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Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 25. August 1998 verpflichtet festzustellen, dass in Bezug auf die Klägerin die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach Maßgabe des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorliegen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
2Die Eltern der Klägerin stammen nach eigenen Angaben aus der Bundesrepublik Jugoslawien und geben an, von Volkszugehörigkeit Roma zu sein. Sie reisten zusammen mit der Klägerin im Sommer 1998 auf dem Landweg ins Bundesgebiet ein und beantragten am 6. August 1998 die Anerkennung als Asylberechtigte. Mit Bescheid vom 25. August 1998 lehnte das Bundesamt die Asylanträge als unbegründet ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Zugleich forderte es die Klägerin und ihre Eltern, unter Androhung der Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides des Bundesamtes zu verlassen.
3Die Eltern der Klägerin haben am 2. September 1998 Klage erhoben. Das Klageverfahren der Klägerin wurde durch Beschluss des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2002 von dem Verfahren der Eltern (11 K 7537/98.A) abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 11 K 7759/02.A vorgeführt. Die Eltern haben dem Gericht mehrere fachärztliche Bescheinigungen, u.a. vom 31. Januar 2003, 12. Februar 2002, 7. Mai 2002 und 23. Oktober 1998 vorgelegt. Danach besteht bei der Klägerin ein steroidsensibles nephrotisches Syndrom bei Minimal-Changes- Veränderungen, wobei die Klägerin sich deswegen auch einer Krankenhausbehandlung unterziehen musste. Nach Auffassung der Eltern kann die Krankheit der Klägerin im Falle einer Rückkehr in die Bundesrepublik Jugoslawien nicht ausreichend medizinisch behandelt werden. Sie seien als Angehörige der Volksgruppe der Roma ohnehin von staatlichen Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen, sodass eine ausreichende medizinische Behandlung schon aus finanziellen Gründen nicht möglich sei. Daneben macht die Klägerin geltend, dass sie auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma im Falle einer Rückkehr unmittelbare oder mittelbare Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten habe. Der Staat sei nicht willens und in der Lage, sie zu schützen und die gesetzlich verbrieften Ansprüche der Minderheiten, die oft in Lagern nur dahinvegetieren, zu erfüllen.
4Die Klägerin beantragt,
5die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 25. August 1998 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen bzw. festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
6Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
7die Klage abzuweisen.
8Das Gericht hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2002 bezüglich der Behandlungsmöglichkeiten für die Klägerin nach einer Rückkehr in die Bundesrepublik Jugoslawien eine Auskunft des Auswärtigen Amtes eingeholt. Auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 3. Februar 2003 wird Bezug genommen.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die der Kammer vorliegenden Auskünfte und Erkenntnisse, auf die das Gericht hingewiesen hat, Bezug genommen.
10Entscheidungsgründe:
11Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), soweit das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16 a Abs. 1 Grundgesetz (GG)) sowie die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 des Ausländergesetzes vorliegen, abgelehnt hat. Nach § 51 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Die Anforderungen an eine politische Verfolgung im Sinne dieser Norm stimmen mit denen des Art. 16 a Abs. 1 GG überein, soweit es um geschützte Rechtsgüter, die Verfolgungshandlung und den politischen Charakter der Verfolgung geht,
12vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18. Februar 1992 - 9 C 59.91 -.
13Ein Anspruch auf Schutz vor politischer Verfolgung besteht, wenn der Betroffene die aus Tatsachen begründete Furcht hegen muss, in dem Land, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt bzw. in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung verfolgt zu werden und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtung nicht in Anspruch nehmen will. Ausgehend von diesen Grundsätzen steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Zur Begründung wird zunächst gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid des Bundesamtes, die das Gericht als zutreffend erachtet und denen es deshalb folgt, Bezug genommen.
14Ergänzend wird ausgeführt:
15Die Lage der Roma in Serbien und Montenegro ist zwar schwierig. Sie gehören meist den untersten sozialen Schichten an, werden von der übrigen Zivilbevölkerung im Allgemeinen abgelehnt und nicht als Teil der serbischen Gesellschaft akzeptiert. Oft sind sie arm und auf Grund mangelnder Ausbildung arbeitslos. Sie leben in eigenen Wohnvierteln am Rande der Städte unter oftmals sehr angespannten Lebensbedingungen.
16Vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 31. März 2000; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) vom 16. Oktober 2002, S. 15; Gesellschaft für bedrohte Völker, Stellungnahme an das Verwaltungsgericht Freiburg vom 6. Februar 2003; dies.,"Minderheit ohne Stimme - Roma in der Bundesrepublik Jugoslawien - Menschenrechtslage und Perspektiven für Roma-Rückkehrer", Memorandum von Oktober 2001, Teil 1; amnesty international, Auskünfte vom 24. September 1999 an das VG Magdeburg und vom 8. September 1999 an das VG Wiesbaden; Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, BR Jugoslawien - Information - Die aktuelle Lage in Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) - Stand: November 1999, S. 25.
17Mitunter kommt es auch zu Benachteiligungen durch die Behörden, z.B. im Ausbildungsbereich oder bei der Vergabe von Arbeitsstellen.
18Vgl. amnesty international, Auskünfte vom 24. September 1999 an das VG Magdeburg und vom 8. September 1999 an das VG Wiesbaden; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien vom 8. Mai 2001, S. 8; Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, BR Jugoslawien - Information - Asylbewerber aus Serbien/Montenegro und Kosovo (Gefährdungssituation, Rechtsprechung, Verfahren) - Stand: Mai 2000, S. 9; Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, BR Jugoslawien - Information - Die aktuelle Lage in Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) - Stand: November 1999, S. 25.
19Anhaltspunkte dafür, dass Angehörige der Volksgruppe der Roma durch den serbisch-montenegrinischen Staat unmittelbar in Anknüpfung an ihre ethnische Zugehörigkeit Gefährdungen für Leib, Leben oder persönliche Freiheit ausgesetzt sind, liegen indes nicht vor. Die Regierungen von Serbien und Montenegro und der Teilrepubliken Serbien und Montenegro üben keine gezielte Unterdrückung bestimmter Gruppen aus, weder nach Merkmalen von ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität noch nach politischer Überzeugung.
20Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) vom 16. Oktober 2002, S. 14.
21Soweit es in der jüngeren Vergangenheit in Einzelfällen zu Übergriffen seitens staatlicher Polizeikräfte gekommen ist,
22- vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) vom 16. Oktober 2002, S. 19; Gesellschaft für bedrohte Völker, Minderheit ohne Stimme - Roma in der Bundesrepublik Jugoslawien - Menschenrechtslage und Perspektiven für Roma-Rückkehrer", Memorandum von Oktober 2001, Teil 2; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bundesrepublik Jugoslawien - Situation der Minderheiten und intern Vertriebenen (26. November 2001)", S. 17 -
23handelt es sich ersichtlich um Exzesse vereinzelter Amtswalter, die dem serbisch-montenegrinischen Staat nicht zugerechnet werden können,
24- vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 961, 1000/86 -, BVerfGE 80, 315 (352) -
25zumal jedenfalls in einigen Fällen hierauf disziplinarisch reagiert worden ist.
26Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) vom 16. Oktober 2002, S. 19.
27Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die jugoslawische Bundesregierung nach dem demokratischen Wandel im Oktober 2000 ersichtlich um eine Verbesserung der Lage der Minderheiten und damit auch der Roma bemüht ist. So wurde auf Bundesebene ein Sandzak-Moslem zum Minderheitenminister ernannt. Ein Ungar ist in der serbischen Regierung stellvertretender Premierminister. Der Minderheitenminister hat in intensivem Dialog mit den Minderheiten und der internationalen Gemeinschaft ein neues Minderheitengesetz erarbeitet, das vom Bundesparlament einstimmig angenommen worden und am 7. März 2002 in Kraft getreten ist. Mit diesem Gesetz werden Minderheitenrechte nach internationalem Standard verankert. Das Ministerium versucht nunmehr aktiv, die Minderheiten bei der Wahl der vorgesehenen Räte zu unterstützen. Außerdem führt es Öffentlichkeitskampagnen mit dem Ziel durch, eine stärkere Akzeptanz von Minderheiten zu erreichen. Schließlich wird der Unterrepräsentierung der Minderheiten in Verwaltung, Justiz und Polizei aktiv entgegengearbeitet. Auch der Volksgruppe der Roma kommt nach dem neuen Minderheitengesetz der Status einer nationalen Minderheit" zu. Die Angehörigen dieser Volksgruppe sollen in Zukunft proportional in öffentlichen Ämtern vertreten sein, damit sie Politik aktiv mitgestalten können. Seit Frühjahr 2002 erarbeitet das Minderheitenministerium zudem in Kooperation mit den Roma eine landesweite Integrationsstrategie.
28Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) vom 16. Oktober 2002, S. 15 f.
29Es fehlt aber nicht nur an Anhaltspunkten für eine unmittelbare politische Verfolgung von Roma in Serbien-Montenegro auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, sondern auch an solchen für eine mittelbare Verfolgung. Es ist in der Vergangenheit zwar zu einzelnen zum Teil gewalttätigen Übergriffen auf Roma durch Privatpersonen, insbesondere durch Angehörige rechtsgerichteter Gruppierungen gekommen.
30Vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker, Minderheit ohne Stimme - Roma in der Bundesrepublik Jugoslawien - Menschenrechtslage und Perspektiven für Roma- Rückkehrer", Memorandum von Oktober 2001, Teil 2; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bundesrepublik Jugoslawien - Situation der Minderheiten und intern Vertriebenen (26. November 2001)", S. 18; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien vom 8. Mai 2001, S. 11; dass, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Stand: November 1998), S. 10.
31Solche Taten könnten dem serbisch-montenegrinischen Staat jedoch nur dann als (mittelbare) politische Verfolgung zugerechnet werden, wenn er sie anregt, unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt.
32Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341 (358); BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1991 - 9 C 154.90 -, InfAuslR 1991, 363 (364); BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 1.94 -, NVwZ 1995, 391 (392).
33Selbst eine vorliegend allein in Betracht kommende tatenlose Hinnahme solcher Übergriffe ist nicht ersichtlich.
34Dass in Einzelfällen Roma gegebenenfalls kein effektiver Schutz geleistet worden ist,
35- vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bundesrepublik Jugoslawien - Situation der Minderheiten und intern Vertriebenen (26. November 2001)", S. 18; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) vom 16. Oktober 2002, S. 18 -
36rechtfertigt nicht die Annahme, der serbisch-montenegrinischen Staat nehme Übergriffe dieser Art allgemein hin, weil er zu ausreichender Schutzgewährung entweder nicht willens oder nicht in der Lage ist. Denn kein Staat vermag einen lückenlosen Schutz zu gewähren und sicherzustellen, dass Fehlverhalten oder Fehlentscheidungen bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgabe der Wahrung des inneren Friedens nicht vorkommen. Übergriffe Privater sind daher unter diesem Gesichtspunkt nur dann dem Staat zuzurechnen, wenn er gegen Verfolgungsmaßnahmen Dritter grundsätzlich keinen effektiven Schutz bietet.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 1.94 -, NVwZ 1995, 391 (392).
38Die Annahme einer solchen grundsätzlichen Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit rechtfertigen die vorliegenden Erkenntnisse nicht. Gegen die Annahme einer tatenlosen Hinnahme von Übergriffen Privater auf Roma spricht bereits, dass mehrere Übergriffe aus jüngerer Zeit strafrechtlich geahndet worden sind. So sind Skinheads, die im Oktober 1997 einen Roma-Jungen mit einer Eisenstange malträtiert und getötet hatten, zu einer Freiheitsstrafe von 10 bzw. 12 Jahren verurteilt worden.
39Vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker, Auskunft vom 10. Juli 1998 an das Verwaltungsgericht Berlin; Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, BR Jugoslawien - Information - Die aktuelle Lage in Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) - Stand: November 1999, S. 25.
40Insbesondere aber nach dem politischen Umschwung im Oktober 2000 sind die Roma besser geschützt. So greifen jetzt die Justizbehörden Anzeigen von Roma verstärkt auf und leiten entsprechende Gerichtsverfahren ein. Zwei jugendliche Rechtsextreme, die einen Roma-Jungen und dessen Vater einzig wegen ihrer Hautfarbe" malträtiert hatten, sind im Frühjahr 2001 vor dem Bezirksgericht Nis abgeurteilt worden, wobei ihre Tat erstmals als durch Rassenhass motiviert definiert worden ist.
41Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bundesrepublik Jugoslawien - Situation der Minderheiten und intern Vertriebenen (26. November 2001)", S. 18; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) vom 16. Oktober 2002, S. 18.
42Soweit die Polizei immer noch nicht aktiv genug gegen einzelne Übergriffe auf Angehörige der Volksgruppe der Roma vorgeht, beruht dies nicht auf staatlicher Veranlassung. Verantwortlich hierfür sind die oben dargestellten traditionellen Vorurteile, die den Roma entgegen gebracht werden. Dem versucht die Regierung mit entsprechenden Schulungsmaßnahmen entgegen zu wirken.
43Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) vom 16. Oktober 2002, S. 18.
44Der auf Feststellung von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 AuslG gerichtete Hilfsantrag hat hingegen Erfolg. Denn der angefochtene Bundesamtsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit das Bundesamt es abgelehnt hat, festzustellen, dass hinsichtlich Serbien und Montenegro ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorliegt. Die Klägerin hat nämlich einen Anspruch auf die Feststellung, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 AsylVfG) hinsichtlich Serbien und Montenegro ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorliegt. Nach dieser Bestimmung kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche, konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Auch die Gefahr, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat wesentlich verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind, kann ein zielstaatsbezogenes und damit vom Bundesamt zu prüfendes Abschiebungshindernis im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen,
45vgl. BVerwG, Urteile vom 25. November 1997 - 9 C 58/96 - NVwZ 1998, Seite 524, 525 und vom 27. April 1998 - 9 C 13.97 - Seite 6 f..
46Die tatbestandlichen Voraussetzungen der zuletzt genannten Bestimmung sind erfüllt. Insoweit besteht bei der Klägerin eine erhebliche konkrete (zielstaatsbezogene) Gefahr jedenfalls für ihren Leib, das heißt für ihre Gesundheit infolge ihrer als schwer wiegend zu qualifizierenden Erkrankung. Nach den fachärztlichen Stellungnahme des Universitätsklinikumes F vom 12. Februar und 17. Juni 2002 (Universitätsprofessor J, Professor X, C1) besteht bei der Klägerin ein steroidsensibles nephrotisches Syndrom bei Minimal-Changes-Veränderungen. Es ist nach Einschätzung der Fachärzte für den weiteren Verlauf unabdingbar, dass die Behandlung (die Immunsuppressionen mit Sandimmum) unbedingt fortgeführt wird, auch wenn in letzter Zeit keine erneuten Rezidive aufgetreten sind. Daran hat sich auch nach der letzten Bescheinigung vom 31. Januar 2003 nichts geändert. Von der diagnostizierten Erkrankung wurde auch in früheren von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen (zum Beispiel des Klinikums X1 vom 21. August 1998 sowie des Facharztes für Kinderheilkunde C2 - ohne Datum -) ausgegangen. Die Konkretheit der Gefahr folgt daraus, dass die nach fachärztlicher Stellungnahme notwendige Fortführung der Therapie mit Sandigen im Heimatland der Klägerin nicht möglich ist. Das Auswärtige Amt teilte dem Gericht in seiner Auskunft vom 3. Februar 2003 mit, dass laut Auskunft des Vertrauensarztes der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Belgrad die Voraussetzungen für eine adäquate Behandlung der Klägerin derzeit auf Grund mangelhafter Vorsorgung mit den notwendigen Medikamenten nicht gegeben seien. Das Gericht hat keinen Anlass, die Richtigkeit dieser Auskunft in Zweifel zu ziehen. Auf Grund dessen ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin im Falle einer Rückkehr in die Bundesrepublik Jugoslawien zu besorgen. Denn nach der bereits erwähnten fachärztlichen Stellungnahme des Universitätsklinikums F vom 7. Mai 2002 würde im Falle der Beendigung der Therapie es höchstwahrscheinlich wieder in relativ kurzer Zeit zu einer neu aufflammenden Erkrankung kommen, was im schwersten denkbaren Verlauf zu einer Sepsis und/oder zu einem Nierenversagen führen könnte, sodass auch eine Dialysetherapie als therapeutische Option in Betracht gezogen werden müsste. Da die fachärztlichen Bescheinigungen umfangreich und nachvollziehbar sind, bestand für das Gericht auch keine Veranlassung zur Einholung weiterer ärztlicher Stellungnahmen. Da bei dieser Sachlage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass es im Falle einer Rückkehr der Klägerin zu einer erheblichen Verschlechterung ihrer gesundheitlichen Situation kommen wird, brauchte das Gericht nicht auf den weiteren Einwand der Klägerin, dass sie allein auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma von staatlichen Leistungen ausgeschlossen sei, einzugehen.
47Die Verpflichtung der Beklagten nach § 53 Abs. 6 AuslG lässt die Abschiebungsandrohung unberührt. Auch eine Entscheidung des Bundesamtes nach § 53 Abs. 6 AuslG bewirkt gemäß § 41 AsylVfG nur eine zeitweilige Vollziehbarkeitshemmung der im übrigen in ihrem Bestand unberührt bleibenden Abschiebungsandrohung.
48Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach Maßgabe der §§ 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO ergangen. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
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