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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Entziehung einer Fahrerlaubnis für die Klassen B, BE, C1, C1E, L, M und CE.
3Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) dem Beklagten einen Punktestand zu Lasten des Klägers von neun mitteilte, wurde der Kläger unter Hinweis auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Aufbauseminar verwarnt. Die Mitteilung des KBA, der Kläger habe 15 Punkte erreicht, nahm der Beklagte zum Anlass, unter Fristsetzung bis zum 1. April 2002 die Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen, ferner auf die Möglichkeit einer verkehrspsychologischen Beratung hinzuweisen und den Kläger darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von 18 Punkten die Fahrerlaubnis entzogen werde. Am 16. April 2002 meldete sich der Kläger zur Teilnahme an einem Aufbauseminar bei einer Fahrschule an und legte dem Beklagten im Mai 2002 eine Teilnahmebescheinigung vor. Im Juni 2003 übermittelte das KBA dem Beklagten einen Punktestand von 22. Daraufhin entzog der Beklagte dem Kläger mit Ordnungsverfügung vom 18. August 2003 die Fahrerlaubnis und setzte für diese Verwaltungsmaßnahme eine Gebühr in Höhe von 76,70 Euro fest. Der dagegen erhobene Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, er habe die mit Bußgeldbescheid vom 15. Mai 2003 geahndete Tat nicht begangen, und der auch die Gebührenfestsetzung umfasste, blieb erfolglos und wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E1 vom 31. Oktober 2003 - zugestellt am 6. November 2003 - als unbegründet zurückgewiesen.
4Am 5. Dezember 2003 hat der Kläger Klage erhoben.
5Der Kläger beantragt,
6den Bescheid des Beklagten vom 18. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2003 aufzuheben.
7Der Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung E1.
10Entscheidungsgründe:
11Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
12Der Einzelrichter konnte trotz Ausbleibens des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandeln und entscheiden. Bereits mit der Ladung wies der Einzelrichter auf die Vorschrift des § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hin. Erhebliche Gründe für eine Terminsänderung lagen nicht vor. Gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 227 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist insbesondere das Ausbleiben einer Partei kein erheblicher Grund, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist. Anhaltspunke dafür sind nicht ersichtlich.
13Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
14Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) wird die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen unwiderlegbar vermutet, wenn nach dem in § 4 Abs. 1 und 2 StVG normierten Punktsystem sich 18 oder mehr Punkte auf Grund von Verkehrszuwiderhandlungen dieses Fahrerlaubnisinhabers ergeben; in diesem Fall hat die Straßenverkehrsbehörde dem Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis zu entziehen. Ein Ermessen steht ihr nicht zu.
15Der Kläger hat die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG erfüllt, indem er in Folge der im Zeitraum vom 25. November 1999 bis zum 23. März 2003 begangenen Verkehrsauffälligkeiten auf der Grundlage der Anlage 13 zu § 40 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV -), die ihrerseits auf § 4 Abs. 2 StVG in Verbindung mit § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 StVG, § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. s) StVG, § 40 FeV beruht,
16hierzu: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 2. Februar 2000 - 19 B 1886/99 -,
17eine Gesamtpunktzahl von 21 erreicht hat, ohne dass er gemäß § 4 Abs. 5 StVG so zu stellen wäre, als hätte er weniger als 18 Punkte. Im Einzelnen ergeben sich die erreichten Punkte aus dem aktenkundigen, vollständigen Auszug aus dem Verkehrszentralregister (Bl. 38-46 der Verwaltungsakte, Heft 2), auf den Bezug genommen wird. Die Punktbewertung ist ordnungsgemäß vorgenommen worden. Selbst wenn sich der mit Bußgeldentscheidung vom 29. März 2000 geahndete Verkehrsverstoß (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einer Bundesautobahn von 43 km/h, Bl. 40 der Verwaltungsakte, Heft 2) außerhalb geschlossener Ortschaften zugetragen haben sollte - was nicht zwingend der Fall ist, vgl. § 18 Abs. 5 Satz 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) - und nach Nr. 5.4 der Anlage 13 zur FeV mit drei statt vier Punkten zu bewerten wäre, würde dieser Umstand an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ordnungsverfügung nichts ändern. Eine Reduzierung der Punktzahl gemäß § 4 Abs. 5 StVG scheidet in jedem Fall aus. Die der Entziehung vorgeschalteten Maßnahmen (Verwarnung und Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar) sind im Einklang mit der Rechtslage beim Punktestand von neun bzw. acht und 15 bzw. 14 erfolgt, vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 StVG. Dabei ist der Beklagte gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG bei den Maßnahmen nach den Nummern 1 bis 3 (des Satzes 1) an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden.
18Ein Abzug von Punkten kommt auch nach § 4 Abs. 4 StVG nicht in Betracht. Der Kläger hat zwar an einem Aufbauseminar teilgenommen; dies geschah jedoch bei einem Punktestand von 15 bzw. 14. An einer verkehrspsychologischen Beratung hat der Kläger nicht teilgenommen.
19Der Einwand des Klägers, er habe die mit Bußgeldentscheidung vom 15. Mai 2003 geahndete Tat (Bl. 46 der Verwaltungsakte, Heft 2) nicht begangen, bleibt angesichts der bereits erwähnten Bindungswirkung der Straßenverkehrsbehörde an die rechtskräftige Entscheidung über die Ordnungswidrigkeit ohne Bedeutung. Der von einer Entziehung der Fahrerlaubnis Betroffene muß etwaige Einwände gegen die geahndete Tat in dem jeweiligen Bußgeldverfahren - ggf. durch Einlegen eines Rechtsbehelfs - geltend machen.
20Die Tilgungsfristen für alle nach § 28 Abs. 3 Nrn. 1 und 3 StVG zu Recht eingetragenen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sind gemäß § 29 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 in Verbindung mit Abs. 4 und 6 StVG noch nicht abgelaufen.
21Die Regelungen des § 4 StVG sind zwingend und räumen den Fahrerlaubnisbehörden kein Ermessen ein. § 4 StVG enthält ein abgestuftes System von Maßnahmen, durch die dem Inhaber einer Fahrerlaubnis die Möglichkeit des Abbaus von Fehlverhaltensweisen eröffnet wird. Zur Entziehung der Fahrerlaubnis kommt es nach diesem System nur bei jener kleinen Minderheit von Kraftfahrzeugführern, bei denen die vorangehenden Maßnahmen keine dauerhaften Verhaltensänderungen bewirken und die sich damit als nicht besserungsfähig oder - willig erwiesen haben. Diese müssen dann die mit der Entziehung der Fahrerlaubnis im Interesse der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs verbundenen Nachteile hinnehmen. Dabei spielt es keine Rolle, daß der Kläger die ihm vorzuhaltenden Verkehrsverstöße in einem Zeitraum von mehreren Jahren begangen hat. Ebensowenig können die mit der Entziehung der Fahrerlaubnis verbundenen Schwierigkeiten von Rechts wegen berücksichtigt werden.
22Zur Information des Klägers weist das Gericht auf § 4 Abs. 10 StVG hin. Danach darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung nach Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 erteilt werden. Die Frist beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins.
23Mit der Klage hat sich der Kläger nicht mehr ausdrücklich gegen die mit der Entziehung der Fahrerlaubnis zugleich erfolgte Gebührenfestsetzung zur Wehr gesetzt. Der Vollständigkeit halber stellt der Einzelrichter fest, dass die Gebührenfestsetzung, sollte sie noch angefochten sein, nicht zu beanstanden ist. Die konkrete Gebühr findet ihre Rechtfertigung in der auf § 6 a Abs. 1 lit. a) StVG gestützten Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr - GebOSt -. § 1 GebOSt in Verbindung mit der Tarifstelle 254 sieht für die getroffene Verwaltungsmaßnahme eine Rahmengebühr zwischen 14,30 und 286,- Euro vor. Das zur Ausfüllung des Gebührenrahmens eingeräumte Ermessen hat der Beklagte unter Berücksichtigung der in § 39 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) für Ermessensentscheidungen besonders normierten Begründungspflicht spätestens in der mündlichen Verhandlung und damit innerhalb der zeitlichen Grenze von § 45 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW (vgl. auch § 114 Satz 2 VwGO) ordnungsgemäß ausgeübt. Der vom Beklagten angeführte Verwaltungsaufwand von zwei Stunden ist gemäß § 6 GebOSt in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungskostengesetz (VwKG) ein maßgeblicher Gesichtspunkt zur Ausfüllung des Gebührenrahmens. Nach dem in das vorliegende Klageverfahren eingeführten Runderlass des Innenministeriums vom 30. Juni 2003 - 55/20 (1.1) - Richtwerte für die Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes bei der Festlegung der nach dem Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen zu erhebenden Verwaltungsgebühren, MBl. NRW. 2003 S. 688 - beträgt der Stundensatz für eine Kraft des mittleren Dienstes 54,- Euro. Es bestehen keine systemimmanten Schranken, diesen Stundensatz auch bei Gebührenfestsetzungen für Maßnahmen im Straßenverkehr anzuwenden.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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