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Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 14. September 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1998 verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten der Behandlung im xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Institut" zu xxx xxxxxxx für die Zeit vom 12. Februar 1998 bis zum 31. Dezember 1999 in Höhe von 10.555,00 DM zu bewilligen.
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger vier vom Hundert Jahreszinsen für die nachstehenden Beträge und Zeiträume zu bewilligen:
für 2.735,00 DM beginnend mit dem 1. September 1998,
für jeweils 460,00 DM beginnend mit jedem Monats-ersten in dem Zeitraum vom 1. Oktober 1998 bis zum 1. Februar 2000 einschließlich,
jeweils bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung der Hauptforderung.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500,00 DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Mit seiner Klage erstrebt der Kläger die Gewährung von Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten einer Dyskalkulie-Behandlung durch einen privaten Anbieter in der Zeit vom 12. Februar 1998 bis zum 31. Dezember 1999.
3Der am xxxxxxxxxx 1989 geborene Kläger wurde im Herbst 1995 in die xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx-Grundschule in xxxxxxxx eingeschult. Im Fach Rechnen hatte er von Anfang an Schwierigkeiten, die in der Folgezeit nicht zu beheben waren. Das 1. Halbjahr der Klasse 3 (1997/98), in dem erstmals Noten vergeben wurden, schloss er mit etwa durchschnittlichen Leistungen ab, lediglich im Fach Mathematik erhielt er "mangelhaft". An dem von der Klassenlehrerin, der Zeugin Frau xxxxxxxxxxx, angebotenen Förderunterricht nahm er in den Klassen 1 bis 4 teil. Frau xxxxxxxxxxx versuchte außerdem, dem Kläger dadurch zu helfen, dass sie ihm individuell Arbeitsblätter, die für den Unterricht in einer niedrigeren Klasse vorgesehen waren, zur Verfügung stellte und später bewertete. Auch vermittelte sie ihm einen ihr bekannten älteren Schüler als "Nachhilfelehrer".
4Nachdem die Zeugin durch einen Zeitungsartikel sowie durch Werbematerial auf das "xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Institut" in xxxxxxxxxx (xxx) aufmerksam geworden war, empfahl sie den Eltern, dort vorzusprechen. Ausweislich einer fachlichen Stellungnahme des xxx stellten die Eltern den Kläger dort am 16. Januar 1998 zur Begutachtung vor. Das xxx erstellte daraufhin eine "Bescheinigung zum Förderbedarf bei xxxxxxxxxxxxxxxxxxx", in der es zusammenfassend heißt: Es bestehe eine Dyskalkulie sehr schweren Ausprägungsgrades. Diese habe den Aufbau eines negativen Selbstbildes und die Ausprägung von Ängsten zur Folge. Inzwischen sei es bereits zu einer ausgeprägten Misserfolgserwartung und zu einer beginnenden Angstsymptomatik gekommen. Das Institut befürwortete eine Förderung im Umfang von 60 - 80 Therapieeinheiten. Die Kosten der Therapie wurden mit 460,00 DM/pro Monat bzw. 145,00 DM für eine einzelne Therapieeinheit von 45 - 55 Minuten Dauer angegeben.
5Am 2. Februar 1998 fand im xxx ein Gespräch statt, an dem die Eltern und auch die Klassenlehrerin, die Zeugin Frau xxxxxxxxxxx, teilnahmen mit dem Ergebnis, dass seitens der Lehrerin die Therapie dringend empfohlen wurde.
6Unter dem 5. Februar 1998 stellten die Kinderärzte xxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxx, xxxxxxxx, eine ärztliche Bescheinigung zur Vorlage beim Jugendamt aus, in der es u.a. heißt: "Das Kind xxxxxxxxx xxxxxxxxx ... steht in unserer ambulanten Betreuung. Er wurde uns in den letzten Monaten wiederholt wegen unerklärbarer Kopf- und Bauchschmerzen vorgestellt, die wir als psychosomatogen einstufen müssen. ..."
7Am 6. Februar 1998 sprach die Mutter des Klägers im Jugendamt vor und stellte einen Antrag, dem Kläger Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII durch Übernahme der Therapie seitens des xxx zu gewähren. Das Jugendamt verwies die Klägerseite zunächst zur Begutachtung an den Schulpsychologischen Dienst, Herrn xxxxxxx.
8Herr xxxxxxx erstellte unter dem 14. Mai 1998 einen Bericht über den Kläger mit folgendem Ergebnis: Es bestehe eine Rechenschwäche mittleren Ausprägungsgrades und eine schulisch relevante seelische Behinderung in Form einer situationsübergreifenden aggressiven inneren Anspannung. Hierauf beruhe eine auffällig geringe Frustrationstoleranz. Ferner könne aus dem Bericht der xxxxxxxxxxxxxxxx xxxxx- Grundschule geschlossen werden, dass die schulische Mathematikförderung nicht ausreiche. Eine außerschulische Rechenförderung durch eine pädagogische Fachkraft einzeln oder in einer Kleingruppe sei erforderlich. Sie könne in der Psychologischen Beratungsstelle durchgeführt werden.
9Durch Bescheid vom 14. September 1998 lehnte der Beklagte den auf das xxx bezogenen Antrag ab. In den Gründen heißt es: Eine Therapie dort verursache unverhältnismäßige Kosten. Da die erforderliche Leistung auch von der Psychologischen Beratungsstelle erbracht werden könne und dies keine zusätzlichen Mehrkosten verursache, scheide eine Übernahme durch das Jugendamt aus.
10Der Kläger legte hiergegen am 2. Oktober 1998 Widerspruch ein. In der Begründung des Rechtsbehelfs trug der spätere Prozessbevollmächtigte u.a. vor: Die Behandlung im xxx verursache keine unverhältnismäßigen Mehrkosten. Der Beklagte vergleiche nicht zusammenpassende Hilfearten, nämlich eine von der Psychologischen Beratungsstelle in Aussicht gestellte Nachhilfe einerseits und eine der Eingliederungshilfe zuzuordnende Therapie durch ein Spezialinstitut andererseits. Abgesehen davon müssten konkret ermittelte Kostenbestandteile miteinander verglichen werden, was nicht geschehen sei.
11Durch Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 1998 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. In den Gründen wird u.a. ausgeführt: Die Schulpsychologische Beratungsstelle sei für die Dyskalkuliebehandlung geeignet. Das Wunsch- und Wahlrecht des § 5 SGB VIII gelte nicht im Falle der Selbstbeschaffung der beantragten Leistung. Außerdem könne das Wunsch- und Wahlrecht nicht uneingeschränkt Berücksichtigung finden. Es erstrecke sich nicht auf Einrichtungen wie das xxx, die nicht als Träger der Jugendhilfe anerkannt seien. Einer uneingeschränkten Geltung des Wunsch- und Wahlrecht stehe auch die Gesamtverantwortung des Jugendamtes (§§ 79, 80 SGB VIII) entgegen. Das Jugendamt halte entsprechendes Personal vor, ein anzuerkennender weiter gehender Bedarf sei nicht dokumentiert. Der vorhandene Bedarf könne durch das Jugendamt ohne Zusatzkosten gedeckt werden.
12Daraufhin hat der Kläger am 24. Dezember 1998 Klage erhoben, über die nunmehr zu befinden ist.
13Schon kurz vor der Klageerhebung, am 18. Dezember 1998, hatte der Kläger bei dem erkennenden Gericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO gestellt (19 L 5778/98).
14Zur Begründung des Antrags berief er sich u.a. auf das Wunsch- und Wahlrecht und in diesem Zusammenhang darauf, das xxx sei Träger der freien Jugendhilfe. Durch Therapie bei dem xxx entstünden ferner keine unverhältnismäßigen Mehrkosten, weil der Beklagte die Kosten seiner eigenen Einrichtung zu niedrig ansetze.
15Der Beklagte hielt dem entgegen, das Wunsch- und Wahlrecht greife nicht, weil das xxx kein Träger der Jugendhilfe sei. Außerdem könne die Schulpsychologische Beratungsstelle die Therapie ungleich kostengünstiger anbieten. Schließlich äußerte er Zweifel an der bisher nicht bestätigten Eignung des xxx.
16Durch Beschluss vom 9. April 1999 lehnte die Kammer den Eilantrag mangels Anordnungsgrundes ab. In den Gründen des Beschlusses führte das Gericht aus: Gemäß den insoweit geltenden sehr strengen Voraussetzungen sei bereits die besondere Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung nicht glaubhaft gemacht. Schlechthin unzumutbare Folgen seien nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dargetan, wenn das Jugendamt die Kosten für die Behandlung durch das xxx nicht übernehme. Nach Aktenlage könne die Behandlung ohne weiteres von dem gleichwertigen Schulpsychologischen Dienst der Stadt xxxxxxxx fachgerecht und zureichend weitergeführt werden. Im Rahmen der Eilbedürftigkeit könnten auch die Gründe für die Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts herangezogen werden, die vorliegend eher zufälligen Charakter hätten. Außerdem sei der Anordnungsanspruch fraglich, weil die Zuverlässigkeit und die Eignung des xxx nicht festgestellt seien.
17Zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Beschwerde machte der Kläger u.a. geltend: Die Schulpsychologische Beratungsstelle sei der Klägerseite nicht zumutbar. Es sei zu Spannungen gekommen, weil die Mutter dort beleidigend ausgefragt worden sei.
18Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster lehnte den Zulassungsantrag durch Beschluss vom 27. Mai 1999 ab (16 B 879/99). In den Gründen heißt es u.a., im Hinblick auf die Angebote der Schulpsychologischen Beratungsstelle liege ein Anordnungsgrund nicht vor.
19Bereits 12. Februar 1998 hatte der Kläger die Therapie bei dem xxx in xxxxxxxxxx aufgenommen. Im Jahre 1998 fanden 33 Therapiestunden statt, im Jahre 1999 insgesamt 41, sodass in den Klagezeitraum 74 Therapiestunden fielen. Nach dem Vertrag zwischen dem xxx und den Eltern des Klägers ergaben sich insoweit Kosten von 10.555,00 DM. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus 435,00 DM für drei Therapieeinheiten zu jeweils 145,00 DM im Monat Februar 1998 sowie aus 10.120,00 DM als Summe der 22 Monatsraten zu jeweils 460,00 DM für die Zeit vom 1. März 1998 bis zum 31. Dezember 1999.
20Die Behandlung wurde auch im Jahre 2000 fortgesetzt.
21Während der überwiegenden Zeit führte das xxx die Therapie des Klägers als Einzeltherapie durch. Für die Dauer von etwa einem halben Jahr wurde der Kläger zusammen mit einem Mädchen therapiert. Diese "Zweiergruppe" wurde dann wegen unterschiedlicher Fortschritte der Kinder aufgelöst.
22Während der verbleibenden Grundschulzeit (2. Hj. des Schuljahres 1997/98, Schuljahr 1998/99 ) erzielte der Kläger insgesamt durchschnittliche Noten. Seine Leistungen im Fach Mathematik wurden wegen der festgestellten Dyskalkulie nicht bewertet.
23Mit Beginn des 5. Schuljahres wechselte der Kläger auf die xxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx in xxxxxxxxxxxxxxxx. Ausweislich der beiden Zeugnisse des 5. Schuljahres (1999/2000) erzielte er durchweg Noten im Bereich von ausreichend und befriedigend, lediglich im Fach Mathematik erhielt er mangelhaft.
24Mit seiner Klage erstrebt der Kläger die Bewilligung von Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII durch Übernahme der durch die Therapie seitens des xxx in der Zeit von Februar 1998 bis Dezember 1999 entstandenen Kosten in Höhe von 10.555,00 DM sowie als Nebenforderung die Zinsen gemäß § 44 SGB I.
25Zur Begründung seines Begehrens macht er im Wesentlichen geltend:
26Die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe lägen in seinem Fall unzweideutig vor. Er habe daher einen Anspruch auf Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung durch eine Dyskalkulietherapie gemäß § 35a SGB VIII iVm § 39, § 40 BSHG und § 12 der EingliederungshilfeVO.
27Auf Grund des Wunsch- und Wahlrechtes könne er ferner verlangen, dass ihm diese Hilfe durch das xxx gewährt werde. Dieses Wunsch- und Wahlrecht werde zunächst nicht durch die Selbstbeschaffung - die Deckung des Bedarfs ohne Mitwirkung des Beklagten - ausgeschlossen. Nach dem SGB VIII sei nämlich die Selbstbeschaffung grundsätzlich und nicht nur als Ausnahme zulässig.
28Bedenken gegen die Qualifikation des xxx entbehrten jeder Grundlage. Eine ganze Reihe von Jugendämtern arbeite - nach entsprechenden Überprüfungen - mit dem xxx zusammen. Das Institut gestalte die Therapie sorgfältig auf wissenschaftlich einwandfreien Grundlagen.
29Ferner verursache die Therapie durch das xxx keine unverhältnismäßigen Mehrkosten. Der Beklagte habe nämlich nur Nachhilfe angeboten, die mit der Behandlung durch das xxx nicht vergleichbar sei. Außerdem lägen nach veröffentlichten Berechnungen die zum Vergleich anstehenden Kosten einer kommunalen Beratungsstelle wie der des Beklagten jedenfalls nicht unter den Sätzen des Instituts.
30Das xxx sei als freigewerblicher Anbieter auch ein freier Träger der Jugendhilfe, dessen Dienste im Rahmen des Wunsch- und Wahlrechts in Anspruch genommen werden könnten. Den Begriff des freien Trägers habe der Gesetzgeber bewusst nicht definiert. Nach der Rechtslage dürften gewerbliche Erbringer von Leistungen nicht ausgeschlossen werden.
31Schließlich sei es dem Kläger und seinen Eltern nicht zumutbar, Leistungen des Beklagten in Anspruch zu nehmen, weil die Mutter im Zuge der Bearbeitung des Begehrens entwürdigend behandelt worden sei.
32Der Kläger beantragt,
331. den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 14. September 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1998 zu verpflichten, ihm - dem Kläger - Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten der Behandlung im "xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxx Institut" zu xxxxxxxxxx für die Zeit vom 12. Februar 1998 bis zum 31. Dezember 1999 in Höhe von 10.555,00 DM zu bewilligen, zuzüglich der Zinsen gemäß § 44 SGB I;
342.
353. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
364.
37Der Beklagte beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Er beruft sich im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Entscheidungen und tritt den Rechtsansichten der Klägerseite entgegen.
40Für das gerichtliche Verfahren hat der derzeitige Mathematiklehrer, Herr xxxxxxxxxxxxx, unter dem 3. November 2000 einen schriftlichen Bericht erstellt, in dem er auf die z. Zt. noch unzureichenden Leistungen des Klägers hinweist und prognostisch äußert, dass der Betroffene "bei weiterer Hilfestellung und nicht nachlassender Motivation" in absehbarer Zeit den Anschluss an den Lernstoff finden werde. Im Mathematikunterricht hinterlasse er einen psychisch gefestigten Eindruck, und auch sein Sozialverhalten im Klassenverband könne als recht positiv bezeichnet werden.
41In einem Zwischenbericht des xxx vom 6. Oktober 2000 heißt es abschließend, eine zeitliche Prognose für den Therapieabschluss gestalte sich angesichts des bisherigen Therapieverlaufs als schwierig, es sei aber davon auszugehen, dass es dem Kläger möglich sein werde, im Laufe dieses Schuljahrs die Therapie seiner Rechenschwäche und der sekundärneurotischen Symptome erfolgreich zu beenden.
42Das xxx ist inzwischen von der Schulpsychologischen Beratungsstelle der Stadtverwaltung xxxxxxxxxx begutachtet worden, wobei sich im Ergebnis Bedenken nicht ergeben haben. Das Institut wird von Jugendämtern der Umgebung sowie "in Einzelfällen" auch von dem Jugendamt der Stadt xxxxxxxxxx in Anspruch genommen. Teilweise übernehmen die Jugendämter die den Eltern berechneten Kosten von 460,00 DM pro Monat (das xxx hat Nachweise für xxxxxxx, xxxxxxxx, xxxxxxxxxxxxxxx, xxxxxxxxx und xxxxxxxx vorgelegt). Die Stadt xxx xxxxxxx übernahm in einem Einzelfall 80,00 DM pro Stunde. In der Regel übernimmt sie aber nur 60,00 DM pro Unterrichtseinheit mit der Begründung, die von der Behörde vorgeschlagenen Therapeuten arbeiteten zu diesem Satz.
43Auf Ersuchen des Gerichts hat der Beklagte einen fiktiven Stundensatz des eigenen Schulpsychologischen Beratungsdienstes ermittelt. Dieser liegt danach bei 142,72 DM (Aufstellung vom 2. November 2000, Bl. 237/238 der Gerichtsakten). Ebenfalls auf Ersuchen des Gerichts hat er weiter den Zeitaufwand für eine - fiktive - Therapie des Klägers durch seine Dienststelle berechnet. Danach kann von 40 Betreuungsstunden (Zeitstunden) pro Jahr ausgegangen werden zuzüglich 30 Stunden für Zusatzleistungen (Aufstellung vom 17. Januar 2001, Bl. 281/282 der Gerichtsakten). Die Therapie wäre gemäß den Erläuterungen der Beklagtenseite in den Verhandlungsterminen voraussichtlich während der ersten fünf Stunden als Einzeltherapie und vermutlich später in einer Zweiergruppe durchgeführt worden.
44Das Gericht hat Beweis erhoben über die Schullaufbahn des Klägers auf der Grundschule durch Vernehmung der Lehrerin Frau xxxxxxxxxxx als Zeugin, ferner durch Einholung einer amtlichen Auskunft der zuständigen Schulrätin, Frau xxxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 4. Dezember 2000 und vom 22. Januar 2001 verwiesen.
45Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des zugehörigen Eilverfahrens 19 L 5778/98 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
46Entscheidungsgründe
47Die Klage hat Erfolg.
48Sie ist für den gesamten Zeitraum vom 12. Februar 1998 bis zum 31. Dezember 1999 als Verpflichtungsklage, § 42 Abs. 1 VwGO, zulässig. Anfangszeitpunkt ist - wie von der Klägerseite beantragt - der Beginn der Therapie. Endzeitpunkt ist dagegen nicht, entspre-chend den im Sozialhilferecht geltenden Regeln, das Ende eines (monatlichen) Bewilligungszeitraums, in dem der Widerspruchsbe-scheid konzipiert worden ist. Das wäre vorliegend der 31. Dezember 1998. Vielmehr erfassen die angefochtenen Ver-waltungsentscheidungen bei der gebotenen Auslegung auch das Jahr 1999. Nach der ständigen Praxis des Gerichts sind im Jugend-hilferecht eigenständige Bewilligungszeiträume zu bilden, die den Besonderheiten dieses Rechtsgebiets Rechnung tragen. Vorliegend bietet sich die zunächst prognostizierte - voraussichtliche - Dauer der Therapie von etwa zwei Jahren an, für den auch die Hilfe beantragt worden war. Ein solches Begehren ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Antragsschrift vom 6. Februar 1998, wohl aber bei verständiger Würdigung dieses Antrags in Verbindung mit der gleichzeitig vorgelegten Bescheinigung des xxx, in der 60 - 80 Therapieeinheiten, mithin eine Behandlungsdauer von etwa zwei Jahren, empfohlen wurden.
49Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Die ablehnenden Entscheidungen des Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. Er hat einen Anspruch auf die begehrte Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII.
50Rechtsgrundlage ist § 35a Abs. 1 SGB VIII in der Fassung des Gesetzes vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1088). Nach dieser Vorschrift haben Kinder und Jugendliche, die seelisch behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Anspruch auf Eingliederungshilfe.
51Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der Norm.
52Die "seelische Behinderung" ist in Fällen der vorliegenden Art in drei Schritten festzustellen:
53Zunächst muss eine Teilleistungsstörung (z.B. Dyslexie / Legasthenie, Dyskalkulie oder Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) vorliegen. Diese Teilleistungsstörung muss Hauptursache für eine "seelische Störung" (Neurose oder sonstige seelische Störung) sein, die ihrerseits zu Beeinträchtigungen bei der "Eingliederung in die Gesellschaft" (Störungen des Sozialverhaltens mit dem Ergebnis einer dissozialen Entwicklung, einer sog. "sekundären Neurotisierung") führt,
54vgl. Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, 2. Aufl. 2000, vor § 35a, Rdnr. 34; Vondung in Lehr- und Praxiskommentar zum SGB VIII (LPK-SGB VIII), 1998, § 35a Rdnr. 6 u. 7; BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 - , FEVS 49, 487; Urteil vom 19. Juni 1984 - 5 C 125.83 - , FEVS 33, 457; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. April 1996 - 6 S 827/95 - , FEVS 47, 309.
55Soweit es um das "Drohen" einer seelischen Behinderung geht, muss die Teilleistungsstörung selbst zweifelsfrei festgestellt werden. Ist infolge der Teilleistungsstörung eine "seelische Störung" entstanden, bedarf es einer Prognose, dass deshalb mit einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad Beeinträchtigungen bei der "Eingliederung in die Gesellschaft" eintreten werden. Diese Anforderungen ergeben sich aus § 5 EingliederungshilfeVO, der wegen der Verweisung in § 35a Abs. 2 Nr. 1 und 3 SGB VIII Anwendung findet.
56vgl. Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, 2. Aufl. 2000, § 35a, Rdnr. 8b; Vondung in LPK-SGB VIII, § 35a, Rdnr. 8; BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 - , FEVS 49, 487; Beschluss vom 5. Juli 1995 - 5 B 119.94 - , Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 12; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 4. November 1994 - 9 S 1462/96 - (Berufungsurteil zu der erstgenannten Entscheidung); Urteil vom 13. November 1996 - 6 S 1350/94 - , FEVS 47, 342.
57Auf den Kläger bezogen kann mindestens von einer "drohenden Behinderung" ausgegangen werden.
58Eine Teilleistungsstörung in Form der Dyskalkulie liegt vor. Die Beteiligten sind insoweit nur hinsichtlich des Grades der Dyskalkulie nicht ganz einig: Der Beklagte geht von einer "Rechenschwäche mittleren Ausprägungsgrades" aus, der Kläger von "Rechenschwierigkeiten sehr schweren Ausprägungsgrades". Das Gericht hat nach den übereinstimmenden Befunden sowohl des Schulpsychologischen Dienstes des Beklagten als auch des xxx keine Bedenken gegen die Diagnose, dass der Kläger zumindest an einer "Rechenschwäche mittleren Ausprägungsgrades" leidet.
59Auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für eine drohende Behinderung sind im Verwaltungsverfahren zureichend belegt worden.
60Infolge der Dyskalkulie war es bei dem Kläger bis zu dem Beginn der Behandlung Anfang 1998 bereits zu einer "sonstigen seelischen Störung" gekommen. Das xxx diagnostizierte nämlich auf der Grundlage der Dyskalkulie den Aufbau eines negativen Selbstbildes und die Ausprägung von Ängsten. Außerdem stellte das Institut eine ausgeprägte Misserfolgserwartung sowie eine beginnende Angst-symptomatik fest. Herr xxxxxxx von dem Schulpsychologischen Dienst des Beklagten fasste sein Untersuchungsergebnis - den Feststellungen des xxx nicht widersprechend - dahingehend zusammen, es bestehe infolge der Teilleistungsstörung eine schulisch relevante seelische Behinderung in Form einer situationsübergreifenden aggressiven inneren Anspannung mit der Folge einer auffällig geringen Frustrationstoleranz.
61Gemäß diesen nachvollziehbaren und einleuchtenden Feststellungen lag bereits bei Behandlungsbeginn eine "seelische Störung" vor mit der Folge der konkreten Gefahr und der hohen Wahrscheinlichkeit einer darauf beruhenden Beeinträchtigung der Eingliederung in die Gesellschaft.
62Damit hat der Kläger grundsätzlich Anspruch auf die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen, um der drohenden Behinderung entgegenzuwirken. § 35a SGB VIII verweist insoweit zunächst auf § 39 Abs. 3 und § 40 BSHG.
63Nach der erstgenannten Bestimmung ist es Aufgabe der Eingliederungshilfe, (1.) eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und (2.) den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern. Zu den Maßnahmen der Eingliederungshilfe gehört auch die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung, § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG, § 12 EingliederungshilfeVO. Hierunter fällt - vorbehaltlich der vorrangigen schulischen Hilfen - die von beiden Parteien für erforderlich erachtete Therapie.
64Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Eltern des Klägers nach Antragstellung bei der Behörde die Behandlung ohne Zustimmung und Mitwirkung des beklagten Jugendamtes begonnen, sich mithin die streitige Leistung selbst beschafft haben.
65Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht eine solche "Selbstbeschaffung" dem Anspruch nicht entgegen. Das Jugendamt muss auch für bei ihm beantragte Maßnahmen eintreten, die es tatsächlich nicht verantwortet hat, wobei die materiell-rechtlichen Leistungsvoraussetzungen unberührt bleiben,
66vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 1987 - 5 B 50.87 - , FEVS 37, 133; Beschluss vom 19. April 1991 - 5 CB 2.91 - ; Urteil vom 27. Mai 1993 - 5 C 41.90 - , FEVS 44, 309; auch Urteil vom 8. Juni 1995 - 5 C 30.93 - , FEVS 46, 94; Urteil vom 27. Januar 2000 - 5 C 19.99 - , FEVS 51, 347.
67Dem schließt sich das Gericht an.
68Damit ist die früher auf Behördenseite wohl in ständiger Praxis vertretene Auffassung überholt, dass die Jugendämter nur für solche Maßnahmen finanziell aufkommen müssen, die sie tatsächlich selbst veranlasst und begleitet haben. Diese Auffassung hatte zur Folge, dass eine Kostenübernahme durch das Jugendamt dann ausschied, wenn der Hilfe Suchende sich nach Antragstellung, aber vor einer möglichen Bewilligung oder nach Ablehnung während der laufenden Rechtsmittelverfahren die begehrte Leistung selbst beschafft hatte,
69vgl. Mrozynski, Kommentar zum SGB VIII, 3. Aufl. (1998), § 5, Rdnr. 7, mit einer klaren Darlegung dieser Auffassung.
70Die Voraussetzungen für eine zulässige Selbstbeschaffung sind im vorliegenden Fall erfüllt. Nach Antragstellung bei der Behörde am 6. Februar 1998 haben die Eltern mit dem 12. Februar 1998 die Behandlung durch das xxx begonnen. Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen ist der Fall nicht anders zu behandeln als eine von dem Jugendamt begleitete Therapie.
71Dahinstehen kann, ob das Selbstbeschaffungsrecht wesentlich weiter, nämlich dahingehend verstanden werden kann, dass weder Antrag noch Kenntnis des Jugendamtes zeitlich vor der Maßnahme, für die es eintreten soll, erforderlich sind.
72Das kann allerdings den zuletzt zitierten Entscheidungen des BVerwG nicht entnommen werden. Die Auffassung wird aber vertreten z.B. von Wiesner, SGB VIII, 2. Aufl. (2000), vor § 11, Rdnr. 29, und insbesondere 75-76, § 5 Rdnr. 21; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 1999 - 2 S 196/99 - ; kritisch dazu Mrozynski, Kommentar zum SGB I, 2. Aufl. (1995), § 40, Rdnr. 12.
73Der Leistungspflicht des Beklagten steht ferner der Nachrang der Jugendhilfe gegenüber Maßnahmen aus dem Schulbereich nicht entgegen. Insbesondere kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, er habe es unterlassen, gegenüber der Schulverwaltung Hilfemaßnahmen durchzusetzen.
74Unbestrittener Ausgangspunkt ist hierbei, dass schulische Maßnahmen gemäß § 10 SGB VIII Vorrang vor der Jugendhilfe haben,
75vgl. zur sozialhilferechtlichen Problemlage: OVG NW, Urteil vom 14. April 1999 - 24 A 118/96 - , FEVS 51, 120; ferner - vom Ansatz her - Urteil vom 15. Juni 2000 - 16 A 3108/99 - , DVBl. 2000, 1793; OVG Bremen, Beschluss vom 10. Dezember 1998 - BB 421/98 - , FEVS 51, 182.
76Der Vorrang kommt jedoch nur dann zum Zuge, wenn es sich bei den "schulischen Maßnahmen" um präsente Mittel handelt. Das ist dann der Fall, wenn die Schule die Hilfen tatsächlich anbietet und auch leistet, oder wenn die Mittel kurzfristig, z.B. in einem gerichtlichen Eilverfahren, präsent gemacht werden können. Ausgeschieden werden hierbei solche Begehren, die allenfalls in einem langwierigen Rechtsmittelverfahren durchgesetzt werden könnten,
77vgl. zu den Rechtsfragen: BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 1999 - 5 B 137.98 - , FEVS 49, 433; Beschluss vom 13. Mai 1996 - 5 B 52.96 - , Buchholz, 436.0 § 2 BSHG Nr. 20; Urteil vom 5. Mai 1983 - 5 C 112.81 - , BVerwGE 67, 163 (167) = FEVS 33, 5 (8).
78Erforderlich ist eine Prognose, ob das (Eil-)Verfahren mit gewisser Sicherheit kurzfristig zu Gunsten der Klägerseite abgeschlossen werden kann.
79Hinzu kommt noch, dass der Verweis jedenfalls auf die präsent zu machenden Mittel für die Eltern und das Kind zumutbar sein müssen,
80vgl. zu Zumutbarkeitsgesichtspunkten: BVerwG, Urteil vom 23. November 1995 - 5 C 13.94 - , FEVS 46, 397,
81wobei auch der für die Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt eine erhebliche Rolle spielt.
82Die Variante, dass die Schule die Hilfen tatsächlich anbietet und leistet - eine Möglichkeit, auf die der Kläger vorab zumutbarerweise hätte verwiesen werden können - kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil die Schule die erforderlichen Hilfen nicht angeboten hat. Die Vernehmung der Zeugin Frau xxxxxxxxxxx sowie die amtliche Auskunft der Schulrätin, Frau xxxx, hat insoweit ergeben, dass die Zeugin den vorgeschriebenen (allgemeinen) Förderunterricht angeboten und dem Kläger außerdem Arbeitsblätter aus dem Material für eine niedrigere Klasse zur Verfügung gestellt und einen älteren, ihr als zuverlässig bekannten Schüler als "Nachhilfelehrer" vermittelt hat. Das alles sind schon vom Ansatz her keine "zusätzlichen Fördermaßnahmen", wie sie der Kläger zur Aufarbeitung seiner Dyskalkulie benötigt hätte. Vergleichsmaßstab sind vielmehr die "zusätzlichen Fördermaßnahmen", insbesondere die außerhalb der Stundentafel durchgeführten schulischen Förderkurse, wie sie für den vergleichbaren Bereich der Legasthenie in dem einschlägigen Runderlass vorgesehen sind,
83vgl. Runderlass des Kultusministeriums vom 19. Juli 1991 betr. "Förderung von Schülerinnen und Schülern bei besonderen Schwierigkeiten im erlernen des Lesens und Rechtschreibens (LRS)", GABl. NW I S. 174, inzwischen geändert durch Runderlass vom 18. Juni 1998, Abl. NRW 1 S. 126 (in der jeweils geltenden Fassung abgedruckt in der jährlich erscheinenden "Bereinigten Amtlichen Sammlung der Schulvorschriften" des Landes Nordrhein-Westfalen - BASS -).
84Auf ein vergleichbares - bereitstehendes - schulisches Angebot vermochte der Kläger nicht zurückzugreifen. Zwar hatte sich die Schule um einen Sonderpädagogen bemüht, doch hatte dies gemäß der Aussage der Zeugin Frau xxxxxxxxxxx (Protokoll der Sitzung vom 4. Dezember 2000, Seite 7 Mitte) aus Kostengründen keinen Erfolg.
85Die insoweit auch denkbare Hilfe dadurch, dass das Kind eine Klasse wiederholt, scheidet vorliegend aus tatsächlichen Gründen aus, weil damit das Problem der Dyskalkulie bei dem Kläger nicht behoben werden konnte. Ausweislich der - ohne weiteres nachvollziehbaren - Erläuterungen, die Herr xxxxxxxxx vom xxx in den beiden Verhandlungsterminen gemacht hat, und denen die anwesenden Fachleute des Beklagten nicht widersprochen haben, beruht die Dyskalkulie nach dem heute vorherrschenden Verständnis darauf, dass das betroffene Kind oft bereits im Vorschulalter das Vorstellungsvermögen nicht hinreichend entwickelt hat, auf dem später die mathematische Ausbildung aufbauen müsste. Es fehlt damit ein grundlegendes Fundament, das durch das Wiederholen einer Jahrgangsstufe ebenso wenig gelegt werden kann wie durch Nachhilfeunterricht.
86Dem Kläger kann im Ergebnis auch nicht entgegengehalten werden, er hätte zunächst vorrangige Ansprüche gegen die Schulverwaltung geltend machen müssen. Der Verweis auf den Besuch einer Sonderschule oder - stattdessen - auf eine entsprechende sonderpädagogische Förderung in einer Grundschule scheidet bereits aus Rechtsgründen aus. Ein Eilverfahren mit dem Ziel, eine Förderung in analoger Anwendung des genannten LRS-Runderlasses des Kultusministeriums durchzusetzen, wäre zwar seinerzeit möglicherweise in Betracht gekommen, einer Berücksichtigung zu Lasten des Klägers stehen aber heute Zumutbarkeitsgesichtspunkte entgegen.
87Im Einzelnen:
88Auf den Besuch einer Sonderschule konnte der Kläger aus Rechtsgründen nicht verwiesen werden, weil die Schulverwaltung eine entsprechende Entscheidung nicht getroffen hatte und dem Kläger sowie seinen Eltern von vornherein nicht angesonnen werden konnte, einen diesbezüglichen Antrag zu stellen.
89Das BVerwG hat bereits mit
90Urteil vom 16. Januar 1986 - 5 C 36/84 - , NDV 1986, 291,
91entschieden, dass der Träger der Sozialhilfe - entsprechendes muss für die Jugendhilfe gelten - regelmäßig an die Entscheidungen der Schulverwaltung gebunden ist. Ist der Schüler schulrechtlich einem bestimmten Schultyp zugewiesen, muss sich der Sozialhilfeträger in der Regel daran halten. Die Entscheidung ist zwar zu hessischem Landesrecht ergangen. Die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen weicht davon insoweit aber nicht erheblich ab,
92vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2000 - 16 A 3108/99 - , DVBl. 2000, 1793, dem die Kammer insoweit folgt.
93Der - grundsätzliche - Vorrang schulrechtlicher Entscheidungen wird im Sozialhilferecht heute durchweg anerkannt,
94vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Februar 1988 - 4 B 94/88 - , FEVS 38, 459; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Mai 1995 - 7 S 259/94 - , ESVGH 45, 292; OVG Bremen Urteil vom 28. Juni 1990 - 3 A 142/90 - , NJW 1991, 585.
95Die Auffassung des früher für das Sozialhilferecht zuständigen 8. Senats des OVG NRW in dem
96Beschluss vom 28. Juni 1996 - 8 B 122/96 - , FEVS 47, 153,
97die Eltern müssten gegebenenfalls einen Antrag auf Zuweisung des Kindes zur Sonderschule stellen, lässt sich auf dem Hintergrund des vor einigen Jahren in das Grundgesetz eingefügten ausdrücklichen Verbots der Benachteiligung von Behinderten (Art. 3 Abs. 3 S. 2) nach dem Urteil des
98BVerfG vom 8. Oktober 1997 - 1 BvR 9/97 - , BVerfGE 96, 288
99nicht aufrechterhalten. Gleiches gilt erst Recht für den schlichten Verweis des Hilfe Suchenden auf den Besuch einer Sonderschule (aus Kostengründen) in dem
100Beschluss des Hess. VGH vom 9. Juni 1999 - 1 TG 759/99 - , FEVS 51, 315.
101Vielmehr sind die Schulbehörden bereits unmittelbar auf Grund Verfassungsrechts verpflichtet, alle zumutbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um einem behinderten Kind den Besuch der allgemeinen Schule zu ermöglichen, wenn sich seine Eltern in seinem Interesse entsprechend entscheiden,
102vgl. Jürgens/Römer, Aufnahme von Behinderten in allgemeine Schule, NVwZ 1999, 847 (Besprechung des Beschlusses des OVG Sachsen-Anhalt vom 26. August 1997 - B 2 S 297/97, NVwZ 1999, 898); siehe auch Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art. 3, Rdnr. 5021; Osterloh in Sachs, GG, 2. Aufl. (1999), Art. 3, Rdnr. 312; Jarass/Pieroth, GG, 5. Aufl., Art. 3, Rdnr. 110.
103Der Kläger und seine Eltern waren ferner nicht gehalten, Ansprüche betreffend eine sonderpädagogische Förderung an der Grundschule zu betreiben, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Förderung nicht erfüllt waren.
104§ 7 des Gesetzes über die Schulpflicht im Lande Nordrhein- Westfalen vom 2. Februar 1980, in der aktuellen Fassung abgedruckt im SGV.NRW. 223, (SchulpflG) sieht zunächst eine sonderpädagogische Förderung Schulpflichtiger vor, die in der Primarstufe sowohl in einer Sonderschule als auch in der Grundschule erfolgen kann. Die Einzelheiten sind in der Verordnung über die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und die Entscheidung über den schulischen Förderort vom 22. Mai 1995 (VO-SF), SGV.NRW. 223, abgedruckt auch in der BASS unter 14-03 Nr. 2.1, geregelt.
105Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 VO-SF sind Behinderungen, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf begründen können, Lern- und Entwicklungsstörungen (Lernbehinderung, Sprachbehinderung, Erziehungsschwierigkeit). Gemäß der Definition in § 5 Abs. 1 VO-SF liegt eine Lernbehinderung vor, wenn die Lern- und Leistungsausfälle schwer wiegender, umfänglicher und langdauernder Art sind und durch Rückstand der kognitiven Funktionen oder der sprachlichen Entwicklung oder des Sozialverhaltens verstärkt werden. Wie die Schulrätin im Zuge ihrer amtlichen Auskunft dargelegt hat, fehlt es bei Teilleistungsstörungen nach Auffassung der Schulverwaltung regelmäßig an dem Merkmal "umfänglicher Art." Eine solche Auffassung ist jedenfalls bei einer summarischen Überprüfung, wie sie hier ansteht, nicht zu beanstanden.
106Aus jugendhilferechtlicher Sicht wäre seinerzeit aber möglicherweise ein Eilverfahren gegen die Schulverwaltung mit dem Ziel in Betracht gekommen, einen Anspruch auf sonstige Fördermaßnahmen abzuklären. Für Kinder mit der der Dyskalkulie vergleichbaren Lese- und Rechtschreibschwäche gibt es seit vielen Jahren eine solche Förderung gemäß dem bereits genannten, sehr eingehenden LRS-Runderlass. Für die Dyskalkulie sowie sonstige Teilleistungsstörungen fehlen in NRW jegliche Regelungen. Es spricht aber einiges dafür, dass ein Anspruch des Klägers auf notwendige Fördermaßnahmen trotzdem hinreichend wahrscheinlich ist und deshalb vorrangig hätte verfolgt werden können.
107Für einen solchen Anspruch ließe sich zunächst anführen, dass das im Bereich der Teilleistungsstörungen lückenhafte und völlig unzureichende schulische Angebot den unverzichtbaren Mindeststandard ersichtlich unterschreitet und den schulischen Bildungsauftrag evident verletzt.
108Zwar kann sich grundsätzlich ein subjektives Recht auf bestimmte schulische Leistungen,
109vgl. dazu Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 2000, Rdnr. 356 ff.,
110nur aus einer Anspruchsnorm ergeben,
111vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 1979 - 7 B 139.79 - , DÖV 1979, 911,
112der Rückgriff auf ein "Recht auf Bildung" und Verfassungsnormen wie Art 8 Abs. 1 S. 1 Verf NRW ("Jedes Kind hat Anspruch auf Erziehung und Bildung") führt in der Regel nur weiter, soweit sie in einfaches Recht umgesetzt worden sind. Sämtlichen unterschiedlichen Begabungen kann das öffentliche Schulwesen nicht in vollem Umfang Rechnung tragen. Das staatliche Bildungsangebot darf aber den nach allgemeinen Anforderungen unverzichtbaren Mindeststandard nicht unterschreiten. Außerdem darf keine evidente Verletzung des Bildungsauftrages hingenommen werden,
113vgl. dazu Niehues, a.a.O., Rdnr. 361/362; s. auch Geller/Kleinrahm, Verfassung des Landes NRW, 3. Aufl., 2. Erg.-Lfg. (1994), Art. 8, Anm. 2a) bb).
114Aus dem Anspruch Behinderter auf schulische Bildung ohne Benachteiligung,
115vgl. dazu Sachs, GG, 2. Aufl. (1999), Art. 3 Rdnr. 316,
116lässt sich ableiten, dass die von Dyskalkulie Betroffenen einen Anspruch haben, an einer allgemeinen Schule entsprechend gefördert zu werden, und dass die Beschränkung der Fördermöglichkeit auf die Legasthenie jedenfalls inzwischen dazu führt, dass im Übrigen der "unverzichtbare Mindeststandard" unterschritten wird und die Schulverwaltung ihren Bildungsauftrag "evident" verletzt. Hierfür sind drei Gesichtspunkte maßgeblich:
117Erstens kann die Dyskalkulie wie auch die übrigen Teilleistungsstörungen zu von der Norm abweichenden Verhaltensweisen und Problemen bei der Eingliederung in die Gesellschaft, mithin zu "seelischen Behinderungen" führen. Es ist aber eine wesentliche Aufgabe der Schule, nicht nur Behinderten nach den bereits genannten Bestimmungen des SchulpflG und der VO-SF mit sonderpädagogischen Mitteln eine zureichende Bildung zu ermöglichen, sondern auch, alles zu unternehmen, um eine durch den Schulbesuch drohende Behinderung nicht eintreten zu lassen.
118Zweitens handelt es sich bei den Teilleistungsstörungen und insbesondere der Dyskalkulie nicht um Randerscheinungen im schulischen Bereich, für welche die Verwaltung u.U. eine generelle Vorsorge nicht treffen müsste. Vielmehr wird von Teilleistungsstörungen ein erheblicher Prozentsatz der Schüler betroffen. Wie in der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2001 erörtert, schätzt der von dem Gericht in anderen Sachen als Gutachter herangezogene Leiter des Schulpsychologischen Dienstes der Stadt xxxxxxxxxx, Herr xxxxxxxxxxx, dass 10 - 15 % aller Schüler an Teilleistungsstörungen leiden. Herr xxxxxxxxx vom xxx hat, ebenfalls in der genannten mündlichen Verhandlung, glaubhaft von ihm bekannten wissenschaftlichen Untersuchungen berichtet, wonach allein die Dyskalkulie bei etwa 4 - 6 % aller Grundschulkinder diagnostiziert werden kann; eine in Vorbereitung befindliche neuere Studie käme sogar zu höheren Werten (zwischen 6 und 10 %).
119Drittens geht es bei der Dyskalkulie um ein Versagen in einem heute unverzichtbaren Kernfach, der Mathematik. Ohne solide mathematisch-naturwissenschaftliche Kenntnisse wird zudem eine Eingliederung in das Arbeitsleben in der Regel erheblich behindert. Dadurch, dass insoweit keine Fördermöglichkeit bereitgestellt wird, fehlt ein wesentlicher Teil des schulischen Angebots.
120Unabhängig von diesen Erwägungen lässt sich ein Anspruch des Klägers gegen die Schulverwaltung auf Fördermaßnahmen in der Weise begründen, dass man den LRS-Erlass mit dem Gleichheitsgebot des Art. 3 GG und unter Rückgriff auf Art. 8 Verf NW sowie das Verbot der Benachteiligung Behinderter entsprechend anwendet. Die Teilleistungsstörungen Legasthenie und Dyskalkulie sind hinsichtlich ihrer Folgen und auch ihrer Behandlung parallel zu sehen. Der Grund dafür, dass vergleichbare Regelungen für die Dyskalkulie fehlen, hat ihre Ursache darin, dass diese Teilleistungsstörung - im Gegensatz zur Legasthenie - erst in jüngerer Zeit die nötige Aufmerksamkeit gefunden hat. Die Erlasslage kann demgemäß nur "historisch" verstanden werden, was auch von der in der mündlichen Verhandlung dazu befragten Schulrätin so gesehen wurde. Die in dem LRS-Erlass vorgesehenen Fördermöglichkeiten dienen auch dem Zweck, der ansonsten durch die Beschulung wegen der Legasthenie drohenden seelischen Behinderung vorzubeugen. Diesem Ziel ist aber die Schulverwaltung in gleicher Weise auch gegenüber Kindern ver-pflichtet, die an Dyskalkulie oder dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom leiden.
121Dass schulische Fördermaßnahmen der genannten Art im Falle des Klägers - ausnahmsweise - von vornherein unzureichend gewesen sein könnten, ist nicht ersichtlich. Zudem hätten in Anlehnung an die Regelung unter Nr. 2.6 des genannten Erlasses intensive schuli-sche Fördermaßnahmen zunächst einmal versucht werden müssen, bevor ein Verweis auf außerschulische Förder- und Therapiemöglichkeiten in Betracht gekommen wäre. In der genannten Bestimmung heißt es ausdrücklich:
122"Trotz intensiver schulischer Fördermaßnahmen ist es möglich, dass einzelne Schülerinnen und Schüler die für das Weiterlernen grundlegenden Kenntnisse und Fertigkeiten ... nicht erwerben. ...
123Die Schule weist in diesem Fall die Erziehungsberechtigten auf geeignete außerschulische Förder- und Therapiemöglichkeiten hin (z.B. Schulpsychologische Beratungsstellen ...). Werden über die schulische Förderung hinaus außerschulische Maßnahmen durchgeführt, sollen diese miteinander abgestimmt werden."
124Dem Anspruch des Klägers stünde schließlich nicht entgegen, dass die Schulverwaltung - nach dem bisherigen Erkenntnisstand - möglicherweise eine zusprechende gerichtliche Entscheidung nicht umsetzen würde. Diese würde aber nicht ins Leere laufen, weil die Schulverwaltung ggf. die entsprechenden - vorhandenen - kommunalen oder freien Anbieter heranziehen könnte. Dass dafür Haushaltsmittel nicht vorgesehen sind, steht einer Durchsetzung eines festgestellten Anspruchs anerkanntermaßen nicht entgegen,
125zur Frage, dass der Mangel an Haushaltsmitteln die Weigerung nicht rechtfertigt, rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen, vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, 11. Aufl. (1999), § 30 Rdnr. 9.
126Ob im Ergebnis ein kurzfristig durchsetzbarer Anspruch des Klägers gegen die Schulverwaltung bestanden hat oder zumindest hinreichend wahrscheinlich war, braucht hier nicht abschließend beurteilt zu werden. Die Frage kann letztlich dahinstehen, weil dem Kläger und seinen Eltern ein Vorgehen gegen die Schulverwaltung, insbesondere in einem Eilverfahren, nicht zumutbar war. Dies ergibt sich aus dem früheren Verhalten des Beklagten in Verbindung mit dem Umstand, dass sich seinerzeit ein Vorgehen der genannten Art insbesondere mangels einer eindeutigen, ausdrücklich normierten Rechtsgrundlage nicht aufgedrängt hat.
127Da die tatsächlichen Abläufe in der Vergangenheit nicht geändert werden können, ist für die Zumutbarkeitserwägungen eine Betrachtung erforderlich, bei der die Betroffenen nicht gewissermaßen im Nachhinein mit Anforderungen überzogen werden, die sie seinerzeit nicht erkennen und berücksichtigen konnten.
128Unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes
129vgl. dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 1, 11. Aufl. (1999), § 30 Rdnr. 7 (Verpflichtung der Behörde zu einem durch die Rechtssicherheit gebotenen Vertrauensschutz); Sommermann in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. (2000), Art. 20 Abs. 2, Rdnr. 282 ff. (Vertrauensschutz als wesentliches Merkmal der Rechtssicherheit); Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art. 20, Rdnr. 1531 ff.
130darf sich das Jugendamt heute gegenüber dem Kläger nicht darauf berufen, Leistungen der Schule seien vorrangig gewesen. Seinerzeit hat die Schule keine eigenen Leistungen angeboten, sondern auf externe - außerhalb des Schulbereichs in Anspruch zu nehmende - Hilfen verwiesen, wie sich aus der Aussage der Zeugin, Frau xxxxxxxxxxx, und der amtlichen Auskunft der Schulrätin, Frau xxxx, ergeben hat. Das beklagte Jugendamt hat den Kläger nicht zunächst an die Schule verwiesen, sondern den Anspruch nach § 35a SGB VIII grundsätzlich anerkannt. Streitig waren in der Folgezeit nur Einzelheiten der Ausgestaltung dieses Anspruchs. Die Frage nach einem vorrangigen Anspruch gegen die Schulverwaltung ist frühestens im Vorfeld der voraufgegangenen mündlichen Verhandlung am 4. Dezember 2000 aufgeworfen worden, d.h. lange nach dem Ende des in Rede stehenden Bewilligungszeitraumes.
131Das Vertrauen der Klägerseite in das Verhalten des Beklagten und der Schule erweist sich auf der vorgenannten Grundlage weiterhin auch deshalb als schutzwürdig, weil sich damals mögliche Ansprüche gegen die Schulverwaltung mangels einer ausdrücklich formulierten, eindeutigen Rechtsgrundlage nicht aufgedrängt haben und zudem seinerzeit die Dyskalkulie im Gegensatz zur Legasthenie noch nicht in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt war.
132Ob der (vorleistende) Beklagte die Schulverwaltung in Rückgriff nehmen kann, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Das Gericht weist aber in diesem Zusammenhang auf die in der Literatur vertretene Auffassung hin, der Jugendhilfeträger könne die "vorgeleisteten" Therapiekosten von der "säumigen" Schulverwaltung nach Maßgabe des § 95 SGB VIII zurückfordern,
133Wiesner, SGB VIII, 2. Aufl. (2000)), § 10, Anm. 25 am Ende, mwN.
134Kann nach alledem der Kläger nicht auf schulische Leistungen verwiesen werden, ist der Beklagte auf Grund des Wunsch- und Wahlrechts, § 5 SGB VIII, verpflichtet, dem Kläger die erforderliche Eingliederungshilfe durch Übernahme der Therapiekosten des xxx zu bewilligen.
135Nach Absatz 1 der genannten Bestimmung haben die Leistungsberechtigten das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Absatz 2 bestimmt, dass der Wahl und den Wünschen entsprochen werden soll, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist.
136Ausgangspunkt für das Wunsch- und Wahlrecht - hier geht es nur um das Wahlrecht,
137vgl. zur Abgrenzung der beiden Alternativen: Papenheim in LPK-SGB VIII, 1. Aufl. 1998, § 5, Rdnr. 2-4,
138das Recht zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen - ist die dem Jugendamt eingeräumte Befugnis betreffend die Auswahl des Dienstes, der die Behandlung durchführen soll. Das Wahlrecht des Hilfeempfängers schränkt diese Befugnis der Behörde in erheblichem Umfang ein. Sinn der Regelung, deren Formulierung im Wesentlichen auf die Arbeit des 13. Ausschusses des Deutschen Bundestages im Gesetzgebungsverfahren zurückgeht, ist es, den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, die Angebote unterschiedlicher Träger tatsächlich zu nutzen, und dadurch ein plurales Angebot zu Gewähr leisten,
139vgl. Bundestagsdrucksache 11/6748 (Beschlussempfehlung und Bericht des 13. Ausschusses), S. 6 und 80.
140Im vorliegenden Fall vermag der Beklagte das xxx als Fremdanbieter nicht mit dem Ziel auszuschließen, die Leistungen selbst zu erbringen.
141Das xxx ist - entgegen der Auffassung des Beklagten - ein "Träger" im Sinne der Bestimmung.
142Zunächst steht dem nicht entgegen, dass es sich bei dem Institut um einen kommerziellen Leistungsanbieter handelt.
143Ob es als solcher unter den Begriff des "Trägers" i.S. des § 5 SGB VIII fällt, lässt sich indes dem Gesetzeswortlaut unmittelbar nicht entnehmen.
144Das Gesetz enthält keine Begriffsbestimmung des "Trägers" der freien Jugendhilfe (um einen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, § 69 Abs. 1 s. 1 SGB VIII, geht es hier nicht). Der Begriff ist für sich genommen so neutral, dass davon jeder erfasst werden kann, der Jugendhilfeleistungen erbringt, mithin auch ein gewerblicher Anbieter.
145Nach dem System der Vorschriften des SGB VIII insgesamt - in einigen Bestimmungen werden Trägergruppen und bestimmte Eigenschaften von Trägern genannt, vgl. § 4 Abs. 3, § 11 Abs. 2, § 12, § 74 und § 75 - sprechen bereits überwiegende Gründe dafür, dass als Träger der freien Jugendhilfe jede Personengruppe, Initiative, Personenvereinigung oder juristische Person in Betracht kommt, die auf dem Gebiet der Jugendhilfe ohne gesetzliche Verpflichtung auf Grund eigener freier Entscheidung tätig wird,
146so überzeugend Papenheim in LPK-SGB VIII, 1. Aufl. 1998, § 3 Rdnr. 10.
147Insbesondere in § 74 und § 75 SGB VIII werden zusätzliche Anforderungen (für die Förderung und die Anerkennung) normiert, die einen weiten Trägerbegriff voraussetzen und darauf aufbauen.
148Würdigt man in diesem Zusammenhang weiter das Vorgehen des "historischen" Gesetzgebers und seine Zielvorstellungen, ergibt sich ebenfalls, dass freigewerbliche Anbieter nicht aus dem Kreis der "Träger" ausgeschlossen sind.
149Das SGB VIII enthält auf Grund bewusster gesetzgeberischer Entscheidung keinen Begriff des freien Trägers, weil man den geschlossenen Kreis der Träger nach dem JWG aufgeben und die Vielfalt nebst neueren Entwicklungen fördern wollte,
150allgemeine Einschätzung, vgl. Wiesner, § 3, Rdnr. 8, der dort allerdings die Auffassung vertritt, das SGB VIII knüpfe an die Eigenschaft als freier Träger der Jugendhilfe keine Rechtsfolgen; Papenheim in LPK-SGB VIII § 3, Rdnr. 10; Krug- Grüner-Dalichau, Kinder- und Jugendhilfe, zu § 75 S. 4; vgl. zu den Förderungsvoraussetzungen nach den Vorstellungen der Bundesregierung: Gesetzentwurf, Bundesratsdrucksache 503/89, S. 94/95 (Begründung zu § 66 - Förderung der freien Jugendhilfe; vgl. auch Protokoll der 203. Sitzung des Deutschen Bundestages, S. 15847 links und S. 15863 rechts, wo besonders "örtliche Initiativen und Selbsthilfegruppen" angesprochen, nicht aber gewerbliche Anbieter gesehen werden.
151(Die Materialien sind zusammengefasst in der Gesetzesdokumentation des Deutschen Bundestages - Parlamentsarchiv - , BD XI 254).
152Lediglich für Zwecke der Anerkennung (§ 75) und der Förderung (§ 74) wurden Voraussetzungen in das Gesetz aufgenommen.
153Angesichts der weiteren Entwicklung des Gesetzgebungsverfahrens liegt die Vermutung nahe, dass insoweit bestehende Differenzen verdeckt werden sollten. Die Bundesregierung hat schon damals al-lem Anschein nach die kommerziellen Anbieter in den Kreis der Träger aufnehmen wollen. Jedenfalls vertritt Wiesner, der als Ministerialbeamter den Regierungsentwurf maßgeblich mitgestaltet hat, nachhaltig einen derartigen Trägerbegriff,
154vgl. Wiesner, SGB VIII, 2. Aufl. (2000), § 3 Rdnr. 10, § 5 Rdnr. 10.
155Auch hat die Bundesregierung bei der Formulierung der Anerkennungsvoraussetzungen (jetzt § 75 SGB VIII) dort "rein privatgewerbliche Träger" aufnehmen wollen, die "anerkannt gute fachliche Arbeit leisten". Demgegenüber hatte der Bundesrat zuvor wegen der Beteiligung an der Jugendhilfeplanung das Merkmal der "Gemeinnützigkeit" verlangt,
156s. Krug-Grüner-Dalichau, Kinder- und Jugendhilfe, zu § 75 S . 3; vgl. im Einzelnen: Bundesratsdrucksache 503/89, S. 20 und 96 (zu § 67 des Entwurfs); Bundesratsdrucksache 503/1/89 (Empfehlungen der Ausschüsse), S. 98, wo die Gemeinnützigkeit verlangt wird; Bundesratsdrucksache 503/89 (Beschluss), S. 81 - gleich lautend mit der Ausschussempfehlung - ; Bundestagsdrucksache 11/6002 (ablehnende Gegenäußerung der Bundesregierung unter Hinweis auf die "anerkannt gute fachliche Arbeit" der rein privatgewerblichen Träger), S. 10; Bundestagsdrucksache 11/6748 (Beschlussempfehlung und Bericht des 13. Ausschusses), S. 41, dem Bundesrat folgend; gleich lautend Bundesratsdrucksache 267/90 (Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages), S. 19, und das verkündete Gesetz.
157Insgesamt gesehen scheint wegen dieser unterschiedlichen Auffassungen die Bestimmung des freien Trägers gezielt nicht in das Gesetz aufgenommen worden zu sein.
158Bei den Arbeiten und Beratungen betr. das Erste Gesetz zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 16. Februar 1993 (BGBl. I S. 239), das in weiten Bereichen eine tief greifende Überarbeitung des SGB VIII zum Inhalt hatte, wurde insbesondere bezüglich des späteren § 35a SGB VIII die Frage privatgewerblicher Anbieter von Leistungen der Eingliederungshilfe nicht erörtert. Auch die von dem zuständigen 14. Ausschuss des Bundestages angehörten Sachverständigen haben diesbezügliche Fragen nicht angesprochen. Vielmehr ging es im Wesentlichen um Abgrenzungsfragen z.B. zum Bereich der Sozialhilfe,
159vgl. dazu die in der Dokumentation BD XII 175 des Deutschen Bundestages - Parlamentsarchiv - zusammengestellten Unterlagen: Bundesratsdrucksache 203/92 (Gesetzentwurf der Bundesregierung), Art. 1 Nr. 9; Bundesratsdrucksache 203/1/92 (Stellungnahme des Bundesrates), S. 1/2; Bundestagsdrucksache 12/2866 (Gegenäußerung der Bundesregierung), S. 40; Kurzprotokoll der 36. Sitzung des 14. Ausschusses vom 29. Oktober 1992 mit der Anhörung der Sachverständigen; Bundestagsdrucksache 12/3711 (Beschlussempfehlung des 14. Ausschusses), S. 7 und 42.
160Das Gericht sieht keine Möglichkeit, im Rahmen der Rechtsanwendung den weiten Trägerbegriff einzuschränken. Eine klare gesetzgeberische Aussage, wie der Trägerbegriff definiert werden soll, ist bewusst nicht getroffen worden. Für eine einschränkende Auslegung fehlen jegliche Anhaltspunkte, nach welchen Kriterien Leistungsanbieter zugelassen oder ausgeschlossen werden könnten. Die Rechtsprechung bietet - soweit sie Einschränkungen vorsieht - demgemäß ein uneinheitliches Bild,
161vgl. VG Sigmaringen, Beschluss vom 16. Juli 1998 - 3 K 1340/98 - (der Kreis der Anbieter wird auf solche beschränkt, mit denen Vereinbarungen gemäß § 77 SGB VIII getroffen werden können, um einen Kontrollverlust des Jugendamtes zu vermeiden; damit schieden freiberuflich oder privatgewerblich tätige Anbieter aus); diese Entscheidung wurde vom VGH Baden- Württemberg mit anderer Begründung bestätigt. Beschluss vom 12. Oktober 1998 - 2 S 1988/98 - , NDV-RD 1999, 85; im zugehörigen Hauptverfahren hat das VG dann aber den weiten Trägerbegriff zugrundegelegt, Urteil vom 19. Juli 2000 - 3 K 2970/98 - ;
162OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Oktober 1994 - OVG Bs IV 144/94 - , NDV 1995, 300 (das Wunsch- und Wahlrecht wird mit der öffentlichen Förderung verknüpft und auf solche Therapieplätze bezogen, die durch öffentliche Mittel langfristig gefördert und gesichert werden);
163VG Minden, Urteil vom 25. Februar 1997 - 6 K 4474/95 - , DAVorm 1997, 812 (das Wunsch- und Wahlrecht wird auf diejenigen Träger beschränkt, welche die "Mindestvoraussetzungen" des § 75 SGB VIII für die Anerkennung erfüllen;
164Die nicht näher begründeten Ansätze in der Literatur, durch Rückgriff auf den alten Trägerbegriff des JWG zu Einschränkungen zu gelangen, führen aus denselben Gründen nicht weiter,
165z.B. Mainberger in Hauck/Haines, Kommentar zum SGB VIII, § 3, Rdnr. 6.
166Der Anerkennung des xxx als "Träger" kann ferner nicht entgegengehalten werden, dass das Institut nach Aktenlage - ungeachtet wei-terer Mitarbeiter - nur von zwei Personen geführt wird, nämlich den Herren xxxxxxxxxxxxxxxxxxx und xxxxxxxxxxxxx (s. Bl. 14 der Verwaltungsakten, Beiakte Heft 1, sowie Bl. 162 der Gerichtsakten). Denn selbst ein Ausschluss von Einzelpersonen als freigewerblicher Anbieter jugendhilferechtlicher Leistungen,
167vgl. dazu Klinkhardt, SGB VIII (1994), § 3 Rdnr. 3 (kein Ausschluss); Schellhorn, SGB VIII/KJHG, 2. Aufl. (2000), § 3 Rdnr. 9 (Ausschluss), beide jedoch ohne nähere Begründung,
168kommt mangels nachvollziehbarer Abgrenzungskriterien nicht in Betracht. Beispielsweise ist ein rechtlich erheblicher Unterschied nicht zu erkennen, wenn einerseits zwei oder drei Heilpädagogen gemeinsam eine Praxis führen und andererseits ein Therapeut die Praxis allein als Einzelinhaber führt, ggf. mit weiteren Kollegen als Angestellten oder freien Mitarbeitern.
169Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die Bedenken, die sich aus den Entwicklungen insbesondere der letzten Jahre ergeben haben,
170vgl. dazu Papenheim in LPK-SGB VIII, 1. Aufl. 1998, § 3, Rdnr. 10 am Ende,
171und die der Grund für die oben zitierte einschränkende Rechtsprechung gewesen sein dürften, zu würdigen und gegebenenfalls in politische Entscheidungen umzusetzen.
172Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts liegen vor.
173Gegen die (generelle) jugendhilferechtliche Zuverlässigkeit des xxx bestehen keine Bedenken. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Verpflichtung der Jugendhilfe, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, § 1 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII iVm der jeweiligen Hilfenorm, hier § 35a SGB VIII. Die Voraussetzung ist zudem auch aus der Natur der Sache zwingend geboten. Beispielsweise müssten solche Anbieter unberücksichtigt bleiben, die etwa die Kinder gefährdende Personen beschäftigen, sei es auch nur in untergeordneter Stellung, oder die nicht über die notwendige fachliche Qualifikation und entsprechend ausgearbeitete Therapiekonzepte verfügen. Dieser Punkt ist inzwischen zu Gunsten des xxx geklärt, weil das Institut mit positivem Ergebnis durch die Schulpsychologische Beratungsstelle der Stadt xxxxxxxxxx überprüft worden ist. Das Gericht sieht hier keinen Anlass zu weiteren eigenen Ermittlungen.
174Das xxx erweist sich ferner - wie auch der Beklagte ohne Einschränkungen einräumt - hinsichtlich der konkreten Leistung, nämlich der Therapie des Klägers, gleichfalls als uneingeschränkt geeignet.
175Die weiteren Voraussetzungen für die Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts, nämlich die Geeignetheit und Erforderlichkeit der inzwischen durchgeführten Therapie, liegen ebenfalls vor.
176Das gilt zunächst für die Geeignetheit, die von dem Beklagten nicht in Frage gestellt wird, aber auch für die Erforderlichkeit.
177Erforderlich ist in Fällen der vorliegenden Art eine fachlich einwandfreie und nach den Gegebenheiten notwendige Therapie. Der Leiter des Schulpsychologischen Dienstes des Beklagten, Herr xxxxxxx, hat in der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2000 auf Befragen durch das Gericht dazu erklärt, bei der Behandlung durch das xxx handele es sich um eine solide, fachlich einwandfreie Therapie, die im Leistungsspektrum einem mittleren Standard entspreche. Das Gericht sieht keinen Anlass, dieser Einschätzung entgegenzutreten. Zudem hält der Beklagte diese Behandlung im Ergebnis selbst für erforderlich. Die von dem Jugendamt angebotene Therapie und die des xxx sind nämlich miteinander vergleichbar. Die im Zuge des Verfahrens festgestellten Unterschiede fallen nicht ins Gewicht. Einerseits beträgt die Therapiestunde bei dem xxx durchschnittlich 50 Minuten, während bei dem Beklagten Zeitstunden, d.h. 60 Minuten, angesetzt werden. Andererseits findet im xxx grundsätzlich eine Einzeltherapie statt (eine Therapie von zwei Kindern ist aber nicht ausgeschlossen), während bei dem Beklagten nach einer ersten Phase ggf. zwei, höchstens drei Kinder gemeinsam an den Sitzungen teilnehmen.
178Der vorgeschriebene Kostenvergleich fällt zu Gunsten des Klägers aus. Durch die Wahl des xxx entstehen keine "unverhältnismäßigen Mehrkosten" i.S. von § 5 Abs. 2 S. 1 SGB VIII.
179Wie der Kostenvergleich durchzuführen ist, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
180BVerwG, Urteil vom 25. August 1987 - 5 B 50.87 - , FEVS 37, 133,
181erarbeitet worden. Dem folgt die Literatur einhellig,
182eingehend Wiesner, SGB VIII, 2. Aufl. (2000), § 5, Rdnr. 12 ff.; Papenheim in LPK-SGB VIII, § 5, Rdnr. 6 ff.; auch Mrozynski, Kommentar zum SGB VIII, 3. Aufl. (1998), § 5, Rdnr. 5.
183Das Gericht sieht keinen Grund, hiervon abzuweichen.
184Demgemäß müssen auf der einen Seite die Kosten des privaten Anbieters eingestellt werden. Das sind bei dem xxx - auf das Jahr bezogen - 12 x 460,00 DM, mithin 5.520,00 DM. Diesem Betrag sind die Kosten auf Seiten des Beklagten entgegenzustellen, wobei dieselben Kostenbestandteile bewertet werden müssen.
185Insoweit kann im Ergebnis dahinstehen, ob die fiktive Betreuung in vollem Umfang bewertet werden muss, oder ob - um eine Vergleichbarkeit mit dem xxx herzustellen - eine Umrechnung der Betreuungseinheiten von 60 auf 50 Minuten erforderlich ist.
186Setzt man die Gesamtkosten an, gilt Folgendes:
187Nach den entsprechenden Berechnungen des Beklagten vom 2. November 2000 und vom 17. Januar 2001 ist die Arbeitsstunde der eingesetzten Fachkraft(unter Einbeziehung der näher bezeichneten Personal-, Sach- und sonstigen Kosten) mit 142,72 DM zu bewerten. Das Gericht geht nach den Erörterungen in den beiden Verhandlungsterminen von 5 Einzeltherapiestunden aus, was zu Kosten von 5 x 142,72 DM, d.h. insgesamt 713,60 DM, führt. Hinzu kommen 35 Therapiestunden mit 2 Kindern, also Kosten von 35 x 142,72 DM : 2, mithin 2.497,60 DM. Sodann muss der Aufwand von 30 Stunden für die weiteren Leistungen wie Elternberatung, Diagnostik, Vor- und Nachbereitung usw. mit 30 x 142,72 DM, also insgesamt mit 4.281,60 DM, angesetzt werden. Das ergibt einen Jahresaufwand von insgesamt 7.492,80 DM.
188Für eine Umrechnung der Betreuungseinheiten (Therapiesitzungen) von 60 auf 50 Minuten sind zunächst die diesbezüglichen Kosten zusammenzufassen. Dies sind gemäß der vorstehenden Berechnung 713,60 DM zuzüglich 2.497,60 DM, mithin insgesamt 3.211,20 DM. Hiervon müssen sodann 5/6, also 2.676,00 DM angesetzt werden. Hinzuzurechnen sind die Kosten der weiteren Leistungen mit (unver-ändert) 4.281,60 DM. Die Gesamtkosten belaufen sich bei dieser Berechnung auf 6.957,60 DM
189Damit liegen die Kosten für eine Therapie durch das Schulpsychologische Institut des Beklagten nach beiden Berechnungsvarianten über dem Aufwand für das xxx mit der Folge, dass es schon an dem gesetzlichen Erfordernis der "Mehrkosten" fehlt. Auf die Einwände der Klägerseite gegen die Berechnungen des Beklagten kommt es aus demselben Grund nicht an.
190Schließlich kann auch dahinstehen, wie der Vortrag der Klägerseite zu bewerten wäre, zu der Einrichtung des Beklagten bestehe kein Vertrauen, ein solches Vertrauen hätten Eltern und Kind nur zu dem selbst gewählten Anbieter.
191Nach alledem ist die Klage hinsichtlich der Hauptforderung begründet.
192Dem Antrag betr. Verzinsung der Hauptforderung ist ebenfalls zu entsprechen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Zinsanspruch zu.
193Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Nach Absatz 2 der Bestimmung beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger. Im vorliegenden Fall war der vollständige Leistungsantrag am 6. Februar 1998 bei dem Beklagten gestellt worden. An Therapiekosten wurden entsprechend den Vereinbarungen der Eltern des Klägers mit dem xxx am 28. Februar 1998 435,00 DM für drei Einzelstunden fällig und ab März 1998 zum Ende eines jeden Monats 460,00 DM. Daraus ergibt sich die im Tenor ausgesprochene Pflicht zur Verzinsung.
194Im Einzelnen:
195Wegen der Wartefrist von sechs Kalendermonaten (§ 44 Abs. 2 SGB I) beginnt die Verzinsung mit dem 1. September 1998, und zwar in Anwendung des Absatzes 1 der Bestimmung mit den bis zum 31. Juli 1998 aufgelaufenen Beträgen, d.h. 435,00 DM zuzüglich 5 x 460,00 DM, insgesamt 2.735,00 DM. Ab 1. Oktober 1998 ist der am 31. August 1998 fällig gewordene Betrag von 460,00 DM zu verzinsen usw. Die letzte zu verzinsende Rate wurde am 31. Dezember 1999 fällig. Die Verzinsung dieser Rate beginnt einen Monat später mit dem 1. Februar 2000.
196Das Ende der Verzinsung - der Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung der Hauptforderung - (§ 44 Abs. 1 SGB I) ist - weil sie von der sonst üblichen Berechnung abweicht - in den Tenor aufzunehmen.
197Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO.
198Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ist gemäß § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil die anwaltliche Vertretung der rechtsunkundigen Eltern des Klägers angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Falles bereits im Vorverfahren geboten war.
199Das Urteil ist nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, § 167 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zu diesem Punkt im Übrigen beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, § 709 ZPO.