckereifachverkäuferinnen eingesetzten Lebensmittelattrappen (Backwaren- und Konfektmodelle) ausgingen, waren diese Lebensmittelattrappen aus dem Raum für den Verkaufsunterricht der Bäckereifachverkäuferinnen, Raum 1.n in Gebäude 1, entfernt und in einem Keller der Schule gelagert worden. Mit diesen Lebensmittelmodellen hatten sowohl die Ehefrau des Klägers als auch die OStR’in I über viele Jahre in Raum 1.n gearbeitet. Die OStR’in I beauftragte in Bezug auf die Lebensmittelattrappen im November 2006 auf eigene Kosten das Analyselabor in C GmbH (C), welches die Modelle untersuchte:
20- Prüfbericht Nr. A 000 0000P der C GmbH vom 10. November 2006: Prüfung einer Materialprobe der Lebensmittelmodelle auf VOC, insbesondere Weichmacher, im Feststoff (Beiakte 2 zu 23 K 7945/08, Bl. 120 ff.);
21- Prüfbericht Nr. A 000 0000I der C GmbH vom 28. November 2006, Prüfung vom 22. - 24. November 2006: Luftprobe der Ausgasungen der Lebensmittelattrappen bei 60°C, Untersuchung auf VOC (Beiakte 2 zu 23 K 7945/08, Bl. 123 ff.).
22Etwa zeitgleich hatte der Kreis O auf Drängen der Lehrerschaft des BBZ ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben, das dazu diente, die aus Sicht der Lehrerschaft problematischen Räume auf bisher nicht untersuchte Schadstoffe zu prüfen, sowie die Lebensmittelattrappen aus der Ausbildung der Bäckereifachverkäuferinnen auf Schadstoffbelastung zu testen:
23- Prüfbericht des HYI vom 14. Dezember 2006 (Zeichen A-000000-00-Me), Probenahme am 6./7. November 2006, Auftraggeber Kreis O – Hochbauamt –; Raumluftproben auf Phthalate in den Räumen 1.n, 7.l, 7.m, Feststoffproben auf Phthalate und Flammschutzmittel (Untersuchung des PVC-Bodens und des Hausstaubs, in Raum 1.n zusätzlich auch der Lebensmittelattrappen); Untersuchung der Lebensmittelattrappen auf VOC-Emissionen in Prüfkammer durch Gaschromatographie/ Massenspektrometrie (Beiakte 2 zu 23 K 7945/08, Bl. 343 - 366).
24Die Messergebnisse fielen insgesamt aus Sicht des HYI im Wesentlichen unproblematisch aus. Ein zusammenfassendes Ergebnis fehlt in diesem Bericht. Zu der Untersuchung der Lebensmittelmodelle in einer Prüfkammer führt der Bericht aus, es seien in der Prüfkammerluft hohe Gehalte an 1-Butanol, Aldehyden (Benzaldehyd, Butanal), Ketonen (Methylethylketon, 2-Hexanon), sekundärem Butylformiat und Benzol nachgewiesen worden; inwieweit die Modelle bei der Verwendung im Unterricht eine gesundheitliche Gefährdung dargestellt hätten, hänge im Wesentlichen von der Menge des eingesetzten Materials ab und könne nach den vorliegenden Daten nicht abgeschätzt werden. Bei der Raumluftmessung im Raum 1.n am 17. Juli 2006 seien dort (ohne die Lebensmittelmodelle) keine erhöhten VOC-Werte gemessen worden.
25Noch bevor der Prüfbericht vom 14. Dezember 2006 im BBZ bekannt wurde, reichte die OStR’in I unter dem 5. Dezember 2006 über die Schulleitung des BBZ bei der Bezirksregierung Düsseldorf eine Unfallmeldung ein, mit der sie beantragte, ihre Brustkrebserkrankung als Dienstunfall anzuerkennen. Dieser Meldung war auch eine Bescheinigung der Ehefrau des Klägers vom 5. Dezember 2006 beigefügt, in der diese erklärte, "dass die Ereignisse, Abläufe oder Sachverhalte, bei denen Frau I in ihrer schriftlichen Darstellung des Unfallhergangs ihren Namen nennt, vollständig und wahrheitsgemäß geschildert werden". Wegen der Einzelheiten der Unfallmeldung der OStR’in I und der Bescheinigung der Ehefrau des Klägers wird auf Beiakte 2 zu 23 K 7945/08, Bl. 1 – 251, insbesondere Bl. 45, Bezug genommen. Nach Ablehnung dieses Antrags durch die Bezirksregierung Düsseldorf im Januar 2007 erhob die OStR’in I Widerspruch (Beiakte 2 zu 23 K 7945/08, Bl. 275 – 366). Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Bezirksregierung Düsseldorf ein internistisch-hämatologisch-onkologisches Gutachten des Direktors der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Klinischen Immunologie am Universitätsklinikum E, I1, zur Verursachung der Erkrankung der OStR’in I an Brustkrebs ein. Wegen der Einzelheiten wird auf Beiakte 1 zu 23 K 7945/08, Bl. 367 – 371, verwiesen.
26Der Sachverständige gab unter dem 12. November 2007 sein hämatologisch-onkologisches Gutachten zum Zusammenhang zwischen einer beruflichen Schadstoffexposition und der Brustkrebserkrankung der OStR’in I ab. Er kam im Wesentlichen zu folgenden für Frau I insgesamt negativen Ergebnissen: Zu der Frage, ob die Erkrankung der OStR’in I an Brustkrebs (oder Krebs generell) durch einen der im Gutachtenauftrag genannten Stoffe als Berufskrankheit in der Anlage 1 zur BerufskrankheitenVO aufgeführt sei (I.), führte I1 aus, dass ein sicherer kausaler Zusammenhang zwischen Benzolexposition und dem Auftreten von Mammacarcinomen bei Menschen nicht herzustellen. Zur Frage, ob ein Kausalzusammenhang zwischen der dienstlichen Verrichtung und der Erkrankung der OStR’in I bestehe und welche anderen Ursachen in Betracht kämen (II.): Auf der Grundlage der dargestellten widersprüchlichen Studienlage und der unklaren ätiologischen Bedeutung einer Benzolexposition für das Auftreten eines Mammacarcinoms sei die Abgrenzung zu anderen potentiellen Krankheitsauslösern schwierig. Abgesehen von anerkannten Risikofaktoren träten 70 – 80 % der Mammacarcinome bei Frauen ohne Risikofaktoren auf. Bei Frau I läge mit der späten 1. Schwangerschaft ein Risikofaktor vor. Weiter seien Phthalate nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft ein möglicher Faktor, welcher die Brustkrebsentstehung fördern könne; diese seien jedoch nicht in der Anlage I zur BKV enthalten, träten zugleich aber ubiquitär auf und könnten demnach nicht allein auf den beruflichen Bereich zurückgeführt werden. Zu der Frage, ob bei Frau I als Berufsschullehrerin mit dem Fach "Fachkundeunterricht für Bäckereifachverkäuferinnen" bzw. als Sammlungsleiterin der Gefahrstoffe für die Chemieabteilung und Entsorgungsbeauftragte der Schadstoffe der Schule eine erheblich erhöhte Wahrscheinlichkeit im Sinne einer Verdoppelung des Erkrankungsrisikos an einer Berufskrankheit gemäß Anlage I der BKV bestehe (III.): Zum jetzigen Zeitpunkt lasse die Datenlage eine Anerkennung der Brustkrebserkrankung als Berufskrankheit nicht zu. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverständigengutachtens wird auf Beiakte 1 zu 23 K 7945/08, Bl. 505 - 514 verwiesen.
27Während des Widerspruchsverfahrens der Frau I reichten Lehrer der Fachkonferenz Naturwissenschaften, darunter auch die Ehefrau des Klägers, unter dem 19. September 2007 Mängelanzeigen zu den Räumen 1.n sowie den naturwissenschaftlichen Räumen in Gebäude 7, 3. Etage (7.l – o) ein, in denen sie auf die Häufung von Krebserkrankungen bei Lehrern und Lehrerinnen, die sich viel in diesen Räumen aufgehalten hatten, hinwiesen. Zugleich wandte sich die Ehefrau des Klägers gemeinsam mit über 30 weiteren Lehrkräften des BBZ unter dem 20. September 2007 an den Landrat des Kreis O und problematisierte auch diesem gegenüber einen möglichen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen von Lehrkräften und Schadstoffbelastungen im BBZ.
28Auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens des I1 wies die Bezirksregierung Düsseldorf den Widerspruch der OStR’in I im Oktober 2008 zurück, weil die Datenlage die Anerkennung als Berufskrankheit derzeit nicht zulasse. Frau I erhob hiergegen im November 2008 die Klage 23 K 7945/08, mit der sie weiter die Anerkennung der Brustkrebserkrankung als Berufskrankheit verfolgte.
29Schon vor diesem Zeitpunkt waren bei der Ehefrau des Klägers Mitte Mai 2008 Metastasen aufgetreten. Diagnostiziert wurden eine ossäre und Lymphknotenmetastasierung im Bereich der linken Axilla, supra- und infraclaviculär sowie hilär, zugleich eine ossäre Metastasierung im Bereich des distalen Sternum und des proximalen Humerus rechts. Seit diesem Zeitpunkt war die Ehefrau des Klägers dienstunfähig.
30Nicht lange nach Feststellung der Metastasierung hatte die Ehefrau des Klägers mit ihrer Unfall-/Berufserkrankungsmeldung vom 20. Juni 2008 die Anerkennung ihrer Erkrankung als Dienstunfall bzw. als Berufskrankheit beantragt. Zum Sachverhalt hatte sie im Wesentlichen vorgetragen: Zugrunde liege eine langjährige chronische Vergiftung im Niedrigdosisbereich durch verschiedene Schadstoffe, die sie in Ausübung ihres Dienstes erlitten habe. Dies seien die giftigen Umweltschadstoffe Formaldehyd, DBP und Phenol gewesen, die in der Atemluft der Klassenräume vorhanden gewesen seien. Zudem seien diverse Phthalate im Staub der Klassenräume gemessen worden. Weiter seien Benzol, diverse Alkylbenzole, Phenol, Toluol und Benzaldehyd in der Prüfkammerluft bei der Untersuchung der Lebensmittelattrappen festgestellt worden. Alle Stoffe seien in auffälligen und gesundheitsschädlichen Konzentrationen gutachterlich nachgewiesen. Die Schadstoffe PCP und PCB seien in Gebäude 3 durch Gutachter qualitativ festgestellt. Sie sei seit 1979 am BBZ H beschäftigt und habe in den ersten Jahren vorrangig in den Räumen 1.p und 1.q unterrichtet. Die meiste Zeit jedoch, v. a. in den letzten Jahren, habe sie im Raum für die Bäckereifachverkäuferinnen, Raum 1.n, in der naturwissenschaftlichen Abteilung in den Räumen 7.l, 7.m und 7.o sowie Datenverarbeitung in Raum 3.r unterrichtet. Im Lehrerzimmer sei sie passiv Tabakrauch ausgesetzt gewesen. Nach der Primärtherapie habe sie wieder in denselben Unterrichtsräumen gearbeitet, da ihr seitens des Arbeitgebers versichert worden sei, dass mit der Entfernung der Lebensmittelattrappen und der Holzlagerschränke in Raum 1.n sowie erhöhter Reinigungsfrequenz und gründlicher Lüftung auch für Risikogruppen keine Gesundheitsgefahr bestünde. Außerdienstliche Risiken lägen bei ihr – wie bei Frau I – nicht vor. Der Meldung hatte sie an Unterlagen beigefügt:
31- Ärztliche Bescheinigungen (Anlage 1.1),
32- ihre an die Schulleitung gerichteten Mängelanzeigen zu Reinigungsmängeln und der Staubsituation in Raum 1.n vom 20. September und vom 19. November 2007 (Anlage 1.2),
33- Unterlagen zu den Bemühungen der Lehrerschaft um neue Schadstoff-Messungen (Anlage 1.3).
34Zudem nahm sie auf die der Unfallanzeige und dem Widerspruch der OStR’in I beigefügten Anlagen 2, 2a, 3, 3a, 4 – 7, 7a sowie 8 und 9 und "die gesamte weitere Korrespondenz" Bezug.
35Die Bezirksregierung Düsseldorf wies den Antrag mit Bescheid vom 17. November 2008 zurück und begründete dies im Wesentlichen damit, die Ehefrau des Klägers habe die Meldefrist in § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG versäumt. Sie habe nach dem Bericht des Kreiskrankenhauses H F schon vor dem 4. November 2005 von ihrer Erkrankung gewusst und hätte nach der genannten Vorschrift den Unfall innerhalb der 2Jahres-Frist nach der Diagnose melden müssen. Die Meldung sei jedoch erst am 29. Juni 2008 – verspätet – eingegangen.
36Die Ehefrau des Klägers erhob hiergegen unter dem 13. Dezember 2008 Widerspruch, zu dessen Begründung sie unter Wiederholung und Vertiefung des Vorbringens aus der Unfallanzeige ergänzend im Wesentlichen ausführte: Bei einer Berufserkrankung sei der Beginn nicht so klar zu definieren wie bei einem Dienstunfall. Zum Zeitpunkt ihrer ersten Erkrankung sei der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit noch nicht ersichtlich gewesen. Die chronische Vergiftung sei durch ein Gemisch von mutagenen, giftigen, carcinogenen und/oder hormonwirksamen Innenraumschadstoffen und/oder Tumorpromotoren im Niedrigdosisbereich erfolgt: Phenol, Benzol, Alkylbenzene, Siloxane und Phthalate, insbesondere BBP, DBP, DEHP und DOP, welche an ihrem Arbeitsplatz nachgewiesen worden seien. Der Verdacht, dass ihr Arbeitsplatz für die Krankheit ursächlich sein könnte, sei auch dadurch entstanden, dass ihre Kollegin I fast zeitgleich ebenfalls an Brustkrebs erkrankt sei, welche in den gleichen Räumen gearbeitet habe. Auf ihr gemeinsames Betreiben seien im Jahr 2006 Messungen durchgeführt worden. Erste Messergebnisse, die die Vergiftung objektiv nachgewiesen hätten, würden vom 17. Juli 2006 stammen. Dies sei der Prüfbericht des Hygiene-Instituts des Ruhrgebiets A-000000-00-Me gewesen. Bis dahin habe es keine nachweisbaren Hinweise gegeben, die einen Zusammenhang zwischen Innenraumschadstoffen und der Erkrankung vermuten ließen. Das Bekanntwerden dieser Messdaten sei das entscheidende Datum für eine Fristsetzung gewesen. Ab diesem Zeitpunkt bis zu ihrer Anzeige seien keine zwei Jahre verstrichen. Von August 2006 bis Mai 2008 habe sie weiterhin an der Schule unterrichtet und eine weitere Erkrankung erlitten. Da die Gefährdung weiter bestanden habe, sei eine Ablehnung wegen Fristüberschreitung schon deshalb nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf das Klageverfahren ihrer Kollegin I (23 K 7945/08), in dem es um dieselben Schadstoffe, dieselben Räume und dieselbe Krankheit gehe, sei sie mit einem Ruhen des Verfahrens einverstanden.
37Aufgrund der Bemühungen der Lehrerschaft des BBZ im Jahr 2008, für das der Schulträger Verständnis aufbrachte, gab dieser nachfolgend noch weitere Gutachten in Auftrag. Nunmehr wurde auf Betreiben der Lehrer das C1 Umweltinstitut (C1UI) beauftragt, welches die folgenden Gutachten erstellte:
38- Gutachten H 0000 BB vom 17. Februar 2009, Probenahmen am 19./ 20. November 2008; Untersuchung der Räume 1.n, 3.d und 7.k auf VOC, Feinstaub, Formaldehyd, Phthalate, PCB und Flammschutzmittel (Beiakten 5 und 8).
39- Gutachten H 0000 BB vom 18. August 2009: Untersuchung einer Rückstellprobe der Dichtmasse aus einer Außenfuge von Gebäude 3 (Bl. 68 – 74 der Gerichtsakte);
40- Gutachten H 0000 BB vom 18. August 2009, Beprobung am 5. August 2009: Messung auf PCB in Bezug auf Räume in Gebäude 3, teils Feststoffprobe Fugendichtmasse, ansonsten RLU (Beiakte 5 zu 23 K 7945/08).
41Schon vor diesen weiteren Untersuchungen war die Ehefrau des Klägers an den Folgen der erneut aufgetretenen Krebserkrankung am 25. März 2009 verstorben.
42Der Kläger erhält nach seiner Ehefrau Witwergeld nach §§ 19, 28 BeamtVG. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW (LBV) regelte das Witwergeld ab dem 1. April 2009 mit Bescheid vom 6. Mai 2009 und setzte unter Berücksichtigung eines fiktiven Ruhegehaltssatzes der Ehefrau des Klägers von 47,20 % und eines Versorgungsabschlages die fiktiven Versorgungsbezüge seiner Ehefrau auf 1787,18 Euro brutto fest. Daraus folgte für ihn ein Witwengeld von 1072,31 Euro (60 %). Mit Regelungsbescheid vom selben Tage kürzte das LBV das Witwengeld wegen seines Verwendungseinkommens aus eigener Lehrertätigkeit gemäß § 53 auf (zunächst) 810,65 Euro monatlich.
43Wenige Tage nach dem Tod der Ehefrau des Klägers hatte die Bezirksregierung Düsseldorf – wohl in Unkenntnis dieses Umstandes – den Widerspruch seiner Ehefrau mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2009 zurückgewiesen, weil die Meldefrist versäumt worden sei. Im Einzelnen führte sie unter Vertiefung der Begründung des Ablehnungsbescheids aus: Die Meldefrist von 2 Jahren gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG gelte auch für Berufskrankheiten und beginne mit dem Auftreten der Krankheit, insbesondere der ärztlichen Diagnose. Jedenfalls nach dem von der Ehefrau des Klägers genannten Prüfbericht vom 6./7. November 2006 hätte sie den Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit einreichen müssen.
44Der Kläger hat hiergegen am 30. April 2009 Klage erhoben, mit dem er die Anerkennung der Brustkrebserkrankung seiner Ehefrau als Berufskrankheit weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren im Hinblick auf die Meldefrist in § 45 BeamtVG und trägt dazu im Wesentlichen vor: Die 2jährige Ausschlussfrist nach § 45 Abs. 1 BeamtVG setze erst dann ein, wenn zumindest eine gewisse sichere Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen Krankheit und Unfall gesehen werden könne. Dies sei frühestens mit dem Zeitpunkt anzusehen, als der Prüfbericht der B GmbH vom 8. November 2006 Nr. A 0000000 P vorgelegen habe. Erst mit diesem Prüfbericht habe davon ausgegangen werden können, dass eine langjährige Vergiftung im Niedrigdosisbereich durch verschiedene Schadstoffe die Krebserkrankung habe auslösen können. Die früheren Prüfberichte hätten hierzu keine Aussage gemacht. Deshalb sei die Meldefrist erst ab diesem Zeitpunkt gelaufen. Diese habe insbesondere nicht schon am Tag nach der Diagnosestellung begonnen, weil die verstorbene Ehefrau des Klägers zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht habe wissen können, dass ein Zusammenhang zwischen den Schadstoffen und der Krebserkrankung bestand. Wenn ab dem Zeitpunkt des Auftretens einer Erkrankung die Meldefrist gemäß § 45 BeamtVG liefe, müsste stets vorsorglich ein Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls oder einer Berufskrankheit gestellt werden. Die zuständigen Ämter würden überflutet.
45Der Kläger beantragt,
46unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung Düsseldorf vom 17. November 2008 in der Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 31. März 2009 festzustellen, dass es sich bei der Krebserkrankung der Frau L um eine Berufskrankheit im Sinne von § 31 Abs. 3 Beamtenversorgungsgesetz handelte.
47Das beklagte Land beantragt,
48die Klage abzuweisen.
49Zur Begründung wiederholt die Bezirksregierung Düsseldorf in Bezug auf die Meldefrist im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid. Im Übrigen weist sie in sachlicher Hinsicht im Wesentlichen darauf hin, dass ein Dienstunfall mangels Plötzlichkeit ausscheide, die Ehefrau des Klägers der Gefahr einer Krebserkrankung als Lehrerin nicht im Sinne von § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG besonders ausgesetzt gewesen sei und die räumlichen Bedingungen der dienstlichen Tätigkeit außer Acht zu bleiben hätten.
50Das Gericht hat das Sachverständigengutachten des I1 vom 12. November 2007 aus dem Widerspruchsverfahren der OStR’in I in dieses Verfahren eingeführt.
51Es hat die folgenden Akten beigezogen:
52- Beiakte 1: Unfallakte der Ehefrau des Klägers,
53- Beiakten 2 und 3: Personalakten Bezirksregierung Düsseldorf – Unterordner A und C,
54- Beiakte 4: beim BBZ H über die Ehefrau des Klägers geführte Personal-Nebenakte,
55- Beiakte 5: Kopien aus der Versorgungsakte des LBV in Bezug auf das Witwergeld des Klägers (Personalnummer R 0000000000),
56- aus dem Verfahren 23 K 7945/08 Beiakten 5 und 8: Akten des Gesundheitsamts H (Kreis O) über Schadstoffbelastungen am BBZ H.
57Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und die beigezogenen Akten der Bezirksregierung Düsseldorf, des Kreis O und des BBZ H Bezug genommen.
58Entscheidungsgründe:
59Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 6. Dezember 2010 gemäß § 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist.
60Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
61Sie ist als Feststellungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.
62Dabei kann offenbleiben, ob es sich um eine Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO oder eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO handelt. Denn in beiden Fällen liegen die Zulässigkeits-Voraussetzungen vor. Ebenfalls kann offenbleiben, ob sich tatsächlich der Anspruch auf Anerkennung eines Dienstunfalls oder einer Berufskrankheit gemäß § 31 BeamtVG beim Tod des Beamten erledigt,
63vgl. Urteil vom 11. November 2002 – 23 K 4683/99 – (nicht veröffentlicht); Zulassungsantrag des Klägers abgelehnt durch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 30. Juni 2004 – 6 A 664/03 –, Juris; anders Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand März 2009, § 45 Rn. 42, 43,
64auch wenn hiergegen die Regelung in § 45 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG zu sprechen scheint. Denn der Kläger hat nach Hinweis auf die zitierte Rechtsprechung einen Feststellungsantrag gestellt.
65Für diesen Antrag liegt ein Feststellungsinteresse des Klägers vor. Dieses ergibt sich daraus, dass er Witwergeld in Höhe von 60 % des fiktiven Ruhegehalts seiner Ehefrau erhält. Dieses ist im Hinblick auf den Ruhegehaltssatz mit 47,20 % wegen der langjährigen (wohl familiär bedingten) Freistellungen seiner Ehefrau eher gering. Handelt es sich bei der Krebserkrankung um eine Berufskrankheit im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG, gilt dies als Dienstunfall. Da die Ehefrau des Klägers an ihrer Erkrankung verstorben ist, während sie noch im aktiven Dienst stand, hätte sie in diesem Fall Unfallruhegehalt gemäß § 36 BeamtVG erhalten. Mithin stünde dem Kläger in diesem Fall Unfall-Hinterbliebenenversorgung nach § 39 BeamtVG zu und er erhielte 60 % des fiktiven Unfallruhegehalts. Letzteres beträgt aber nach § 36 Abs. 3 BeamtVG 20 % mehr als das erdiente Ruhegehalt, mindestens 66 ⅔ %, höchstens 75 %. Zugleich ist gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 am Ende BeamtVG ein Versorgungsabschlag wegen vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand (hier dem Tod der Beamtin) nicht vorzunehmen, wenn dies Folge eines Dienstunfalls bzw. einer Berufskrankheit ist. Damit würde sich sein Witwergeld erhöhen. Dass dieses aktuell einer Ruhensregelung wegen seiner eigenen Dienstbezüge als Lehrer gemäß § 53 BeamtVG unterliegt und er in der Folge eines stattgebenden Urteils nicht unmittelbar mehr Geld ausgezahlt erhalten würde, ist unschädlich, weil sich dies im Zeitpunkt seines Eintritts in den Ruhestand in absehbarer Zeit ändern würde. Weil schon dies sein Feststellungsinteresse begründet, kommt es nicht darauf an, ob derjenige, der seinen Ehepartner aufgrund einer tödlichen Erkrankung verliert, auch ein für die Zulässigkeit ausreichendes ideelles Interesse an der Klärung haben kann, ob die tödliche Erkrankung Folge eines Dienstunfalls oder einer Berufskrankheit war.
66Dem Erfordernis eines Vorverfahrens vor Erhebung der Klage (vgl. § 126 Abs. 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes – BRRG –, § 179 a Satz 2 Landesbeamtengesetz NRW – LBG – a. F. bzw. § 104 Abs. 1 Satz 2 LBG n. F.) ist entsprochen, weil entweder das von seiner verstorbenen Ehefrau durchgeführte Vorverfahren ihm als deren Rechtsnachfolger zugerechnet wird, oder aber ein Vorverfahren entbehrlich ist. Die Zwecke des Vorverfahrens können nicht mehr erreicht werden, weil nicht zu erwarten ist, dass die Bezirksregierung Düsseldorf nach ihrer Entscheidung gegenüber seiner Ehefrau mit Bescheid vom 17. November 2008 und Widerspruchsbescheid vom 31. März 2009 ihm gegenüber anders entscheiden wird. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass ein Vorverfahren entbehrlich ist, wenn sich die beklagte oder anderweitig mit dem Verfahren befasste Widerspruchsbehörde in einer Weise zur Streitfrage geäußert hat, aufgrund der das (negative) Ergebnis eines nachzuholenden Widerspruchsverfahrens bereits feststeht,
67vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 9. Juni 1967 – VII C 18.66 –, BVerwGE 27, 181 ff., vom 23. Oktober 1980 – 2 A 4/78 –, DVBl. 1981, 502 ff., und vom 2. September 1983 – 7 C 97/81 –, DVBl. 1984, 91 ff.
68Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt.
69Die Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Unabhängig davon, ob man auf das Bestehen des Rechtsverhältnisses "Vorliegen einer Berufskrankheit mit entsprechenden unfallfürsorgerechtlichen Folgen" gegenüber dem beklagten Land (§ 43 VwGO) oder auf die durch den Tod eingetretene Erledigung des möglichen Anspruchs der Ehefrau des Klägers auf Anerkennung ihrer Krebserkrankung als Berufskrankheit (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) abstellt, liegen die Voraussetzungen jedenfalls nicht vor. Die angegriffenen Bescheide vom 17. November 2008 und vom 31. März 2009 sind rechtmäßig.
70Es fehlt bereits an den verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Feststellung, dass es sich bei der Brustkrebserkrankung der Ehefrau des Klägers um eine Berufskrankheit handelte.
71Die Voraussetzungen einer Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit ergeben sich aus § 31 Abs. 3 BeamtVG. Dies setzt regelmäßig eine fristgerechte Meldung des Unfalls gemäß § 45 BeamtVG voraus. Nach § 45 Abs. 1 BeamtVG sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalles bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten oder bei der für den Wohnort des Berechtigten zuständigen unteren Verwaltungsbehörde zu melden. Nach Ablauf der Ausschlussfrist wird gemäß Abs. 2 der Vorschrift Unfallfürsorge nur gewährt, wenn nach dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalles nicht habe gerechnet werden können oder dass der Berechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert worden ist, den Unfall zu melden (Satz 1); nach Satz 2 muss die Meldung in einem solchen Fall innerhalb dreier Monate erfolgen, nachdem mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls gerechnet werden konnte oder das Hindernis für die Meldung weggefallen ist.
72Diese Vorschriften sind für die Anerkennung von Berufskrankheiten gemäß § 31 Abs. 3 BeamtVG entsprechend anwendbar, weil diese "als Dienstunfälle gelten", § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG. Da es sich bei den Fristen in § 45 BeamtVG um Ausschlussfristen handelt, bewirkt deren Verstreichen das materielle Erlöschen des Anspruchs auf Anerkennung eines Dienstunfalls oder einer Berufskrankheit. Ist die Frist verstrichen, steht damit fest, dass eine Klage eines Hinterbliebenen auf Feststellung eines Dienstunfalls oder einer Berufskrankheit unbegründet ist.
73Die Krebserkrankung der Ehefrau des Klägers ist nicht fristgerecht gemäß § 45 Abs. 1, Abs. 2 BeamtVG gemeldet worden.
74Zu melden ist der Unfall und nicht ein Anspruch auf Unfallfürsorgeleistungen. Unfall im Sinne von § 45 BeamtVG sind alle in §§ 31, 31a BeamtVG genannten Unfälle und Erkrankungen, von denen nach vernünftiger Betrachtungsweise anzunehmen ist, dass sie Unfallfürsorgeansprüche auslösen können. Die Meldepflicht trifft zunächst den betroffenen Beamten und seine Hinterbliebenen, gilt jedoch auch für sonstige Beamte, die von dem Unfall Kenntnis erlangen. Eine bestimmte Form der Meldung ist nicht vorgeschrieben. Sinnvoll ist (schon aus Beweisgründen) eine schriftliche Meldung. Inhaltlich muss erkennbar sein, dass ein Unfall oder eine Erkrankung gemeldet wird, der bzw. die ein Dienstunfall oder eine Berufskrankheit sein und Unfallfürsorgeansprüche auslösen kann.
75Vgl. Bauer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Kommentar, Hauptband I, § 45, Erl. 1, Ziff. 2 bis Ziff. 5.
76Es ist anerkannt, dass eine Krankmeldung oder das Einreichen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne Hinweis auf einen stattgefundenen Unfall oder eine bestimmte, als Dienstunfall mögliche Erkrankung nicht ausreicht. Der Dienstvorgesetzte muss Dienstunfälle nämlich nicht erahnen.
77Vgl. Bauer, a. a. O., Ziff. 4.
78Die Unfall-/Berufserkrankungsmeldung der Ehefrau des Klägers vom 20. Juni 2008 erfüllt die Anforderungen an eine Meldung im Sinne des § 45 Abs. 1 BeamtVG, ist aber nicht innerhalb der 2JahresFrist nach § 45 Abs. 1 BeamtVG erfolgt.
79Diese Frist beginnt bei Berufskrankheiten mit dem Auftreten der Erkrankung bzw. mit dem Zeitpunkt, zu dem sich der Beamte die Erkrankung zugezogen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob er erkannte oder erkennen konnte, dass es sich dabei möglicherweise um eine Berufskrankheit im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG handelt.
80Vgl. OVG NRW, Urteile vom 2. Dezember 1997 – 6 A 2874/96 –, RiA 1999, 101 ff., und vom 24. Mai 2002 – 1 A 6168/96 –, Schütz, BeamtR, ES/C II 3.1 Nr. 78, m. w. N.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof (HessVGH), Beschluss vom 7. März 1995 – 1 UE 1098/92 –, IÖD 1995, 236 f.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28. September 1993 – 4 S 2915/92 –, IÖD 1994, 95.
81Die Erkrankung der Ehefrau des Klägers wurde bei ihr ausweislich des Berichts der Frauenklinik des Kreiskrankenhauses H F vom 4. November 2005 im Oktober 2005 festgestellt. Nach einer digitalen Mammographie am 18. Oktober 2005 bestand danach mit hoher Wahrscheinlichkeit ein invasives Mammacarcinom. Am 20. Oktober 2005 wurden drei Stanzbiopsien entnommen, die histologisch untersucht wurden. Dann wurde am 25. Oktober 2005 die operative Entfernung des Brusttumors durchgeführt, wobei wiederum eine Biopsie entnommen wurde. Es ist davon auszugehen, dass vor der Operation die Diagnose feststand. Jedenfalls war dies der Fall, als der Bericht am 4. November 2005 verfasst wurde. Hierauf kommt es nicht an, weil die Ehefrau des Klägers die Brustkrebserkrankung erst mit Datum vom 20. Juni 2008 (nach Eingangsstempel bei der Bezirksregierung Düsseldorf eingegangen am selben Tage) gemeldet hat. Dies ist etwa 2 Jahre und 8 Monate nach Fristbeginn und damit verspätet. Die 2JahresFrist lief spätestens am 4. November 2007 ab.
82Eine frühere Meldung der Erkrankung gemäß § 45 Abs. 1 BeamtVG ist nicht feststellbar.
83Ihre Krankmeldungen und auch die Mitteilungen über ihre Krebserkrankung sind keine ausreichenden Meldungen, weil sich diesen nicht entnehmen lässt, dass eine mögliche Berufskrankheit im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG mitgeteilt wird, aus der sich unfallfürsorgerechtliche Ansprüche ergeben können.
84Auch ihre ab dem Auftreten der Erkrankung in diesem Zusammenhang bei der Bezirksregierung Düsseldorf – Dezernat 47 (für die Personalbearbeitung der Lehrer zuständig) – gestellten krankheitsbedingten Anträge auf Ermäßigung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit bzw. der geforderten Unterrichtsstunden (vom 8. Juni 2006, Beiakte 2, Bl. 236 ff.; vom 10. Januar 2007, Beiakte 2, Bl. 255 ff.; vom 12. April 2007, Beiakte 2, Bl. 263 ff.) sind nicht als solche Meldungen anzusehen. Diese verweisen nämlich nur auf ihre Erkrankung und ihre eingeschränkte Belastbarkeit. Einen Bezug zu dienstlichen Einwirkungen stellen diese nicht her und sind deshalb keine Meldungen im Sinne von § 45 Abs. 1 BeamtVG. Der Antrag der Ehefrau des Klägers bei der Bezirksregierung Düsseldorf – Dezernat 47 – vom 25. Februar 2008 (Beiakte 2, Bl. 271 ff.) lässt einen gewissen Zusammenhang der Erkrankung mit den möglichen Schadstoffeinwirkungen im BBZ zwar erkennen ("... durch die noch ungeklärten Rahmenbedingungen in der Schule, nämlich die möglicherweise vorhandenen Schadstoffbelastungen in den Klassenräumen, in denen ich unterrichte, ..."), ist jedoch jedenfalls nach Ablauf der 2JahresFrist gemäß § 45 Abs. 1 BeamtVG erfolgt.
85Andere als Meldungen gemäß § 45 Abs. 1 BeamtVG in Betracht kommende Handlungen der Ehefrau des Klägers oder anderer Personen sind nicht ersichtlich.
86Ist damit die Frist gemäß § 45 Abs. 1 BeamtVG abgelaufen, kann für den Kläger lediglich noch die "Nachfrist" nach § 45 Abs. 2 BeamtVG eingreifen. Die Frist von 10 Jahren ab dem Auftreten der Erkrankung war bei Meldung der Krankheit noch nicht abgelaufen. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 BeamtVG liegen jedoch nicht vor.
87§ 45 Abs. 2 BeamtVG gilt auch für Berufskrankheiten im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG. Die Regelung ist anwendbar, wenn ein Beamter an einer Krankheit erkrankt, diese nicht meldet und damit die 2JahresFrist nach § 45 Abs. 1 BeamtVG versäumt, weil er nicht erkennt, dass es sich um eine Berufskrankheit handeln könnte.
88Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Mai 2002, a. a. O.
89Erkennt er dies nach Ablauf der 2-Jahres-Frist, so kann er die Berufskrankheit nach § 45 Abs. 2 BeamtVG noch innerhalb der Zehn-Jahres-Frist ab Auftreten der Erkrankung melden (§ 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG), muss dabei aber nach Satz 2 der Vorschrift eine Drei-Monats-Frist ab dem Zeitpunkt einhalten, ab dem er mit der Möglichkeit, dass es sich um eine Berufskrankheit handeln könnte, rechnen musste. Gelangt der Beamte schon innerhalb der 2-Jahres-Frist nach § 45 Abs. 1 BeamtVG zu der Erkenntnis, dass es sich um eine mögliche Berufskrankheit handeln könnte, oder musste er mit dieser Möglichkeit rechnen, so besteht kein Anlass, ihm eine längere Frist einzuräumen. Ob dies anders ist, wenn die Erkenntnis innerhalb der letzten drei Monate der 2-Jahres-Frist eintritt, bedarf keiner Entscheidung, weil der Sachverhalt hier nicht so gelagert ist.
90Der Beamte muss mit der Möglichkeit, dass es sich um eine Berufskrankheit im Sinne von § 31 Abs. 3 BeamtVG handelt, nicht erst dann rechnen, wenn dies feststeht oder er ärztlicherseits hierauf hingewiesen wird,
91vgl. hierzu die für die Beamten günstigere, bis zum 31. Dezember 2001 geltende Fassung des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG: "... wenn eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Unfalls erst später bemerkbar geworden ist...".
92Die hierzu ergangene Rechtsprechung des BVerwG, wonach der Beamte bei sorgfältiger Prüfung nach seinem Urteilsvermögen zu der gewissenhaften Überzeugung tatsächlich gelangt sein musste oder die Erkenntnis nach den Umständen von ihm zu erwarten war, dass sein Leiden durch den Dienstunfall verursacht war, und es nicht ausreichte, dass der Beamte nach der Lage der Dinge nur mit der Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen Unfall und Körperschaden rechnete oder rechnen musste,
93vgl. Urteil vom 21. September 2000 – 2 C 22/99 –, NVwZ 2001, 250 f.,
94veranlasste den Gesetzgeber zur Änderung von § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG. Mit dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 (VersÄndG 2001) beginnt die Frist nach § 45 Abs. 2 BeamtVG n. F. (in Kraft ab dem 1. Januar 2002), wenn mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls (bzw. des Zusammenhanges einer Erkrankung mit dienstlichen Einwirkungen) gerechnet werden konnte. Damit wollte der Gesetzgeber die Anforderungen an die Beamten bei der Erkennung von unfallfürsorgerechtlich relevanten Umständen und die entsprechenden Meldeerfordernisse anheben und die zugunsten der Beamten wirkende Rechtsprechung zur alten Gesetzesfassung zugunsten der öffentlichen Haushalte entschärfen. Diese Absicht ist bei der Auslegung zu berücksichtigen.
95Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen geht der Einzelrichter davon aus, dass die Ehefrau des Klägers noch innerhalb der 2-Jahres-Frist gemäß § 45 Abs. 1 BeamtVG die Möglichkeit erkannte, dass es sich bei ihrer Erkrankung um eine Berufskrankheit gemäß § 31 Abs. 3 BeamtVG handeln könnte, weil eventuell Schadstoffeinwirkungen in der Schule hierfür relevant sein könnten. Dies geschah auch nicht kurz vor dem Ende der 2-Jahres-Frist. Damit ist die Frist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG nicht eröffnet.
96Die Ehefrau des Klägers hat selbst in ihrer Widerspruchsbegründung vorgetragen, es hätten erst aufgrund des Prüfberichts zu der Messung vom 17. Juli 2006 Messergebnisse vorgelegen, die die Vergiftung objektiv nachgewiesen hätten. Die Messung am 17. Juli 2006 war die Probenahme durch das Hygiene-Institut des Ruhrgebiets, welche zu dem Prüfbericht vom 25. August 2006 führte (Az. A-000000-00-Me). Dieser wurde etwas später im BBZ bekannt. Mit der Widerspruchsbegründung macht die Ehefrau des Klägers deutlich, dass sie tatsächlich ab diesem Zeitpunkt mit der Möglichkeit eines Zusammenhangs ihrer Brustkrebserkrankung mit Schadstoffeinwirkungen in der Schule rechnete. Dann ist die Frist nach § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG überhaupt nicht eröffnet.
97Dieses Ergebnis ändert sich auch nicht, wenn man mit dem Vortrag des Klägers im Klageverfahren davon ausgeht, dass eine hinreichend sichere Kenntnis seiner Ehefrau mit dem Prüfbericht der (wohl gemeinten) C GmbH "vom 8. November 2006 Nr. A 0000000 P" vorlag. Gemeint ist der Prüfbericht vom 10. November 2006 – A 000 0000P, zu der am 8. November 2006 erfolgten Prüfung der Lebensmittelattrappen auf VOC, insbesondere Weichmacher (Phthalate) im Feststoff. Wenn man davon ausgeht, dass die Ehefrau des Klägers jedenfalls im Dezember 2006 – als die OStR‘in I ihre Unfallmeldung erstattete – Kenntnis von diesem Bericht erlangte, erkannte sie die Möglichkeit einer Berufskrankheit.
98Auch ihre Teilnahme an der Besprechung mit der Schulleitung des BBZ gemeinsam mit Frau I, Vertretern des Lehrerrats und Abteilungsleitern an der Schule am 24. Oktober 2006 über den Stand der Schadstoffmessungen, eventuelle Fehler der Messungen, die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen und die Frage der Verursachung von Krebserkrankungen durch die Schadstoffe zeigt, dass sie sich Gedanken über einen Zusammenhang ihrer Erkrankung mit Einwirkungen in der Schule machte. All dies spricht dafür, dass die Ehefrau des Klägers die Möglichkeit erkannte, dass die Krebserkrankung eine Berufskrankheit sein könnte, von einer Meldung bis zum Juni 2008 gleichwohl absah. Jedenfalls musste sie diese Möglichkeit erkennen.
99Darüber hinaus hat die Ehefrau des Klägers eine Bescheinigung vom 5. Dezember 2006 zu der Dienstunfallmeldung der OStR’in I abgegeben, in der sie die Richtigkeit der sie betreffenden Angaben und Sachverhalte bestätigt. Dies verdeutlicht, dass sie sich mit der Sachverhaltsschilderung der Frau I (Anlage 2 zur Dienstunfallmeldung der OStR’in I) auseinandergesetzt hat. Dies hat notwendig zur Folge, dass sie mit der Möglichkeit eines Zusammenhangs von dienstlichen Schadstoffbelastungen und ihrer Krebserkrankung gerechnet haben muss.
100Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung führt zu keiner anderen Einschätzung: Wenn man unterstellt, dass es zutrifft, dass seine Ehefrau anfangs von einer Meldung ihrer Erkrankung als Berufskrankheit absah, weil sie dem keine Erfolgsaussichten beimaß, da zum einen Bauschadstoffe als Ursachen bei der Bewertung als Berufskrankheit ausscheiden, zum anderen Phthalate in der Berufskrankheitenliste nicht enthalten sind, so ist schon fraglich, ob dies nicht bereits reicht, um die Möglichkeit einer Berufskrankheit zu begründen. Denn die Frage, ob Stoffe oder Krankheiten in der Berufskrankheitenliste aufgeführt sind, ist nicht einfach zu beantworten. Auch die Einschätzung, ob ein Beamter einer Gefahr der Erkrankung nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung im Sinne von § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG besonders ausgesetzt ist oder ob die Gefahr nur aus den sonstigen räumlichen Bedingungen des Dienstes folgt, ist nicht einfach zu beantworten. Der Sinn der weiteren Fassung des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG ab 1. Januar 2002 ist der, dass die Beamten mehr melden müssen/sollen, um nicht Gefahr zu laufen, die Frist zu versäumen. Der Dienstherr hat so einen Überblick über viele möglicherweise dienstunfallrechtlich relevante Sachverhalte und hat darüber, gegebenenfalls nach Ermittlungen, zu entscheiden. Es ist nicht gewollt, dass die Beamten nur die Sachverhalte melden, von denen sie mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit ausgehen, dass die Meldungen zu Anerkennungen führen. Auf dieser Grundlage dürfte die Ehefrau des Klägers schon recht früh mit der Möglichkeit einer Berufskrankheit gerechnet haben.
101Aber auch wenn man dies nicht ausreichen lässt, erkannte die Ehefrau des Klägers nach seiner Schilderung die Möglichkeit eines dienstlichen Zusammenhangs ihrer Erkrankung: Der Kläger hat angegeben, dass seine Ehefrau unter anderem auf Grund des Kontakts mit Frau I erkannt habe, was für eine wichtige Rolle bei der ganzen Sache die Exposition gegenüber Benzol gespielt haben dürfte. Erst als ihr das klar war, habe sie dann gesagt: "Doch, das kann ich machen und das lohnt sich". Benzol wurde bei der Prüfkammeruntersuchung der Lebensmittelattrappen durch das Hygiene-Institut des Ruhrgebiets, Probenahmedatum 6./7. November 2006, festgestellt, wie sich dem Prüfbericht vom 14. Dezember 2006, Az. A-000000-00-Me, entnehmen lässt. Die Aussage des Klägers zugrunde gelegt hatte seine Ehefrau jedenfalls mit Kenntnis dieses Berichts hinreichend sichere Kenntnis von der Möglichkeit einer Berufskrankheit, die nicht durch Bauschadstoffe verursacht und zugleich in der Berufskrankheitenliste enthalten war.
102Da § 45 Abs. 2 BeamtVG damit nicht zugunsten des Klägers einschlägig ist, ist die Unfallmeldung vom 20. Juni 2008 verspätet.
103Es kann weiterhin nicht davon ausgegangen werden, dass die Unfallmeldung entbehrlich war.
104Der Einzelrichter geht davon aus, dass eine Dienstunfallmeldung im Sinne von § 45 BeamtVG nur dann entbehrlich ist, wenn das Unfallereignis dem Dienstvorgesetzten oder den ihm zurechenbaren Personen in dem Umfang, wie es für eine Dienstunfallmeldung erforderlich ist, bekannt geworden und der Unfall vom Dienstvorgesetzten gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG untersucht worden ist.
105Vgl. Urteil des Einzelrichters vom 27. April 2009 – 23 K 5499/07 – (nicht rechtskräftig), www.nrwe.de, mit weitergehender Begründung; ebenso: Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand März 2009, § 45 BeamtVG, Rn. 10; Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG/BeamtVG, Stand April 2008, § 45 BeamtVG, Rn. 4 b; GKÖD, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Band III (Versorgungsrecht), Stand 2008, § 45 BeamtVG, Rn. 4; VG Gera, Urteil vom 19. Juni 2002 – 1 K 1158/00.GE –, Juris.
106Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
107Die Dienstunfallmeldung bzw. die Meldung einer Berufskrankheit hat an den Dienstvorgesetzten zu erfolgen. Deshalb kommt es auch allein darauf an, ob der Dienstvorgesetzte Kenntnis von dem unfallfürsorgerechtlich erheblichen Sachverhalt hat und diesen bereits im Sinne von § 45 Abs. 3 BeamtVG untersucht hat. Dienstvorgesetzter der Ehefrau des Klägers als einer Berufsschullehrerin war die Bezirksregierung, faktisch das dortige Schuldezernat. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung über beamtenrechtliche und disziplinarrechtliche Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des für den Schulbereich zuständigen Ministeriums vom 17. April 1994 (BeamtenZustVO MSW) in der jeweils aktuellen Fassung, wonach dienstvorgesetzte Stellen der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen die oberen Schulaufsichtsbehörden sind. Dies gilt nach Abs. 5 der Vorschrift nicht für die dort aufgeführten Angelegenheiten, in denen der Schulleiter Dienstvorgesetzter ist. Angelegenheiten der Dienstunfallfürsorge, insbesondere die Entgegennahme von Meldungen im Sinne von § 45 Abs. 1 BeamtVG oder die Untersuchung gemäß § 45 Abs. 3 BeamtVG sind dort nicht aufgeführt. Die obere Schulaufsichtsbehörde ist nach § 88 Abs. 2 Satz 1 des Schulgesetzes NRW (SchulG) die Bezirksregierung.
108Unabhängig von der Frage, ob bzw. wann die Bezirksregierung Düsseldorf Kenntnis von der Erkrankung der Ehefrau des Klägers hatte und dabei erkannte, dass es sich möglicherweise um eine Berufskrankheit handeln könnte, hat die Bezirksregierung diesen Sachverhalt nicht gemäß § 45 Abs. 3 BeamtVG untersucht. Die Befassung des Sachverständigen I1 im Verfahren der Kollegin der Ehefrau des Klägers (Klägerin im Verfahren 23 K 7945/08) mit der Frage der Verursachung von Brustkrebs durch Benzol und der besonderen Gefährdung von Berufsschullehrerinnen war keine Untersuchung der Erkrankung der Ehefrau des Klägers, weil sich dies allein auf den Fall der OStR‘in I bezog. Andere Untersuchungen hat die Bezirksregierung als dienstvorgesetzte Stelle nicht vorgenommen. Die gesamten auf die Schadstoffe bezogenen Untersuchungen im BBZ H hat nicht die Bezirksregierung Düsseldorf, sondern der Kreis O als Schulträger durchgeführt. Der Kreis O ist eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft, die mit der Bezirksregierung, einer Behörde, nicht gleichzusetzen ist. Der Kreis ist der Bezirksregierung auch nicht in irgendeiner Weise zurechenbar. Der Kreis O hat die Untersuchungen dabei durch das eigene Hochbauamt (Amt 65) vorgenommen, teils unter Beteiligung des Gesundheitsamts und des für die Schulen zuständigen Amtes. Letzteres ist das "Schulverwaltungsamt", welches die Aufgaben des Schulträgers wahrnimmt, und nicht das sog. staatliche Schulamt, welches beim Kreis organisatorisch angesiedelt ist, jedoch Aufgaben der staatlichen Schulaufsicht wahrnimmt und für das Land NRW handelt, vgl. § 88 Abs. 3 SchulG. Der Kreis O hat die Schadstoffproblematik am BBZ eingehend untersucht und hatte dabei Kenntnis von den Krebserkrankungen sowie dem Umstand, dass einige Betroffene einen Zusammenhang mit den Schadstoffbelastungen in der Schule herstellten. Der Kreis O ist jedoch nicht dienstvorgesetzte Stelle der verstorbenen Ehefrau des Klägers (gewesen).
109Es ist auch nicht möglich, die Meldefrist gemäß § 45 Abs. 1 BeamtVG insofern als gewahrt anzusehen, als dies auf eine weitere Erkrankung, nämlich das Auftreten von Metastasen im Mai 2008, bezogen wird, wie es der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat. Im Hinblick auf das Auftreten der Metastasen wäre die Meldefrist durch die Unfallmeldung vom 20. Juni 2008 offensichtlich eingehalten.
110Das Auftreten der Metastasen im Mai 2008 ist jedoch schon nicht als neue Erkrankung anzusehen, in Bezug auf die gesondert Fristen laufen und die gesondert anerkennungsfähig wäre. Treten bei einer Krebserkrankung nach durchgeführter operativer Entfernung eines soliden Tumors, anschließender Behandlung mit Chemo- und Strahlentherapie usw. und nachfolgender zeitweiliger Remission der Erkrankung nach gut zwei Jahren Metastasen auf, so ist dies keine komplett neue Erkrankung gleicher Art, die als neue Erkrankung anzusehen wäre. Es ist vielmehr ein erneutes Ausbrechen der bestehenden und in Remission befindlichen Krebserkrankung. Dies zeigt auch der auf die Metastasen bezogene Bericht der Frauenklinik des Kreiskrankenhauses H F vom 3. Juni 2008 mit den dort gewählten Formulierungen:
111"Diagnose: neu aufgetretene Metastasierung eines bekannten Mammacarcinoms links, Erstdiagnose 10/05, (...); Z. n. Chemotherapie (...) aktuell: neu aufgetretene ossäre und Lymphknotenmetastasierung (...)
112Histologie: Lymphknotenmetastase eines zum Teil nekrotischen solid wachsenden Carcinoms bei bekanntem Mammacarcinom."
113Dem entspricht, dass die Ehefrau des Klägers mit ihrer Unfallmeldung vom 20. Juni 2008 bei sinnvoller Wertung nicht zwei Erkrankungen gemeldet hat (1. invasives Mammakarzinom 10/2005, 2. Metastasen 05/2008), sondern beantragt hat, "den Unfall/die Berufserkrankung" anzuerkennen. Auch sie ging von einer Erkrankung aus, die sie mit den beigefügten ärztlichen Unterlagen konkretisierte. Dem nur auf eine einheitliche Erkrankung an Brustkrebs (einschließlich nachfolgend aufgetretener Metastasen) bezogenen Antrag entspricht, dass die Bezirksregierung auch nur über eine Erkrankung entschieden hat, ohne insofern zu differenzieren.
114Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.