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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Be¬klagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der am 00.00.1985 geborene Kläger wurde zum 1. Januar 2004 zum Grundwehrdienst einberufen. Mit Wirkung vom 1. Juli 2004 wurde er aufgrund einer von ihm bereits am 8. Oktober 2003 abgegebenen Verpflichtungserklärung, zwölf Jahre Wehrdienst zu leisten, unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit als Anwärter für die Laufbahn der Feldwebel übernommen. Seine – zuvor zunächst auf drei Jahre und sechs Monate festgesetzte – Dienstzeit wurde mit Verfügung der Stammdienststelle des Heeres vom 13. Dezember 2006 unter Anrechnung der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2004 auf zwölf Jahre (Ende der Dienstzeit mit Ablauf des 31. Dezember 2015) festgesetzt. In der Zeit vom 5. Oktober 2004 bis 30. Juni 2006 wurde der Kläger zum Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme ausgebildet. Dabei handelte es sich um eine außerhalb seiner allgemeinmilitärischen Ausbildung stattfindende Fachausbildung, nach deren erfolgreichem Abschluss dem Kläger von der Industrie- und Handelskammer L ein entsprechendes Prüfungszeugnis nach § 37 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) ausgehändigt wurde. Am 10. Juni 2008 beantragte der Kläger seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Er wurde durch Bescheid des Bundesamtes für den Zivildienst vom 7. Juli 2008 als solcher anerkannt und daraufhin mit Ablauf des 10. Juli 2008 gemäß § 55 Abs. 1 i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz -SG-) aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entlassen.
2Mit Leistungsbescheid vom 26. März 2009 forderte die Stammdienststelle der Bundeswehr den Kläger nach vorheriger Anhörung unter Berufung auf § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG zur teilweisen Erstattung der anlässlich seiner Fachausbildung entstandenen Kosten auf, wobei der Erstattungsbetrag auf 28.477,47 Euro festgesetzt wurde. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den er im Wesentlichen wie folgt begründete: Zwar sehe § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG vor, dass ein früherer Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden gewesen und der auf seinen Antrag entlassen worden sei oder als auf eigenen Antrag entlassen gelte, die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten müsse. In seinem Fall hätte dies jedoch – was näher ausgeführt wurde – eine besondere Härte zur Folge, so dass gemäß § 56 Abs. 4 Satz 3 SG auf die Erstattung zu verzichten sei.
3Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2010 gab die Stammdienststelle der Bundeswehr dem Widerspruch insoweit statt, als der Erstattungsbetrag auf 26.460,14 Euro nebst 4% Stundungszinsen ab dem 15. Mai 2009 verringert wurde. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Begründet wurde dies im Wesentlichen folgendermaßen: Nach einer Kostenzusammenstellung des Bundesamtes für Wehrverwaltung sei als für die Fachausbildung im Sinne des § 56 Abs. 4 SG entstandene Kosten ein Betrag in Höhe von 31.504,24 Euro anzusetzen. Bei der Festsetzung der Höhe des Erstattungsbetrages sei berücksichtigt worden, dass der Kläger seinem Dienstherrn für einen Teil seiner nach Beendigung der Ausbildung abzuleistenden Dienstzeit noch zur Verfügung gestanden habe. Zur Ermittlung der sogenannten Abdienquote sei der Zeitraum der sich aus der Verpflichtungserklärung vom 8. Oktober 2003 ergebenden Bleibeverpflichtung in drei Phasen mit jeweils unterschiedlichen Multiplikatoren unterteilt worden, wobei für das erste Drittel 0,75 angesetzt worden seien. In Höhe des sich aus dem Verhältnis der tatsächlich abgeleisteten Dienstzeit zur Bleibeverpflichtung ergebenden Prozentsatzes, multipliziert mit 0,75, werde nach ständiger Verwaltungspraxis auf die Erstattung der Ausbildungskosten verzichtet, so dass sich der Erstattungsbetrag auf 26.460,41 Euro belaufe. Dieser Betrag liege unter dem Betrag, den der Kläger – wäre die Ausbildung zum Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme von ihm im zivilen Leben absolviert worden – an Lebenshaltungskosten hätte aufbringen müssen und der auf der Grundlage eines auf die dafür benötigte Zeit entfallenden steuerlich zu verschonenden Existenzminimums mit 26.834,50 Euro ermittelt worden sei. Im Hinblick auf die vom Kläger dargelegte aktuelle Einkommens- und Vermögenssituation werde der Erstattungsbetrag zur Vermeidung einer besonderen Härte zunächst bis zum 1. Oktober 2010 verzinslich gestundet, wobei bei Bedarf auch eine Verlängerung der Stundung in Aussicht gestellt werde.
4Der Kläger hatte bereits am 16. Juni 20010 Untätigkeitsklage erhoben, die er nach Erhalt des Widerspruchsbescheides wie folgt begründet hat: Abgesehen davon, dass die Zulässigkeit der Verpflichtung zur Erstattung von Ausbildungskosten in Höhe von nahezu der Hälfte der ihm während seines Dienstes als Soldat auf Zeit ausgezahlten Netto-Bezüge im Hinblick auf den durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierten Alimentationsgrundsatz grundsätzlichen Zweifeln unterliege, ergebe sich bei einer im Lichte des Art. 4 Abs. 3 GG erfolgenden Auslegung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG, dass anerkannte Kriegsdienstverweigerer die Kosten eines Studiums oder einer Fachausbildung allenfalls im Umfang des geldwerten Vorteils erstatten müssten, der ihnen daraus für ihr weiteres Berufsleben real und nachprüfbar verbleibe. Insoweit habe die Beklagte bereits keinerlei Feststellungen getroffen, aus denen sich ergebe, dass die Ausbildung zum Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme für sein weiteres Berufsleben überhaupt von Vorteil sei. Soweit die Beklagte ihre Berechnung des angeblich durch die Fachausbildung erlangten geldwerten Vorteils auf der Grundlage fiktiver Lebenshaltungskosten in Höhe des steuerlichen Existenzminimums vorgenommen habe, sei das steuerliche Existenzminimum keine geeignete Basis für die Ermittlung dieser Kosten. Abgestellt werden könnte möglicherweise auf den sozialhilferechtlichen Mindestbedarf, was die Beklagte bei ihrer Entscheidung, ob auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden kann, jedoch mit der Folge eines Ermessensfehlers von vornherein nicht in Erwägung gezogen habe. Ebenfalls ermessensfehlerhaft sei es, den geldwerten Vorteil – wie geschehen – auf der Grundlage einer angenommenen fiktiven Ausbildungsdauer von 3,5 Jahren zu ermitteln, denn der Gesellenbrief, der im konkreten Fall bereits nach lediglich 20 Monaten Fachausbildung erworben worden sei, hätte auch bei ziviler Ausbildung wegen einer nach dem Berufsbildungsgesetz möglichen Ausbildungszeitverkürzung nach maximal 20 Monaten erlangt werden können. Ein weiterer Fehler sei der Beklagten bei der Ermittlung der sogenannten Stehzeitverpflichtung unterlaufen, für die nicht die nach abgeschlossener Fachausbildung festgesetzte zwölfjährige Dienstzeit, sondern das zunächst auf den 31. Juni 2007 festgesetzte Dienstzeitende hätte maßgeblich sein müssen. Zudem sei nicht nachvollziehbar und erwecke den Eindruck von Willkür, dass der bei der Festsetzung des Erstattungsbetrags unter dem Gesichtspunkt einer "Abdienzeit" berücksichtigte Verzichtsanteil auf der Grundlage eines für das erste Drittel der Bleibeverpflichtung angesetzten Multiplikators von lediglich 0,75 ermittelt worden sei. Schließlich habe die Beklagte seine wirtschaftliche Lage nicht hinreichend berücksichtigt. Er verfüge nicht nur aktuell über kein Einkommen, sondern müsse eine von ihm begonnene Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer vorfinanzieren, so dass er mit hohen finanziellen Verpflichtungen in sein zudem mit einer unsicheren Zukunftsperspektive verbundenes Berufsleben starte.
5Der Kläger beantragt,
6den Bescheid der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 26. März 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 27. Juli 2010 aufzuheben.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie beruft sich auf die Begründung des Widerspruchsbescheides und tritt den gegen ihre Entscheidung geltend gemachten Einwendungen des Klägers wie folgt entgegen: Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei klargestellt, dass die Kosten einer im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit erhaltenen Fachausbildung bei als Folge eines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer erfolgter vorzeitiger Entlassung aus dem Dienstverhältnis bis maximal zur Höhe eines damit verbundenen geldwerten Vorteils für das weitere Berufsleben des früheren Soldaten erstattet werden müssten. Der Kläger habe eine im Zivilleben verwertbare Fachausbildung erhalten und damit einen geldwerten Vorteil erlangt, wobei es in der Natur der Sache liege, dass dessen Größe nur pauschal ermittelt werden könne. Wenn hierbei auf die regelmäßige Dauer einer zur Erlangung der bei der Bundeswehr erworbenen Qualifikation benötigten Ausbildung und auf die während dieser Zeit aufzubringen gewesenen Lebenshaltungskosten abgestellt werde, sei dies ebenso wenig zu beanstanden wie der in diesem Zusammenhang erfolgende fiktive Ansatz eines Betrages in Höhe des steuerlichen Freibetrags. Soweit von den für die Fachausbildung ermittelten Kosten nach Maßgabe der sogenannten Abdienquote ein Abschlag vorgenommen worden sei, sei die Quote in nicht zu beanstandender Weise auf der Grundlage der vom Kläger abgegebenen Verpflichtungserklärung, d.h. auf der Grundlage einer zu erwartenden Dienstleistung bis zum 31. Dezember 2015, berechnet worden. Schließlich sei auch die individuelle Vermögenssituation des Klägers angemessen berücksichtigt worden, denn die gegen ihn geltend gemachte Forderung sei gestundet und dem Kläger die Möglichkeit einer Ratenzahlung angeboten worden.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Personalakte des Klägers und des Widerspruchsvorgangs ergänzend Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe
12Die Klage ist nicht begründet. Der Leistungsbescheid der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 26. März 2009, mit dem der Kläger zur Erstattung eines Teils der anlässlich seiner Fachausbildung zum Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme entstandenen Kosten herangezogen wird, ist in der Fassung des zugehörigen Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2010 rechtmäßig.
13Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 56 Abs. 4 Satz 1 SG in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 (BGBl. I S. 1482), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 29. Juli 2008 (BGBl. I S. 1582). Danach muss ein früherer Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war und der auf seinen Antrag entlassen worden ist oder als auf eigenen Antrag entlassen gilt, die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 7 SG gilt eine Entlassung, die auf einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beruht, als Entlassung auf eigenen Antrag. Die militärische Ausbildung des Klägers war auch mit einer Fachausbildung im Sinne des § 56 Abs. 1 SG verbunden. Der Kläger ist, nachdem er zunächst eine allgemeine militärische Ausbildung durchlaufen hatte, in der Zeit vom 5. Oktober 2004 bis 30. Juni 2006 bei der Fachausbildungskompanie L zum Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme ausgebildet worden, wobei nach Angaben des Bundesamtes für Wehrverwaltung, deren Richtigkeit zu bezweifeln – zumal vom Kläger nicht bestritten – das Gericht keinen Anlass hat, Lehrgangsgebühren in Höhe von 31.504,24 Euro angefallen sind. Soweit der Kläger gegen seine auf dieser Grundlage erfolgte Heranziehung zur Erstattung eines Teils dieser Kosten grundsätzliche Bedenken verfassungsrechtlicher Art geltend macht, sind diese unbegründet. Da das Dienstverhältnis des Soldaten auf Zeit entsprechend der von diesem eingegangenen Verpflichtung andauern soll, darf der Dienstherr, der einem Zeitsoldaten im dienstlichen Interesse eine kostspielige Fachausbildung gewährt, darauf vertrauen, dass ihm der Soldat seine erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten bis zum Ende der Verpflichtungszeit zur Verfügung stellen wird. Wenn der Zeitsoldat auf Grund eigenen Entschlusses vorzeitig aus dem Dienstverhältnis ausscheidet, hat der Dienstherr die Kosten der Ausbildung – abhängig vom jeweiligen Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienst – teilweise oder gar insgesamt vergeblich aufgewendet, während die auf Kosten des Dienstherrn erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten für den früheren Soldaten im weiteren Berufsleben von erheblichem Vorteil sein können. Diese Lage fordert einen billigen Ausgleich, den der Gesetzgeber durch die Normierung eines Erstattungsanspruchs verwirklicht hat,
14vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 - C 19.05 -, Buchholz 449 § 56 SG Nr 3, u.a. mit Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 - 2 BvL 51/71 -, BVerfGE 39, 128.
15Auch die Zulässigkeit der Einbeziehung anerkannter Kriegsdienstverweigerer in den Kreis der Zeit- und Berufssoldaten, die bei einem vorzeitigen Ausscheiden Ausbildungskosten erstatten müssen, ist bereits höchstrichterlich geklärt. Sie verstößt nicht gegen Art. 4 Abs. 3 GG. Die Pflicht, Ausbildungskosten zurückzuzahlen, liegt außerhalb des Schutzbereichs dieses Grundrechts, denn sie knüpft nicht an die Kriegsdienstverweigerung an, sondern an das Ausscheiden aus dem Soldatenverhältnis,
16vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 - C 19.05 -, aaO., Beschluss vom 2. Juli 1996 - 2 B 49.96 -, Buchholz 236.1 § 56 SG Nr. 2.
17Nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG kann allerdings auf die Erstattung der Kosten eines Studiums oder einer Fachausbildung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Insoweit ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass die Erstattungsverpflichtung, der sich ein wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entlassener Soldat gegenübersieht, für diesen im Lichte des Art. 4 Abs. 3 GG insoweit eine besondere Härte im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG beinhaltet, als die Kosten der Fachausbildung den geldwerten Vorteil, der dem früheren Soldaten aus dieser für sein weiteres Berufsleben real und nachprüfbar verbleibt, übersteigen. Für die in diesem Zusammenhang nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob und in welchem Umfang auf die Erstattung verzichtet werden muss, bedarf es einer Ermittlung dieses Vorteils, die aus Gründen der Praktikabilität nur generalisierend und pauschalisierend erfolgen kann,
18vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 - C 19.05 -, aaO..
19Der angefochtene Leistungsbescheid genügt in seiner Fassung, die er durch den zugehörigen Widerspruchsbescheid gefunden hat, den Anforderungen dieser Rechtsprechung.
20Der Kläger hat durch die als Soldat auf Zeit absolvierte Fachausbildung die ihm von der Industrie- und Handelskammer L mit einem nach § 37 BBiG ausgestellten Prüfungszeugnis bescheinigte Befähigung zur Ausübung des anerkannten Ausbildungsberufs Elektroniker/in für luftfahrttechnische Systeme erworben. Ausgeübt wird dieser Beruf in erster Linie bei Fluggesellschaften und in Betrieben der Luft- und Raumfahrtindustrie. Am 29. Juli 2011 waren in der bundesweiten Job-Börse der Bundesagentur für Arbeit 86 diesbezügliche Stellenangebote verzeichnet. Der Entschluss des Klägers, nicht den Beruf des Elektronikers für luftfahrttechnische Systeme auszuüben, sondern sich zum Verkehrsflugzeugführer ausbilden zu lassen, ändert nichts daran, das es ihm die auf Kosten der Beklagten erworbene Befähigung ermöglicht, jederzeit eine entsprechende Berufstätigkeit aufzunehmen. Eine Feststellung des Inhalts, dass es dazu auf keinen Fall kommen wird, lässt sich mit der für die Annahme eines auf § 56 Abs. 4 Satz 3 SG gestützten Anspruchs erforderlichen Sicherheit schon im Hinblick auf die vom Kläger in anderem Zusammenhang erwähnte (unsichere) zukünftige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt für Verkehrsflugzeugführer nicht treffen.
21Der danach gemäß § 56 Abs. 4 Satz 1 SG vom Grundsatz her in Frage kommende Anspruch der Beklagten auf Erstattung der von ihr für die dem Kläger gewährte Fachausbildung aufgebrachten Lehrgangsgebühren in Höhe von 31.504,24 Euro verringert sich nach den o.a. Darlegungen zunächst auf den Betrag, den der Kläger – und zwar bei generalisierender und pauschalisierender Betrachtungsweise – hätte aufwenden müssen, wenn er die Berufsausbildung zum Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme außerhalb der Bundeswehr durchlaufen hätte. Diesen Betrag hat die Beklagte auf der Grundlage der für diesen Beruf vorgesehenen (Regel)Ausbildungszeit von dreieinhalb Jahren und innerhalb dieses Zeitraums fiktiv aufzubringen gewesener Lebenshaltungskosten in letztlich nicht zu beanstandender Weise auf 26.834,50 Euro veranschlagt. Soweit sich der Kläger demgegenüber darauf beruft, dass gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BBiG die Möglichkeit einer Verkürzung der Ausbildungszeit besteht, fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass er das Ausbildungsziel abweichend vom Regelfall tatsächlich in kürzerer Zeit erreicht hätte. Die für diese Behauptung von ihm angeführte Hochschulreife wäre jedenfalls für sich genommen noch kein anerkennenswerter Grund für eine Ausbildungsverkürzung gewesen, so dass es bei der generalisierend anzunehmenden Ausbildungsdauer bleiben muss. Dadurch, dass der Kläger die ihm zur Ausübung des Berufs Elektroniker/in für luftfahrttechnische System berechtigende Befähigung nicht in Form der ansonsten für diesen Beruf vorgesehenen, in einem Ausbildungsbetrieb und der Berufsschule stattfindenden dualen Ausbildung zu erwerben brauchte, hat er sich den während dieser Zeit zur Bestreitung seines Lebensunterhalts erforderlich gewesenen Aufwand erspart. Bei der Ermittlung der hierfür anzusetzenden fiktiven Kosten muss ebenfalls auf eine generalisierende und pauschalisierende Betrachtungsweise zurückgegriffen werden. Wenn die Beklagte hierbei einen Betrag in Höhe von 7.664,00 Euro pro Ausbildungsjahr für den Lebensunterhalt zugrunde legt, so beruht dies nicht auf dem Ansatz einer willkürlich gewählten Größe, sondern geschieht auf der Basis des für den Zeitraum 1. Januar 2004 bis 5. März 2009 aktuell gewesenen Grundfreibetrages für Alleinstehende, des sogenannten steuerlichen Existenzminimums,
22vgl. § 32a Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz i.d.F. des Art. 9 Nr. 24 Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom 29. Dezember 2003, BGBl. I, 3076, ab 6. März 2009 geändert durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2. März 2009, BGBl I, 416.
23Dass es sich dabei – wie der Kläger beanstandet – um keine Größe handelt, anhand derer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf den geldwerten Vorteil der ihm von der Beklagten gewährten Fachausbildung geschlossen werden kann, trifft zwar zu, steht aber wegen der Zulässigkeit generalisierender und pauschalierender Feststellungen einem Rückgriff auf diesen Betrag nicht entgegen, zumal der sich daraus ergebende Monatsbedarf von ca. 640,00 Euro erheblich unter dem vom Deutschen Studentenwerk anlässlich seiner 18. Sozialerhebung vom 27. Mai 2007 für die monatlichen Lebenshaltungskosten (Miete einschl. Nebenkosten; Ernährung; Kleidung; Lernmittel; Auto und/oder öffentliche Verkehrsmittel; Krankenversicherung, Arztkosten, Medikamente; Telefon, Internet, Rundfunk- und Fernsehgebühren; Freizeit, Kultur, Sport) eines "Normalstudenten" (led. Student, außerhalb des Elternhauses wohnend, Erststudium) ermittelten Wert von durchschnittlich ca. 740,00 Euro liegt,
24vgl. Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2006, 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, durchgeführt durch HIS Hochschul-Informations-System, Herausgeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Referat Öffentlichkeitsarbeit,
25Ausgehend von einem somit die Obergrenze einer Inanspruchnahme des Klägers bildenden Betrag in Höhe von ca. 26.800,00 Euro (3,5 x 7664,00 Euro) hatte die Beklagte im Rahmen des ihr gemäß der Härteklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG eingeräumten Ermessens das öffentliche Interesse an der (vollständigen) Erstattung dieses Betrages gegen die vom Kläger als besondere Härte geltend gemachten Umstände abzuwägen. Dies ist jedenfalls im Widerspruchsbescheid mit letztlich nicht zu beanstandendem Ergebnis geschehen. Berücksichtigt wurde dabei auf der einen Seite, dass sich die mit der Fachausbildung einhergehende Erwartung, von der vom Kläger erworbenen besonderen Befähigung entsprechend der von diesem abgegebenen Verpflichtungserklärung bis zum 31. Dezember 2015, d.h. gerechnet ab Ausbildungsende neuneinhalb Jahre (sog. "Stehzeit"), profitieren zu können, aus in der Sphäre des Klägers liegenden Gründen nicht erfüllt hat, während dem Kläger auf Kosten der Allgemeinheit eine ihn für sein weiteres Leben qualifizierende Berufsausbildung zuteil geworden ist, was zur Folge hat, dass dem öffentlichen Interesse an einer Erstattung der Ausbildungskosten ein überaus großes Gewicht zukommt. Auf der anderen Seite hat die Beklagte neben der wirtschaftliche Lage des Klägers in ihre Abwägung einfließen lassen, dass dieser ihr mit seinen durch die Fachausbildung erworbenen Kenntnissen zumindest noch für einen gewissen Zeitraum, nämlich bis zu seiner mit Ablauf des 10. Juli 2008 erfolgten Entlassung aus dem Soldatenverhältnis, zur Verfügung gestanden hat.
26Nach der nachvollziehbaren, sich aus der Anlage zum Widerspruchsbescheid ergebenden Berechnung der Beklagten war der Kläger im Anschluss an die Fachausbildung noch für die Dauer von 21,35 % der sog. Stehzeit im Dienst. Soweit der Kläger der Auffassung ist, bei der Berechnung der Stehzeit hätte nicht auf seine Verpflichtungserklärung vom 8. Oktober 2003, sondern darauf abgestellt werden müssen, dass seine Dienstzeit zum Zeitpunkt der Beendigung der Fachausbildung lediglich bis zum 30. Juni 2007 festgesetzt war, übersieht er, dass diese unter dem 4. Mai 2004 erfolgte Dienstzeitfestsetzung im Hinblick auf seine seinerzeit noch ausstehende militärfachliche Ausbildung zum Feldwebel lediglich vorläufig erfolgt war. Dass seine Dienstzeit nach erfolgreicher Teilnahme an der Feldwebelausbildung – wie am 13. Dezember 2006 auch geschehen – ohne Widerspruchsmöglichkeit seinerseits auf die volle Verpflichtungszeit festgesetzt werden würde, ergab sich bereits aus den Erläuterungen zu der vom Kläger am 8. Oktober 2003 unterschriebenen Verpflichtungserklärung. Ebenfalls zu Unrecht beanstandet der Kläger die Praxis der Beklagten, im Rahmen der ihr gemäß § 56 Abs. 4 Satz 3 SG obliegenden Ermessensentscheidung den Zeitraum vom Ende der Ausbildung bis zum planmäßigen Ende des Soldatenverhältnisses auf Zeit (Stehzeit) in drei gleichlange Abschnitte zu unterteilen, die Höhe eines teilweisen Verzichts auf die Rückforderung davon abhängig zu machen, in welcher Phase der Soldat vorzeitig ausscheidet, und im Falle eines Ausscheidens im 1. Drittel der Stehzeit auf den für die bereits abgediente Zeit ermittelten Prozentsatz den Multiplikator 0,75 anzuwenden. Diese Ausgestaltung einer Abdienregelung für den von § 56 Abs. 4 Satz 1 SG betroffenen Personenkreis begegnet schon deshalb keinen Bedenken, weil es sich um eine gesetzlich nicht gebotene begünstigende Ermessenspraxis handelt.
27Vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Februar 2009 - 4 S 1457/07-, in dem lediglich die im entschiedenen Fall vorgenommene Herabsetzung des Multiplikators von 0,75 auf 0,45 mangels einer für diese nachteilige Änderung einer begünstigenden Verwaltungspraxis erforderlichen sachlichen Rechtfertigung beanstandet worden ist. .
28Dass für 1. Drittel der Stehzeit lediglich ein Multiplikator von 0,75, für das 2. Drittel jedoch einer von 1,05 und für das 3. Drittel sogar einer von 1,5 angesetzt wird, hat die Beklagte nachvollziehbar damit begründet, dass der Nutzen der Dienstleistung für den Dienstherrn beginnend mit dem Abschluss einer Ausbildung im Laufe der folgenden Zeit stetig zunimmt und zudem die Amortisation der Ausbildung um so größer ist, je später der Soldat vor Ablauf seiner Stehzeit ausscheidet. Wenn die Beklagte die unter diesem Gesichtspunkt vorgenommene Abstufung in ständiger Ermessenspraxis im 1. Drittel mit 0,75 vornimmt, so muss es damit sein Bewenden haben, zumal es § 56 Abs. 4 Satz 3 SG nicht gebietet, zugunsten vorzeitig ausscheidender Zeitsoldaten eine Abdienregelung zu treffen. Der für die Erstattung der anlässlich der Fachausbildung des Klägers angefallenen Lehrgangsgebühren anzusetzende Betrag verringert sich nach alledem um 5.043,83 Euro (21,35 % x 0,75 von 31.504,24 Euro) auf 26.460,41 Euro.
29Die nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkter gerichtlicher Überprüfung zugängliche Ermessensentscheidung der Beklagten, den Erstattungsbetrag, zu dem die o.a. Ermessenserwägungen geführt haben, trotz der vom Kläger geltend gemachten "aktuellen Einkommenslosigkeit" und der durch seine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer verursachten hohen Verbindlichkeiten nicht noch weiter zu reduzieren, ist nicht zu beanstanden. Festzustellen ist insoweit zunächst, dass die Beklagte bei Erlass des Widerspruchsbescheides keinen Anlass für die Annahme hatte, der Kläger werde auf unabsehbare Zeit ohne Beschäftigung sein. Dessen bloßer Hinweis auf eine "ungewisse Entwicklung" auf dem Arbeitsmarkt für Verkehrsflugzeugführer bot hierfür jedenfalls keine ausreichende Grundlage. Bei dieser Sachlage hat die Beklagte das ihr im Rahmen des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG eingeräumte Ermessen unter dem Gesichtspunkt der derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers fehlerfrei ausgeübt, indem sie den Erstattungsbetrag mit der Zusage einer bei Bedarf erfolgenden Verlängerung befristet gestundet und dem Kläger darüber hinaus die Möglichkeit einer Ratenzahlung angeboten hat.
30Hinsichtlich der damit verbundenen Zinsforderung gilt folgendes: Die für die Stundung der Forderung angeordnete Verzinsung findet ihre rechtliche Grundlage unmittelbar in § 56 Abs. 4 Satz 3 SG. Diese Vorschrift erwähnt zwar nur die Möglichkeit eines völligen oder teilweisen Verzichts auf die Erstattung. Dies schließt jedoch nicht aus, dass eine mit der Erstattung verbundene besondere Härte auch durch andere Maßnahmen wie z.B. Stundung oder Gewährung von Ratenzahlung verhindert werden kann, d.h. die Beklagte hat bezüglich der Konkretisierung und näheren Ausgestaltung der zur Verhinderung einer besonderen Härte geeigneten Maßnahmen einen Ermessensspielraum. Dieser beinhaltet auch die Entscheidung, ob und in welcher Höhe für eine Stundung Zinsen gefordert werden. Da infolge der aufgeschobenen Tilgung die Hauptforderung dem Haushalt der Beklagten nicht sofort zur Verfügung steht und hierdurch auf Seiten der Beklagten ein Zinsverlust eintritt, ist es grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn versucht wird, dies über eine Verzinsung der gestundeten Beträge auszugleichen.
31Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.