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Das beklagte Land wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW vom 8. Dezember 2022 in der Gestalt Widerspruchsbescheides vom 13. September 2023 verpflichtet, dem Kläger auf die Rechnung des Dr. N. vom 26. Oktober 2022 eine weitere Beihilfe in Höhe von 2.083,40 € zu gewähren.Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
2Der am 4. Juni 1950 geborene Kläger ist Versorgungsempfänger des beklagten Landes und mit einem Bemessungsatz von 70 v.H. beihilfeberechtigt. Zwischen dem 17. August 2022 und dem 25. Oktober 2022 unterzog sich der Kläger bei dem Facharzt für Strahlentherapie Dr. N. aus Hattingen wegen eines Prostatakarzinoms einer Bestrahlungsbehandlung, die in Form der sogenannten intensitätsmodulierten Strahlentherapie (IMRT) durchgeführt wurde. Diese rechnete Dr. N. unter dem 26. Oktober 2022 in einer Gesamthöhe von 22.508,40 € ab.
3Am 7. November 2022 beantragte der Kläger hierfür die Gewährung einer Beihilfe. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2022 lehnte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV NRW) die Gewährung einer Beihilfe teilweise (Kürzungsbetrag 2.976,48 €) ab und führte zur Begründung aus: Die für die IMRT analog angesetzte Nr. 5855 des Gebührenverzeichnisses (GV) der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) können nur mit dem 1,3-fachen Gebührensatz und nicht dem abgerechneten 1,5-fachen Satz anerkannt werden, weil die Begründungen nicht ausreichend den Charakter einer Ausnahme erkennen ließen und deshalb als Gründe für eine Schwellenwertüberschreitung ausschieden.
4Hiergegen erhob der Kläger am 1. Januar 2023 Widerspruch und fügte zur Begründung eine ärztliche Stellungnahme des Dr. N. vom 14. November 2022 sowie eine Stellungnahme der Abrechnungsfirma C. vom 19. Dezember 2022 bei. Dr. N. führte darin aus, dass er den erhöhten Aufwand in der Bestrahlungsplanung sehe, in diesem Fall von zwei weiteren IMRT-Bestrahlungsplänen. Die C. legte dar, dass die Nummer 5855 GV/GOÄ analog nach den Vorgaben der GOÄ zwischen dem einfachen Gebührensatz sowie dem Schwellenwert von 1,8 berechnet werden könne. Innerhalb dieses Gebührenrahmens richte sich die Anwendung des Steigerungsfaktors nach den Bemessungskriterien des § 5 GOÄ. Es liege somit im Ermessen des Arztes, ein angemessenes Honorar für seine ärztliche Tätigkeit festzusetzen. Eine gesonderte Begründung für die Berechnung des entsprechenden Steigerungssatzes sei erst erforderlich, wenn eine Berechnung über den Schwellenwert hinausgehe. Einer anderslautenden Empfehlung des Berufsverbandes Deutscher Strahlentherapeuten e.V. (BVDST) gehe die Praxis nicht nach.
5Mit Schreiben vom 16. Januar 2023 teilte das LBV dem Kläger mit: Der 1,3-fache Gebührensatz gelte einheitlich für sämtliche intensitätsmodulierten Strahlentherapien unabhängig von der Anzahl der bestrahlten Zielvolumina, der Anzahl der individuell angepassten Ausblendungen, der Anzahl der durchgeführten Bestrahlungsplanungen sowie der eingesetzten Bestrahlungsverfahren bzw. Bestrahlungsgeräte. Eine Abrechnung über den 1,3-fachen Gebührensatz hinaus komme nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 GOÄ nicht in Betracht.
6Nachdem der Kläger daraufhin seinen Widerspruch nicht zurücknahm, gab ihm das LBV NRW mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2023, der mit einfacher Post versandt wurde, teilweise (in Höhe von 0,14 €) statt und wies ihn im Übrigen zurück. Zur Begründung wiederholte es im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem Schreiben vom 16. Januar 2023 und legte ergänzend dar, dass die Teilabhilfe auf einem Rechenfehler beruhe.
7Der Kläger hat am 27. November 2023 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Er habe den Widerspruchsbescheid erstmals über seine Prozessbevollmächtigten erhalten, bei welchen er am 9. November 2023 eingegangen sei. Er habe den Widerspruchsbescheid auch nicht zuvor und gleichzeitig mit der Mitteilung vom 13. September 2023 erhalten, mit welcher ihm die weitere Beihilfe in Höhe von 0,14 € gewährt worden sei. Zudem folge aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. September 2012 (12 K 1012/12), dass die IMRT über die Nummer 5855 GV/GOÄ analog auch mit einem höheren als dem 1,3-fachen Gebührensatz abgerechnet werden könne.
8Der Kläger beantragt,
9das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW vom 8. Dezember 2022 in der Gestalt Widerspruchsbescheides vom 13. September 2023 zu verpflichten, ihm auf die Rechnung des Dr. N. vom 26. Oktober 2022 eine weitere Beihilfe in Höhe von 2.083,40 € zu gewähren.
10Das beklagte Land beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung seines Antrages nimmt es Bezug auf die streitbefangenen Bescheide und führt ergänzend aus: Der Änderungsbescheid vom 13. September 2023 sei zusammen mit dem Widerspruchsbescheid erstellt und umgehend in die Post gegeben worden, was auch mit einer digitalen Notiz dokumentiert worden sei. Nach Erhalt der von den Prozessbevollmächtigten des Klägers unterzeichneten Vollmacht sei der Widerspruchsbescheid zusammen mit dem Änderungsbescheid unter dem 2. November 2023 erneut an die Prozessbevollmächtigten versandt worden. Es könne nicht nachvollzogen werden, warum der Kläger den Änderungsbescheid vom 13. September 2023, aber nicht den am gleichen Tag erstellten und mit gleicher Post versandten Widerspruchsbescheid erhalten habe. Bezüglich der Analogabrechnung der Nummer 5855 GV/GOÄ habe der BVDST mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. unter dem 6. März 2020 einer gemeinsamen Abrechnungsempfehlung zugestimmt. Dieser habe Gültigkeit bis zum Inkrafttreten einer neuen GOÄ. Danach gelte der 1,3-fache Steigerungssatz einheitlich für sämtliche intensitätsmodulierten Strahlentherapien. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart führe zu keinem anderen Ergebnis. An die Abrechnungsempfehlung des BVDST sei das beklagte Land gebunden.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des LBV NRW Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage, über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter an Stelle der Kammer ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheidet (vgl. §§ 87 a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO), hat Erfolg.
16Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO statthaft, auch im Übrigen zulässig und begründet. Der Beihilfebescheid des LBV vom 8. Dezember 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2023 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dieser hat Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 2.083,40 € für die Bestrahlungsbehandlungen, die ihm von Dr. N. unter dem 26. Oktober 2022 in Rechnung gestellt worden sind.
17Als Grundlage des von dem Kläger geltend gemachten Anspruchs kommt in erster Linie § 75 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG) in der Fassung des Gesetzes vom 25. März 2022 (GV NRW S. 377) in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfenverordnung - BVO -) in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen (vgl. §§ 3 Abs. 5 Sätze 1 und 2, 17 a Abs. 5 BVO) maßgeblichen Fassung der Elften Änderungsverordnung vom 1. Dezember 2021 (GV NRW S. 1446) in Betracht. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind beihilfefähig die notwendigen Aufwendungen im angemessenen Umfange u.a. in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit sowie zur Besserung oder Linderung von Leiden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BVO umfassen die beihilfefähigen Aufwendungen die Kosten für medizinische Leistungen, die u.a. durch einen Arzt erbracht werden.
18Die Notwendigkeit der hier in Rede stehenden Aufwendungen, die auf den vom Facharzt Dr. N. gegenüber dem Kläger erbrachten medizinischen Leistungen beruhen, steht zwischen den Beteiligten außer Streit. Sie erweisen sich zudem als beihilferechtlich angemessen. Die Angemessenheit von Aufwendungen, die auf ärztlichen Rechnungen beruhen, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Gebührenrahmen der jeweils einschlägigen Gebührenordnung (hier: für Ärzte), weil ärztliche Hilfe in aller Regel nur nach Maßgabe dieser Gebührenordnung zu erlangen ist. Deshalb setzt die Beihilfefähigkeit zunächst voraus, dass der Arzt die Rechnungsbeträge bei zutreffender Auslegung der Gebührenordnung zu Recht berechnet hat. Nur dann handelt es sich grundsätzlich um Aufwendungen in angemessenem Umfange.
19Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 20. März 2008 – 2 C 19.06 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport(NVwZ-RR) 2008, 713 m.w.N.
20Ob der Arzt seine Forderung zu Recht, also unter zutreffender Auslegung der Gebührenordnung, geltend gemacht hat, ist eine der Beihilfegewährung vorgreifliche Rechtsfrage des zivilrechtlichen Arzt-(Privat-)Patienten-Verhältnisses, über das die Zivilgerichte letztverbindlich entscheiden. Deren Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts oder Beurteilung der konkreten Gebührenstreitigkeit präjudiziert die Angemessenheit der Aufwendungen im beihilferechtlichen Sinne.
21So ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. nur: Beschluss vom 19. Januar 2011 – 2 B 70.10 -, juris.
22Denn auf Grund seiner Fürsorgepflicht hat der Dienstherr die Beihilfe nach den Aufwendungen zu bemessen, die dem Beamten wegen der notwendigen Inanspruchnahme eines Arztes in Übereinstimmung mit der Rechtslage tatsächlich entstehen. Ist eine Entscheidung zwischen Patient und Behandler im ordentlichen Rechtsweg ‑ wie häufig und auch im vorliegenden Fall – nicht ergangen, hat der Dienstherr zu prüfen, ob die Abrechnung des Arztes den Vorgaben des Beihilferechts entspricht, insbesondere, ob die vom Arzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem (Gebühren-)Recht begründet sind.
23Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. März 2008, a.a.O., S. 714; und vom 28. Oktober 2004 – 2 C 34.03 -, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 2005, 509, 510.
24Bestehen bei objektiver Betrachtung ernsthaft widerstreitende Auffassungen über die Berechtigung eines Gebührenansatzes, darf diese Unklarheit nicht zu Lasten des Beihilfeberechtigten in der Weise gehen, dass er entweder auf sein Risiko eine rechtliche Auseinandersetzung mit seinem Arzt bzw. Behandler über die fragliche Rechnungsposition führt oder den zweifelhaften Gebührenanteil selbst trägt. In diesen Fällen ist der Dienstherr – will er der vom Behandler vertretenen Auffassung nicht folgen – gehalten, vor Entstehung der Aufwendungen seine Rechtsauffassung deutlich klarzustellen und damit den Beihilfeberechtigten Gelegenheit zu geben, sich vor Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe darauf einzustellen und ggf. gegenüber dem Behandler darauf zu berufen.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2009– 2 C 79.08 -, NVwZ-RR 2010, 365.
26Hier sind die Aufwendungen des Klägers in Übereinstimmung mit der Rechtslage entstanden. Sollte man den Streit darüber, welcher Gebührensatz bei der Analogabrechnung der IMRT-Behandlung nach Nr. 5855 GV/GOÄ zur Anwendung zu kommen hat, als ernsthaften gebührenrechtlichen Widerstreit ansehen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das beklagte Land weder allgemein durch Rechts- oder Verwaltungsvorschrift noch im konkreten Behandlungsfall des Klägers (vorab) festgelegt hat, dass es eine Abrechnung der IMRT-Behandlung analog der Nr. 5855 GV/GOÄ nur in Höhe des in der Abrechnungsempfehlung gemäß der Vereinbarung des BVDST mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. genannten Steigerungssatzes für beihilferechtlich angemessen hält. Insofern konnte sich der Kläger auch nicht auf einen etwaigen Beihilfeausfall einrichten. Ob eine solche Regelung durch Verwaltungsvorschrift oder Rechtsverordnung angesichts dessen, dass es sich bei der Bemessung des Steigerungssatzes um eine Ermessensentscheidung des Arztes handelt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Inhaltlich gilt zur Ermessensausübung des Arztes jedenfalls das, was das Verwaltungsgericht Köln in seinem Urteil vom 8. April 2021 – 3 K 6712/19 – (zitiert nach juris, Rdnrn. 21 ff.) ausgeführt hat:
27„Gem. § 6 Abs. 2 GOÄ liegen die Voraussetzungen für eine analoge Abrechnung der erbrachten Leistungen mittels der Analogziffer 5855 A GOÄ vor. Danach können selbstständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden.
28Unter den Beteiligten ist der Ansatz der Analogziffer 5855 A GOÄ nicht umstritten. Die Behandlung mittels intensitätsmodulierter Bestrahlung mit bildgeführter Überprüfung der Zielvolumina stellt eine selbstständige ärztliche Leistung dar. Eine selbstständige ärztliche Leistung liegt erst dann nicht vor, wenn sich die Leistung nur als besondere Ausführung einer anderen Leistung darstellt. Denn es kann keine analoge Bewertung für Leistungen geben, die sich lediglich durch besonderen Zeitaufwand, einen besonderen Schwierigkeitsgrad oder besondere Umstände bei der Leistungsausführung von Leistungen unterscheiden, die bereits im Gebührenverzeichnis enthalten sind. Ausweislich des von der Postbeamtenkrankenkasse eingeholten Gutachtens der Y. vom 17.12.2018 hat die Abrechnung der umstrittenen Strahlentherapie unstreitig nach der Analogziffer 5855 A GOÄ zu erfolgen.
29Die Bemessung der umstrittenen Abrechnung für die umstrittene Strahlentherapie nach Analogziffer 5855 A GOÄ mit einem Faktor zwischen 1,4 und 1,5 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Innerhalb der sog. Regelspanne des § 5 Abs. 2 S. 4, Abs. 3 S. 2 GOÄ kann eine Gebühr für eine medizinisch-technische Leistung zwischen dem Einfachen und dem 1,8fachen des Gebührensatzes bemessen werden, ohne dass dies bei der Rechnungslegung verständlich und nachvollziehbar zu begründen ist. In § 12 Abs. 3 GOÄ, der die Fälligkeit und Abrechnung der Vergütung regelt, ist eine solche Pflicht nämlich nur vorgesehen, wenn die Regelspanne überschritten wird. Innerhalb des Gebührenrahmens hat der Arzt die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistungen sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ). Dabei handelt es sich um eine Sonderregelung zu § 315 BGB, bei der dem Arzt die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Gesichtspunkte vorgegeben sind. Die Abrechnung zum Schwellenwert des 1,8fachen für medizinisch-technische Leistungen, die sich in einem Bereich durchschnittlicher Schwierigkeit befinden, stellt keinen Fehlgebrauch des ärztlichen Ermessens dar,
30vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2007 - III ZR 54/07 -, juris Rn. 21 m.w.N.
31Dies entlastet den Arzt allerdings nicht davon, den Gebrauch seines Ermessens darzulegen, wenn die Angemessenheit der Abrechnung argumentativ in Zweifel gezogen wird. Denn in § 5 Abs. 2 S. 1 GOÄ ist auch für die Fälle, dass der behandelnde Arzt eine Gebühr innerhalb der Regelspanne ansetzt, festgelegt, dass die Gebühr unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass die Begründung der Ermessensentscheidung im Falle eines substantiierten Bestreitens für jede einzelne Leistungsposition einen Raum einnimmt, hinter dem der Aufwand für die ärztliche Leistung in den Hintergrund tritt. Es genügt die nachvollziehbare Darlegung, dass die abgerechnete Leistung im Bereich durchschnittlicher Schwierigkeit lag,
32vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2007 - III ZR 54/07 - a.a.O. Rn. 18; LG Stuttgart, Urteil vom 19.12.2018 - 4 S 61/18 -, juris Rn. 22; OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.05.2016 - 12 U 502/14 -, S. 8 der Ausfertigung, n. v., S. 54 der beigezogenen Beiakte; OLG Celle, Beschluss vom 15.07.2019 - 8 U 83/19 -, n.v.; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 17.09.2012 - 12 K 1012/12 -, juris.
33Allein die unstreitige Heranziehung der relativ hoch bewerteten Analogziffer Nr. 5855 A GOÄ hat für die Faktorbemessung innerhalb der Regelspanne des § 5 Abs. 2 S. 4, Abs. 3 S. 2 GOÄ keine ermessenslenkende Wirkung auf die ärztliche Abrechnung dahin, die erbrachten Leistungen nur mit dem Faktor 1,1 bis 1,2 berechnen zu dürfen. Die intensitätsmodulierte Radio- oder Strahlentherapie (IMRT) ist eine Weiterentwicklung der herkömmlichen 3-D-konformalen Strahlentherapie. Ziel ist eine Reduzierung der Strahlendosis im Bereich des den Tumor umgebenden Gewebes und der Nachbarorgane. Diese Bestrahlungstechnik erfordert eine engmaschige präzise Überprüfung der Zielvolumina durch wiederholte Bildgebung. Im seit 1996 nicht mehr aktualisierten Gebührenverzeichnis des Abschnitts O IV GOÄ (Strahlentherapie) ist dieses neuartige Verfahren nicht mit einer eigenständigen Gebührenposition enthalten. Da die IMRT trotz der routinemäßigen Durchführung und die Intraoperative Strahlentherapie (IORT) ihrer Art nach sowie nach Kosten- und Zeitaufwand gleichwertig sind,
34vgl. OLG Celle, Beschluss vom 15.07.2019 - 8 U 83/19 -, juris Rn. 28 m.w.N. zur Gleichartigkeit; a.A. ohne Ermittlung ursächlicher Kosten: OLG Schleswig, Urteil vom 21.06.2018 - 16 U 135/17 -, n.v.,
35kann die IMRT mit bildgeführter Überprüfung der Zielvolumina einschließlich aller Planungsschritte und individuell angepasster Ausblendungen je Bestrahlungssitzung, also unabhängig von der Anzahl der klinischen Zielvolumina, analog über die Komplexziffer Nr. 5855 GOÄ abgerechnet werden,
36vgl. Deutsches Ärzteblatt, 17/2011.
37Durch den Einschluss der erforderlichen Zusatzleistungen sind überdies neben der IMRT analog Nr. 5855 GOÄ Leistungen aus dem Kapitel O IV GOÄ und Leistungen nach den Nrn. 5377, 5378, 5733 und A 5830 in demselben Behandlungsfall nicht berechnungsfähig.
38Der Arzt ist im Rahmen seiner Ermessensausübung für die Faktorbemessung innerhalb der Regelspanne des § 5 Abs. 2 S. 4, Abs. 3 S. 2 GOÄ auch nicht verpflichtet, nach den Empfehlungen der Bundesärztekammer vom 18.02.2011 und des Bundesverbands der Deutschen Strahlentherapeuten (BVDST) e.V. abzurechnen. Diese Empfehlungen sind nicht rechtsverbindlich,
39vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.05.2016 - 12 U 502/14 - a.a.O.; LG Stuttgart, Urteil vom 19.12.2018 - 4 S 61/18 -, juris Rn. 21 m.w.N.
40Allerdings kann sich der mit der Gebührenabrechnung verbundene Aufwand erhöhen, wenn sich der Arzt nicht an diese Empfehlungen halten will, wenn begründete Zweifel entstehen, ob die Gebühr nach billigem Ermessen festgesetzt wurde und dem entspricht, was in vergleichbaren Fällen üblicherweise festgesetzt wird.
41Derartige Zweifel, die einen ärztlichen Ermessensfehlgebrauch begründen könnten, hat die Beklagte zur Überzeugung des Gerichts weder dargelegt noch sind derartige Zweifel sonst ersichtlich, § 108 Abs. 1 VwGO. Nach der erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Arzt ohne Ermessensfehler bereits Leistungen durchschnittlicher Schwierigkeit mit dem jeweiligen Höchstsatz der Regelspanne abrechnen.“
42Diesen Ausführungen, soweit sie gebührenrechtliche Wertungen enthalten, schließt sich das erkennende Gericht nach eigener rechtlicher Überprüfung für den vorliegenden Fall an. Die analoge Anwendung der Nr. 5855 GV/GOÄ „an sich“ steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit, es geht allein um die Höhe des angemessenen Gebührensatzes, den das beklagte Land mit dem streitbefangenen Beihilfebescheid vom 1,5-fachen Satz auf den 1,3-fachen Satz gekürzt hat. Dem steht entgegen, dass Dr. N. in seiner Stellungnahme vom 14. November 2022 eine zumindest durchschnittliche Schwierigkeit der Strahlenbehandlung des Klägers dargelegt hat. Demgegenüber hat das beklagte Land nicht darlegen können, dass die abgerechnete Leistung unterhalb des Bereichs durchschnittlicher Schwierigkeit lag. Hierfür ist auch nichts ersichtlich. Eine Bindung des beklagten Landes an die Abrechnungsempfehlung des BVDST besteht nach dem Vorstehenden jedenfalls nicht. Hinzuweisen ist vielmehr darauf, dass die fehlende Rechtsverbindlichkeit der Abrechnungsempfehlung des BVDST auch durch weitere, in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln nicht zitierte Zivilgerichte bestätigt worden ist.
43Vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 2. Februar 2023 ‑ 13 U 71/22 -, soweit ersichtlich n.v.; s. auch die in diesem Verfahren beigezogene Entscheidung des Landgerichts Stuttgart, Urteil vom 24. März 2015 - 15 O 74/12 -, S. 5 UA.
44In letztgenannter Entscheidung war sogar die nicht näher begründete Abrechnung mit dem Schwellenwert (1,8-facher Gebührensatz) nicht beanstandet worden, weil eben der Schwellenwert nicht überschritten wurde (vgl. §§ 12 Abs. 3 Satz 1 GOÄ i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 Satz 4 GOÄ).
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
46Rechtsmittelbelehrung:
47Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg) Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
48Die Berufung ist nur zuzulassen,
491. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
502. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
513. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
524. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
535. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
54Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Zulassungsantrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster) einzureichen.
55Der Antrag auf Zulassung der Berufung und dessen Begründung können in schriftlicher Form oder auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) eingereicht werden. Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der ERVV wird hingewiesen.
56Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, sowie die ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen vor dem Oberverwaltungsgericht als Bevollmächtigte zugelassen.
57U.
58Beschluss:
59Ferner hat die Kammer am selben Tag
60beschlossen:
61Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes in Höhe der streitbefangenen Beihilfe auf 2.083,40 € festgesetzt.
62Rechtsmittelbelehrung:
63Gegen die Streitwertfestsetzung können die Beteiligten schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte – ERVVO VG/FG) vom 7. November 2012 (GV. NRW. 2012 S. 548) beim Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg, Postanschrift: Verwaltungsgericht Arnsberg, 59818 Arnsberg) Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht entscheidet, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft. Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 € nicht überschreitet.
64Der Beschwerdeschrift sollen möglichst Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Im Fall der elektronischen Einreichung nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bedarf es der Beifügung von Abschriften nicht.
65U.