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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
2Der 1955 geborene Kläger ist Studiendirektor und war zuletzt als Fachleiter zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben am C in T1 tätig.
3In der Zeit vom 10. bis 16. März 2002 fand für die Klassen IT 12.4 und IT 12.5 des Cs ein Schullandheimaufenthalt in Hindelang statt. Der Leiter der Veranstaltung und Klassenlehrer der Klasse IT 12.5, Oberstudienrat W, wurde vom Kläger als Klassenlehrer der Klasse IT 12.4 und von Studienrat H begleitet. Gegenstand der Schulfahrt war die Teilnahme am Bildungsprojekt D. Dieses durch das D-Projektpersonal vom Projektbüro Schule & Partner wissenschaftlich begleitete und organisierte Projekt beinhaltet neben dem Schneesportunterricht eine Einführung in den Multimediabereich sowie den Zugang zu moderner Informations- und Kommunikationstechnologie und bietet Beratung und Information zur beruflichen Zukunft an.
4Auf Initiative der Schüler buchte Oberstudienrat W gemeinsam mit dem Kläger eine Bayern-Abitur" genannte Abendveranstaltung, die im Hotel X angeboten wurde und am 14. März 2002 stattfand. Dabei sollten von den einzelnen Schülerteams verschiedene Stationen bewältigt werden wie Albhornblasen, Schuhplatteln, Vortrag und Übersetzung bayerischer Texte, Maßkrug stemmen sowie die Einnahme von Schnupftabak mittels einer speziellen Vorrichtung. Als Anschauung für die nachfolgenden Schüler absolvierte der Kläger den Parcours als erster. An der letzten Station musste der Kläger zunächst den Raum verlassen, vor der Tür ein Gläschen Obstler trinken, in den Raum zurückkehren, 0,3 l Bier zapfen, dieses so schnell wie möglich austrinken und sich dann an die Schnupftabakmaschine setzen. Nun löste ein Mitarbeiter des Hotels einen Hebel, wodurch ein Holzhammer auf eine Wippe fiel, die den Schnupftabak in die Nase schießen sollte. Die Mechanik funktionierte durch den Einsatz einer Platzpatrone. Bei der Zündung entstand ein für alle Anwesenden unerwartet lauter Knall, der beim Kläger zu einem Lärmtrauma mit Schädigung der Haarzellen im Innenohr und im späteren Verlauf zu weiteren Verletzungen im Gehörbereich und auch zu psychischen Beschwerden führte. Der Kläger ist seit dem 17. Mai 2002 dienstunfähig.
5Auf die Dienstunfallmeldung des Klägers vom 15. Juni 2002 teilte die Bezirksregierung E dem Kläger mit Bescheid vom 22. September 2003 mit, dass das Ereignis vom 14. März 2002 nicht als Dienstunfall anerkannt werde. Die Durchführung des Bayern-Abiturs" könne nicht mit der Dienstausübung in Zusammenhang gebracht werden.
6Dagegen legte der Kläger unter dem 20. Oktober 2003 Widerspruch ein, mit dem er geltend macht, es habe sich um eine dienstliche Veranstaltung gehandelt. Sie sei von dem Leiter der Gesamtveranstaltung, Oberstudienrat W, gemeinsam mit ihm gebucht und für alle verbindlich durchgeführt worden.
7Mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2004 wies die Bezirksregierung E den Widerspruch zurück. Zur Begründung war ausgeführt: Die Ablegung des Bayern-Abiturs liege außerhalb des Regelrisikos, dem der Beamte bei der Dienstausübung ausgesetzt sei, und könne daher nicht mehr der Dienstsphäre zugeordnet werden. Bei dem Trinken von Alkohol und dem Einnehmen von Schnupftabak handele es sich um ein Verhalten, das mit den dienstlichen Obliegenheiten des Beamten schlechterdings nicht in Zusammenhang gebracht werden könne. Ein Lehrer im Dienst, der eine Vorbildfunktion gegenüber den Schülern einnehme, dürfe sich nicht dazu hinreißen lassen, an derart exzessiven Spielen" teilzunehmen. Das Umfeld Klassenfahrt qualifiziere eine solche Veranstaltung nicht automatisch als dienstlich. Daran ändere auch die Buchung durch den Kläger und seinen Kollegen nichts. Auf einer Klassenfahrt seien bestimmte Veranstaltungen der privaten Sphäre zuzuordnen, wozu die Durchführung des Bayern-Abiturs" wegen der dazugehörigen Disziplinen Alkohol trinken und Schnupftabakeinnahme zähle, da diese keinen fachlichen und pädagogischen Bezug zum Lehrerberuf hätten.
8Der Kläger hat am 4. April 2004 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass von einer Dienstbezogenheit des eingetretenen Unfalles auszugehen sei. Das Projekt D, in dessen Rahmen die Klassenfahrt durchgeführt worden sei, verbinde sportliche und gesellige Elemente mit Elementen der Wissensvermittlung. Gesellige Veranstaltungen seien also in das gewissermaßen dienstlich zu nennende Programm integriert. Ob die zu prüfende Veranstaltung noch als pädagogisch vertretbar erscheine, müsse unter Berücksichtigung der Besonderheiten des D-Projektes beurteilt werden. Das vorab genehmigte Programm habe auch eine sogenannte Gaudi-Rallye" umfasst, die mit der durchgeführten Veranstaltung vergleichbar gewesen sei. Das Bayern-Abitur" habe auch nicht außerhalb des Regelrisikos gelegen, weil die an der Klassenfahrt teilnehmenden Schüler häufig über 18 Jahre alt seien und weil es sich nur um einen begrenzten Alkoholkonsum im Rahmen nur eines Spiels gehandelt habe. Mit dem Einsatz von Platzpatronen in Räumlichkeiten wie dem benutzten Parterreraum mit niedriger Decke konnten und mussten er und die anderen Teilnehmer nicht rechnen. Die Gefahr eines Knalltraumas sei zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gewesen.
9Der Kläger beantragt,
10das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung E vom 22. September 2003 und des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2004 zu verpflichten, den am 14. März 2003 erlittenen Unfall als Dienstunfall anzuerkennen.
11Das beklagte Land beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Bezirksregierung E vom 22. September 2003 und der Widerspruchsbescheid vom 12. März 2004 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Vorfalles vom 14. März 2002 als Dienstunfall (§ 113 Abs. 5 VwGO).
16Rechtsgrundlage ist § 31 Abs.1 BeamtVG. Nach der gesetzlichen Definition in Satz 1 der Vorschrift ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Zum Dienst gehört nach § 31 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG auch die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Durchführung des Bayern-Abiturs", bei dem sich der Kläger verletzte, stellte weder eine dienstliche Veranstaltung im engeren Sinne dar, noch gehörte die Teilnahme an der Veranstaltung zur allgemeinen" Dienstausübung im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG.
17Eine dienstliche Veranstaltung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG liegt schon deshalb nicht vor, weil es an der erforderlichen formellen Dienstbezogenheit fehlt. Diese ist gegeben, wenn die Veranstaltung mittelbar oder unmittelbar von der Autorität eines Dienstvorgesetzten getragen und in den weisungsgebundenen Dienstbereich einbezogen ist. Bei dem Bayern-Abitur" handelte es sich um eine vom Hotel angebotene Veranstaltung, die weder Gegenstand des genehmigten Bildungsprojekts war noch zum zusätzlichen freien Angebot des veranstaltenden Projektbüros gehörte. Die Veranstaltung war freiwillig und wurde von Angestellten des Hotels organisiert und durchgeführt, ohne dass auch nur einer der teilnehmenden Lehrer, geschweige denn der Dienstherr, auf Organisation, Programm und Ablauf der Veranstaltung Einflussmöglichkeiten gehabt hätte. Oberstudienrat W mag zwar der Leiter der Klassenfahrt gewesen sein, ist aber nicht Dienstvorgesetzter des Klägers, so dass es auf seinen Willen nicht ankommt. Verbindlich war die Teilnahme für Schüler und Lehrer allenfalls insoweit, als mit der Buchung durch den Kläger und seinen Kollegen ein Vertrag abgeschlossen wurde und Kosten entstanden sein dürften.
18Der Unfall ist auch nicht in Ausübung oder infolge des Dienstes" eingetreten. Das setzt voraus, dass das fragliche Verhalten des Beamten auch bei einer Bewertung der Risikosphären des Dienstherrn und des Beamten als durch die Dienstausübung geprägt bzw. in diese einbezogen erscheinen muss. Außerhalb des durch Dienstzeit und Dienstort geprägten Geschehensablaufs ist von einem privaten Lebensbereich des Beamten als vorgegeben auszugehen. Hier müssen neben der subjektiven Vorstellung des Beamten, in Ausübung oder im Interesse des Dienstes zu handeln, besondere objektive Umstände festgestellt werden, die den Schluss rechtfertigen, dass die fragliche Verrichtung des Beamten nicht der vorgegebenen Privatsphäre, sondern dem dienstlichen Bereich zuzurechnen ist. Entscheidend ist dabei auf die Anforderungen des Dienstes abzustellen. Die in Frage kommende Verrichtung muss durch die Erfordernisse des Dienstes - der Dienstaufgaben - maßgebend geprägt sein. Bei Lehrern ist dabei vor allem der mit dem Lehramt verbundene pädagogische Gesamtauftrag zu berücksichtigen, der sich nicht in einer bloßen Wissensvermittlung erschöpft. Dabei genügt es allerdings nicht, wenn das Verhalten des Lehrers außerhalb der Schule und außerhalb der Unterrichtsstunden in irgendeiner Weise pädagogischen Zielen seines Lehrauftrages nützlich und förderlich ist. Es muss vielmehr als sachgerecht und erforderlich seinem Berufsbild und seinem Lehrauftrag entsprechen, davon entscheidend geprägt sein.
19Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 1976 - BVerwG VI C 203.73 -, BVerwGE 51, 220; OVG Münster, Beschluss vom 4. Juli 2003 - 6 A 1945/02 -, juris.
20Grundsätzlich kann auch die Teilnahme an einer Zusammenkunft der Schüler als allgemeine Dienstausübung im Sinne des § 31 Abs. 1 S. 1 BeamtVG zu qualifizieren sein. Zur Erfüllung des Erziehungsauftrags, für eine sinnvolle und erfolgreiche Unterrichtsgestaltung sowie zur Förderung der Lernbereitschaft der Schüler bedarf es eines Grundstocks an Vertrauen. Das Berufsbild und der pädagogische Auftrag des Lehrers umfassen daher auch die Aufgabe, die Vertrauensbasis zwischen Lehrer und Schüler durch das erforderliche Mindestmaß an außerschulischen Kontakten zu sichern. Um eine uferlose, der Allgemeinheit nicht zumutbare Ausweitung des dienstunfallgeschützten Bereiches zu vermeiden, ist die Einbeziehung der Teilnahme an Schülerzusammenkünften in die dienstliche Sphäre jedoch auf das nach dem Lehrauftrag notwendige Maß zu beschränken. Außerdem kann in die dienstliche Sphäre nur die Teilnahme an solchen Schülerveranstaltungen einbezogen werden, die insbesondere unter Berücksichtigung des Alters der Schüler nach Anlass, Art, Inhalt, Umfang, Zeit und Ort pädagogisch vertretbar und - neben einem gewissen geselligen Charakter der Veranstaltung - den pädagogischen Zwecken der Teilnahme des Lehrers zu dienen geeignet sind.
21Vgl. BVerwG, a.a.O. S. 224, 225.
22Nach diesen Kriterien war die Teilnahme des Klägers am Bayern-Abitur" für die Erfüllung seines pädagogischen Auftrags bereits nicht erforderlich. Die Teilnahme an einer spaßigen Abendveranstaltung in lockerer Atmosphäre mag den Kontakt zu den Schülern weiter fördern und vertiefen können und daher nützlich sein. Notwendig zur Schaffung oder Sicherung der Vertrauensbasis zwischen dem Kläger und seinen Schülern war das Ablegen des Bayern-Abiturs" jedoch nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Durchführung einer gemeinsamen Klassenfahrt von vorneherein außerschulischen Charakter hat und in erster Linie dem pädagogischen Zweck dient, das Gruppengefühl zu stärken und das Schüler-Lehrer-Verhältnis zu pflegen. Eine Klassenfahrt bietet dem Lehrer nach Art, Zeit und Ort zahlreiche Gelegenheiten, mit den Schülern in ungezwungener Umgebung ins Gespräch zu kommen und sich über den rein schulischen und fachlichen Bereich hinaus näher kennen zu lernen. So ist bei dem Aufenthalt in Hindelang neben den gemeinsamen Mahlzeiten insbesondere der angebotene Schneesportunterricht für die dargelegte Pflege der außerschulischen Kontakte geeignet. Es kommt hinzu, dass über die Teilnahme am eigentlichen Bildungsprojekt D mit den im einzelnen aufgeführten und vorher feststehenden Leistungen hinaus noch zusätzliche, freie Angebote im Rahmenprogramm wie etwa die D-Gaudi-Rallye wahrgenommen werden konnten und auch wahrgenommen wurden. Selbst wenn man den besonderen Nutzen eines Angebots wie das Bayern-Abitur" für das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern gerade in der spontanen, nicht vorgegebenen Teilnahme an einer Veranstaltung sieht, in der sich Lehrer und Schüler in gleichberechtigten Gruppen gemeinsam messen können, konnte der Kläger dieses Ziel schon durch die Teilnahme an der D-Gaudi-Rallye erreichen, die ähnliche Inhalte (verschiedene Stationen, Getränke, Musik) hatte. Welchen weitergehenden Nutzen das Bayern-Abitur" gehabt haben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
23Nach Art und Inhalt war die Veranstaltung darüber hinaus aber auch nicht sachgerecht, sondern lag außerhalb des pädagogisch Vertretbaren. Es liegt auf der Hand, dass das gemeinsame Alkohol trinken und Tabak schnupfen nicht dem Berufsbild eines Lehrers entspricht. Der Lehrer hat einen Erziehungsauftrag und Vorbildfunktion. Dem wird er nicht gerecht, wenn er in kürzester Zeit - mit dem offenkundigen Ziel, den Alkohol möglichst schnell wirken zu lassen - einen Schnaps und ein Glas Bier kippt und sich anschließend mittels einer ihm unbekannten Maschine eine Ladung Schnupftabak verabreichen lässt. Das gilt gerade vor dem Hintergrund, dass nicht alle Teilnehmer der Fahrt volljährig waren. Damit hat der Kläger den Rahmen seiner pädagogischen Gestaltungsfreiheit überschritten.
24Schließlich liegt die Teilnahme am Bayern-Abitur" auch deshalb außerhalb der unfallgeschützten dienstlichen Sphäre, weil das damit verbundene Risiko erkennbar über das seinen Dienstaufgaben nach gebotene Maß hinausging. Der Dienstherr erwartet von einer Lehrkraft weder, dass sie sich unkalkulierbaren Gefahren aussetzt noch, dass sie Alkohol und Schnupftabak zu sich nimmt. Die Veranstaltung gehörte nicht zum eigentlichen Programm und war folglich weder vom organisierenden und verantwortlichen Projektbüro noch von den die Klassenfahrt begleitenden Lehrern im einzelnen getestet und für tauglich befunden worden. Keiner der Teilnehmer wusste vorher, wie die Schnupftabakmaschine selbst und dann auch noch in Verbindung mit Alkohol wirken würde. Dass auch subjektiv in den Augen aller Beteiligter ein gewisses Risiko mit dem Bayern-Abitur" verbunden war, zeigt sich daran, dass ein Lehrer den Parcours als erster absolvieren sollte. Der Einwand des Klägers, das Risiko sei für ihn nicht erkennbar gewesen, weil es vorher eine Trockenübung" ohne Platzpatrone gegeben habe und außerdem von Alkoholkonsum nicht die Rede gewesen sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger wusste jedenfalls, dass mittels einer - in der konkreten Wirkungsweise unbekannten - Maschine Schnupftabak in die Nase geschossen werden sollte. Er hätte die Veranstaltung hinsichtlich dieses Teils des Bayern-Abiturs" in dem Moment abbrechen können, als klar wurde, dass die Benutzung der Schnupftabakmaschine mit der Einnahme von Schnaps und Bier verbunden war. Wenn der Kläger gleichwohl ein solches Risiko eingeht, fällt dieses Verhalten in seinen eigenen Verantwortungsbereich. Insoweit kann er den Dienstherrn nicht haftbar machen.
25Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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