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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
2Die am 00.00.1998 geborene Klägerin begehrt die Aufnahme in die 5. Klasse des vom Beklagten geleiteten Städtischen I-Gymnasiums in E. Derzeit besucht sie das Gymnasium H, Am Q, E.
3Mit Bescheid vom 25. Februar 2008 lehnte der Beklagte ein Aufnahmegesuch der Klägerin ab, weil die Zahl der angemeldeten Schülerinnen und Schüler die Aufnahmekapazität der Schule übersteige. Allerdings sei für die Klägerin aufgrund einer Koordinierungsmaßnahme der Schulleitungen der städtischen Gymnasien ein Platz beim Mgymnasium in E reserviert.
4Gegen die Ablehnung der Aufnahme legte die Klägerin mit Schreiben vom 28. März 2008 Widerspruch ein. Die Ablehnungsgründe seien nicht genannt. Insbesondere sei nicht erkennbar, welche Aufnahmekriterien angewandt worden seien und an welchem Kriterium sie konkret gescheitert sei.
5Die Bezirksregierung Düsseldorf wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2008 zugestellt am 19. April 2008 zurück. Die Eingangsklassen des I-Gymnasiums seien bereits unter Zurückstellung pädagogischer und organisatorischer Bedenken mit 32 Schülern besetzt. Eine weitere Erhöhung komme nicht in Betracht. Die demnach von dem Beklagten zu treffende Auswahlentscheidung sei rechtlich nicht zu beanstanden. An Aufnahmekriterien seien ein ausgewogenes Verhältnis von Jungen und Mädchen sowie eine Entscheidung im Losverfahren zugrunde gelegt worden. Eine Berücksichtigung der Klägerin habe in diesem Rahmen nicht stattfinden können. Im Übrigen seien das Aufnahmeverfahren wie auch das Losverfahren überprüft worden und nicht zu beanstanden.
6Die Klägerin hat am 19. Mai 2008 Klage erhoben. Es sei nach wie vor nicht nachvollziehbar, wie das Kriterium "ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen" konkret angewandt worden sei. Es sei nicht einmal klar, ob sie die Klägerin überhaupt berücksichtigt worden sei. Insofern liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Überdies dürfte ihre Ablehnung auf ihren Migrationshintergrund zurückzuführen sein. Zumindest lege der geringe Ausländeranteil am I-Gymnasium, aber auch die ohne jegliche Anhörung erfolgte Weitergabe ihrer Anmeldung an das M-Gymnasium dieses habe einen Ausländeranteil von 95% eine entsprechende Vermutung nahe. Vor dem Hintergrund sei die Entscheidung ermessensfehlerhaft.
7Die Klägerin beantragt,
8den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 25. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Düsseldorf vom 16. April 2008 zu verpflichten, ihr einen Platz am I-Gymnasium zuzuweisen,
9hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, entsprechend der Rechtsauffassung des Gerichts ein neues Losverfahren durchzuführen.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er trägt ergänzend vor, dass das Aufnahmeverfahren unter Anwendung der hierfür von der Ausbildungs und Prüfungsordnung (APOS I) vorgesehenen Kriterien Berücksichtigung von Härtefällen, ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen, Losentscheid sachgemäß durchgeführt worden seien. So sei ein Mädchen aus einer Gesamtschule aus sozialen Gründen vorweg als Härtefall aufgenommen worden. Im Übrigen hätten sich für das Schuljahr 2008/2009 167 Schüler angemeldet, davon 98 Mädchen und 69 Jungen. Von einer denkbaren gleichgewichtigen Aufnahme von 64 Jungen und 64 Mädchen sei abgesehen worden, weil dies zu einer deutlichen Benachteiligung der Mädchen geführt hätte; denn in diesem Fall hätten 35 Mädchen, aber nur 5 Jungen abgewiesen müssen. Um diese Ungleichbehandlung zu vermeiden, habe er die zwischen Jungen und Mädchen aufgetretene Differenz bei den Anmeldezahlen 29 auch bei der Aufnahmeentscheidung abgebildet und 78 Mädchen und 49 Jungen aufgenommen. Hierdurch hätten sich die Chancen für die Klägerin eher noch erhöht, so dass von einer Ungleichbehandlung zu ihren Lasten keine Rede sein könne.
13Zudem sei die Behauptung, das M-Gymnasium habe einen Ausländeranteil von 95%, schlichtweg falsch. Auch die Vermutung, er habe die Klägerin wegen ihres Migrationshintergrundes nicht aufgenommen, sei aus der Luft gegriffen und schon angesichts der Anmeldezahlen nicht haltbar. Denn von den 167 angemeldeten Kindern hätten 39 einen Migrationshintergrund; von diesen seien im Losverfahren 24 zum Zuge gekommen, was einem prozentualen Anteil von 61 % entspreche.
14Die Klägerin hat hierzu unter dem 9. Juni 2008 repliziert, dass ein Losverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei; es lasse jegliche Transparenz und Überprüfbarkeit vermissen. Der Beklagte teilte dem Berichterstatter hierauf in einem Telefonat am 26. Juni 2008 mit, dass er ein Losverfahren persönlich in seinem Dienstzimmer durchgeführt habe. Andere Personen seien dabei nicht zugegen gewesen.
15Die Kammer hat einen am 19. Mai 2008 gestellten Eilrechtsschutzantrag der Klägerin mit Beschluss vom 26. Juni 2008 (18 L 808/08) abgelehnt. Angesichts ihrer zwischenzeitlichen Aufnahme an einem Gymnasium in H fehle es jedenfalls am Anordnungsgrund. Die daraufhin erhobene Beschwerde beim OVG NRW (19 B 1064/08) hat die Klägerin am 4. August 2008 zurückgenommen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Das Rubrum war bezüglich des Beklagten von Amts wegen zu berichtigen, weil richtiger Beklagter in Schulaufnahmeangelegenheiten gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW nicht die Schule, sondern der jeweilige Schulleiter ist.
19Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Haupt und des Hilfsantrages unbegründet. Der Klägerin stehen ein Anspruch auf Aufnahme in die 5. Klasse des I-Gymnasiums in E sowie auf die hilfsweise begehrte erneute Durchführung eines Losverfahrens nicht zu. Der angefochtene Bescheid ist vielmehr rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Satz 5 Satz 1 VwGO.
20Die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte des Kindes auf Erziehung und Bildung (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Verfassung für das Land NordrheinWestfalen Verf NRW , Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Grundgesetz GG ) bzw. der Eltern, die Erziehung und Bildung ihres Kindes zu bestimmen (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Verf NRW, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), schließen den Anspruch auf Zugang zum öffentlichen Bildungswesen unter zumutbaren Bedingungen ein und dabei insbesondere das Recht, zwischen den bestehenden Schulformen zu wählen.
21Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 8. August 1994 19 B 1459/94 m.w.N., vom 1. Oktober 1997 19 A 6455/96 und vom 18. Dezember 2000 19 B 1306/00 .
22Die Schulformwahlfreiheit findet allerdings ihre Grenze in den im Rahmen der staatlichen Schulaufsicht (vgl. Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 3 Satz 2 Verf NRW) vorgegebenen eignungs und leistungsbezogenen Zugangsvoraussetzungen und ferner dort, wo die Aufnahme des betreffenden Schülers zu einer Gefährdung des Bildungs und Erziehungsauftrages der aufnehmenden Schule führen würde, weil deren Kapazität erschöpft ist.
23Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. August 2000 19 B 1177/00 und 18. Dezember 2000 19 B 1306/00 .
24Letzteres ist hier der Fall; die Kapazität des von dem Beklagten geleiteten Gymnasiums ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Gerichts ausgeschöpft.
25Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 SchulG entscheidet der Schulleiter über die Aufnahme eines Schülers in die Schule innerhalb des vom Schulträger hierfür festgelegten allgemeinen Rahmens. Dieser ist hier durch den Schulträger dahingehend konkretisiert worden, dass am I-Gymnasium vier (Eingangs)Klassen eingerichtet werden. Diese Vorgabe ist für den Schulleiter bindend; er ist nicht befugt, darüber hinauszugehen.
26Gemäß § 93 Abs. 2 Nr. 3 SchulG werden die Klassengrößen durch Rechtsverordnung bestimmt. Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 lit. b) der Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs. 2 SchulG vom 18. März 2005 i.d.F. vom 30. April 2008 (GV. NRW. S. 400) beträgt der Klassenfrequenzrichtwert am Gymnasium 28. Für diese Schulform gilt ab vierzügig eine Bandbreite von 27 bis 29, die um eine Schülerin oder einen Schüler und bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen um eine weitere Schülerin oder einen weiteren Schüler überschritten werden kann. Der Klassenfrequenzhöchstwert wurde nach den insoweit unwidersprochenen Angaben im Widerspruchsbescheid "unter Zurückstellung pädagogischer und organisatorischer Bedenken" auf 32 Schüler und damit sogar oberhalb der nach der Verordnung maximal zulässigen Klassenfrequenz festgelegt.
27Angesichts dieser Rechtslage und der Ausschöpfung der in nicht zu beanstandender Weise begrenzten Kapazitäten der Schule bei der Bildung der vier neuen Eingangsklassen zum Schuljahr 2008/2009 ist fraglich, ob noch eine Überprüfung der von dem Schulleiter vorgenommenen Aufnahmeentscheidung möglich ist, oder ob sich ein Aufnahmeanspruch im Falle rechtswidriger anderweitiger Aufnahmeentscheidungen dann herleiten lässt, wenn ein Verweis auf die Kapazitätserschöpfung im Hinblick auf die Rechtsschutzgewährung in Art. 19 Abs. 4 GG zu einem unerträglichen Ergebnis führen würde.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2000 19 B 1306/00 ; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 9. August 2000 1 L 1512/00 .
29Diese Frage kann hier dahinstehen; denn nach dem in der mündlichen Verhandlung geäußerten Vorbringen der Beteiligten einerseits und den dem Gericht vorliegenden Unterlagen andererseits spricht nichts dafür, dass der Beklagte das ihm bei der zu treffenden Aufnahmeentscheidung eingeräumte Auswahlermessen zu Lasten der Klägerin fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. § 114 VwGO).
30Vom Beklagten wurden neben einem Härtefall, dessen vorrangige Berücksichtigung gemäß § 1 Abs. 2 APOS I zwischen den Beteiligten unstreitig ist - als Auswahlkriterien ein ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen sowie das Losverfahren herangezogen. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Kriterien gehören zu den in § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Ausbildung und die Abschlussprüfungen in der Sekundarstufe I (APOS I) vom 29. April 2005 in der Fassung vom 31. Januar 2007 (GV. NRW. S. 83) explizit niedergelegten Kriterien. Rechtsfehlerfrei ist in diesem Zusammenhang auch die Beschränkung des Beklagten auf zwei Kriterien (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 7 APOS I), obwohl die Vorschrift insgesamt sieben Auswahlkriterien bereithält. Denn der von § 1 Abs. 2 APOS I eröffnete Ermessensspielraum erstreckt sich ausdrücklich auch auf Art und Anzahl der einzustellenden Kriterien ("eines oder mehrere").
31Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte diese von ihm ordnungsgemäß ausgewählten Kriterien rechtsfehlerhaft angewandt hätte.
32So ist es zunächst rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte zur Herstellung eines ausgewogenen Verhältnisses von Mädchen und Jungen die bei den Anmeldezahlen bestehende erhebliche Differenz (98 Mädchen zu 69 Jungen) auch bei der Aufnahmeentscheidung abgebildet hat (78 Mädchen zu 49 Jungen). Diese Vorgehensweise erscheint weder sachfremd noch willkürlich, zumal hiermit eine Benachteiligung der Mädchen durch überproportionale Abweisungen vermieden wurde. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht zu Lasten der Klägerin verletzt worden, da sich für die Klägerin die Wahrscheinlichkeit der Aufnahme durch das gewählte Verfahren sogar noch erhöht hat.
33Ein Ermessensfehler folgt auch nicht aus dem Einwand, dass das vom Beklagten in seinem Dienstzimmer allein durchgeführte Losverfahren wegen fehlender Dokumentation nicht transparent und damit nicht überprüfbar sei. Denn für die Kammer sind begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung des Losverfahrens nicht greifbar. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung eingehend und nachvollziehbar dargelegt, dass er, nachdem er das Verhältnis der aufzunehmenden Mädchen und Jungen (s.o.) festgelegt hatte, auf seinem Schreibtisch zwei Stapel mit Anmeldungen von Jungen und Mädchen gebildet habe. Anschließend seien aus jedem Stapel heraus die Anmeldungen als "Lose" ohne Ansehung der Person gezogen worden, wobei die Stapel nicht nach irgendeinem System, etwa dem Alphabet, geordnet gewesen seien.
34Anhaltspunkte, die geeignet wären, diese Darlegung in tatsächlicher Hinsicht zu erschüttern, sind von der Klägerseite nicht vorgetragen und auch sonst nicht erkennbar. Insbesondere gibt es keine Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen könnten, dass das Losverfahren aufgrund sachfremder Erwägungen wie etwa wegen des Migrationshintergrundes der Klägerin manipuliert worden sei. Die entsprechende Behauptung der Prozessbevollmächtigten erschöpft sich in einer bloßen Mutmaßung, welche nicht ansatzweise substanziiert wird. Sie findet auch in den dem Gericht vorliegenden Unterlagen keinerlei Stütze. Der Umstand, dass nach unbestrittener Schilderung des Beklagten von den 39 angemeldeten Kindern mit Migrationshintergrund im Losverfahren 24 Kinder zum Zuge gekommen sind dies entspricht einer Quote von etwa 61 % , bietet vielmehr Grund zu der Annahme, dass die Herkunft der Kinder für die Aufnahmeentscheidung irrelevant war. Anderweitige Gesichtspunkte, die eine Manipulation zumindest plausibel erscheinen lassen und ggf. Anlass zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung geben könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
35Schließlich folgt ein Ermessensfehler nicht aus der Tatsache, dass der Beklagte das Losverfahren nicht dokumentiert hat. Zwar wäre es im Hinblick auf eine raschere und einfachere Überprüfbarkeit der Aufnahmeentscheidung wünschenswert gewesen, wenn der Beklagte das Ergebnis der Auslosung ggf. im Beisein von Zeugen schriftlich niedergelegt hätte. Allein das Unterlassen einer Dokumentation führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Aufnahmeentscheidung. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass hierdurch die gesetzlichen Grenzen des Ermessens (vgl. § 40 VwVfG NRW) überschritten worden wären. Denn besondere Verfahrensvorschriften sind vom Gesetz und Verordnungsgeber in diesem Bereich nicht vorgesehen und damit bei Durchführung des Aufnahmeverfahrens grundsätzlich so auch hier nicht zu beachten.
36Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 31. Juli 2007 18 L 1017/07 ; Bülter, Das Aufnahmeverfahren gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 ASchO auf der Grundlage der Rechtsprechung des OVG NRW, NWVBl 2003, 449 (454).
37Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.