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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger macht die Amtsunangemessenheit seiner Alimentation in den Jahren 2017 bis 2021 geltend.
3Er steht als Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht im Dienst des beklagten Landes und bezieht eine Besoldung nach der Besoldungsgruppe R 3.
4Unter dem 9. August 2008 legte er erstmals Widerspruch bei dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (nachfolgend: LBV NRW) gegen seine Bezügemitteilungen ein und beantragte, ihm für das vorherige und das laufende Jahr eine angemessene Alimentation zu gewähren. Zur Begründung führte er dabei im Wesentlichen aus, dass die Beamten- und Richterbesoldung seit August 2004 von der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse abgekoppelt worden sei. Auch gegen seine Besoldung in den Jahren 2009 bis 2021 legte er Widerspruch ein. Über keinen der Widersprüche wurde bislang durch Widerspruchsbescheid entschieden.
5Mit seiner am 18. Dezember 2014 erhobenen Klage, mit der er ursprünglich die Verfassungswidrigkeit seiner Besoldung seit dem Jahr 2007 gerügt hatte, bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass die Besoldung der Richterinnen und Richter bzw. Beamtinnen und Beamten des beklagten Landes nicht mehr amtsangemessen sei. Mit Schriftsatz vom 7. März 2018 hat der Kläger seine Klage hinsichtlich des Jahres 2007 zurückgenommen. Das Verfahren wurde mit Beschluss der Kammer vom 21. März 2018 - 13 K 3563/14 - abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 13 K 1555/18 fortgeführt, soweit der Kläger die Verfassungswidrigkeit seiner Alimentation seit dem Jahr 2017 geltend macht. Die Klage betreffend die Jahre 2008 bis 2016 wurde mit Urteil der Kammer vom 23. März 2018 - 13 K 3563/14 - abgewiesen.
6Zur Begründung bringt der Kläger vor: Dem Beschluss des Bundesverfassungs- gerichts vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 - ließe sich kein fester Wert entnehmen, ab wann bei einer Einordnung der Verletzung des Mindestabstandsgebots eine Indizwirkung für eine amtsunangemessene Alimentation eintrete. Zudem sei die Annahme des Bundesverfassungsgerichts zur bloßen Indizwirkung des Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot unzutreffend; sie verwechsele Voraussetzungen und Folgen des Verstoßes. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sei so zu verstehen, dass jede Verletzung des Mindestabstandsgebots eine Indizwirkung für eine nicht mehr amtsangemessene Alimentation auch in höheren Besoldungsgruppen besitze und im Rahmen der stets vorzunehmenden Gesamtabwägung die Entscheidung über das Vorliegen eines Verfassungsverstoßes getroffen werden müsse. Zwar sei zutreffend, dass dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zukomme, wie er den Verfassungsverstoß, der durch die Verletzung des Mindestabstandsgebots eingetreten sei, beseitige. Diese Freiheit bei der Folgenbeseitigung könne aber nicht zugleich für die Feststellung des Verfassungsverstoßes an sich relevant sein. Entweder es liege ein Verstoß vor, dann habe der Gesetzgeber dessen Beseitigung zu gestalten; liege kein Verstoß vor, dann bedürfe es – vorbehaltlich anderer verfassungsrechtlich unbedenklicher Gründe – keiner Neugestaltung. Überdies betreffe ein Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot bei der zur Prüfung gestellten Besoldungsgruppe – wie auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Vorlagebeschluss vom 30. November 2021 - 1 A 863/18 -, juris, Rn. 98 bis 100, ausführe – insofern das gesamte Besoldungsgefüge, als sich dadurch der vom Gesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweise. Die Verfassungswidrigkeit der Grundlage führe zur Verfassungswidrigkeit des Gesamtgefüges. Mit dem Bundesverwaltungsgericht (Vorlagebeschluss vom 22. September 2017 - 2 C 56.16 u.a. -) sei weiter davon auszugehen, dass die Fehlerhaftigkeit des Besoldungsniveaus in unteren Besoldungsgruppen solange zu einem Mangel bei den höheren Besoldungsgruppen führe, wie die Neuzuordnung nicht auf einer gesetzgeberischen Entscheidung beruhe. Darüber hinaus seien die bei der Ermittlung des Grundsicherungsniveaus zu berücksichtigenden Wohnkosten entsprechend der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in Flächenstaaten wie Nordrhein-Westfalen (nachfolgend: NRW) anhand der höchsten im jeweiligen Bundesland ausgewiesenen Werte zu bestimmen. Im Rahmen der Gesamtabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Einkommensentwicklung der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte hinter der Einkommensentwicklung vergleichbar qualifizierter Juristinnen und Juristen zurückgeblieben sei. Außerdem seien in NRW die Bewerbungen geeigneter Bewerber für den Justizdienst zurückgegangen, da zahlreiche freie Stellen nicht zeitnah mit geeigneten qualifizierten Bewerbern besetzt werden könnten. Die Qualifikation für das Richteramt beurteile sich trotz weiterer Einstellungskriterien in erster Linie nach den juristischen Examensnoten. Hier seien die Anforderungen gesunken. Während zum Zeitpunkt seiner Einstellung im Jahr 0 noch zwei Prädikatsexamen erforderlich gewesen seien, genüge nunmehr in der zweiten Staatsprüfung ein mittleres „befriedigend“. Die Einstellungsvoraussetzungen seien bereits durch Erlass des Justizministeriums des Landes NRW vom 29. Juni 1999 dahingehend abgesenkt worden, dass lediglich eine Mindestpunktzahl von 7,76 Punkten in der zweiten juristischen Staatsprüfung erforderlich sei. Dies sei auf eine zu niedrige Alimentation – auch im Vergleich zu den deutlich attraktiveren Zahlungsbedingungen für juristisch hochqualifizierte Berufsanfänger im Anwaltsbereich – zurückzuführen. Die Situation werde sich in den nächsten Jahren wegen der zu erwartenden Pensionierungen bei gleichzeitig allenfalls stagnierenden Absolventenzahlen noch verschärfen. Des Weiteren habe der Landesbesoldungsgesetzgeber seine Pflicht zur Einhaltung prozeduraler Anforderungen nicht eingehalten. Insbesondere die Wahrung des Mindestabstandsgebots könne nicht nachträglich vom Dienstherrn bzw. von dem LBV NRW gerechtfertigt werden. Die hierfür entsprechenden Gründe ließen sich nicht bereits nachvollziehbar aus der Gesetzesbegründung entnehmen. Schließlich liege mit Blick auf die Besoldungsanpassung für die Jahre 2013 und 2014 trotz des „Korrekturversuchs“ des Landesgesetzgebers durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 2013/2014 Nordrhein-Westfalen vom 11. November 2014 (GV.NRW. 2014 Nr. 34, Seite 729 bis 740) (BesVersAnpÄndG) weiterhin ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz – GG) i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG vor. Für die Ungleichbehandlung fehle es zum einen an einem sachlichen Grund. Zum anderen sei sie nicht auf die Jahre 2013 und 2014 beschränkt. Die höhere prozentuale Anpassung der Besoldung nach R 3 in diesen Jahren führe dazu, dass die ab 2015 gewährten Besoldungserhöhungen auf eine höhere Ausgangsbesoldung anzuwenden seien und somit zu einer höheren Besoldung in der Besoldungsgruppe R 3 auch ab diesem Zeitpunkt fortlaufend führen müssten.
7Der Kläger beantragt,
8festzustellen, dass die Alimentation des Klägers aus der Besoldungsgruppe R 3 im Zeitraum von 2017 bis 2021 den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine amtsangemessene Besoldung nicht genügte;
9weiter festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger alle steuerlichen Nachteile zu erstatten, die sich im Falle einer rückwirkenden Auszahlung von Beträgen ergeben werden.
10Das beklagte Land beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Es meint, die Alimentation des Klägers genüge im streitgegenständlichen Zeitraum gemessen an den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Amtsangemessenheit der Alimentation. Selbst wenn ein Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot vorläge, bedeute dies nicht zwingend, dass der Gesetzgeber zur Behebung eines vermeintlichen Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot in den untersten Besoldungsgruppen eine Neustrukturierung des Besoldungsgefüges vornehme, die auch zu einer Erhöhung der Grundgehalts-sätze einer höheren Besoldungsgruppe führen würden. Insbesondere sei auch eine Verbesserung der (Grund-) Besoldung für Personen ohne Kinder nicht zwingend.
13Soweit der Kläger die Feststellung der Verfassungswidrigkeit seiner Besoldung seit dem Jahr 2022 geltend macht, hat die Kammer das Verfahren mit Beschluss vom 15. August 2023 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 13 K 2776/23 fortgeführt.
14Die Kammer hat Auskünfte des Statistischen Landesamtes Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW), des Ministeriums der Justiz des Landes NRW und des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e.V. eingeholt und den Beteiligten vorab zur Stellungnahme übersandt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
16Die Klage ist zulässig (dazu A.), aber unbegründet (dazu B.).
17A. Die Klage ist als Feststellungsklage (vgl. § 43 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
18I. Aufgrund des besoldungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes und des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers können Beamtinnen und Beamten bzw. Richterinnen und Richtern,
19im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die gleichzeitige Verwendung mehrerer Sprachformen verzichtet und gilt die männliche Sprachform für alle Geschlechter,
20auch dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit ihrer Alimentation in Frage steht, keine Besoldungsleistungen zugesprochen werden, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. Vielmehr sind sie darauf verwiesen, ihren Alimentationsanspruch dadurch geltend zu machen, dass sie Klagen auf Feststellung erheben, ihre Alimentation sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen. Teilt das Verwaltungsgericht diese Beurteilung, so muss es nach Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Besoldungsgesetzes einholen, das die Dienstbezüge festlegt. Demnach wird den Beamten und Richtern im Erfolgsfall zugemutet abzuwarten, bis der Gesetzgeber eine Neuregelung getroffen hat. Aufgrund der Bindung des Gesetzgebers an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) ist dieser Weg trotz des damit verbundenen Zuwartens auf ein Tätigwerden des Gesetzgebers mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar.
21Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 20. März 2008 - 2 C 49.07 -, juris, Rn. 29; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 12. Februar 2014 - 3 A 155/09 -, juris, Rn. 29.
22Eine wirtschaftliche Notlage, die – gegebenenfalls mit der Folge der Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO – möglicherweise unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht vorläufige Zahlungen in Betracht kommen lassen könnte,
23vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2008 - 2 C 49.07 -, a.a.O., Rn. 29,
24ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
25II. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO an der begehrten Feststellung. Insbesondere hat er die Verfassungswidrigkeit seiner Alimentation durch seine Widersprüche in den Jahren 2017 bis 2021 zeitnah geltend gemacht.
26Vgl. zur rechtzeitigen Geltendmachung: BVerwG, Urteile vom 28. Juni 2011 - 2 C 40.10 -, juris, Rn. 6 ff., und vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 -, juris, Rn. 7 ff.; OVG NRW, Urteile vom 12. Februar 2014 - 3 A 155/09 -, a.a.O., Rn. 33 ff., vom 24. November 2010 - 3 A 1761/08 -, juris, Rn. 62 ff., und vom 22. Januar 2010 - 1 A 908/08 -, juris, Rn. 146; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. November 2021 - 1 A 2704/20 -, juris, Rn. 92 ff.; Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 17. Mai 2018 - 1 A 22/16 -, juris, Rn. 29; Oberverwaltungs- gericht Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg), Beschluss vom 11. Oktober 2017 - OVG 4 B 33.12 -, juris, Rn. 26; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. April 2017 - 5 LC 76/17 -, juris, Rn. 50 ff.; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 23. August 2016 - 2 KO 333/14 -, juris, Rn. 30; vgl. ferner Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, Urteil vom 17. August 2023 - 26 K 5912/22 -, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 7. Juni 2023 - 1 K 3419/22 -, juris; VG Münster, Urteil vom 8. Mai 2023 - 5 K 47/22 -, juris.
27III. Auch hat der Kläger nach dem Vorstehenden das nach § 54 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (BeamtStG) i.V.m. § 103 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) erforderliche Vorverfahren durchgeführt.
28Die bisher fehlende Bescheidung der Widersprüche des Klägers für die Jahre 2017 bis 2021 steht der Zulässigkeit seiner Klage nicht entgegen. Nach § 75 Satz 1 VwGO ist die Klage auch ohne Durchführung des gemäß § 54 Abs. 2 BeamtStG i.V.m. § 103 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW erforderlichen Vorverfahrens zulässig, sofern über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. So liegt der Fall hier. Zwar bestand zwischen dem Kläger und dem beklagten Land Einigkeit darüber, dass im Hinblick auf noch offene Vorlageverfahren beim Bundesverfassungsgericht zur amtsangemessenen Alimentation von Richtern und Staatsanwälten zunächst keine Bescheidung seiner Widersprüche erfolgen sollte. Allerdings legte das beklagte Land im vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz vom 17. Mai 2022 Berechnungen für die Jahre 2017 bis 2021 nach Maßgabe der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vor; für das Jahr 2022 konnten noch keine abschließenden Berechnungen vorgelegt werden. Mit Verfügung vom 5. Januar 2023 hat das Gericht den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29. September 2023 anberaumt. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 7. Juni 2023, auch in den Jahren 2018 bis 2022 förmliche Widersprüche gegen seine Besoldung eingelegt zu haben. Den Beteiligten war demnach bewusst, dass kein Grund mehr bestand, mit einer Bescheidung der weiteren Widersprüche des Klägers jedenfalls hinsichtlich der Besoldung bis zum Jahr 2021 zuzuwarten.
29So auch: VG Berlin, Urteil vom 16. Juni 2023 - 26 K 246/23 -, juris, Rn. 20.
30B. Die Klage ist unbegründet.
31Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass seine Alimentation in den Jahren 2017 bis 2021 verfassungswidrig zu niedrig bemessen gewesen sei, sowie auf Feststellung, dass das beklagte Land verpflichtet sei, ihm alle steuerlichen Nachteile zu erstatten, die sich im Falle einer rückwirkenden Auszahlung von Beträgen ergeben werden. Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass die gesetzlichen Vorschriften über seine Alimentation in diesem Zeitraum den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Alimentation von Richtern der Besoldungsgruppe R 3 nicht genügten.
32I. Rechtsgrundlage der Besoldung des Klägers ist das Besoldungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbesoldungsgesetz – LBesG NRW) vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. 2016 Nr. 18, Seite 310).
33II. Der verfassungsrechtliche Maßstab, an dem die Rechtsgrundlagen für die Besoldung der Beamten und Richter zu messen sind, ergibt sich aus Art. 33 Abs. 5 GG.
34Die daraus folgenden Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit der Alimentation hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 5. Mai 2015,
35- 2 BvL 17/09 u. a. -, juris,
36Beschluss vom 17. November 2015,
37- 2 BvL 19/09 u. a. -, juris,
38sowie Beschlüssen vom 4. Mai 2020,
39- 2 BvL 4/18 - und - 2 BvL 6/17 u.a. -, jeweils juris,
40wie im Folgenden dargestellt konkretisiert.
41Aus der Verfassung für das Land NRW vom 28. Juni 1950 (LV NRW) ergibt sich keine Abweichung gegenüber den bundesverfassungsrechtlichen Anforderungen. Art. 33 Abs. 5 GG ist auf Grund der Rezeptionsnorm des Art. 4 Abs. 1 LV NRW Bestandteil der Landesverfassung und unmittelbar geltendes Landesrecht.
42Vgl. Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (VerfGH NRW), Urteil vom 1. Juli 2014 - 21/13 -, juris, Rn. 51.
431. Nach Art. 33 Abs. 5 GG ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
44Zu den vom Gesetzgeber wegen ihres grundlegenden und strukturprägenden Charakters nicht nur zu berücksichtigenden, sondern zu beachtenden hergebrachten Grund-sätzen des Berufsbeamtentums zählt das auch für die Besoldung der Beamten bzw. Richter und Staatsanwälte maßgebliche Alimentationsprinzip. Art. 33 Abs. 5 GG ist unmittelbar geltendes Recht und enthält einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber sowie eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums. Des Weiteren begründet Art. 33 Abs. 5 GG ein grundrechtsgleiches Recht der Beamten bzw. Richter und Staatsanwälte, soweit deren subjektive Rechtsstellung betroffen ist.
45Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 22 m.w.N.
46Das Alimentationsprinzip wird von verschiedenen Determinanten geprägt. Es verpflichtet den Dienstherrn, Beamte bzw. Richter und Staatsanwälte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Damit wird der Bezug der Besoldung sowohl zu der Einkommens- und Ausgabensituation der Gesamtbevölkerung als auch zur Lage der Staatsfinanzen, das heißt zu der sich in der Situation der öffentlichen Haushalte ausdrückenden Leistungsfähigkeit des Dienstherrn, hergestellt. Im Rahmen seiner Verpflichtung zu einer dem Amt angemessenen Alimentation hat der Gesetzgeber auch die Attraktivität der Dienstverhältnisse von Beamten bzw. Richtern und Staatsanwälten für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung zu berücksichtigen. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Alimentation kommt es auf deren Gesamthöhe an, zu deren Ermittlung neben dem Grundgehalt auch weitere Besoldungsbestandteile wie Sonderzahlungen oder Stellenzulagen heranzuziehen sind, auch wenn diese für sich betrachtet nicht den verfassungsrechtlichen Schutz eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG genießen.
47Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 22 ff. m.w.N.
48Bei der Umsetzung der aus Art. 33 Abs. 5 GG resultierenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentation besitzt der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Struktur als auch hinsichtlich der Höhe der Besoldung; diese ist der Verfassung nicht unmittelbar, als fester und exakt bezifferbarer Betrag, zu entnehmen. Insofern stellt die in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Garantie eines „amtsangemessenen“ Unterhalts lediglich eine den Besoldungsgesetzgeber in die Pflicht nehmende verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive dar.
49Innerhalb des ihm zukommenden Entscheidungsspielraums muss der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anpassen. Die von ihm jeweils gewählte Lösung – hinsichtlich Struktur und Höhe der Alimentation – unterliegt allerdings der gerichtlichen Kontrolle.
50Die materielle Kontrolle ist auf die Frage beschränkt, ob die Bezüge der Beamten bzw. Richter und Staatsanwälte evident unzureichend sind. Ob dies der Fall ist, muss anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der konkret in Betracht kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden.
51Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 26 ff. m.w.N.
522. Diese Gesamtschau vollzieht sich in zwei Schritten: Auf der ersten Prüfungsstufe (dazu a.) wird mit Hilfe von aus dem Alimentationsprinzip ableitbaren und volkswirtschaftlich nachvollziehbaren Parametern ein durch Zahlenwerte konkretisierter Orientierungsrahmen für eine grundsätzlich verfassungsgemäße Ausgestaltung der Alimentationsstruktur und des Alimentationsniveaus ermittelt. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Alimentationsprinzip sind fünf Parameter angelegt, denen eine indizielle Bedeutung bei der Ermittlung des verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentationsniveaus zukommt. Die erste Prüfungsstufe bereitet die auf der zweiten Prüfungsstufe (dazu b.) stets gebotene Gesamtabwägung aller alimentationsrelevanten Aspekte vor, ersetzt sie aber nicht.
53Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.
54a. Der Gesetzgeber muss den für die Bemessung der amtsangemessenen Alimentation relevanten Kriterien sowohl bei strukturellen Neuausrichtungen im Besoldungsrecht als auch bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldung über die Jahre hinweg Rechnung tragen. Ebenso wenig wie die exakte Höhe der amtsangemessenen Besoldung lässt sich dabei der Zeitpunkt, zu dem diese als gerade noch amtsangemessen anzusehen ist, unmittelbar der Verfassung entnehmen. Ob der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Anpassung der Alimentation an die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse bei der Fortschreibung der Besoldungshöhe nachkommt, zeigt sich vielmehr erst anhand einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung einerseits mit verschiedenen Vergleichsgrößen andererseits über einen aussagekräftigen Zeitraum hinweg. Die hierbei regelmäßig heranzuziehenden Schwellenwerte, bei deren Überschreitung eine erkennbare Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung oder -höhe und der Vergleichsgröße vorliegt, haben lediglich Orientierungscharakter. Sie sollen vor allem Indizien für eine Unteralimentation identifizieren. Eine „Spitzausrechnung“, bei der insbesondere alle Veränderungen der Besoldung, aber auch der Tariflöhne minutiös abgebildet werden, würde der ersten Prüfungsstufe eine vermeintliche Objektivität zumessen, die ihr gerade nicht zukommt.
55Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 29 f. m.w.N.
56Im Ausgangspunkt genügt es daher, die von den Besoldungsgesetzgebern im Regelfall für alle Besoldungsgruppen gleichermaßen vorgenommenen linearen Anpassungen der Bezüge um einen bestimmten Prozentwert zu erfassen. Es stellt die Aussagekraft der Parameter auch nicht in Frage, wenn unterjährige Besoldungsanpassungen dabei so behandelt werden, als seien sie zu Jahresbeginn erfolgt. Einer ungleich aufwendigeren „Spitzausrechnung“ bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn die jeweiligen Schwellenwerte ohnehin überschritten werden. Wenn diese bei einer für die Entscheidung erheblichen Zahl von Parametern knapp unterschritten werden oder Besonderheiten der (Besoldungs-)Entwicklung im Raum stehen, kann jedoch Anlass bestehen, diesen Umständen im Rahmen der Gesamtbetrachtung der Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe Rechnung zu tragen. Aus dem gleichen Grund sind auch sonstige Besoldungsveränderungen wie namentlich Veränderungen der besonderen Bezügebestandteile (Sonderzahlungen, Urlaubsgeld) sowie nichtlineare Besoldungserhöhungen durch Sockelbeträge oder Einmalzahlungen für die hier angewandten Parameter nur dann bereits auf der ersten Prüfungsstufe zu berücksichtigen, wenn von vornherein feststeht, dass sie einen erheblichen Einfluss auf die Besoldungsentwicklung haben können.
57Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 31 m.w.N.
58Entsprechendes gilt auch für die Ermittlung der Vergleichsgrößen: So erfasst der durch das Statistische Bundesamt ermittelte Tariflohnindex allein lineare Tariferhöhungen; Sockelbeträge, Einmalzahlungen sowie Veränderungen der Sonderzahlungen bleiben ebenso außen vor wie der Zeitpunkt der Tariferhöhung. Auch bei der Gegenüberstellung des bruttolohnbasierten Nominallohnindex mit der Veränderung der Bruttobesoldung sind Verzerrungen infolge der Steuerprogression oder der Belastung mit Sozialabgaben nicht auszuschließen. Gravierenden Verzerrungen, welche die Aussagekraft eines Vergleichs nachhaltig erschüttern würden, kann im Rahmen der Gesamtbetrachtung Rechnung getragen werden.
59Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 32 f. m.w.N.
60aa. Eine deutliche Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und den Tarifergebnissen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst im betroffenen Land oder – bei der Bundesbesoldung – auf Bundesebene ist ein wichtiges Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes (erster Parameter).
61Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 34 m.w.N.
62Bezugsrahmen für die Amtsangemessenheit der Alimentation sind zunächst die Einkommen der Arbeitnehmer mit vergleichbarer Ausbildung und Tätigkeit innerhalb des öffentlichen Dienstes. Dem Einkommensniveau dieser privatrechtlich beschäftigten Arbeitnehmer kommt eine besondere Bedeutung für die Bestimmung der Wertigkeit des Amtes und damit der Angemessenheit der Besoldung zu, zumal die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst ein gewichtiges Indiz für die Entwicklung sowohl der (sonstigen) allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse sowie des allgemeinen Lebensstandards einerseits als auch der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes oder des Bundes andererseits sind. Zwar ist der Besoldungsgesetzgeber – auch angesichts der grundsätzlichen Unterschiede zwischen der Tarifentlohnung und der Beamtenbesoldung – von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, bei Anpassungen der Bezüge eine strikte Parallelität zu den Tarifergebnissen des öffentlichen Dienstes zu gewährleisten. Er darf die Tarifergebnisse bei der Festsetzung der Beamtenbesoldung aber nicht in einer über die Unterschiedlichkeit der Entlohnungssysteme hinausgehenden Weise außer Betracht lassen. Wird bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst eine Abkopplung der Bezüge der Amtsträger hinreichend deutlich sichtbar, steht dies im Widerspruch zur Orientierungsfunktion der Tarifergebnisse.
63Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 35 m.w.N.
64Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Differenz zwischen den Tarifergebnissen und der Besoldungsanpassung mindestens 5 % des Indexwertes der erhöhten Besoldung beträgt. Ausgehend vom verfahrensgegenständlichen Kalenderjahr ist die Betrachtung dabei auf den Zeitraum der zurückliegenden 15 Jahre zu erstrecken, um einerseits zufällige Ausschläge aufzufangen und andererseits eine methodische Vergleichbarkeit noch zu gewährleisten. Ergänzend ist gegebenenfalls für einen weiteren gleichlangen Zeitraum, der auch den Zeitraum der fünf Jahre vor Beginn des oben genannten 15-jährigen Betrachtungszeitraums abdeckt und sich mit diesem Zeitraum überlappt, eine Vergleichsberechnung durchzuführen. Durch eine derartige Staffelprüfung wird sichergestellt, dass etwaige statistische Ausreißer bereinigt werden.
65Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 36 m.w.N.
66bb. Eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Nominallohnindex im jeweils betroffenen Land ist ein weiteres Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes (zweiter Parameter).
67Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 37 m.w.N.
68Die Verpflichtung zur Anpassung der Besoldung an die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse erfordert, dass die Besoldung der Beamten bzw. Richter und Staatsanwälte zu der Einkommenssituation und -entwicklung der Gesamtbevölkerung in Bezug gesetzt wird. Zur Orientierung eignet sich insoweit der Nominallohnindex, der ein allgemein anerkannter Indikator für die Einkommens- und Wohlstandsentwicklung der abhängig Beschäftigten in Deutschland ist. Dieser Index misst die Veränderung des durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes inklusive Sonderzahlungen der vollzeit-, teilzeit- und geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer. Er ist weitgehend repräsentativ für die Verdienstentwicklung und bildet sie transparent, exakt, zeitnah und in regelmäßigen Zeitabständen ab.
69Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 38 m.w.N.
70Zur Gewährleistung der Vergleichbarkeit im Rahmen der hier vorgenommenen Gegenüberstellung der prozentualen Entwicklung des bruttolohnbasierten Nominallohnindex mit der Besoldung über einen längeren Zeitraum kann auf die Bruttobesoldung abgestellt werden.
71Vgl. schon Urteil der Kammer vom 23. März 2018 - 13 K 58/14 -, n.v. (S. 16 des amtlichen Umdrucks).
72Beträgt die Differenz zwischen der Entwicklung des Nominallohnindex und der Besoldungsentwicklung bei Zugrundelegung eines Zeitraums von 15 Jahren bis zu dem verfahrensgegenständlichen Zeitabschnitt sowie in einem überlappenden gleichlangen Zeitraum in der Regel mindestens 5 % des Indexwertes der erhöhten Besoldung, ist dies ein weiteres Indiz für die evidente Unangemessenheit der Alimentation.
73Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 38 m.w.N.
74cc. Eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Verbraucherpreisindex in dem jeweils betroffenen Land oder – bei der Bundesbesoldung – auf Bundesebene ist ebenfalls ein Indiz für eine Verletzung des Kerngehalts der Alimentation (dritter Parameter).
75Der Gesetzgeber hat bei der Bemessung der Besoldung zu berücksichtigen, dass diese dem Beamten bzw. Richter oder Staatsanwalt über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus einen seinem Amt angemessenen Lebensunterhalt ermöglichen muss. Das Alimentationsprinzip verlangt – parallel zu der Konstellation eines familiär bedingten Unterhaltsbedarfs –, durch eine entsprechende Bemessung der Bezüge zu verhindern, dass das Gehalt infolge eines Anstiegs der allgemeinen Lebenshaltungskosten aufgezehrt und dem Beamten bzw. Richter oder Staatsanwalt infolge des Kaufkraftverlustes die Möglichkeit genommen wird, den ihm zukommenden Lebenszuschnitt zu wahren. Zur Ermittlung der wirtschaftlichen Situation des Beamten bzw. Richters oder Staatsanwalts ist der Entwicklung seines Einkommens die allgemeine Preisentwicklung anhand des Verbraucherpreisindex gegenüberzustellen. Der Verbraucherpreisindex bemisst die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen (Mieten, Nahrungsmittel, Bekleidung, Kraftfahrzeuge, Friseur, Reinigung, Reparaturen, Energiekosten, Reisen etc.), die von privaten Haushalten für Konsumzwecke in Anspruch genommen werden.
76Beträgt die Differenz zwischen der Entwicklung des Verbraucherpreisindex und der Besoldungsentwicklung bei Zugrundelegung eines Zeitraums von 15 Jahren bis zu dem verfahrensgegenständlichen Zeitabschnitt sowie in einem überlappenden gleichlangen Zeitraum in der Regel mindestens 5 % des Indexwertes der erhöhten Besoldung, ist dies ein weiteres Indiz für die evidente Unangemessenheit der Alimentation.
77Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 39 bis 41 m.w.N.
78dd. Der vierte Parameter ergibt sich aus einem systeminternen Besoldungsvergleich.
79Die Amtsangemessenheit der Alimentation der Richter und Staatsanwälte bestimmt sich auch durch ihr Verhältnis zur Besoldung und Versorgung anderer Beamtengruppen. Durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang soll sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. Gleichzeitig kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Die Wertigkeit wird insbesondere durch die Verantwortung des Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Die „amts“-angemessene Besoldung ist notwendigerweise eine abgestufte Besoldung. Die Organisation der öffentlichen Verwaltung stellt darauf ab, dass in den höher besoldeten Ämtern die für den Dienstherrn wertvolleren Leistungen erbracht werden. Deshalb muss im Hinblick auf das Leistungs- und das Laufbahnprinzip mit der organisationsrechtlichen Gliederung der Ämter eine Staffelung der Gehälter einhergehen. Vergleiche sind dabei nicht nur innerhalb einer Besoldungsordnung, sondern gerade auch zwischen den verschiedenen Besoldungsordnungen geboten. Amtsangemessene Gehälter sind auf dieser Grundlage so zu bemessen, dass sie Richtern, Staatsanwälten und Beamten eine Lebenshaltung ermöglichen, die der Bedeutung ihres jeweiligen Amtes entspricht.
80Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 42 f. m.w.N.
81Das Ergebnis des systeminternen Besoldungsvergleichs kann in zweifacher Hinsicht indizielle Bedeutung dafür haben, dass die Besoldung hinter den Vorgaben des Alimentationsprinzips zurückbleibt.
82Im ersten Fall ergibt sich die indizielle Bedeutung aus dem Umstand, dass es infolge unterschiedlich hoher linearer oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen zu einer deutlichen Verringerung der Abstände zwischen zwei zu vergleichenden Besoldungsgruppen kommt. Diese Schwelle ist nicht erst dann überschritten, wenn die Abstände ganz oder im Wesentlichen eingeebnet werden. Das wäre mit dem Abstandsgebot als eigenständigem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums unvereinbar. Ein im Rahmen der Gesamtabwägung zu gewichtendes Indiz für eine unzureichende Alimentation liegt vielmehr bereits dann vor, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden.
83Im zweiten Fall folgt die indizielle Bedeutung aus der Missachtung des gebotenen Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau in der untersten Besoldungsgruppe.
84Beim Mindestabstandsgebot handelt es sich – wie beim Abstandsgebot – um einen eigenständigen, aus dem Alimentationsprinzip abgeleiteten Grundsatz. Es besagt, dass bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern geschuldet ist, hinreichend deutlich werden muss. Dieser Mindestabstand wird unterschritten, wenn die Nettoalimentation (unter Berücksichtigung der familienbezogenen Bezügebestandteile und des Kindergelds) um weniger als 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann, so dass es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind bedarf. Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung. Auch hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum. Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen.
85Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 44 bis 47 m.w.N.
86Wird bei der zur Prüfung gestellten Besoldungsgruppe der Mindestabstand zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht eingehalten, liegt allein hierin eine Verletzung des Alimentationsprinzips. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Alimentation einer höheren Besoldungsgruppe, bei der das Mindestabstandsgebot selbst gewahrt ist, lässt sich eine solche Schlussfolgerung nicht ohne Weiteres ziehen. Eine Verletzung des Mindestabstandsgebots betrifft aber insofern das gesamte Besoldungsgefüge, als sich der vom Besoldungsgesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Das für das Verhältnis zwischen den Besoldungsgruppen geltende Abstandsgebot zwingt den Gesetzgeber dazu, bei der Ausgestaltung der Besoldung ein Gesamtkonzept zu verfolgen, das die Besoldungsgruppen und Besoldungsordnungen zueinander in Verhältnis setzt und abhängig voneinander aufbaut. Erweist sich die Grundlage dieses Gesamtkonzepts als verfassungswidrig, weil für die unterste(n) Besoldungsgruppe(n) die Anforderungen des Mindestabstandsgebots missachtet wurden, wird der Ausgangspunkt für die darauf aufbauende Stufung in Frage gestellt. Der Besoldungsgesetzgeber ist danach gehalten, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen.
87Allerdings hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, wie er bei der Festsetzung der Bezüge den Anforderungen des Gebotes eines Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau Rechnung trägt. Neben der Anhebung der Grundgehaltssätze und Veränderungen im Beihilferecht kommt insbesondere auch eine Anhebung des Familienzuschlags in Betracht. Ob eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze einer höheren Besoldungsgruppe führt, lässt sich daher nicht mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist umso größer, je näher die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt. Je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, desto eher ist damit zu rechnen, dass es zu einer spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können. Die Verletzung des Mindestabstandsgebots bei einer niedrigeren Besoldungsgruppe ist daher (nur) ein Indiz für die unzureichende Ausgestaltung der höheren Besoldungsgruppe, das mit dem ihm nach den Umständen des Falles zukommenden Gewicht in die Gesamtabwägung einzustellen ist.
88Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 48 f. m.w.N.
89Nach diesen Maßgaben hat das Bundesverfassungsgericht – entgegen der Auffassung des Klägers – eindeutig herausgestellt, dass eine Indizwirkung für eine amtsunangemessene Alimentation (auch) in den höheren Besoldungsgruppen bei einer Einordnung der Verletzung des Mindestabstandsgebots erst dann vorliegt, wenn die Nettoalimentation um weniger als 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt.
90Vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 47, 49 m.w.N.
91Das Bundesverfassungsgericht verwechselt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht die Voraussetzungen und Folgen eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot. Durch die Annahme einer „Indizwirkung“ nimmt das Bundesverfassungsgericht noch keinen Verstoß an. Es stellt damit nur ein in die Gesamtabwägung einzustellendes Kriterium auf, das – in Zusammenschau mit weiteren alimentationsrelevanten Kriterien – zum Vorliegen eines Verstoßes gegen das Gebot einer verfassungsmäßigen Alimentierung führen kann. Der Kläger verkennt hier seinerseits, dass die Gesamtabwägung ein Prüfungsschritt zur Feststellung einer amts(un)amgemessenen Alimentation und damit Voraussetzung selbst ist. Im Übrigen sind die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Verletzung des Mindestabstandsgebots,
92vgl. dazu seinen Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 46 bis 49,
93zur Überzeugung der Kammer nicht dahingehend zu verstehen, dass die „Freiheit des Gesetzgebers bei der Folgenbeseitigung“ des Verfassungsverstoßes in Form eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot in einer unteren bzw. der untersten Besoldungsgruppe in die Prüfung, ob überhaupt ein Verfassungsverstoß in einer höheren Besoldungsgruppe vorliegt, einzustellen ist. Vielmehr habe ein Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot in einer unteren resp. der untersten Besoldungsgruppe nicht automatisch zur Folge, dass im Rahmen der (gebotenen) Schaffung einer neuen konsistenten Besoldungssystematik zwangsläufig auch eine Anhebung der Grundgehaltssätze in den oberen Besoldungsgruppen erfolgen müsse; dem Gesetzgeber komme insoweit bei der Festsetzung der Bezüge zur Wahrung der gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen ein weiter Gestaltungsspielraum zu, etwa im Wege der Anhebung der Grundgehaltssätze, Veränderungen im Beihilferecht oder gar einer Anhebung des Familienzuschlags. Soweit das Bundesverfassungsgericht ausführt, „ob eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze einer höheren Besoldungsgruppe führt, lässt sich daher nicht mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erforderlichen Gewissheit feststellen“, greift es nur erneut die in Rn. 48 seines Beschlusses vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., niedergelegte Auffassung – in anderen Worten – auf, dass ein Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot in einer unteren resp. der untersten Besoldungsgruppe nicht ohne Weiteres zu einem Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot auch einer höheren Besoldungsgruppe führt, sondern ein solcher „nur“ als Indiz im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen ist.
94Schließlich muss sich bei einem Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot nicht zwangsläufig das gesamte Besoldungsgefüge als fehlerhaft erweisen. Nach den vorstehenden Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts „betrifft“ eine Verletzung des Mindestabstandsgebots zwar insoweit das gesamte Besoldungsgefüge, da sich der „Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung“ als fehlerhaft erweist. Das Bundesverfassungsgericht spricht indes nicht von einer „Verfassungswidrigkeit des Gesamtgefüges“, es stellt allein „die darauf aufbauende Stufung in Frage“.
95Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 48.
96Auch das von dem Gesetzgeber einzuhaltende Abstandsgebot führt nicht zwingend zu einer Verfassungswidrigkeit des Gesamtgefüges im Falle der Verfassungswidrigkeit des Ausgangspunktes der Besoldung. Der Gesetzgeber hat ein „Abstandsgebot“ bei der Festsetzung der Bezüge für Beamte und Richter aus unterschiedlichen Besoldungsgruppen zu wahren, das gebietet, dass sich die Wertigkeit des Amtes auch in der Besoldungshöhe – in sämtlichen Erfahrungsstufen – widerspiegelt.
97Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 u.a. -, juris, Rn. 75 f.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 22. September 2017 - 2 C 56.16 u.a. -, juris, Rn. 117.
98Insofern besteht für den Gesetzgeber ein Verbot der Abschmelzung bestehender Abstände,
99vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 u.a. -, a.a.O., Rn. 78; BVerwG, Beschluss vom 22. September 2017 - 2 C 56.16 -, a.a.O., Rn. 118.
100Muss eine Bezügebemessung geändert werden, verschiebt sich der Bezugsrahmen für höhere Besoldungsgruppen. Führt die Erhöhung einer (nach Feststellung eines Verfassungsverstoßes) zu korrigierenden Besoldung zu einem absolut dann nur noch geringfügigen Abstand zu einer höheren Besoldungsgruppe, ist ein Verstoß gegen das Abstandsgebot anzunehmen.
101Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 2017 - 2 C 56.16 u.a. -, a.a.O., Rn. 120 f.
102Nach alldem dürfte es zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer höheren Besoldungsgruppe insbesondere auf die Bewertung der Abstände zwischen den zur Prüfung gestellten Besoldungsgruppen untereinander nach erfolgter Korrektur der Besoldung in einer unteren Besoldungsgruppe ankommen.
103Vor diesem Hintergrund wird auch nicht in Abrede gestellt, dass – so der Klägervortrag – die Einhaltung des Mindestabstands der unter(st)en Besoldungsgruppe zum Grundsicherungsniveau bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Alimentation für Ämter aus höheren Besoldungsgruppen Bedeutung hat.
104So auch: BVerwG, Beschluss vom 22. September 2017 - 2 C 56.16 u.a. -, a.a.O., Rn. 150.
105Diese muss aber nicht ohne Weiteres auch zu einer Verfassungswidrigkeit des gesamten Besoldungsgefüges führen.
106Das zur Bestimmung der Mindestalimentation herangezogene Grundsicherungsniveau umfasst alle Elemente des Lebensstandards, der den Empfängern von Grundsicherungsleistungen staatlicherseits gewährt wird, unabhängig davon, ob diese zum von Verfassungs wegen garantierten Existenzminimum zählen oder über dieses hinausgehen und ob zur Befriedigung der anerkannten Bedürfnisse Geldleistungen gewährt oder bedarfsdeckende Sach- beziehungsweise Dienstleistungen erbracht werden.
107Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 50 m.w.N.
108Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II), die derzeit zusammen mit den Leistungen der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) den Kern des Grundsicherungsniveaus bilden, beruhen nur teilweise auf gesetzgeberischen Pauschalierungen (so etwa hinsichtlich der Regelbedarfe, §§ 20, 23 SGB II und §§ 27a ff. SGB XII i.V.m. dem – jeweiligen – Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz – RBEG – bzw. der – jeweiligen – Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung – RBSFV); im Übrigen knüpft der Sozialgesetzgeber an die tatsächlichen Bedürfnisse an (insbesondere bei den Kosten der Unterkunft, § 22 SGB II).
109Weil die Besoldung der Beamten und Richter nicht dem Gewährleistungsbereich des Art. 33 Abs. 5 GG entzogen werden kann, darf der Besoldungsgesetzgeber sie, wenn es um die Einhaltung der aus dem Alimentationsprinzip folgenden Mindestanforderungen geht, nicht auf den Bezug von Sozialleistungen verweisen. Allenfalls dürfen tatsächlich bezogene Sozialleistungen auf die Bezüge angerechnet werden. Anderes gilt nur für das Kindergeld, weil mit ihm im Ausgangspunkt die – bei der Ermittlung des Nettogehalts ohnehin zu berücksichtigende – verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes bewirkt wird und es daher nur in bestimmten Fällen und in unterschiedlichem Umfang den Charakter einer Sozialleistung hat.
110Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 51 f. m.w.N.
111Zur Berechnung der Höhe eines realitätsgerechten Grundsicherungsniveaus können nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
112vgl. dazu Beschlüsse vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 54 ff. m.w.N., sowie - 2 BvL 6/17 u.a. -, a.a.O., Rn. 43 ff. m.w.N.,
113folgende Bestimmungsfaktoren herangezogen werden:
114Gemäß § 20 SGB II wird zur Befriedigung des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts ein monatlicher Pauschalbetrag anerkannt, dessen Höhe regelmäßig neu festgesetzt wird. Dabei wird typisierend für unterschiedliche Lebensumstände ein unterschiedlicher Regelbedarf angenommen. Für in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebende Erwachsene gilt gemäß § 20 Abs. 4 SGB II die Bedarfsstufe 2. Für Kinder richtet sich die Zuordnung zu einer Regelbedarfsstufe nach dem Lebensalter. Insofern kann auf die im Existenzminimumbericht der Bundesregierung etablierte Berechnungsmethode,
115vgl. Bundestagsdrucksache (BT-Drucks.) 19/5400, Seite 6,
116zurückgegriffen werden, bei der die Regelbedarfssätze mit der Anzahl der für die einzelnen Regelbedarfsstufen relevanten Lebensjahre gewichtet werden.
117Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft bietet sich ein Rückgriff auf die von der Bundes-agentur für Arbeit statistisch ermittelten Werte an.
118Um der verfassungsrechtlichen Zielsetzung, das Grundsicherungsniveau als Ausgangspunkt für die Festlegung der Untergrenze der Beamtenbesoldung zu bestimmen, gerecht zu werden, muss der Bedarf für die Kosten der Unterkunft so erfasst werden, wie ihn das Sozialrecht definiert und die Grundsicherungsbehörden tatsächlich anerkennen. Auch muss der Ansatz so bemessen sein, dass er auch in den Kommunen mit höheren Kosten der Unterkunft das Grundsicherungsniveau nicht unterschreitet.
119Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 53 bis 57 m.w.N.
120§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sieht vor, dass Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind. Solange – wie etwa in NRW – nicht aufgrund von § 22a Abs. 1 i.V.m. § 22b Abs. 1 SGB II durch Satzung (oder Verordnung) bestimmt wird, welche Kosten der Unterkunft beziehungsweise welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt werden, muss die Angemessenheit der Kosten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG),
121vgl. dazu BSG, Urteile vom 11. Dezember 2012 - B 4 AS 44/12 R -, juris, Rn. 21 ff., vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 109/11 R -, juris, Rn. 18, vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 2/10 R -, juris, Rn. 18 m.w.N., vom 1. Juni 2010 - B 4 AS 60/09 R -, juris, Rn. 18 ff. unter Verweis auch auf Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 GG, vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R -, juris, Rn. 17 ff., vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R -, juris, Rn. 20,
122in einer mehrstufigen Einzelfallprüfung ermittelt werden: Zunächst ist die sogenannte abstrakte Angemessenheit der Miete zu bestimmen, für die es auf Wohnfläche, Wohnstandard (insbesondere Lage und Ausstattung) und örtliches Preisniveau ankommt. Nach der sogenannten Produkttheorie ist eine Unterkunft angemessen, deren Kosten dem Produkt aus angemessener Wohnfläche einerseits und dem im Vergleichsraum für Wohnungen einfachen Standards ermittelten Mietzins pro Quadratmeter (qm) andererseits entspricht. Der Vergleichsraum ist ausgehend vom Wohnort zu bestimmen, wobei es darauf ankommt, welche Orte aufgrund ihrer räumlichen Nähe, der Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Dabei kann der Grundsicherungsempfänger seinen Wohnort frei wählen: Nach einem Umzug über die Grenzen des kommunalen Vergleichsraums hinaus sind die anzusetzenden Kosten der Unterkunft nicht auf die Aufwendungen am bisherigen Wohnort begrenzt. Die anzusetzende Wohnfläche wird aus den im jeweils fraglichen Zeitraum geltenden landesrechtlichen Vorgaben für den sozialen Mietwohnungsbau abgeleitet. Der Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards ist auf der Grundlage eines überprüfbaren, schlüssigen Konzepts zur Datenerhebung und -auswertung zu ermitteln, das die Gewähr dafür bietet, die Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts in einem bestimmten Zeitraum wiederzugeben. Überschreiten die tatsächlichen Aufwendungen den nach diesen Maßgaben bestimmten abstrakt angemessenen Betrag, wird im Verfahren nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II geprüft, ob im konkreten Einzelfall eine bedarfsgerechte und kostengünstige Wohnung tatsächlich verfügbar und zugänglich ist. Ist dies nicht der Fall, sind die höheren Kosten anzuerkennen.
123Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 58 m.w.N., insbesondere aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
124Die Höhe der grundsicherungsrechtlichen Kosten der Unterkunft wird realitätsgerecht erfasst, wenn die von der Bundesagentur für Arbeit länderspezifisch erhobenen und in ihrer Auskunft übermittelten Daten über die tatsächlich anerkannten Bedarfe (95 %-Perzentil) zugrunde gelegt werden. Hierbei handelt es sich um den Betrag, mit dem im jeweiligen Jahr bei rund 95 % der Partner-Bedarfsgemeinschaften mit zwei Kindern der anerkannte monatliche Bedarf für laufende Kosten der Unterkunft abgedeckt worden ist. Der Anteil der Haushalte, bei denen ein noch höherer monatlicher Bedarf für die laufenden Kosten der Unterkunft anerkannt worden ist, liegt bei unter 5 %. Auf diese Weise werden die tatsächlich als angemessen anerkannten Kosten der Unterkunft erfasst, während zugleich die statistischen Ausreißer, die auf besonderen Ausnahmefällen beruhen mögen, außer Betracht bleiben. Damit wird sichergestellt, dass die auf dieser Basis ermittelte Mindestbesoldung unabhängig vom Wohnort des Beamten ausreicht, um eine angemessene Wohnung bezahlen zu können.
125Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 59; anders: BVerwG, Beschluss vom 22. September 2017 - 2 C 56.16 u.a. -, a.a.O., Rn. 166 ff.
126Zum grundsicherungsrechtlichen Bedarf zählen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch Heizkosten, sofern sie angemessen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts,
127vgl. dazu BSG, Urteile vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 22, und vom 20. August 2009 - B 14 AS 41/08 R -, juris, Rn. 30,
128können dem bundesweiten Heizspiegel, der jährlich nach Energieträger und Größe der Wohnanlage gestaffelte Vergleichswerte ausweist, Richtwerte entnommen werden. Nur wenn die Heizkosten das Produkt aus der angemessenen Wohnfläche und dem Höchstwert des Heizspiegels übersteigen, besteht Anlass dazu, die Aufwendungen konkret auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen.
129Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 62 m.w.N.
130Für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene hat der Gesetzgeber über den Regelbedarf hinaus Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (im Folgenden: Bildung und Teilhabe) gesondert erfasst. Auch sie zählen zum sozialhilferechtlichen Grundbedarf.
131Von 2017 bis 2021 wurden in § 28 SGB II folgende Bedarfe erfasst: Leistungen für Schulausflüge und mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen (§ 28 Abs. 2 SGB II), persönlicher Schulbedarf (§ 28 Abs. 3 SGB II, seit dem 1. August 2019 i.V.m. § 34 Abs. 3 und 3a SGB XII), Kosten der Schülerbeförderung, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es nicht zumutbar ist, sie aus dem Eigenbedarf zu bestreiten (§ 28 Abs. 4 SGB II), angemessene Kosten der Lernförderung, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen (§ 28 Abs. 5 SGB II), Mehraufwendungen für die Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung von Schülern und von Kindern, die in Tageseinrichtungen oder in der Kindertagespflege betreut werden (§ 28 Abs. 6 SGB II), sowie Aufwendungen im Zusammenhang mit der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (§ 28 Abs. 7 SGB II). Pauschaliert sind lediglich der persönliche Schulbedarf (100,00 Euro pro Schuljahr in 2017 und 2018, 150,00 Euro pro Schuljahr in 2019 und 2020, 154,50 Euro in 2021) und die Aufwendungen für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (10,00 Euro pro Monat in 2017 und 2018, 15,00 Euro pro Monat von 2019 bis 2021, jeweils bis zum 18. Lebensjahr), wobei in Ausnahmefällen auch die (höheren) tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt werden können (§ 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II). Im Übrigen werden im Grundsatz die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt.
132Für die Bestimmung des Grundsicherungsniveaus sind im Ausgangspunkt alle Bedarfe des § 28 SGB II relevant. Nur wenn feststeht, dass bestimmte Bedarfe auf außergewöhnliche Lebenssituationen zugeschnitten sind und deshalb tatsächlich nur in Ausnahmefällen bewilligt werden, können sie außer Ansatz bleiben. Danach dürften der persönliche Schulbedarf, Aufwendungen für Schulausflüge, Klassenfahrten und das Mittagessen in Gemeinschaftsverpflegung sowie die Kosten der Teilhabe bei sozialen, sportlichen und kulturellen Aktivitäten dem Grunde nach zu berücksichtigen sein. Um einen realitätsgerechten Wert zu ermitteln, sind die Ausgaben mit der Zahl derjenigen ins Verhältnis zu setzen, die den jeweiligen Bedarf auch tatsächlich geltend machen. Fallen bestimmte Bedarfe nur in bestimmten Altersstufen an, wie etwa der Schulbedarf oder Klassenfahrten, ist wie bei den Regelsätzen ein gewichteter Durchschnitt zu bilden.
133Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 64 m.w.N., 67.
134Nach § 21 SGB II sind bestimmte Mehrbedarfe anzuerkennen, die auf besondere Lebensumstände zurückzuführen sind. Mehrbedarfe im Bagatellbereich können bei der Typisierung außer Ansatz bleiben.
135Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 68.
136Der Lebensstandard der Grundsicherungsempfänger wird nicht allein durch als solche bezeichnete Grundsicherungsleistungen bestimmt. Ihnen werden vornehmlich Dienstleistungen zu einem vergünstigten „Sozialtarif“ angeboten, etwa im Bereich der weitverstandenen Daseinsvorsorge (öffentlicher Nahverkehr, Museen, Theater, Opernhäuser, Schwimmbäder usw.). Von erheblicher praktischer Bedeutung sind auch die Kosten für die Kinderbetreuung. Seit dem 1. August 2019 dürfen von Grundsicherungsempfängern für die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege keine Beiträge mehr erhoben werden (vgl. § 90 Abs. 4 des Achten Buches des Sozialgesetzbuches in der Fassung des Art. 2 Nr. 2 Buchstabe c des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung vom 19. Dezember 2018 [BGBl. I Seite 2696]). Dabei handelt es sich – anders als beim Kindergeld – nicht um eine Vergünstigung, die allen Kindern zuteil wird. Eltern, die keine Sozialleistungen beziehen, müssen diese Leistungen (zumindest teilweise) bezahlen.
137Diese geldwerten Vorteile werden nicht in der Statistik der Grundsicherungsbehörden erfasst. Gleichwohl können sie bei einer realitätsgerechten Ermittlung des den Grundsicherungsempfängern gewährleisteten Lebensstandards nicht unberücksichtigt bleiben. Es handelt sich um Bedürfnisse, deren Erfüllung die öffentliche Hand für jedermann als so bedeutsam erachtet, dass sie Grundsicherungsempfängern entsprechende Leistungen mit Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Lage kostenfrei oder vergünstigt zur Verfügung stellt und hierfür öffentliche Mittel einsetzt.
138Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 69 f.
139Weil die gewährten Vorteile überwiegend regional und nach den Lebensumständen der Betroffenen höchst unterschiedlich ausfallen, ist es für Gerichte kaum möglich, hierzu – zumal rückwirkend – Feststellungen zu treffen und aufzuklären, inwiefern bei der Ermittlung der Regelsätze diese Vergünstigungen berücksichtigt worden sind. Solange aber auch ohne Berücksichtigung etwaiger geldwerter Vorteile feststeht, dass der Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau nicht gewahrt ist, sind Feststellungen zu Art und Umfang der genannten geldwerten Vorteile mangels Entscheidungserheblichkeit entbehrlich. Auch insoweit ist in erster Linie der Besoldungsgesetzgeber gefordert, die Entwicklung der Lebensverhältnisse zu beobachten, um Art und Ausmaß der geldwerten Vorteile zu ermitteln und die Höhe der Besoldung diesen kontinuierlich im gebotenen Umfang anzupassen.
140Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 71 m.w.N.
141Dem Grundsicherungsniveau gegenüberzustellen ist die Nettoalimentation, die einer vierköpfigen Familie auf Grundlage der untersten Besoldungsgruppe zur Verfügung steht.
142Bezugspunkt ist das Gehalt als Ganzes. Neben dem Grundgehalt sind daher solche Bezügebestandteile zu berücksichtigen, die allen Beamten einer Besoldungsgruppe gewährt werden.
143Maßgeblich ist die niedrigste vom Dienstherrn für aktive Beamte ausgewiesene Besoldungsgruppe in der niedrigsten Erfahrungsstufe.
144Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 72 bis 75 m.w.N.
145Bei der Ermittlung des Nettoeinkommens sind die Kosten einer die Beihilfeleistungen des Dienstherrn ergänzenden Krankheitskosten- und Pflegeversicherung in Abzug zu bringen. Gewährt der Dienstherr freie Heilfürsorge oder erhöht er den Beihilfesatz, wirkt sich dies auf die Höhe des Nettoeinkommens aus.
146Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 76 m.w.N.
147Eine Beschränkung der zu berücksichtigenden Aufwendungen entsprechend § 26 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB II, wonach die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung nur bis zur Höhe des nach § 152 Abs. 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes beziehungsweise § 110 Abs. 2 Satz 3 des Elften Sozialgesetzbuchs ermäßigten Beitrags anerkannt werden, scheidet aus. Auch eine Beschränkung auf den steuerlich absetzbaren Beitragsanteil kommt nicht in Betracht.
148Vom Bruttoeinkommen abzuziehen sind die Steuern. Dabei ist auch die Absetzbarkeit der Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Hinzuzurechnen ist das Kindergeld. In der untersten Besoldungsgruppe wirkt sich der Kinderfreibetrag nicht günstiger aus.
149Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 77 bis 79 m.w.N.
150ee. Als fünfter Parameter bildet schließlich der Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und der anderen Länder ein weiteres Indiz für die Bestimmung des Kerngehalts der Alimentation.
151Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I Seite 2034) hat der Gesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung und Versorgung der Beamten und Richter auf die Länder (zurück-)übertragen. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) hindert den Besoldungsgesetzgeber zwar grundsätzlich nicht, eigenständige Regelungen zu treffen und dabei den unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen Rechnung zu trage. Gleichwohl ist eine unbegrenzte Auseinanderentwicklung der Bezüge im Bund und in den Ländern durch die infolge der Neuordnung der Kompetenzverteilung im Grundgesetz eröffnete Befugnis zum Erlass jeweils eigener Besoldungsregelungen nicht gedeckt. Art. 33 Abs. 5 GG setzt der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers insoweit Grenzen, ohne ein besoldungsrechtliches Homogenitätsgebot zu postulieren.
152Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 80 m.w.N.
153Die Alimentation muss es Beamten bzw. Richtern und Staatsanwälten ermöglichen, sich ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf zu widmen und in rechtlicher wie wirtschaftlicher Sicherheit und Unabhängigkeit zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben beizutragen. Sie dient damit nicht allein dem Lebensunterhalt, sondern hat – angesichts der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit – zugleich eine qualitätssichernde Funktion. Damit die Entscheidung für eine Tätigkeit als Richter oder Staatsanwalt für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte attraktiv ist, muss sich die Amtsangemessenheit der Alimentation auch durch ihr Verhältnis zu den Einkommen bestimmen, die für vergleichbare und auf der Grundlage vergleichbarer Ausbildung erbrachte Tätigkeiten außerhalb des in Rede stehenden öffentlichen Dienstes erzielt werden. Neben einem Vergleich mit den Entlohnungssystemen in der Privatwirtschaft, der auf der zweiten Prüfungsstufe in die notwendige Gesamtabwägung einbezogen wird, ist dabei vor allem die Besoldung in den anderen Ländern und im Bund zu berücksichtigen. Die Attraktivität eines Amtes bemisst sich – gerade angesichts einer erfahrungsgemäß erhöhten Flexibilität von Berufseinsteigern – auch nach der Höhe der Bezüge im Vergleich der Länder und des Bundes. Eine Verengung des Blicks ausschließlich auf die wirtschaftliche und finanzielle Situation des betreffenden Landes verlöre aus dem Auge, dass im föderalen System des Grundgesetzes die optimale Erledigung der eigenen Aufgaben bei gleichzeitig begrenzten personellen Ressourcen durch den Wettbewerb mit anderen Dienstherren bestimmt wird. Insoweit ist neben dem ebenfalls bundesweiten Vergleich mit der Privatwirtschaft der Vergleich mit den Konditionen des Staatsdienstes und der Besoldung im Dienste des Bundes und anderer Länder aussagekräftig.
154Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 81 m.w.N.
155Maßgeblich sind die Durchschnittswerte der jährlichen Bruttobezüge (einschließlich allgemein gewährter Stellenzulagen und Sonderzuwendungen) in den vergleichbaren Besoldungsgruppen aller Länder und (soweit dort vorhanden) des Bundes, die zu jeweils gleichen Anteilen in die Berechnung einfließen. Weil der fünfte Parameter anzeigen soll, wie weit sich die den Richtern und Staatsanwälten tatsächlich gewährten Bezüge auseinanderentwickelt haben, wird seine Bedeutung nicht dadurch geschmälert, dass die Höhe anderer Besoldungen ebenfalls verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt ist. Allerdings sind solche Besoldungen aus dem Vergleich ausgeschlossen, deren Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt worden ist. Wegen der jeweils spezifischen Aussagekraft sind sowohl das arithmetische Mittel als auch der Median als Bezugspunkt heranzuziehen.
156Zeigt sich eine erhebliche Gehaltsdifferenz im Vergleich zum Durchschnitt der Bezüge der jeweiligen Besoldungsgruppe im Bund und in den anderen Ländern, spricht dies dafür, dass die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion nicht mehr erfüllt. Wann eine solche Erheblichkeit gegeben ist, kann nicht pauschal beantwortet werden. Liegt das streitgegenständliche jährliche Bruttoeinkommen einschließlich etwaiger Sonderzahlungen 10 % unter dem arithmetischen Mittel oder dem Median für den gleichen Zeitraum, was regelmäßig einem Besoldungsunterschied von mehr als einem Monatsgehalt entsprechen dürfte, ist dies ein weiteres Indiz für eine verfassungswidrige Unteralimentation.
157Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 82 f. m.w.N.
158b. Auf einer zweiten Prüfungsstufe sind die Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe mit den weiteren alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung zusammenzuführen.
159Dafür sind zunächst die Feststellungen der ersten Prüfungsstufe, insbesondere das Ausmaß der Über- oder Unterschreitung der Schwellenwerte, im Wege einer Gesamtbetrachtung zu würdigen und etwaige Verzerrungen – insbesondere durch genauere Berechnungen (vgl. oben B. II. 2. a.) – zu kompensieren. Den fünf Parametern der ersten Prüfungsstufe kommt für die Gesamtabwägung eine Steuerungsfunktion hinsichtlich der Prüfungsrichtung und -tiefe zu: Sind mindestens drei Parameter der ersten Prüfungsstufe erfüllt, besteht die Vermutung einer der angemessenen Beteiligung an der allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des Lebensstandards nicht genügenden und damit verfassungswidrigen Unteralimentation. Diese kann im Rahmen der Gesamtabwägung sowohl widerlegt als auch erhärtet werden. Werden umgekehrt bei allen Parametern die Schwellenwerte unterschritten, wird eine angemessene Alimentation vermutet. Sind ein oder zwei Parameter erfüllt, müssen die Ergebnisse der ersten Stufe, insbesondere das Maß der Über- beziehungsweise Unterschreitung der Parameter, zusammen mit den auf der zweiten Stufe ausgewerteten alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen der Gesamtabwägung eingehend gewürdigt werden.
160Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 84 f. m.w.N.
161In diesem Fall entfällt die Vermutungswirkung für die Gesamtabwägung.
162Vgl. VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, juris, Rn. 30.
163Zu den auf der zweiten Stufe zu untersuchenden alimentationsrelevanten Kriterien zählen neben dem Ansehen des Amtes in der Gesellschaft sowie der vom Amtsinhaber geforderten Ausbildung und Beanspruchung vor allem die besondere Qualität der Tätigkeit und Verantwortung eines Richters oder Staatsanwalts, die Entwicklung der Qualifikation der eingestellten Bewerber, der Vergleich mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung sowie die Entwicklungen im Bereich der Beihilfe und der Versorgung.
164Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 86 m.w.N.
165aa. In der Höhe der Alimentation muss sich die besondere Qualität und Verantwortung eines Amtsträgers widerspiegeln. Die Alimentation bildet die Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann. Insoweit entfaltet das Alimentationsprinzip (auch) eine Schutzfunktion für den Beamten. Diese Grundsätze gelten auch für Richter. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Richteramtsrechts, die der Gesetzgeber darüber hinaus zu beachten hat, zählt insbesondere der Grundsatz der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit. Nach Art. 97 Abs. 1 GG sind Richter „unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen“. Diese sachliche Unabhängigkeit ist gewährleistet, wenn der Richter seine Entscheidungen frei von Weisungen fällen kann. Die sachliche Unabhängigkeit wird durch die Garantie der persönlichen Unabhängigkeit in Art. 97 Abs. 2 GG institutionell gesichert. Die richterliche Unabhängigkeit muss auch durch die Besoldung der Richter gewährleistet werden. Die Art und Weise der Regelung von Besoldung und Versorgung des Richters sind von ganz erheblicher Bedeutung für das innere Verhältnis zu seinem Amt und für die Unbefangenheit, mit der er sich seine richterliche Unabhängigkeit bewahrt. Durch die Festlegung der Besoldung in angemessener Höhe wird gewährleistet, dass der Richter unabhängig nach Gesetz und Gewissen entscheiden kann.
166Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 87 m.w.N., unter anderem zur internationalen Perspektive: Studie der European Commission für the Efficiency of Justice „European judicial systems – Efficiency and quality of justice“ des Europarates Nr. 26 <2018; Daten von 2016 >, wonach sich die Richterbesoldung in Deutschland wie schon in den Vorjahren verglichen mit dem durchschnittlichen Bruttojahresgehalt am unteren Ende aller Mitgliedstaaten des Europarates bewegt.
167bb. Ob die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion erfüllt, zeigt sich vor diesem Hintergrund auch daran, ob es in dem betreffenden Land gelingt, überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte für den höheren Justizdienst anzuwerben. Gradmesser für die fachliche Qualifikation der eingestellten Richter und Staatsanwälte sind vorrangig die Ergebnisse in der Ersten Prüfung und der Zweiten Staatsprüfung. Sinkt – auch im Vergleich zu den Ergebnissen aller Absolventen im Vergleichszeitraum – das Notenniveau über einen Zeitraum von fünf Jahren in erheblicher Weise und/oder werden die Voraussetzungen für die Einstellung in den höheren Justizdienst spürbar herabgesetzt, kann man in der Regel davon ausgehen, dass die Ausgestaltung der Besoldung nicht genügt, um die Attraktivität des Dienstes eines Richters oder Staatsanwalts zu gewährleisten. Das Gleiche gilt, wenn in größerem Umfang Bewerber zum Zuge kommen, die nicht in beiden Examina ein Prädikatsexamen („vollbefriedigend“ oder besser) erreicht haben.
168Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 88 m.w.N.
169cc. Zugleich muss sich die Amtsangemessenheit der Alimentation, um ihre qualitätssichernde Funktion zu erfüllen, auch durch ihr Verhältnis zu den Einkommen bestimmen, die für vergleichbare oder auf der Grundlage vergleichbarer Ausbildung erbrachte Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt werden. Ob die Alimentation in einem Amt, das für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte attraktiv sein soll, angemessen ist, zeigt auch ein Vergleich der Besoldungshöhe mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung in der Privatwirtschaft, wobei die Besonderheiten des Status und des beamtenrechtlichen Besoldungs- und Versorgungssystems nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
170Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 89 m.w.N.
171dd. Die Amtsangemessenheit der Alimentation ist ferner im Lichte des Niveaus der Beihilfeleistungen zu bewerten. Die Gewährung von Beihilfen findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Das gegenwärtige System der Beihilfe ist zwar nicht Bestandteil der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation; von Verfassungs wegen muss die amtsangemessene Alimentation lediglich die Kosten einer Krankenversicherung decken, die zur Abwendung krankheitsbedingter, durch Leistungen aufgrund der Fürsorgepflicht nicht ausgeglichener Belastungen erforderlich ist. Die Alimentation ist aber dann nicht mehr ausreichend, wenn die Krankenversicherungsprämien, die zur Abwendung krankheitsbedingter und nicht von der Beihilfe ausgeglichener Belastungen erforderlich sind, einen solchen Umfang erreichen, dass der angemessene Lebensunterhalt des Richters, Beamten oder Versorgungsempfängers nicht mehr gewährleistet ist. Das Prinzip der amtsangemessenen Alimentation verlangt, eine Auszehrung der allgemeinen Gehaltsbestandteile durch krankheitsbezogene Aufwendungen zu verhindern. Bei einer solchen Sachlage kann daher eine entsprechende Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze, die das Alimentationsprinzip konkretisieren, verfassungsrechtlich geboten sein. Gleiches gilt, wenn eine Vielzahl zeitlich gestaffelter, für sich genommen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Einschnitte des Gesetzgebers im Beihilfebereich das für den sonstigen Lebensunterhalt des Richters oder Staatsanwalts zur Verfügung stehende Einkommen unangemessen reduzieren.
172Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 90 m.w.N.
173ee. Versorgung und Besoldung sind Teilelemente des einheitlichen Tatbestands der Alimentation und schon bei Begründung des Richter- und Beamtenverhältnisses garantiert. Der Dienstherr ist gehalten, den Unterhalt der Richter und Staatsanwälte lebenslang – und damit auch nach Eintritt in den Ruhestand – zu garantieren. Dieser Verpflichtung kommt er gegenwärtig durch Bereitstellung einer Vollversorgung nach. Richter und Staatsanwälte haben ihre Altersversorgung und die ihrer Hinterbliebenen nicht selbst zu veranlassen; stattdessen sind die Bruttobezüge der aktiven Richter und Staatsanwälte von vornherein – unter Berücksichtigung der künftigen Pensionsansprüche – niedriger festgesetzt. Kürzungen im Bereich des Versorgungsrechts haben zur Konsequenz, dass die Amtsträger einen größeren Teil ihrer Bezüge zum Zwecke der privaten Altersvorsorge aufwenden müssen, um nicht übermäßige Einbußen ihres Lebensstandards bei Eintritt in den Ruhestand hinnehmen zu müssen. Auch dies kann zu einer Unterschreitung der verfassungsrechtlich gebotenen Alimentation führen.
174Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 91 m.w.N.
175c. Ergibt die Gesamtschau, dass die als unzureichend angegriffene Alimentation grundsätzlich als verfassungswidrige Unteralimentation einzustufen ist, bedarf es der Prüfung, ob dies im Ausnahmefall verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann. Der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation ist Teil der mit den hergebrachten Grundsätzen verbundenen institutionellen Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG. Soweit er mit anderen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen oder Instituten kollidiert, ist er – wie dies auch sonst der Fall ist – entsprechend dem Grundsatz der praktischen Konkordanz im Wege der Abwägung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen (dritte Prüfungsstufe).
176Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 92 m.w.N.
177aa. Verfassungsrang hat namentlich das Verbot der Neuverschuldung in Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG. Gemäß Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG sind Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen (sogenannte Schuldenbremse). Ausnahmsweise ist eine Neuverschuldung bei konjunkturellen Abweichungen von der Normallage (vgl. Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Variante 1 GG) sowie bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen zulässig (vgl. Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 GG). Die Haushalte der Länder waren in den Haushaltsjahren 2011 bis 2019 so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe aus Art. 109 Abs. 3 Satz 5 GG (keine strukturelle Nettokreditaufnahme) erfüllt wird (vgl. Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG). Dabei mussten die Haushaltsgesetzgeber der Länder das Ziel der Haushaltskonsolidierung im Jahr 2020 im Blick behalten. Konkretere Verpflichtungen zur Erreichung dieses Ziels ergeben sich aus Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG nicht.
178Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 93 m.w.N.
179bb. Der in Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG angelegten Vorwirkung des Verbots der strukturellen Nettokreditaufnahme hat der Haushaltsgesetzgeber auch bei der Anpassung der Bezüge der Richter und Staatsanwälte Rechnung zu tragen. Ungeachtet der Verschärfung der Regeln für die Kreditaufnahme durch die Neufassung des Art. 109 Abs. 3 GG vermögen indes allein die Finanzlage der öffentlichen Haushalte oder das Ziel der Haushaltskonsolidierung den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentierung nicht einzuschränken. Andernfalls liefe die Schutzfunktion des Art. 33 Abs. 5 GG ins Leere. Auch das besondere Treueverhältnis verpflichtet Richter und Staatsanwälte nicht dazu, stärker als andere zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte beizutragen. Eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentierung aus rein finanziellen Gründen kann zur Bewältigung einer der in Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG genannten Ausnahmesituationen jedoch in Ansatz gebracht werden, wenn die betreffende gesetzgeberische Maßnahme Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung ist.
180Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 94 m.w.N.
181d. Jenseits des verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, wie es sich aufgrund der oben dargestellten Gesamtschau ergibt, genießt die Alimentation einen relativen Normbestandsschutz. Der Gesetzgeber darf hier Kürzungen oder andere Einschnitte in die Bezüge vornehmen, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Kürzungen oder andere Einschnitte können durch solche Gründe sachlich gerechtfertigt werden, die im Bereich des Systems der Beamtenbesoldung liegen. Zu solchen systemimmanenten Gründen können finanzielle Erwägungen zwar hinzutreten; das Bemühen, Ausgaben zu sparen, kann aber nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Besoldung angesehen werden, soweit sie nicht als Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts dem in Art. 109 Abs. 3 GG verankerten Ziel der Haushaltskonsolidierung dient.
182Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 95 m.w.N.
183e. Die Festlegung der Besoldungshöhe durch den Gesetzgeber ist an die Einhaltung prozeduraler Anforderungen geknüpft. Diese treten als „zweite Säule“ des Alimentationsprinzips neben seine auf eine Evidenzkontrolle beschränkte materielle Dimension und dienen seiner Flankierung, Absicherung und Verstärkung. Eine Einschränkung dahingehend, dass eine unzureichende Begründung nur dann zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führt, wenn sich zuvor Anhaltspunkte für eine Verletzung des absoluten oder relativen Alimentationsschutzes ergeben haben, würde die Ausgleichsfunktion der prozeduralen Anforderungen, den weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch eine Verpflichtung zur Selbstvergewisserung zu kanalisieren, unterlaufen.
184Für den Besoldungsgesetzgeber folgen aus dem Prozeduralisierungsgebot in erster Linie Begründungspflichten. Zwar schuldet der Gesetzgeber nach überkommener Auffassung von Verfassungs wegen grundsätzlich nur ein wirksames Gesetz. Da aber das grundrechtsgleiche Recht auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation keine quantifizierbaren Vorgaben im Sinne einer exakten Besoldungshöhe liefert, bedarf es prozeduraler Sicherungen, damit die verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive des Art. 33 Abs. 5 GG auch tatsächlich eingehalten wird. Danach ist der Gesetzgeber daher gehalten, bereits im Gesetzgebungsverfahren die Fortschreibung der Besoldungshöhe zu begründen. Die Ermittlung und Abwägung der berücksichtigten und berücksichtigungsfähigen Bestimmungsfaktoren für den verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der Anpassung der Besoldung müssen sich in einer entsprechenden Darlegung und Begründung des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren niederschlagen. Eine bloße Begründbarkeit genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Prozeduralisierung. Der mit der Ausgleichsfunktion der Prozeduralisierung angestrebte Rationalisierungsgewinn kann – auch mit Blick auf die Ermöglichung von Rechtsschutz – effektiv nur erreicht werden, wenn die erforderlichen Sachverhaltsermittlungen vorab erfolgen und dann in der Gesetzesbegründung dokumentiert werden. Die Prozeduralisierung zielt auf die Herstellung von Entscheidungen und nicht auf ihre Darstellung, das heißt nachträgliche Begründung.
185Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 96 f. m.w.N.
186III. Gemessen an dem unter II. genannten Maßstab sind die Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG für die Besoldungsgruppe R 3 in den Besoldungsjahren 2017 bis 2021 nicht verletzt. Die Alimentation des Klägers als Richter der Besoldungsgruppe R 3 war in den Jahren 2017 bis 2021 nicht verfassungswidrig.
187Dabei legt die Kammer – hinsichtlich aller streitgegenständlichen Zeiträume – ihrer Überzeugungsbildung die vom beklagten Land vorgelegten und begründeten Daten und Vergleichsberechnungen zugrunde. Anlass für ein darüber hinausgehendes Hinterfragen der vorgelegten Daten und Berechnungen hat die Kammer mangels greifbarer Anhaltspunkte für entscheidungserhebliche Ermittlungs- oder Rechenfehler bei keinem der streitgegenständlichen Jahre.
188Vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 9 C 11.11 -, juris, Rn. 28, sowie Beschluss vom 24. Januar 2017 - 2 B 78.15 -, juris, Rn. 16; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 7. Februar 2018 - 10 ZB 15.795 -, juris, Rn. 12.
189Die Kammer legt außerdem für die Prüfung der Parameter auf der ersten Stufe folgende Besoldungsentwicklung unter Berücksichtigung eines Betrachtungszeitraums einer (etwaigen) Staffelprüfung – ausgehend vom ersten Streitjahr 2017 – bis in das Jahr 1997 (Anfangszeitraum der Staffelprüfung) zugrunde:
190- Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1996/1997 vom 24. März 1997 (BGBl. I Seite 590): Erhöhung der Grundgehaltssätze um 1,3 % ab 1. März 1997,
191- Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1998 vom 6. August 1998 (BGBl. I Seite 2026): Erhöhung der Besoldung um 1,5 %,
192- Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1999 vom 19. November 1999 (BGBl. I Seite 2198): Erhöhung um 2,9 % ab 1. Juni 1999,
193- Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2000 vom 19. April 2001 (BGBl. I Seite 618): Erhöhung um 1,8 % ab 1. Januar 2001 und um 2,2 % ab 1. Januar 2002,
194- Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 vom 10. September 2003 (BGBl. I Seite 1798): Erhöhung um 2,4 % ab 1. April 2003 für die Besoldungsgruppen A2 bis A11 und um 1,0 % ab 1. April 2004,
195- Gesetz über die Anpassung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge 2008 im Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Dezember 2007 (GV. NRW. 2007 Nr. 34, Seite 750): Erhöhung um 2,9 %,
196- Gesetz über die Anpassung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge 2009/2010 im Land Nordrhein-Westfalen vom 10. November 2009 (GV. NRW. 2009 Nr. 29, Seite 570): Ab 1. März 2009 Erhöhung der Grundgehaltssätze um 20,00 Euro und 3,0 %, ab 1. März 2010 Erhöhung um 1,2 %,
197- Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2011/2012 im Land Nordrhein-Westfalen vom 5. April 2011 (GV.NRW. 2011 Nr. 8, Seite 201): Ab 1. April 2011 Erhöhung um 1,5 %, ab 1. Januar 2012 um 1,9 %,
198- Gesetz über die Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 im Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Juli 2013 (GV.NRW. 2013 Nr. 26, Seite 486): In den Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 ab 1. Januar 2013 Erhöhung um 2,65 %, ab 1. Januar 2014 um 2,95 %, in den Besoldungsgruppen A 11 und A 12 ab 1. Januar 2013 und ab 1. Januar 2014 Erhöhung um jeweils 1,0 %; geändert durch das BesVersAnpÄndG: Erhöhung der Besoldung in den Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 um 2,65 % ab 1. Januar 2013, ab 1. Januar 2014 um 2,95 %, in den Besoldungsgruppen A 11 und A 12 Erhöhung von 1,0 % ab 1. Januar 2013, um 0,3 % und zusätzlich um monatlich 30,00 Euro ab 1. Mai 2013, ab 1. Januar 2014 um 1,0 %, ab 1. Mai 2014 um 0,3 % und zusätzlich um monatlich 40,00 Euro, Erhöhung der Besoldung in den Besoldungsgruppen A 13 bis A 16 und den Besoldungsordnungen B, R, W, C und H um 1,3 % und zusätzlich um monatlich 30,00 Euro ab 1. September 2013, ab 1. September 2014 um 1,3 % und um monatlich 40,00 Euro,
199- Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2015/2016 im Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2015 (GV.NRW. 2015 Nr. 46, Seite 836), geändert durch Gesetz vom 7. April 2017 (GV.NRW. 2017 Nr. 17, Seite 414): Ab 1. Juni 2015 Erhöhung um 1,9 %, ab 1. August 2016 Erhöhung um 2,1 %,
200- Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2017/2018 im Land Nordrhein-Westfalen (BesVersAnpG NRW 2017/2018) vom 7. April 2017 (GV.NRW. 2017 Nr. 18, Seite 451): Ab 1. April 2017 Erhöhung um 2,0 %, jedoch mindestens um 75,00 Euro, ab 1. Januar 2018 Erhöhung um 2,35 %,
201- Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2019/2020/2021 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen (BesVersAnpG NRW 2019/2020/2021) vom 12. Juli 2019 (GV.NRW. 2019 Nr. 16, Seite 377): Ab 1. Januar 2019 Erhöhung um 3,2 %, ab 1. Januar 2020 Erhöhung um 3,2 %, ab 1. Januar 2021 Erhöhung um 1,4 %.
202Im gleichen Zeitraum wurde die Sonderzuwendung bzw. Sonderzahlung im Land NRW sukzessive gekürzt. Zum 1. Januar 2017 ist das Sonderzahlungsgesetz NRW entfallen und wurde die jährliche Sonderzahlung in die monatlichen Bezüge integriert. Das Grundgehalt sowie alle Zulagen und Zuschläge, die bisher bei der Berechnung der Sonderzahlung berücksichtigt wurden, wurden ab dem 1. Januar 2017 entsprechend erhöht.
203Mit dem Gesetz zur Anpassung der Alimentation kinderreicher Familien sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 14. September 2021 (GV.NRW. 2021 Nr. 69, Seite 1075) hat das beklagte Land die sich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., ergebenden Besoldungsansprüche für kinderreiche Familien geregelt, den Familienzuschlag angepasst und die Besoldung für begrenzt Dienstfähige erhöht.
2041. Damit stellt sich die Besoldungsentwicklung für die Besoldungsgruppe R 3 in den streitgegenständlichen Jahren 2017 bis 2021 wie folgt dar:
205a. Für das Jahr 2017 ergibt sich gegenüber dem Basisjahr 2002 für die Besoldungsgruppe R 3 eine Steigerung der Besoldung von 26,18 %.
206Besoldungsgruppe R 3 |
||
Besoldungserhöhung |
Index |
|
2002 |
100,00 |
|
2003 |
2,40 |
102,40 |
2003 |
0,00 |
102,40 |
2004 |
1,00 |
103,42 |
2004 |
1,00 |
104,45 |
2005 |
0,00 |
104,45 |
2006 |
0,00 |
104,45 |
2007 |
0,00 |
104,45 |
2008 |
2,90 |
107,48 |
2009 |
3,00 |
110,70 |
2010 |
1,20 |
112,03 |
2011 |
1,50 |
113,71 |
2012 |
1,90 |
115,87 |
2013 |
1,30 |
117,38 |
2013 |
0,00 |
117,38 |
2014 |
1,30 |
118,91 |
2014 |
0,00 |
118,91 |
2015 |
1,90 |
121,17 |
2016 |
2,10 |
123,71 |
2017 |
2,00 |
126,18 |
Steigerung |
26,18 % |
b. Im Zeitraum 2003 bis 2018 stieg die Besoldung der Besoldungsgruppe R 3 um 26,15 %.
208Besoldungsgruppe R 3 |
||
Besoldungserhöhung |
Index |
|
2003 |
100,00 |
|
2004 |
1,00 |
101,00 |
2004 |
1,00 |
102,01 |
2005 |
0,00 |
102,01 |
2006 |
0,00 |
102,01 |
2007 |
0,00 |
102,01 |
2008 |
2,90 |
104,97 |
2009 |
3,00 |
108,12 |
2010 |
1,20 |
109,42 |
2011 |
1,50 |
111,06 |
2012 |
1,90 |
113,17 |
2013 |
1,30 |
114,64 |
2013 |
0,00 |
114,64 |
2014 |
1,30 |
116,13 |
2014 |
0,00 |
116,13 |
2015 |
1,90 |
118,34 |
2016 |
2,10 |
120,83 |
2017 |
2,00 |
123,25 |
2018 |
2,35 |
126,15 |
Steigerung |
26,15 % |
c. Im Zeitraum 2004 bis 2019 ergibt sich für die Besoldungsgruppe R 3 eine Steigerung der Besoldung von 27,61 %.
210Besoldungsgruppe R 3 |
||
Besoldungserhöhung |
Index |
|
2004 |
100,00 |
|
2005 |
0,00 |
100,00 |
2006 |
0,00 |
100,00 |
2007 |
0,00 |
100,00 |
2008 |
2,90 |
102,90 |
2009 |
3,00 |
105,99 |
2010 |
1,20 |
107,26 |
2011 |
1,50 |
108,87 |
2012 |
1,90 |
110,94 |
2013 |
1,30 |
112,38 |
2013 |
0,00 |
112,38 |
2014 |
1,30 |
113,84 |
2014 |
0,00 |
113,84 |
2015 |
1,90 |
116,00 |
2016 |
2,10 |
118,44 |
2017 |
2,00 |
120,81 |
2018 |
2,35 |
123,65 |
2019 |
3,20 |
127,61 |
Steigerung |
27,61 % |
d. Im Zeitraum 2005 bis 2020 ergibt sich für die Besoldungsgruppe R 3 eine Steigerung der Besoldung von 31,69 %.
212Besoldungsgruppe R 3 |
||
Besoldungserhöhung |
Index |
|
2005 |
100,00 |
|
2006 |
0,00 |
100,00 |
2007 |
0,00 |
100,00 |
2008 |
2,90 |
102,90 |
2009 |
3,00 |
105,99 |
2010 |
1,20 |
107,26 |
2011 |
1,50 |
108,87 |
2012 |
1,90 |
110,94 |
2013 |
1,30 |
112,38 |
2013 |
0,00 |
112,38 |
2014 |
1,30 |
113,84 |
2014 |
0,00 |
113,84 |
2015 |
1,90 |
116,00 |
2016 |
2,10 |
118,44 |
2017 |
2,00 |
120,81 |
2018 |
2,35 |
123,65 |
2019 |
3,20 |
127,61 |
2020 |
3,20 |
131,69 |
Steigerung |
31,69 % |
e. Im Zeitraum 2006 bis 2021 ergibt sich für die Besoldungsgruppe R 3 eine Steigerung der Besoldung von 33,53 %.
214Besoldungsgruppe R 3 |
||
Besoldungserhöhung |
Index |
|
2006 |
100,00 |
|
2007 |
0,00 |
100,00 |
2008 |
2,90 |
102,90 |
2009 |
3,00 |
105,99 |
2010 |
1,20 |
107,26 |
2011 |
1,50 |
108,87 |
2012 |
1,90 |
110,94 |
2013 |
1,30 |
112,38 |
2013 |
0,00 |
112,38 |
2014 |
1,30 |
113,84 |
2014 |
0,00 |
113,84 |
2015 |
1,90 |
116,00 |
2016 |
2,10 |
118,44 |
2017 |
2,00 |
120,81 |
2018 |
2,35 |
123,65 |
2019 |
3,20 |
127,61 |
2020 |
3,20 |
131,69 |
2021 |
1,40 |
133,53 |
Steigerung |
33,53 % |
2. Im Jahr 2017 ist der zweite Aspekt des vierten Parameters (Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau) verletzt. Alle weiteren Parameter werden unterschritten.
216a. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst wird eine Abkopplung der Bezüge der Amtsträger nicht hinreichend deutlich sichtbar (erster Parameter). Die Differenz zwischen der Besoldungsanpassung (dazu aa.) und den Tarifergebnissen (dazu bb.) beträgt nicht mindestens 5 % des Indexwertes der erhöhten Besoldung innerhalb der zurückliegenden 15 Jahre (dazu cc.).
217aa. Die Entwicklung der Grundgehaltssätze zuzüglich der Sonderzahlungen ergibt im maßgeblichen Zeitraum einen Besoldungsindex von 126,18 %.
218bb. Die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst des Landes NRW betreffend die mit der Besoldungsgruppe R 3 vergleichbare Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe TV-L E 15 ergibt im maßgeblichen Zeitraum einen Index von 130,46 %.
219cc. Die Differenz zwischen der Entwicklung der Tarifeinkommen (x) und der Besoldungsentwicklung (y) wird in Relation zur Besoldungsentwicklung mit der Formel
220dargestellt.
222Vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, a.a.O., Rn. 144, sowie Beschluss vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 u.a. -, a.a.O., Rn. 126.
223Der sich daraus ergebende Abstand von 3,39 % zulasten der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 überschreitet nicht die maßgebliche Grenze von 5 %.
224Eine Berechnung für einen Kontrollzeitraum ist nicht erforderlich, weil für entscheidungserhebliche statistische Ausreißer nichts ersichtlich ist und abgesehen davon ein Parameter nur dann als erfüllt angesehen wird, wenn die Überschreitung der jeweiligen Grenzwerte sowohl im streitgegenständlichen Abschnitt als auch im Kontrollzeitraum vorliegt.
225Vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, a.a.O., Rn. 102, 108, sowie Beschluss vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 u.a. -, a.a.O., Rn. 81, 87; VG Köln, Urteil vom 3. Mai 2017 - 3 K 5747/13 -, juris, Rn. 188 f.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. März 2016 - 12 K 1012/14 -, juris, Rn. 452 f.
226b. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 mit der Entwicklung des Nominalindex in NRW wird eine Abkopplung der Bezüge der Amtsträger ebenfalls nicht hinreichend deutlich sichtbar (zweiter Parameter). Die Differenz beträgt nicht mindestens 5 % des Indexwertes der erhöhten Besoldung innerhalb der zurückliegenden 15 Jahre.
227Der Nominallohnindex lag im maßgeblichen Zeitraum bei 125,68 %.
228Die sich daraus ergebende Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 und der Entwicklung des Nominallohnindex beträgt zugunsten der Besoldungsentwicklung 0,40 %.
229c. Auch bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung des Verbraucherpreisindex wird eine Abkopplung der Bezüge der Amtsträger nicht hinreichend deutlich sichtbar (dritter Parameter). Die Differenz beträgt nicht mindestens 5 % des Indexwertes der erhöhten Besoldung innerhalb der zurückliegenden 15 Jahre.
230Die Entwicklung der Verbraucherpreise ergibt im maßgeblichen Zeitraum einen Index von 123,52 %.
231Die sich daraus ergebende Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 und der Entwicklung des Nominallohnindex beträgt zugunsten der Besoldungsentwicklung 2,11 %.
232d. Der vierte Parameter ist verletzt. Die Besoldung bleibt nach einem systeminternen Besoldungsvergleich hinter den Vorgaben des Alimentationsprinzips zurück.
233aa. Zwar lässt sich einem systeminternen Besoldungsvergleich ein Abschmelzen der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen und -ordnungen, das eine unangemessene Alimentation der Richter der Besoldungsgruppe R 3 in NRW im Jahr 2017 indizieren könnte, nicht entnehmen.
234Bei der Überprüfung ist die Auswahl der vergleichsweise gegenübergestellten Besoldungsgruppen A 5, A 9 und R 1,
235vgl. dazu auch: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Oktober 2016 - OVG 4 B 2.13 -, juris, Rn. 104,
236erfolgt.
237Zur Berechnung dieses Kriteriums hat das beklagte Land die prozentualen Abstände des Endgrundgehalts zuzüglich allgemeiner Stellenzulage der Besoldung in den Besoldungsgruppen A5, A9 und R 1 zu der R 3-Besoldung im jeweiligen Prüfjahr und in einem fünf Jahre zuvor liegenden Basisjahr ermittelt und hieraus die Entwicklung der prozentualen Differenz der Abstände in den vergangenen fünf Jahren anhand der Formel
238[x (Basisjahr)-y (Prüfjahr)] : x (Basisjahr) * 100 = prozentuale Entwicklung der Abstände
239berechnet, wobei x für den prozentualen Abstand im Basisjahr und y für den prozentualen Abstand im Prüfjahr steht. Der Abstand zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 3 und dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe A 5 (jeweils Endstufe) in den Jahren 2012 und 2017 beträgt -4,04 % und zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 3 und dem Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 (jeweils Endstufe) -1,84 %. Die Abstände des Grundgehaltssatzes zu den entsprechenden Sätzen der Besoldungsgruppe R 1 liegen bei -1,02 %. Auf die Berechnungen des beklagten Landes (Bl. 24 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Hiernach wird das Abstandsgebot nicht verletzt.
240bb. Indes wurde der gebotene Abstand zum Grundsicherungsniveau von 15 % in der untersten Besoldungsgruppe nicht eingehalten.
241Die Berechnungen wurden anhand der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vorgenommen.
242Das Grundsicherungsniveau für die zu betrachtende vierköpfige Musterfamilie wird berechnet, indem der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts, die Unterkunftskosten, die Heizkosten sowie der Bedarf für Bildung und Teilhabe addiert werden. Darüber hinaus werden – für alle streitgegenständlichen Jahre – Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und für den Zeitraum von August 2019 bis Dezember 2021 Beiträge zur Kinderbetreuung berücksichtigt. Aus dem so berechneten Grundsicherungsniveau lässt sich die Mindestalimentation ableiten.
243(1) Die Regelsätze zur Sicherung des Lebensunterhalts für Kinder und Erwachsene ergeben sich für 2017 nach §§ 20 und 23 SGB II.
244Im Jahr 2017 betrug der monatliche Regelbedarfssatz für erwachsene Partner in einer Bedarfsgemeinschaft 736,00 Euro (Regelbedarfsstufe 2, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RBEG 2016).
245Die Regelbedarfssätze für ein Kind im ersten bis sechsten Lebensjahr betrugen im Jahr 2017 unter Rückgriff auf die im Existenzminimumbericht der Bundesregierung (vgl. BT-Drucks. 19/5400, Seite 6) etablierte Berechnungsmethode monatlich 236,00 Euro (Regelbedarfsstufe 6, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 RBEG 2016), im siebenten bis 14. Lebensjahr 291,00 Euro (Regelbedarfsstufe 5, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RBEG 2016) und im 15. bis 18. Lebensjahr 311,00 Euro (Regelbedarfsstufe 4, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 RBEG 2016). Der hieraus ermittelte, der Berechnung zugrunde zu legende Kinder-Durchschnittssatz beläuft sich für das Jahr 2017 damit auf 277,11 Euro je Kind.
246(2) Die Höhe der grundsicherungsrechtlichen Kosten der Unterkunft (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) wird realitätsgerecht erfasst, wenn die von der Bundesagentur für Arbeit für das Land NRW erhobenen Daten über die tatsächlich anerkannten Bedarfe (95 %-Perzentil) zugrunde gelegt werden.
247Vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 59.
248Hierbei handelt es sich um den Betrag, mit dem im jeweiligen Jahr bei rund 95 % der Partner-Bedarfsgemeinschaften mit zwei Kindern der anerkannte monatliche Bedarf für laufende Kosten der Unterkunft abgedeckt worden ist. Der Anteil der Haushalte, bei denen ein noch höherer monatlicher Bedarf für die laufenden Kosten der Unterkunft anerkannt worden ist, liegt bei unter 5 %. Auf diese Weise werden die tatsächlich als angemessen anerkannten Kosten der Unterkunft erfasst, während zugleich die statistischen Ausreißer, die auf besonderen Ausnahmefällen beruhen mögen, außer Betracht bleiben. Damit wird sichergestellt, dass die auf dieser Basis ermittelte Mindestbesoldung unabhängig vom Wohnort des Beamten ausreicht, um eine angemessene Wohnung bezahlen zu können.
249Für das Jahr 2017 legt das Gericht in Anwendung der unter B. II. 2. a. dd. dargestellten Berechnungsweise des Bundessozialgerichts Folgendes zugrunde:
250Mangels Bestimmung über die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft bzw. der Wohnfläche durch Satzung (oder Verordnung) aufgrund von § 22a Abs. 1 i.V.m. § 22b Abs. 1 SGB II war zunächst – für alle streitgegenständlichen Jahre – die abstrakte Angemessenheit der Miete zu bestimmen, für die es auf Wohnfläche, Wohnstandard (insbesondere Lage und Ausstattung) und örtliches Preisniveau ankommt.
251Die anzusetzende Wohnfläche von 95 qm für vier Personen wird aus den Vorgaben für den sozialen Mietwohnungsbau in § 18 des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2009, gültig vom 1. Januar 2010 bis zum 28. Dezember 2021 (WFNG NRW) i.V.m. Ziffer 8.2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen vom 14. Januar 2010, MBl. NRW. Nr. 1, Seite 6 bis 21 (WNB) – Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr – IV.5-619-1665/09 vom 12. Dezember 2009 – (65 qm + 30 qm = 95 qm) abgeleitet. Der Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards wurde auf der Grundlage der von der Bundesagentur für Arbeit länderspezifisch erhobenen Daten über die tatsächlich anerkannten Bedarfe (95 %-Perzentil) ermittelt. Unter Zugrundelegung der Statistiken der Bundes-agentur für Arbeit zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II,
252vgl. Bundesagentur für Arbeit, Statistik, im Internet allgemein zugänglich unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html?r_f=bl_Nordrhein-Westfalen&topic_f=kdu-kdu, abgerufen am 29. September 2023,
253ergibt dies für das Jahr 2017 einen durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 5,68 Euro. Die anzusetzende Angemessenheit der Miete beträgt demzufolge 539,60 Euro (95 x 5,68 Euro = 539,60 Euro).
254(3) Zum grundsicherungsrechtlichen Bedarf zählen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch Heizkosten, sofern sie angemessen sind.
255Vgl. hierzu und im Folgenden: BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 62 f.
256Die angemessene Wohnfläche für einen Vier-Personen-Haushalt im beklagten Land beträgt nach § 18 WFNG NRW i.V.m. Ziffer 8.2 WNB 95 qm.
257Der heranzuziehende bundesweite Heizspiegel 2017 der co2online gGmbH,
258vgl. Im Internet allgemein zugänglich unter: https://www.heizspiegel.de/heizkosten-pruefen/heizspiegel/, abgerufen am 29. September 2023,
259weist für das Jahr 2017 einen Höchstbetrag von 895,00 Euro an jährlichen Heizkosten für eine 70 qm-Wohnung im Mehrfamilienhaus aus. Unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen monatlichen Preises von 1,07 Euro pro qm ergibt dies für eine Wohnfläche von 95 qm einen durchschnittlichen monatlichen Betrag von 101,65 Euro im Jahr 2017.
260(4) Zum grundsicherungsrechtlichen Bedarf für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zählen auch die in § 28 SGB II aufgeführten Bedarfe für Bildung und Teilhabe.
261Im Jahr 2017 war dies der persönliche Schulbedarf von 100,00 Euro je Schuljahr. Auf den Zeitraum von der Geburt bis zur Volljährigkeit umgelegt, ergibt sich ein Monatsbetrag von rund 5,56 Euro je Kind beziehungsweise von rund 11,12 Euro für zwei Kinder. Darüber hinaus wurden Kindern aller Altersstufen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft 10,00 Euro monatlich gewährt. Die Mehraufwendungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung wurden zwar in tatsächlicher Höhe übernommen, in § 77 Abs. 11 SGB II hat der Gesetzgeber aber selbst zu erkennen gegeben, dass er bereits anfänglich mit zusätzlichen Leistungen in Höhe von 26,00 Euro monatlich rechnete. Geht man davon aus, dass Kinder im Durchschnitt erst mit drei Jahren an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in Kindergarten und Schule teilnehmen, ergibt sich ein altersgewichteter Betrag von rund 21,67 Euro je Kind. Für das Jahr 2017 summieren sich die aus dem Gesetz abgeleiteten Monatsbeträge (5,56 Euro + 10,00 Euro + 21,67 Euro) auf rund 37,23 Euro je Kind beziehungsweise auf rund 74,46 Euro für zwei Kinder.
262(5) Zu berücksichtigen ist ferner ein Betrag in Höhe von durchschnittlich 55,75 Euro an Mehrbedarfen im Sinne des § 21 SGB II pro Monat. Zur Berechnung wurden die Angaben aus der Statistik der Bundesagentur für Arbeit „Bedarfe, Zahlungen und Einkommen (Quartalszahlen) - Deutschland, Länder und Kreise“ für die Quartale März, Juni, September und Dezember 2017,
263im Internet allgemein zugänglich unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html;jsessionid=3110800A3ABC15735E4314D3528BBE73?nn=1524064&topic_f=bedarf, abgerufen am 29. September 2023,
264herangezogen.
265(6) Auf dieser Grundlage errechnet sich das Grundsicherungsniveau und die daraus abgeleitete Mindestalimentation in Höhe von 115 % des Grundsicherungsbedarfs für das Jahr 2017 wie folgt:
266Grundsicherungsbedarf |
2017 |
Regelsätze |
1.290,22 Euro |
Wohnkosten |
641,25 Euro |
Bildung und Teilhabe |
74,46 Euro |
Mehrbedarfe, § 21 SGB II |
55,75 Euro |
Monatsbetrag |
2.061,68 Euro |
Jahresbetrag |
24.740,16 Euro |
Mindestalimentation (115 % des Grundsicherungsbedarfs) |
|
Monatsbetrag |
2.370,93 Euro |
Jahresbetrag |
28.451,18 Euro |
(7) Vergleichsgegenstand bildet die Nettoalimentation eines in der niedrigsten Besoldungsgruppe in der niedrigsten Erfahrungsstufe besoldeten Beamten, der verheiratet ist und zwei Kinder hat. Für das Land NRW war im Jahr 2017 – und in allen weiteren streitgegenständlichen Jahren – die Besoldungsgruppe A 5 (Erfahrungsstufe 1) maßgeblich.
268Die Nettoalimentation wird berechnet, indem vom Jahresbruttogehalt, das sich aus dem Grundgehalt sowie den Bezügebestandteilen, die allen Beamten einer Besoldungsgruppe gewährt werden, zusammensetzt, die Einkommensteuer sowie die Kosten für die die Beihilfeleistungen ergänzende Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen werden und das Kindergeld hinzugerechnet wird.
269Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 73 ff.
270Das Jahresbruttogehalt eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern der Besoldungsgruppe A 5 (Erfahrungsstufe 1) betrug im Jahr 2017 im Land NRW 30.677,40 Euro.
271Der Berechnung für das Jahr 2017 wurde ein monatliches Grundgehalt für Januar bis März 2017 in Höhe von 2.104,79 Euro (Anlage 6 zur Anlage 1 zum LBesG NRW – Landesbesoldungsordnung A –, gültig ab 1. Januar 2017) und für April bis Dezember 2017 in Höhe von 2.179,79 Euro (Anlage 6 zu Anhang 1 zu Art. 1 Nr. 3 BesVersAnpG NRW 2017/2018 – Landesbesoldungsordnung A –, gültig ab 1. April 2017) zugrunde gelegt. Hinzu kommt ein Familienzuschlag in Höhe von monatlich 389,56 Euro (245,91 Euro + 117,45 Euro + 6,55 Euro + 19,65 Euro) für die Monate Januar bis März 2017 und von monatlich 397,36 Euro (250,84 Euro + 119,80 Euro + 6,68 Euro + 20,04 Euro) für die Monate April bis Dezember 2017 (Anlage 13 zum LBesG NRW, gültig ab 1. Januar 2017, bzw. Anlage 13 zu Anhang 8 zu Art. 1 Nr. 3 BesVersAnpG NRW 2017/2018, gültig ab 1. April 2017).
272Vom Bruttojahresgehalt ist zunächst die Einkommensteuer abzuziehen. Die Steuer wurde mit dem vom Bundesministerium der Finanzen im Internet allgemein zugänglichen Lohnsteuerrechner,
273vgl. https://www.bmf-steuerrechner.de/index.xhtml, abgerufen am 29. September 2023,
274berechnet.
275Für die hier zu betrachtende Beamtenfamilie, die über keine weiteren steuerpflichtigen Einnahmen verfügt und keine besonderen Aufwendungen geltend machen kann, ergeben sich keine Unterschiede zwischen dem Lohnsteuerabzug und der Einkommensteuerberechnung. Bei Steuerklasse III und zwei Kinderzuschlägen fallen weder Solidaritätszuschlag noch Kirchensteuer an. Bei der Berechnung ist auch der steuerlich absetzbare Anteil der Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung zu berücksichtigen.
276Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 148.
277Hierfür wird der von dem Verband der Privaten Krankenversicherung mitgeteilte steuerlich absetzbare Anteil herangezogen. Im Jahr 2017 betrug dieser für die Krankenversicherung 4.752,00 Euro. Die monatlichen Kosten für die Pflegeversicherung einer erwachsenen Person wurden für das Jahr 2017 wie folgt mitgeteilt:
278Alter |
Durchschnittsbetrag 2017 |
20-24 |
5,86 Euro |
25-29 |
9,78 Euro |
30 |
10,61 Euro |
30-34 |
11,07 Euro |
Zur Ermittlung des Jahresnettoeinkommens sind auch die Kosten einer die Beihilfeleistungen des Dienstherrn ergänzenden privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Abzug zu bringen.
280Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 76.
281Hierfür werden die vom Verband der Privaten Krankenversicherung für die zu betrachtende Beamtenfamilie mitgeteilten Durchschnittsprämien von monatlich 496,00 Euro für das Jahr 2017 sowie die mitgeteilten Pflegeversicherungskosten in Höhe von monatlich 10,61 Euro pro Elternteil in Abzug gebracht.
282Hinzuzurechnen ist das Kindergeld, da sich der Kinderfreibetrag in der untersten Besoldungsgruppe nicht günstiger auswirkt.
283Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 79.
284Dieses betrug im Jahr 2017 monatlich 192,00 Euro (§ 66 Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG – in der Fassung des Art. 8 Nr. 15 des Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen vom 20. Dezember 2016, BGBl. I Nr. 63, Seiten 3000-3015, mit Wirkung vom 1. Januar 2017) je Kind.
285Mangels verfügbarer Option für das Jahr 2017 wurde der Lohnsteuerrechner für das Jahr 2019 angewendet. Die Beträge für das Jahr 2017 wurden zugrunde gelegt.
286Die Jahresnettoalimentation im Jahr 2017 berechnet sich hiernach wie folgt:
2872017 |
|
Grundgehaltssatz |
25.932,48 Euro |
+ Familienzuschlag |
4.744,92 Euro |
Jahresbruttobezüge |
30.677,40 Euro |
- Einkommensteuer |
- 864,00 Euro (ESt.) [- steuerlich absetzbarer Anteil der Kosten für eine private Kranken- und Pflegeversicherung: 5.006,64 Euro] |
- Kosten einer ergänzenden Kranken- und Pflegeversicherung |
6.206,64 Euro |
+ Kindergeld |
4.608,00 Euro |
Nettoalimentation |
28.214,76 Euro |
Danach wurde im Jahr 2017 das Mindestabstandsgebot verletzt. Die Nettoalimentation blieb im Jahr 2017 um 0,83 % hinter der aus dem Grundsicherungsniveau abgeleiteten Mindestalimentation zurück.
289Nettoalimentation |
28.214,76 Euro |
Mindestalimentation |
28.451,18 Euro |
Fehlbetrag (absolut) |
236,42 Euro |
Fehlbetrag (in % der Mindestalimentation) |
- 0,83 % |
e. Der fünfte Parameter ist nicht erfüllt. Ein Quervergleich der R 3-Besoldung in NRW mit der entsprechenden Besoldung des Bundes und der Länder im Jahr 2017 ergibt, dass der arithmetische Mittelwert sowie der Median dieser Besoldungen in den zu betrachtenden Jahren nicht um mehr als 10 % unterschritten wurden.
291In NRW, im Bund sowie in den anderen Ländern hat sich das Jahresbruttoeinkommen im Jahr 2017 in der Besoldungsgruppe R 3 (jeweils Endstufe) unter Berücksichtigung unterjähriger Besoldungsanpassungen, bestehend aus dem Grundgehalt der Endstufe, allgemeiner Stellenzulage bzw. Strukturzulage, Einmalzahlungen und Sonderzahlungen wie folgt dargestellt (die Höhe des Grundgehalts bezieht sich auf den 1. Dezember):
292- Nordrhein-Westfalen:
2932017: 90.959,28 Euro
294- Bund:
2952017: 96.645,73 Euro
296- Baden-Württemberg:
2972017: 94.003,52 Euro
298- Bayern:
2992017: 97.148,40 Euro
300- Berlin:
3012017: 87.110,88 Euro
302- Brandenburg:
3032017: 90.769,88 Euro
304- Bremen:
3052017: 89.024,46 Euro
306- Hamburg:
3072017: 90.734,88 Euro
308- Hessen:
3092017: 91.625,76 Euro
310- Mecklenburg-Vorpommern:
3112017: 91.189,66 Euro
312- Niedersachsen:
3132017: 90.990,60 Euro
314- Rheinland-Pfalz:
3152017: 89.364,24 Euro
316- Saarland:
3172017: 88.683,60 Euro
318- Sachsen:
3192017: 93.511,33 Euro
320- Sachsen-Anhalt:
3212017: 91.990,84 Euro
322- Schleswig-Holstein:
3232017: 91.074,00 Euro
324- Thüringen:
3252017: 92.527,56 Euro
326- Median: 91.074,00 Euro
327- Mittelwert: 91.609,10 Euro
328Unter Zugrundelegung der dargestellten Werte blieb die Jahresbruttobesoldung in NRW im Jahr 2017 um 5,88 % hinter der R 3-Besoldung auf Bundesebene zurück und um 0,39 % unter dem Durchschnitt der Besoldung in den übrigen Ländern.
3293. Im Jahr 2018 ist der zweite Aspekt des vierten Parameters (Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau) verletzt. Alle weiteren Parameter werden unterschritten.
330a. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst wird eine Abkopplung der Bezüge der Amtsträger nicht hinreichend deutlich sichtbar (erster Parameter).
331Die Besoldungsentwicklung ergibt im maßgeblichen Zeitraum einen Index von 126,15 %.
332Die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst liegt bei einem Index von 130,41 %.
333Der sich daraus ergebende Abstand von 3,38 % zulasten der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 überschreitet nicht die maßgebliche Grenze von 5 %.
334b. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 mit der Entwicklung des Nominallohnindex wird eine Abkopplung der Bezüge der Amtsträger ebenfalls nicht hinreichend deutlich sichtbar (zweiter Parameter).
335Der Nominallohnindex stieg auf 127,91 %.
336Die sich damit ergebende Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 und der Entwicklung des Nominallohnindex beträgt lediglich 1,40 %.
337c. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung des Verbraucherpreisindex von 124,26 % ergibt sich eine Differenz von 1,50 % zugunsten der Besoldungsentwicklung (dritter Parameter).
338d. Der vierte Parameter ist verletzt. Die Besoldung bleibt nach einem systeminternen Besoldungsvergleich hinter den Vorgaben des Alimentationsprinzips zurück.
339aa. Ein Abschmelzen der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen und -ordnungen, das eine unangemessene Alimentation der Richter der Besoldungsgruppe R 3 in NRW im Jahr 2018 indizieren könnte, lässt sich einem systeminternen Besoldungsvergleich zwar nicht entnehmen.
340Der Abstand zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 3 und dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe A 5 (jeweils Endstufe) in den Jahren 2013 und 2018 beträgt -3,62 %, zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 3 und dem Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 (jeweils Endstufe) -1,17 %. Die Abstände des Grundgehaltssatzes zu den entsprechenden Sätzen der Besoldungsgruppe R 1 liegen bei -0,60 %. Auf die Berechnungen des beklagten Landes (Bl. 24 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Hiernach wird das Abstandsgebot nicht verletzt.
341bb. Jedoch wurde der gebotene Abstand zum Grundsicherungsniveau von 15 % in der untersten Besoldungsgruppe nicht eingehalten.
342(1) Die Regelsätze zur Sicherung des Lebensunterhalts für Kinder und Erwachsene berechnen sich für 2018 nach §§ 20 und 23 SGB II.
343Im Jahr 2018 betrug der monatliche Regelbedarfssatz für erwachsene Partner in einer Bedarfsgemeinschaft 748,00 Euro (Regelbedarfsstufe 2, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach den §§ 28a und 134 SGB XII maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu § 28 SGB XII für das Jahr 2018 – RBSFV 2018).
344Die Regelbedarfssätze für ein Kind im ersten bis sechsten Lebensjahr betrugen im Jahr 2018 monatlich 240,00 Euro (Regelbedarfsstufe 6, vgl. § 2 RBSFV 2018), im siebenten bis 14. Lebensjahr 296,00 Euro (Regelbedarfsstufe 5, vgl. § 2 RBSFV 2018) und im 15. bis 18. Lebensjahr 316,00 Euro (Regelbedarfsstufe 4, vgl. § 2 RBSFV 2018). Der hieraus unter Rückgriff auf die im Existenzminimumbericht der Bundesregierung etablierte Berechnungsmethode ermittelte, der Berechnung zugrunde zu legende Kinder-Durchschnittssatz beläuft sich für das Jahr 2018 damit auf 281,78 Euro je Kind.
345(2) Für das Jahr 2018 legt das Gericht für die Höhe der grundsicherungsrechtlichen Kosten der Unterkunft (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) in Anwendung der unter B. II. 2. a. dd. dargestellten Berechnungsweise des Bundessozialgerichts Folgendes zugrunde:
346Die anzusetzende Wohnfläche von 95 qm für vier Personen wird aus den Vorgaben für den sozialen Mietwohnungsbau in § 18 WFNG NRW i.V.m. Ziffer 8.2 WNB abgeleitet. Der Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards wurde auf der Grundlage der von der Bundesagentur für Arbeit länderspezifisch erhobenen Daten über die tatsächlich anerkannten Bedarfe (95 %-Perzentil) ermittelt. Unter Zugrundelegung der Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II,
347vgl. Bundesagentur für Arbeit, Statistik, im Internet allgemein zugänglich unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html?r_f=bl_Nordrhein-Westfalen&topic_f=kdu-kdu, abgerufen am 29. September 2023,
348ergibt dies für das Jahr 2018 einen durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 5,86 Euro. Die anzusetzende Angemessenheit der Mietkosten beträgt demzufolge 556,70 Euro (95 x 5,86 Euro = 556,70 Euro).
349(3) Der heranzuziehende bundesweite Heizspiegel 2018 der co2online gGmbH,
350vgl. Im Internet allgemein zugänglich unter: https://www.heizspiegel.de/heizkosten-pruefen/heizspiegel/, abgerufen am 29. September 2023,
351weist für das Jahr 2018 einen Höchstbetrag von 860,00 Euro an jährlichen Heizkosten (vgl. zum grundsicherungsrechtlichen Bedarf § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) für eine 70 qm-Wohnung im Mehrfamilienhaus aus. Unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen monatlichen Preises von 1,02 Euro pro qm ergibt dies für eine Wohnfläche von 95 qm (vgl. § 18 WFNG NRW i.V.m. Ziffer 8.2 WNB) einen durchschnittlichen monatlichen Betrag von 96,90 Euro im Jahr 2018.
352(4) Der grundsicherungsrechtliche Bedarf für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene für Bildung und Teilhabe (vgl. § 28 SGB II) setzt sich für das Jahr 2018 wie folgt zusammen: Der persönliche Schulbedarf wurde mit 100,00 Euro je Schuljahr angesetzt. Auf den Zeitraum von der Geburt bis zur Volljährigkeit umgelegt ergibt sich ein Monatsbetrag von rund 5,56 Euro je Kind beziehungsweise von rund 11,12 Euro für zwei Kinder. Zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft wurden Kindern aller Altersstufen 10,00 Euro monatlich gewährt. Die Mehraufwendungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung (vgl. § 77 Abs. 1 SGB II) werden mit einem altersgewichteten Betrag von rund 21,67 Euro je Kind berechnet. Für das Jahr 2018 summieren sich die aus dem Gesetz abgeleiteten Monatsbeträge (5,56 Euro + 10,00 Euro + 21,67 Euro) auf rund 37,23 Euro je Kind beziehungsweise auf rund 74,46 Euro für zwei Kinder.
353(5) Hinzuzurechnen ist außerdem ein Betrag in Höhe von durchschnittlich 56,00 Euro an Mehrbedarfen im Sinne des § 21 SGB II pro Monat. Zur Berechnung wurden die Angaben aus der Statistik der Bundesagentur für Arbeit „Bedarfe, Zahlungen und Einkommen (Quartalszahlen) - Deutschland, Länder und Kreise“ für die Quartale März, Juni, September und Dezember 2018,
354im Internet allgemein zugänglich unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html;jsessionid=3110800A3ABC15735E4314D3528BBE73?nn=1524064&topic_f=bedarf, abgerufen am 29. September 2023,
355herangezogen.
356(6) Der grundsicherungsrechtliche Grundbedarf und die davon abgeleitete Mindestalimentation für das Jahr 2018 belaufen sich danach auf die folgenden Beträge:
357Grundsicherungsbedarf |
2018 |
Regelsätze |
1.311,56 Euro |
Wohnkosten |
653,60 Euro |
Bildung und Teilhabe |
74,46 Euro |
Mehrbedarfe, § 21 SGB II |
56,00 Euro |
Monatsbetrag |
2.095,62 Euro |
Jahresbetrag |
25.147,44 Euro |
Mindestalimentation (115 % des Grundsicherungsbedarfs) |
|
Monatsbetrag |
2.409,96 Euro |
Jahresbetrag |
28.919,56 Euro |
(7) Das Jahresbruttogehalt eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern der Besoldungsgruppe A 5 (Erfahrungsstufe 1) betrug im Jahr 2018 im Land NRW 31.652,76 Euro.
359Der Berechnung für das Jahr 2018 wurde ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 2.231,02 Euro (Anlage 6 zu Anhang 11 zu Art. 2 Nr. 3 BesVersAnpG NRW 2017/2018 – Landesbesoldungsordnung A –, gültig ab 1. Januar 2018) zugrunde gelegt. Hinzu kommt ein Familienzuschlag in Höhe von monatlich 406,71 Euro (256,74 Euro + 122,62 Euro + 6,84 Euro + 20,51 Euro) (Anlage 13 zu Anhang 18 zu Art. 2 Nr. 3 BesVersAnpG NRW 2017/2018).
360Vom Bruttojahresgehalt ist zunächst die Einkommensteuer abzuziehen.
361Die Steuer wurde mit dem vom Bundesministerium der Finanzen im Internet zur Verfügung gestellten Lohnsteuerrechner für die Steuerklasse III und zwei Kinderzuschläge ohne Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer berechnet. Dabei wurde auch der von dem Verband der Privaten Krankenversicherung mitgeteilte steuerlich absetzbare Anteil berücksichtigt. Dieser betrug im Jahr 2018 für die Krankenversicherung 4.956,00 Euro. Die monatlichen Kosten für die Pflegeversicherung einer erwachsenen Person wurden für das Jahr 2018 wie folgt mitgeteilt:
362Alter |
Durchschnittsbetrag 2018 |
20-24 |
6,04 Euro |
25-29 |
9,76 Euro |
30 |
10,56 Euro |
30-34 |
11,03 Euro |
Zudem wurde zur Ermittlung des Jahresnettoeinkommens die vom Verband der Privaten Krankenversicherung für die zu betrachtende Beamtenfamilie mitgeteilte Durchschnittsprämie von monatlich 518,00 Euro für das Jahr 2018 sowie die mitgeteilten Pflegeversicherungskosten in Höhe von 10,56 Euro monatlich pro Elternteil in Abzug gebracht.
364Hinzuzurechnen war das Kindergeld, das im Jahr 2018 monatlich 194,00 Euro (§ 66 Abs. 1 EStG in der Fassung vom 23. Juni 2017, gültig ab 1. Januar 2018) je Kind betrug.
365Mangels verfügbarer Option für das Jahr 2018 wurde der Lohnsteuerrechner für das Jahr 2019 angewendet. Die Beträge für das Jahr 2018 wurden zugrunde gelegt.
366Die Jahresnettoalimentation im Jahr 2018 berechnet sich hiernach wie folgt:
3672018 |
|
Grundgehaltssatz |
26.772,24 Euro |
+ Familienzuschlag |
4.880,52 Euro |
Jahresbruttobezüge |
31.652,76 Euro |
- Einkommensteuer |
- 1.002,00 Euro (ESt.) [- steuerlich absetzbarer Anteil der Kosten für eine private Kranken- und Pflegeversicherung: 5.209,44 Euro] |
- Kosten einer ergänzenden Kranken- und Pflegeversicherung |
6.469,44 Euro |
+ Kindergeld |
4.656,00 Euro |
Nettoalimentation |
28.837,32 Euro |
Danach wurde im Jahr 2018 das Mindestabstandsgebot verletzt. Die Nettoalimentation blieb im Jahr 2018 um 0,28 % hinter der aus dem Grundsicherungsniveau abgeleiteten Mindestalimentation zurück.
369Nettoalimentation |
28.837,32 Euro |
Mindestalimentation |
28.919,56 Euro |
Fehlbetrag (absolut) |
82,24 Euro |
Fehlbetrag (in % der Mindestalimentation) |
- 0,28 % |
e. Der fünfte Parameter ist nicht erfüllt. Ein Quervergleich der R 3-Besoldung in NRW mit der entsprechenden Besoldung des Bundes und der Länder im Jahr 2018 ergibt, dass der arithmetische Mittelwert sowie der Median dieser Besoldungen in den zu betrachtenden Jahren nicht um mehr als 10 % unterschritten wurden.
371In NRW, im Bund sowie in den anderen Ländern hat sich das Jahresbruttoeinkommen im Jahr 2018 in der Besoldungsgruppe R 3 (jeweils Endstufe) unter Berücksichtigung unterjähriger Besoldungsanpassungen, bestehend aus dem Grundgehalt der Endstufe, allgemeiner Stellenzulage bzw. Strukturzulage, Einmalzahlungen und Sonderzahlungen wie folgt dargestellt (die Höhe des Grundgehalts bezieht sich auf den 1. Dezember):
372- Nordrhein-Westfalen:
3732018: 93.583,20 Euro
374- Bund:
3752018: 99.243,70 Euro
376- Baden-Württemberg:
3772018: 95.542,38 Euro
378- Bayern:
3792018: 98.919,58 Euro
380- Berlin:
3812018: 90.141,22 Euro
382- Brandenburg:
3832018: 93.134,04 Euro
384- Bremen:
3852018: 90.962,34 Euro
386- Hamburg:
3872018: 92.685,72 Euro
388- Hessen:
3892018: 94.399,11 Euro
390- Mecklenburg-Vorpommern:
3912018: 94.504,82 Euro
392- Niedersachsen:
3932018: 92.997,27 Euro
394- Rheinland-Pfalz:
3952018: 91.464,24 Euro
396- Saarland:
3972018: 89.936,56 Euro
398- Sachsen:
3992018: 96.780,86 Euro
400- Sachsen-Anhalt:
4012018: 94.143,28 Euro
402- Schleswig-Holstein:
4032018: 92.649,48 Euro
404- Thüringen:
4052018: 94.701,96 Euro
406- Median: 93.583,20 Euro
407- Mittelwert: 93.869,99 Euro
408Unter Zugrundelegung der dargestellten Werte blieb die Jahresbruttobesoldung in NRW im Jahr 2018 um 5,70 % hinter der R 3-Besoldung auf Bundesebene zurück, lag jedoch um 0,06 % über dem Durchschnitt der Besoldung in den übrigen Ländern.
4094. Im Jahr 2019 ist der zweite Aspekt des vierten Parameters (Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau) verletzt. Alle übrigen Parameter werden zum Teil deutlich unterschritten.
410a. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst wird eine Abkopplung der Bezüge der Amtsträger nicht hinreichend deutlich sichtbar (erster Parameter).
411Die Besoldungsentwicklung ergibt im maßgeblichen Zeitraum einen Index von 127,61 %.
412Die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst des Landes NRW liegt bei 131,69 %.
413Der sich daraus ergebende Abstand von 3,20 % zulasten der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 überschreitet nicht die maßgebliche Grenze von 5 %.
414b. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 mit der Entwicklung des Nominallohnindex wird eine Abkopplung der Bezüge der Amtsträger ebenfalls nicht hinreichend deutlich sichtbar (zweiter Parameter).
415Der Nominallohnindex stieg auf 130,10 %.
416Die sich damit ergebende Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 und der Entwicklung des Nominallohnindex beträgt 1,95 %.
417c. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung des Verbraucherpreisindex ergibt sich ebenfalls keine Differenz in Höhe von mindestens 5 % des Indexwertes der erhöhten Besoldung innerhalb der zurückliegenden 15 Jahre (dritter Parameter).
418Der Verbraucherpreisindex sank auf 124,11 %.
419Die sich damit ergebende Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 und der Entwicklung des Verbraucherpreisindex beträgt zugunsten der Besoldungsentwicklung 2,74 %.
420d. Der vierte Parameter ist verletzt. Die Besoldung für das Jahr 2019 bleibt nach einem systeminternen Besoldungsvergleich hinter den Vorgaben des Alimentationsprinzips zurück.
421aa. Es kam es nicht zu einer Verringerung der Abstände um mindestens 10 % in den Jahren 2014 und 2019 zwischen den zu vergleichenden Besoldungsgruppen R 3, A 5, A 9 und R 1.
422Der Abstand zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 3 und dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe A 5 (jeweils Endstufe) in den Jahren 2014 und 2019 beträgt -3,13 %, zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 3 und dem Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 (jeweils Endstufe) -0,36 %. Der Abstand des Grundgehaltssatzes R 3 zu den entsprechenden Sätzen der Besoldungsgruppe R 1 liegt für die Jahre 2014 und 2019 bei 0,00 %. Auf die Berechnungen des beklagten Landes (Bl. 24 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Hiernach wird das Abstandsgebot nicht verletzt.
423bb. Allerdings wurde der gebotene Abstand zum Grundsicherungsniveau von 15 % in der untersten Besoldungsgruppe nicht eingehalten.
424(1) Die Regelsätze zur Sicherung des Lebensunterhalts für Kinder und Erwachsene ergeben sich für 2019 nach §§ 20 und 23 SGB II.
425Im Jahr 2019 betrug der monatliche Regelbedarfssatz für erwachsene Partner in einer Bedarfsgemeinschaft 764,00 Euro (Regelbedarfsstufe 2, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a SGB XII maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu § 28 SGB XII für das Jahr 2019 – RBSFV 2019).
426Die Regelbedarfssätze für ein Kind im ersten bis sechsten Lebensjahr betrugen im Jahr 2019 monatlich 245,00 Euro (Regelbedarfsstufe 6, vgl. § 2 RBSFV 2019), im siebenten bis 14. Lebensjahr 302,00 Euro (Regelbedarfsstufe 5, vgl. § 2 RBSFV 2019) und im 15. bis 18. Lebensjahr 322,00 Euro (Regelbedarfsstufe 4, vgl. § 2 RBSFV 2019). Der hieraus unter Rückgriff auf die im Existenzminimumbericht der Bundesregierung etablierte Berechnungsmethode ermittelte, der Berechnung zugrunde zu legende Kinder-Durchschnittssatz beläuft sich damit für das Jahr 2019 auf 287,44 Euro je Kind.
427(2) Für das Jahr 2019 legt das Gericht in Anwendung der Berechnungsweise des Bundessozialgerichts (vgl. unter B. II. 2. a. dd.) für die Höhe der grundsicherungsrechtlichen Kosten der Unterkunft (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) Folgendes zugrunde:
428Die anzusetzende Wohnfläche von 95 qm für vier Personen wird aus den Vorgaben für den sozialen Mietwohnungsbau in § 18 WFNG NRW i.V.m. Ziffer 8.2 WNB abgeleitet.
429Der Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards ergibt unter Zugrundelegung der Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II,
430vgl. Bundesagentur für Arbeit, Statistik, im Internet allgemein zugänglich unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html?r_f=bl_Nordrhein-Westfalen&topic_f=kdu-kdu, abgerufen am 29. September 2023,
431für das Jahr 2019 einen durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 6,05 Euro. Die anzusetzende Angemessenheit der Miete beträgt demzufolge 574,75 Euro (95 x 6,05 Euro = 574,75 Euro).
432(3) Der grundsicherungsrechtliche Bedarf für Heizkosten (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) für eine angemessene Wohnfläche für einen Vier-Personen-Haushalt im beklagten Land (95 qm) beträgt unter Heranziehung des bundesweiten Heizspiegels 2019 der co2online gGmbH,
433vgl. Im Internet allgemein zugänglich unter: https://www.heizspiegel.de/heizkosten-pruefen/heizspiegel/, abgerufen am 29. September 2023,
434der für das Jahr 2019 einen Höchstbetrag von 890,00 Euro an jährlichen Heizkosten für eine 70 qm-Wohnung im Mehrfamilienhaus ausweist, im Jahr 2019 durchschnittlich 100,70 Euro pro Monat (durchschnittlicher monatlicher Preis von 1,06 Euro pro qm x 95 = 100,70 Euro).
435(4) Der grundsicherungsrechtliche Bedarf für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (vgl. § 28 SGB II) beträgt im Jahr 2019 150,00 Euro je Schuljahr für den persönlichen Schulbedarf (vgl. § 28 Abs. 3 SGB II in der Fassung des Art. 3 Nr. 2 Buchstabe a des Gesetzes zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe vom 29. April 2019, BGBl. I Nr. 16, Seite 530 – Änderung des SGB II – mit Wirkung vom 1. August 2019 i.V.m. § 34 Abs. 3 und 3a SGB XII in der Fassung vom 29. April 2019, gültig ab 1. August 2019). Auf den Zeitraum von der Geburt bis zur Volljährigkeit umgelegt ergibt sich ein Monatsbetrag von rund 8,33 Euro je Kind beziehungsweise von rund 16,66 Euro für zwei Kinder. Zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft wurden Kindern aller Altersstufen 15,00 Euro monatlich gewährt. Die Mehraufwendungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung (vgl. § 77 Abs. 11 SGB II) wurden mit einem altersgewichteten Betrag von rund 21,67 Euro je Kind angesetzt. Für das Jahr 2019 summieren sich die aus dem Gesetz abgeleiteten Monatsbeträge (8,33 Euro + 15,00 Euro + 21,67 Euro) auf 45,00 Euro je Kind beziehungsweise auf 90,00 Euro für zwei Kinder.
436(5) Darüber hinaus ist für das Jahr 2019 unter Zugrundelegung der Angaben in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit für die Quartale März, Juni, September und Dezember 2019,
437vgl. im Internet allgemein zugänglich unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html;jsessionid=3110800A3ABC15735E4314D3528BBE73?nn=1524064&topic_f=bedarf, abgerufen am 29. September 2023,
438ein durchschnittlicher monatlicher Betrag in Höhe von 57,00 Euro für Mehrbedarfe im Sinne des § 21 SGB II zu berücksichtigen.
439(6) Hinzuzurechnen ist für das Jahr 2019 außerdem ein durchschnittlicher Betrag für die Kinderbetreuung in Höhe von 58,33 Euro pro Monat. Seit dem 1. August 2019 dürfen von Grundsicherungsempfängern für die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege keine Beiträge mehr erhoben werden (vgl. § 90 Abs. 4 des Achten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des Art. 2 Nr. 2 Buchstabe c des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung vom 19. Dezember 2018 [BGBl. I Seite 2696]). Mangels Vorliegens einer Sonderauswertung der Lohn- und Einkommensstatistik des Statistischen Bundesamtes (Destatis) für das Jahr 2019,
440vgl. zu einer solchen Sonderauswertung für das Jahr 2017: Destatis, Pressemitteilung Nr. 483 vom 14. Oktober 2021, im Internet allgemein zugänglich unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/10/PD21_483_73.html#:~:text=Bei%20Kindern%20zwischen%203%20und,noch%20760%20Euro%20im%20Jahr., abgerufen am 29. September 2023,
441wurde zur Berechnung der durchschnittlichen Kinderbetreuungskosten die in § 87 SGB III in der Fassung vom 20. Dezember 2011 und vom 1. August 2019 angegebene Obergrenze in Höhe von 140,00 Euro monatlich zugrunde gelegt ([140 x 5] / 12 = 58,33 Euro).
442(7) Auf dieser Grundlage errechnet sich das Grundsicherungsniveau und die daraus abgeleitete Mindestalimentation in Höhe von 115 % des Grundsicherungsbedarfs für das Jahr 2019 wie folgt:
443Grundsicherungsbedarf |
2019 |
Regelsätze |
1.338,88 Euro |
Wohnkosten |
675,45 Euro |
Bildung und Teilhabe |
90,00 Euro |
Mehrbedarfe, § 21 SGB II |
57,00 Euro |
Kinderbetreuung |
58,33 Euro |
Monatsbetrag |
2.219,66 Euro |
Jahresbetrag |
26.635,92 Euro |
Mindestalimentation (115 % des Grundsicherungsbedarfs) |
|
Monatsbetrag |
2.552,61 Euro |
Jahresbetrag |
30.631,31 Euro |
(8) Das Jahresbruttogehalt eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern der Besoldungsgruppe A 5 (Erfahrungsstufe 1) betrug im Jahr 2019 im Land NRW 32.665,68 Euro.
445Der Berechnung für das Jahr 2019 wurde ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 2.302,41 Euro (Anlage 6 zu Anhang 1 zu Art. 1 Nr. 4 BesVersAnpG NRW 2019/2020/2021 – Landesbesoldungsordnung A –, gültig ab 1. Januar 2019) zugrunde gelegt. Hinzu kommt ein Familienzuschlag in Höhe von monatlich 419,73 Euro (264,96 Euro + 126,54 Euro + 7,06 Euro + 21,17 Euro) (Anlage 13 zum LBesG NRW in der Fassung vom 14. Juni 2016, gültig ab 1. Januar 2019).
446Vom Bruttojahresgehalt ist zunächst die Einkommensteuer in Höhe von 1.160,00 Euro abzuziehen.
447Die Steuer wurde mit dem vom Bundesministerium der Finanzen im Internet zur Verfügung gestellten Lohnsteuerrechner für die Steuerklasse III und zwei Kinderzuschläge ohne Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer berechnet. Bei der Berechnung wurde der von dem Verband der Privaten Krankenversicherung mitgeteilte steuerlich absetzbare Anteil der Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.425,20 Euro im Jahr 2019 berücksichtigt.
448Die monatlichen Kosten für die Pflegeversicherung einer erwachsenen Person wurden für das Jahr 2019 wie folgt mitgeteilt:
449Alter |
Durchschnittsbetrag 2019 |
20-24 |
6,70 Euro |
25-29 |
10,67 Euro |
30 |
11,55 Euro |
30-34 |
12,07 Euro |
Zur Ermittlung des Jahresnettoeinkommens wurden auch die vom Verband der Privaten Krankenversicherung für die zu betrachtende Beamtenfamilie mitgeteilten Durchschnittsprämien von monatlich 537,00 Euro für das Jahr 2019 sowie die mitgeteilten Pflegeversicherungskosten in Höhe von monatlich 11,55 Euro pro Elternteil in Abzug gebracht.
451Hinzuzurechnen ist das Kindergeld, das von Januar bis Juni 2019 monatlich 194,00 Euro (§ 66 Abs. 1 EStG in der Fassung vom 23. Juni 2017, gültig ab 1. Januar 2018) und von Juli bis Dezember 2019 204,00 Euro (§ 66 Abs. 1 EStG in der Fassung vom 29. November 2018, gültig ab 1. Juli 2019) je Kind betrug.
452Die Jahresnettoalimentation im Jahr 2019 berechnet sich hiernach wie folgt:
4532019 |
|
Grundgehaltssatz |
27.628,92 Euro |
+ Familienzuschlag |
5.036,76 Euro |
Jahresbruttobezüge |
32.665,68 Euro |
- Einkommensteuer |
- 1.160,00 Euro (ESt.) [- steuerlich absetzbarer Anteil der Kosten für eine private Kranken- und Pflegeversicherung: 5.425,20 Euro] |
- Kosten einer ergänzenden Kranken- und Pflegeversicherung |
6.721,20 Euro |
+ Kindergeld |
4.776,00 Euro |
Nettoalimentation |
29.560,48 Euro |
Danach wurde im Jahr 2019 das Mindestabstandsgebot verletzt. Die Nettoalimentation blieb um 3,50 % hinter der aus dem Grundsicherungsniveau abgeleiteten Mindestalimentation zurück.
455Nettoalimentation |
29.560,48 Euro |
Mindestalimentation |
30.631,31 Euro |
Fehlbetrag (absolut) |
1.070,83 Euro |
Fehlbetrag (in % der Mindestalimentation) |
- 3,50 % |
e. Der fünfte Parameter ist nicht erfüllt. Ein Quervergleich der R 3-Besoldung in NRW mit der entsprechenden Besoldung des Bundes und der Länder im Jahr 2019 ergibt, dass der arithmetische Mittelwert sowie der Median dieser Besoldungen in den zu betrachtenden Jahren nicht um mehr als 10 % unterschritten wurden.
457In NRW, im Bund sowie in den anderen Ländern hat sich das Jahresbruttoeinkommen im Jahr 2019 in der Besoldungsgruppe R 3 (jeweils Endstufe) unter Berücksichtigung unterjähriger Besoldungsanpassungen, bestehend aus dem Grundgehalt der Endstufe, allgemeiner Stellenzulage bzw. Strukturzulage, Einmalzahlungen und Sonderzahlungen wie folgt dargestellt (die Höhe des Grundgehalts bezieht sich auf den 1. Dezember):
458- Nordrhein-Westfalen:
4592019: 96.577,92 Euro
460- Bund:
4612019: 102.037,44 Euro
462- Baden-Württemberg:
4632019: 99.901,08 Euro
464- Bayern:
4652019: 102.084,99 Euro
466- Berlin:
4672019: 94.225,05 Euro
468- Brandenburg:
4692019: 96.357,76 Euro
470- Bremen:
4712019: 94.963,32 Euro
472- Hamburg:
4732019: 95.466,24 Euro
474- Hessen:
4752019: 97.090,56 Euro
476- Mecklenburg-Vorpommern:
4772019: 96.620,57 Euro
478- Niedersachsen:
4792019: 96.232,42 Euro
480- Rheinland-Pfalz:
4812019: 95.334,96 Euro
482- Saarland:
4832019: 92.492,60 Euro
484- Sachsen:
4852019: 99.877,92 Euro
486- Sachsen-Anhalt:
4872019: 97.143,04 Euro
488- Schleswig-Holstein:
4892019: 95.538,28 Euro
490- Thüringen:
4912019: 97.732,44 Euro
492- Median: 96.577,92 Euro
493- Mittelwert: 97.039,80 Euro
494Unter Zugrundelegung der dargestellten Werte blieb die Jahresbruttobesoldung in NRW im Jahr 2019 um 5,35 % hinter der R 3-Besoldung auf Bundesebene zurück und um 0,16 % unter dem Durchschnitt der Besoldung in den übrigen Ländern.
4955. Auch im Jahr 2020 ist der zweite Aspekt des vierten Parameters (Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau) verletzt. Alle weiteren Parameter werden zum Teil deutlich unterschritten.
496a. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst wird eine Abkopplung der Bezüge der Amtsträger nicht hinreichend deutlich sichtbar (erster Parameter).
497Die Besoldungsentwicklung ergibt im maßgeblichen Zeitraum einen Index von 131,69 %. Die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst weist einen Index von 135,80 % auf. Der sich daraus ergebende Abstand von 3,12 % zulasten der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 überschreitet nicht die maßgebliche Grenze von 5 %.
498b. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 mit der Entwicklung des Nominallohnindex wird eine Abkopplung der Bezüge der Amtsträger ebenfalls nicht hinreichend deutlich sichtbar (zweiter Parameter).
499Der Nominallohnindex sank auf 129,18 %. Die sich damit ergebende Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 und der Entwicklung des Nominallohnindex beträgt zugunsten der Besoldungsentwicklung 1,91 %.
500c. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung des Verbraucherpreisindex ergibt sich ebenfalls keine Differenz in Höhe von mindestens 5 % des Indexwertes der erhöhten Besoldung innerhalb der zurückliegenden 15 Jahre (dritter Parameter).
501Der Verbraucherpreisindex sank auf 122,55 %. Die sich damit ergebende Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 und der Entwicklung des Verbraucherpreisindex beträgt zugunsten der Besoldungsentwicklung sogar 6,94 %.
502d. Der vierte Parameter ist verletzt. Die Besoldung bleibt nach einem systeminternen Besoldungsvergleich hinter den Vorgaben des Alimentationsprinzips zurück.
503aa. Zwar lässt sich auch im Jahr 2020 einem systeminternen Besoldungsvergleich ein Abschmelzen der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen R 3, A 5, A 9 und R 1, das eine unangemessene Alimentation der Richter der Besoldungsgruppe R 3 in NRW indizieren könnte, nicht entnehmen.
504Der Abstand zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 3 und dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe A 5 (jeweils Endstufe) in den Jahren 2015 und 2020 beträgt -3,13 %, zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 3 und dem Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 (jeweils Endstufe) -0,36 %. Der Abstand des Grundgehaltssatzes R 3 zu den entsprechenden Sätzen der Besoldungsgruppe R 1 liegt für die Jahre 2015 und 2020 bei 0,00 %. Auf die Berechnungen des beklagten Landes (Bl. 24 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Hiernach wird das Abstandsgebot nicht verletzt.
505bb. Jedoch wurde der gebotene Abstand zum Grundsicherungsniveau von 15 % in der untersten Besoldungsgruppe nicht eingehalten.
506(1) Im Jahr 2020 betrug der monatliche Regelbedarfssatz für erwachsene Partner in einer Bedarfsgemeinschaft 778,00 Euro (Regelbedarfsstufe 2, vgl. § 2 der Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a SGB XII maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu § 28 SGB XII für das Jahr 2020 – RBSFV 2020).
507Die Regelbedarfssätze für ein Kind im ersten bis sechsten Lebensjahr betrugen im Jahr 2020 monatlich 250,00 Euro (Regelbedarfsstufe 6, vgl. § 2 RBSFV 2020), im siebenten bis 14. Lebensjahr 308,00 Euro (Regelbedarfsstufe 5, vgl. § 2 RBSFV 2020) und im 15. bis 18. Lebensjahr 328,00 Euro (Regelbedarfsstufe 4, vgl. § 2 RBSFV 2020). Der hieraus unter Rückgriff auf die im Existenzminimumbericht der Bundesregierung etablierte Berechnungsmethode ermittelte, der Berechnung zugrunde zu legende Kinder-Durchschnittssatz beläuft sich für das Jahr 2020 damit auf 293,11 Euro je Kind.
508(2) Für das Jahr 2020 beträgt die anzusetzende Angemessenheit der Mietkosten für eine Wohnfläche von 95 qm für vier Personen (vgl. § 18 WFNG NRW i.V.m. Ziffer 8.2 WNB) 590,90 Euro (95 x 6,22 Euro = 590,90 Euro).
509Der Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards liegt unter Zugrundelegung der Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II,
510vgl. Bundesagentur für Arbeit, Statistik, im Internet allgemein zugänglich unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html?r_f=bl_Nordrhein-Westfalen&topic_f=kdu-kdu, abgerufen am 29. September 2023,
511für das Jahr 2020 bei durchschnittlich 6,22 Euro pro Monat.
512(3) Der grundsicherungsrechtliche Bedarf für Heizkosten (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) für eine angemessene Wohnfläche für einen Vier-Personen-Haushalt im beklagten Land (95 qm) beträgt unter Heranziehung des bundesweiten Heizspiegels 2020 der co2online gGmbH,
513vgl. Im Internet allgemein zugänglich unter: https://www.heizspiegel.de/heizkosten-pruefen/heizspiegel/, abgerufen am 29. September 2023,
514der für das Jahr 2020 einen Höchstbetrag von 870,00 Euro an jährlichen Heizkosten für eine 70 qm-Wohnung im Mehrfamilienhaus ausweist, im Jahr 2020 durchschnittlich 98,80 Euro pro Monat (durchschnittlicher monatlicher Preis von 1,04 Euro pro qm x 95 = 98,80 Euro).
515(4) Der grundsicherungsrechtliche Bedarf für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (vgl. § 28 SGB II) beträgt im Jahr 2020 150,00 Euro je Schuljahr für den persönlichen Schulbedarf (vgl. § 28 Abs. 3 SGB II in der Fassung vom 29. April 2019, gültig ab 1. August 2019 i.V.m. § 34 Abs. 3 und Abs. 3a SGB XII in der Fassung vom 29. April 2019, gültig ab 1. Juli 2020). Auf den Zeitraum von der Geburt bis zur Volljährigkeit umgelegt, ergibt sich ein Monatsbetrag von 8,33 Euro je Kind beziehungsweise von 16,66 Euro für zwei Kinder. Zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft wurden Kindern aller Altersstufen 15,00 Euro monatlich gewährt. Die Mehraufwendungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung wurden unter der Annahme, dass Kinder im Durchschnitt erst mit drei Jahren an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in Kindergarten und Schule teilnehmen, mit einem altersgewichteten Betrag von 21,67 Euro je Kind angesetzt. Für das Jahr 2020 summieren sich die aus dem Gesetz abgeleiteten Monatsbeträge (8,33 Euro + 15,00 Euro + 21,67 Euro) auf 45,00 Euro je Kind beziehungsweise auf 90,00 Euro für zwei Kinder.
516(5) Darüber hinaus ist für das Jahr 2020 unter Zugrundelegung der Angaben in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit für die Quartale März, Juni, September und Dezember 2020,
517vgl. im Internet allgemein zugänglich unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html;jsessionid=3110800A3ABC15735E4314D3528BBE73?nn=1524064&topic_f=bedarf, abgerufen am 29. September 2023,
518ein durchschnittlicher monatlicher Betrag in Höhe von 57,00 Euro für Mehrbedarfe im Sinne des § 21 SGB II zu berücksichtigen.
519(6) Für das Jahr 2020 ist außerdem ein durchschnittlicher Betrag für die Kinderbetreuung in Höhe von 144,17 Euro pro Monat hinzuzurechnen. Mangels Vorliegens einer Sonderauswertung der Lohn- und Einkommensstatistik des Statistischen Bundesamtes (Destatis) für das Jahr 2020 wurden zur Berechnung die in § 87 SGB III in den Fassungen vom 1. August 2019 und vom 1. August 2020 angegebenen Obergrenzen in Höhe von 140,00 Euro (Januar bis Juli 2020) und in Höhe von 150,00 Euro (August bis Dezember 2020) – jeweils – monatlich zugrunde gelegt ([140,00 Euro x 7] + [150,00 Euro x 5] / 12 = 144,17 Euro).
520(7) Darüber hinaus war im Jahr 2020 der sogenannte Corona-Kinderbonus in Höhe von insgesamt 300,00 Euro pro Kind zu berücksichtigen. Nach Art. 9 des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) vom 29. Juni 2020 (BGBl. 2020 Nr. 31) i.V.m. § 6 des Bundeskindergeldgesetzes (BKKG) in der Fassung vom 28. Januar 2009, geändert durch Art. 18 des Gesetzes vom 20. Mai 2020 (BGBl. 2020 Seite 1055) wurde jedem Kind, für das für den Monat September 2020 ein Anspruch auf Kindergeld bestand, für den Monat September 2020 ein Einmalbetrag in Höhe von 200,00 Euro und für den Monat Oktober 2020 ein Einmalbetrag in Höhe von 100,00 Euro gezahlt.
521Der grundsicherungsrechtliche Grundbedarf und die davon abgeleitete Mindestalimentation für das Jahr 2020 beliefen sich danach auf die folgenden Beträge:
522Grundsicherungsbedarf |
2020 |
Regelsätze |
1.364,22 Euro |
Wohnkosten |
689,70 Euro |
Bildung und Teilhabe |
90,00 Euro |
Mehrbedarfe, § 21 SGB II |
57,00 Euro |
Kinderbetreuung |
144,17 Euro |
Monatsbetrag |
2.345,09 Euro |
Jahresbetrag |
28.141,08 Euro |
sog. Corona-Kinder- bonus |
600,00 Euro |
Gesamt |
28.741,08 Euro |
Mindestalimentation (115 % des Grundsicherungsbedarfs) |
|
Monatsbetrag |
2.754,35 Euro |
Jahresbetrag |
33.052,24 Euro |
(8) Das Jahresbruttogehalt eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern der Besoldungsgruppe A 5 (Erfahrungsstufe 1) betrug im Jahr 2020 im Land NRW 33.711,24 Euro.
524Der Berechnung für das Jahr 2020 wurde ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 2.376,09 Euro (Anlage 6 zu Anhang 12 zu Art. 2 Nr. 3 BesVersAnpG NRW 2019/2020/2021) zugrunde gelegt. Hinzu kommt ein Familienzuschlag in Höhe von monatlich 433,18 Euro (273,45 Euro + 130,59 Euro + 7,29 Euro + 21,85 Euro) (Anlage 13 zu Anhang 19 zu Art. 2 Nr. 3 BesVersAnpG NRW 2019/2020/2021).
525Vom Bruttojahresgehalt ist zunächst die Einkommensteuer in Höhe von 1.254,00 Euro abzuziehen.
526Die Steuer wurde für die Steuerklasse III und zwei Kinderzuschläge ohne Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer mit dem vom Bundesministerium der Finanzen im Internet zur Verfügung gestellten Lohnsteuerrechner berechnet. Bei der Berechnung ist der von dem Verband der Privaten Krankenversicherung mitgeteilte steuerlich absetzbare Anteil der Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.572,80 Euro im Jahr 2020 berücksichtigt worden.
527Die monatlichen Kosten für die Pflegeversicherung einer erwachsenen Person wurden für das Jahr 2020 wie folgt mitgeteilt:
528Alter |
Durchschnittsbetrag 2020 |
20-24 |
9,39 Euro |
25-29 |
15,31 Euro |
30 |
16,70 Euro |
30-34 |
17,60 Euro |
Zur Ermittlung des Jahresnettoeinkommens wurden auch die vom Verband der Privaten Krankenversicherung für die zu betrachtende Beamtenfamilie mitgeteilten Durchschnittsprämien von monatlich 540,00 Euro für das Jahr 2020 sowie die mitgeteilten Pflegeversicherungskosten in Höhe von monatlich 16,70 Euro pro Elternteil in Abzug gebracht.
530Hinzuzurechnen ist das Kindergeld, das im Jahr 2020 monatlich 204,00 Euro (§ 66 Abs. 1 EStG in der Fassung vom 29. Juni 2020) je Kind betrug, sowie der sogenannte Corona-Kinderbonus in Höhe von 600,00 Euro für zwei Kinder.
531Die Jahresnettoalimentation im Jahr 2020 berechnet sich hiernach wie folgt:
5322020 |
|
Grundgehaltssatz |
28.513,08 Euro |
+ Familienzuschlag |
5.198,16 Euro |
Jahresbruttobezüge |
33.711,24 Euro |
- Einkommensteuer |
- 1.254,00 Euro (ESt.) [- steuerlich absetzbarer Anteil der Kosten für eine private Kranken- und Pflegeversicherung: 5.572,80 Euro] |
- Kosten einer ergänzenden Kranken- und Pflegeversicherung |
6.880,80 Euro |
+ Kindergeld |
4.896,00 Euro |
+ sog. Corona-Kinder- bonus |
600,00 Euro |
Nettoalimentation |
31.072,44 Euro |
Danach wurde im Jahr 2020 das Mindestabstandsgebot verletzt. Die Nettoalimentation blieb um 5,99 % hinter der aus dem Grundsicherungsniveau abgeleiteten Mindestalimentation zurück.
534Nettoalimentation |
31.072,44 Euro |
Mindestalimentation |
33.052,24 Euro |
Fehlbetrag (absolut) |
1.979,80 Euro |
Fehlbetrag (in % der Mindestalimentation) |
- 5,99 % |
e. Der fünfte Parameter ist nicht erfüllt. Ein Quervergleich der R 3-Besoldung in NRW mit der entsprechenden Besoldung des Bundes und der Länder im Jahr 2020 ergibt, dass der arithmetische Mittelwert sowie der Median dieser Besoldungen in den zu betrachtenden Jahren nicht um mehr als 10 % unterschritten wurden.
536In NRW, im Bund sowie in den anderen Ländern hat sich das Jahresbruttoeinkommen im Jahr 2020 in der Besoldungsgruppe R 3 (jeweils Endstufe) unter Berücksichtigung unterjähriger Besoldungsanpassungen, bestehend aus dem Grundgehalt der Endstufe, allgemeiner Stellenzulage bzw. Strukturzulage, Einmalzahlungen und Sonderzahlungen wie folgt dargestellt (die Höhe des Grundgehalts bezieht sich auf den 1. Dezember):
537- Nordrhein-Westfalen:
5382020: 99.668,40 Euro
539- Bund:
5402020: 103.715,94 Euro
541- Baden-Württemberg:
5422020: 103.097,88 Euro
543- Bayern:
5442020: 105.351,73 Euro
545- Berlin:
5462020: 98.913,86 Euro
547- Brandenburg:
5482020: 99.708,20 Euro
549- Bremen:
5502020: 98.002,20 Euro
551- Hamburg:
5522020: 98.521,20 Euro
553- Hessen:
5542020: 100.457,67 Euro
555- Mecklenburg-Vorpommern:
5562020: 99.519,21 Euro
557- Niedersachsen:
5582020: 99.605,64 Euro
559- Rheinland-Pfalz:
5602020: 100.353,36 Euro
561- Saarland:
5622020: 95.954,73 Euro
563- Sachsen:
5642020: 103.074,00 Euro
565- Sachsen-Anhalt:
5662020: 100.238,80 Euro
567- Schleswig-Holstein:
5682020: 98.415,96 Euro
569- Thüringen:
5702020: 100.859,88 Euro
571- Median: 99.708,20 Euro
572- Mittelwert: 100.321,10 Euro
573Unter Zugrundelegung der dargestellten Werte blieb die Jahresbruttobesoldung in NRW im Jahr 2020 um 3,90 % hinter der R 3-Besoldung auf Bundesebene zurück und um 0,47 % unter dem Durchschnitt der Besoldung in den übrigen Ländern.
5746. Im Jahr 2021 ist der zweite Aspekt des vierten Parameters (Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau) verletzt. Alle weiteren Parameter sind nicht verletzt.
575a. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst wird eine Abkopplung der Bezüge der Amtsträger nicht hinreichend deutlich sichtbar (erster Parameter).
576Die Besoldungsentwicklung ergibt im maßgeblichen Zeitraum einen Index von 133,53 %. Die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst liegt bei einem Index von 137,55 %. Der sich daraus ergebende Abstand von 3,01 % zulasten der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 überschreitet nicht die maßgebliche Grenze von 5 %.
577b. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 mit der Entwicklung des Nominallohnindex wird eine Abkopplung der Bezüge der Amtsträger ebenfalls nicht hinreichend deutlich sichtbar (zweiter Parameter).
578Der Nominallohnindex stieg auf 133,29 %. Die sich damit ergebende Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 und der Entwicklung des Nominallohnindex beträgt zugunsten der Besoldungsentwicklung 0,18 %.
579c. Bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung des Verbraucherpreisindex ergibt sich ebenfalls keine Differenz in Höhe von mindestens 5 % des Indexwertes der erhöhten Besoldung innerhalb der zurückliegenden 15 Jahre (dritter Parameter).
580Der Verbraucherpreisindex stieg auf 124,83 %. Die sich damit ergebende Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung in der Besoldungsgruppe R 3 und der Entwicklung des Verbraucherpreisindex beträgt zugunsten der Besoldungsentwicklung 6,52 %.
581d. Der vierte Parameter ist verletzt. Die Besoldung bleibt nach einem systeminternen Besoldungsvergleich hinter den Vorgaben des Alimentationsprinzips zurück.
582aa. Es kam auch im Jahr 2021 nicht zu einer Verringerung der Abstände um mindestens 10 % in den Jahren 2016 bis 2021 zwischen den zu vergleichenden Besoldungsgruppen R 3, A 5, A 9 und R 1.
583Der Abstand zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 3 und dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe A 5 (jeweils Endstufe) in den Jahren 2016 und 2021 beträgt -0,46 %, zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 3 und dem Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 (jeweils Endstufe) -0,25 %. Der Abstand des Grundgehaltssatzes R 3 zu den entsprechenden Sätzen der Besoldungsgruppe R 1 liegt für die Jahre 2016 und 2021 bei 0,00 %. Auf die Berechnungen des beklagten Landes (Bl. 24 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Hiernach wird das Abstandsgebot nicht verletzt.
584bb. Allerdings ist der gebotene Abstand zum Grundsicherungsniveau von 15 % in der untersten Besoldungsgruppe auch im Jahr 2021 nicht eingehalten.
585(1) Im Jahr 2021 betrug der monatliche Regelbedarfssatz für erwachsene Partner in einer Bedarfsgemeinschaft 802,00 Euro (Regelbedarfsstufe 2, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RBEG 2021).
586Die Regelbedarfssätze für ein Kind im ersten bis sechsten Lebensjahr betrugen im Jahr 2021 monatlich 283,00 Euro (Regelbedarfsstufe 6, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 RBEG 2021), im siebenten bis 14. Lebensjahr 309,00 Euro (Regelbedarfsstufe 5, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RBEG 2021) und im 15. bis 18. Lebensjahr 373,00 Euro (Regelbedarfsstufe 4, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 RBEG 2021). Der hieraus unter Rückgriff auf die im Existenzminimumbericht der Bundesregierung etablierte Berechnungsmethode ermittelte, der Berechnung zugrunde zu legende Kinder-Durchschnittssatz beläuft sich für das Jahr 2021 damit auf 314,56 Euro je Kind.
587(2) Für das Jahr 2021 legt das Gericht für die Höhe der grundsicherungsrechtlichen Kosten der Unterkunft (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) Folgendes zugrunde:
588Die anzusetzende Wohnfläche von 95 qm für vier Personen wird aus den Vorgaben für den sozialen Mietwohnungsbau in § 18 WFNG NRW i.V.m. Ziffer 8.2 WNB abgeleitet.
589Der Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards ergibt unter Zugrundelegung der Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II,
590vgl. Bundesagentur für Arbeit, Statistik, im Internet allgemein zugänglich unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html?r_f=bl_Nordrhein-Westfalen&topic_f=kdu-kdu, abgerufen am 29. September 2023,
591für das Jahr 2021 einen durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 6,39 Euro. Die anzusetzende Angemessenheit der Mietkosten beträgt demzufolge 607,05 Euro (95 x 6,39 Euro = 607,05 Euro).
592(3) Der grundsicherungsrechtliche Bedarf für Heizkosten (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) für eine angemessene Wohnfläche für einen Vier-Personen-Haushalt im beklagten Land (95 qm) beträgt unter Heranziehung des bundesweiten Heizspiegels 2021 der co2online gGmbH,
593vgl. Im Internet allgemein zugänglich unter: https://www.heizspiegel.de/heizkosten-pruefen/heizspiegel/, abgerufen am 29. September 2023,
594der für das Jahr 2021 einen Höchstbetrag von 965,00 Euro an jährlichen Heizkosten für eine 70 qm-Wohnung im Mehrfamilienhaus ausweist, im Jahr 2021 durchschnittlich 109,25 Euro pro Monat (durchschnittlicher monatlicher Preis von 1,15 Euro pro qm x 95 = 109,25 Euro).
595(4) Der grundsicherungsrechtliche Bedarf für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (vgl. § 28 SGB II) beläuft sich im Jahr 2021 auf 154,40 Euro je Schuljahr für den persönlichen Schulbedarf (vgl. § 28 Abs. 3 SGB II in der Fassung vom 29. April 2019, gültig ab 1. August 2019 i.V.m. § 34 Abs. 3 und Abs. 3a SGB XII in der Fassung vom 29. April 2019, gültig ab 1. Juli 2020). Auf den Zeitraum von der Geburt bis zur Volljährigkeit umgelegt, ergibt sich ein Monatsbetrag von rund 8,58 Euro je Kind beziehungsweise von rund 17,16 Euro für zwei Kinder. Zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft wurden Kindern aller Altersstufen 15,00 Euro monatlich gewährt. Die Mehraufwendungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung (vgl. § 77 Abs. 11 SGB II) wurden mit einem altersgewichteten Betrag von 21,67 Euro je Kind angesetzt. Für das Jahr 2021 summieren sich die aus dem Gesetz abgeleiteten Monatsbeträge (8,58 Euro + 15,00 Euro + 21,67 Euro) auf 45,25 Euro je Kind beziehungsweise auf 90,50 Euro für zwei Kinder.
596(5) Zu berücksichtigen ist unter Zugrundelegung der in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit für die Quartale März, Juni, September und Dezember 2021,
597im Internet allgemein zugänglich unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html;jsessionid=3110800A3ABC15735E4314D3528BBE73?nn=1524064&topic_f=bedarf, abgerufen am 29. September 2023,
598angegebenen Werte zudem ein durchschnittlicher monatlicher Betrag in Höhe von 62,75 Euro an Mehrbedarfen im Sinne des § 21 SGB II.
599(6) Darüber hinaus ist für das Jahr 2021 ein Durchschnittsbetrag für die Kinderbetreuung in Höhe von 150,00 Euro pro Monat anzurechnen. Mangels Vorliegens einer Sonderauswertung der Lohn- und Einkommensstatistik des Statistischen Bundesamtes (Destatis) für das Jahr 2021 wurde zur Berechnung die in § 87 SGB III in der Fassung vom 1. August 2020 angegebene Obergrenze in Höhe von 150,00 Euro monatlich zugrunde gelegt.
600(7) Hinzuzurechnen ist außerdem der sogenannte Corona-Kinderbonus in Höhe von insgesamt 150,00 Euro pro Kind im Jahr 2021. Nach Art. 4 des Dritten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Drittes Corona-Steuerhilfegesetz) vom 10. März 2021 (BGBl. 2020 Nr. 10) i.V.m. § 6 des Bundeskindergeldgesetzes (BKKG) in der Fassung vom 28. Januar 2009, geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I Seite 2855), wurde jedem Kind, für das für den Monat Mai 2021 ein Anspruch auf Kindergeld bestand, für den Monat Mai 2021 ein Einmalbetrag von 150,00 Euro gezahlt. Schließlich wurde unter anderem an Familien, die den Kinderzuschlag erhielten, ab August 2021 auf der Grundlage des § 6d BKKG ein sogenannter Kinderfreizeitbonus in Höhe von einmalig 100,00 Euro je Kind ausgezahlt.
601(8) Auf dieser Grundlage errechnet sich das Grundsicherungsniveau und die daraus abgeleitete Mindestalimentation in Höhe von 115 % des Grundsicherungsbedarfs für das Jahr 2021 wie folgt:
602Grundsicherungsbedarf |
2021 |
Regelsätze |
1.431,12 Euro |
Wohnkosten |
716,30 Euro |
Bildung und Teilhabe |
90,50 Euro |
Mehrbedarfe, § 21 SGB II |
62,75 Euro |
Kinderbetreuung |
150,00 Euro |
Monatsbetrag |
2.450,67 Euro |
Jahresbetrag |
29.408,04 Euro |
sog. Corona-Kinder- bonus |
300,00 Euro |
sog. Kinderfreizeit- bonus |
200,00 Euro |
Gesamt |
29.908,04 Euro |
Mindestalimentation (115 % des Grundsicherungsbedarfs) |
|
Monatsbetrag |
2.866,19 Euro |
Jahresbetrag |
34.394,25 Euro |
(9) Das Jahresbruttogehalt eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern der Besoldungsgruppe A 5 (Erfahrungsstufe 1) betrug im Jahr 2021 im Land NRW 34.183,56 Euro.
604Der Berechnung für das Jahr 2021 wurde ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 2.409,36 Euro (Anlage 6 zu Anhang 1 zu Art. 3 Nr. 3 BesVersAnpG NRW 2019/2020/2021 – Landesbesoldungsordnung A –, gültig ab 1. Januar 2021) zugrunde gelegt. Hinzu kommt ein Familienzuschlag in Höhe von monatlich 439,27 Euro (277,30 Euro + 132,42 Euro + 7,39 Euro + 22,16 Euro) (Anlage 13 zu Anhang 29 zu Art. 3 Nr. 3 BesVersAnpG NRW 2019/2020/2021, gültig ab 1. Januar 2021).
605Vom Bruttojahresgehalt ist zunächst die Einkommensteuer in Höhe von 1.188,00 Euro abzuziehen.
606Die Steuer wurde für die Steuerklasse III und zwei Kinderzuschläge ohne Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer mit dem vom Bundesministerium der Finanzen im Internet zur Verfügung gestellten Lohnsteuerrechner berechnet. Bei der Berechnung wurde der von dem Verband der Privaten Krankenversicherung mitgeteilte steuerlich absetzbare Anteil der Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.840,16 Euro im Jahr 2021 berücksichtigt.
607Die monatlichen Kosten für die Pflegeversicherung einer erwachsenen Person wurden für das Jahr 2021 wie folgt mitgeteilt:
608Alter |
Durchschnittsbetrag 2021 |
20-24 |
15,01 Euro |
25-29 |
25,16 Euro |
30 |
26,84 Euro |
30-34 |
28,06 Euro |
Zur Ermittlung des Jahresnettoeinkommens wurden auch die vom Verband der Privaten Krankenversicherung für die zu betrachtende Beamtenfamilie mitgeteilten Durchschnittsprämien von monatlich 542,00 Euro sowie die mitgeteilten Pflegeversicherungskosten in Höhe von 26,84 Euro monatlich pro Elternteil für das Jahr 2021 in Abzug gebracht.
610Hinzuzurechnen ist das Kindergeld, das im Jahr 2021 monatlich 219,00 Euro (§ 66 Abs. 1 EStG in der Fassung vom 10. März 2021, gültig ab 18. März 2021) je Kind betrug, sowie der sogenannte Corona-Kinderbonus in Höhe von 300,00 Euro für zwei Kinder. Schließlich ist die auf der Grundlage des Gesetzes über die Gewährung einer einmaligen Corona-Sonderzahlung aus Anlass der COVID-19-Pandemie für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. März 2022 (GV.NRW. Seite 375) gewährte steuerfreie Sonderzahlung in Höhe von einmalig 1.300,00 Euro zu berücksichtigen.
611Die Jahresnettoalimentation im Jahr 2021 berechnet sich hiernach wie folgt:
6122021 |
|
Grundgehaltssatz |
28.912,32 Euro |
+ Familienzuschlag |
5.271,24 Euro |
Jahresbruttobezüge |
34.183,56 Euro |
- Einkommensteuer |
- 1.188,00 Euro (ESt.) [- steuerlich absetzbarer Anteil der Kosten für eine private Kranken- und Pflegeversicherung: 5.840,16 Euro] |
- Kosten einer ergänzenden Kranken- und Pflegeversicherung |
7.148,16 Euro |
+ Corona-Sonderzahlung (steuerfrei, § 3 Nr. 11a EStG) |
1.300,00 Euro |
+ Kindergeld |
5.256,00 Euro |
+ sog. Corona-Kinder- bonus |
300,00 Euro |
Nettoalimentation |
32.703,40 Euro |
Danach wurde im Jahr 2021 das Mindestabstandsgebot verletzt. Die Nettoalimentation blieb um 4,92 % hinter der aus dem Grundsicherungsniveau abgeleiteten Mindestalimentation zurück.
614Nettoalimentation |
32.703,40 Euro |
Mindestalimentation |
34.394,25 Euro |
Fehlbetrag (absolut) |
1.690,85 Euro |
Fehlbetrag (in % der Mindestalimentation) |
- 4,92 % |
e. Der fünfte Parameter ist nicht erfüllt. Ein Quervergleich der R 3-Besoldung in NRW mit der entsprechenden Besoldung des Bundes und der Länder im Jahr 2021 ergibt, dass der arithmetische Mittelwert sowie der Median dieser Besoldungen in den zu betrachtenden Jahren nicht um mehr als 10 % unterschritten wurden.
616In NRW, im Bund sowie in den anderen Ländern hat sich das Jahresbruttoeinkommen im Jahr 2021 in der Besoldungsgruppe R 3 (jeweils Endstufe) unter Berücksichtigung unterjähriger Besoldungsanpassungen, bestehend aus dem Grundgehalt der Endstufe, allgemeiner Stellenzulage bzw. Strukturzulage, Einmalzahlungen und Sonderzahlungen wie folgt dargestellt (die Höhe des Grundgehalts bezieht sich auf den 1. Dezember):
617- Nordrhein-Westfalen:
6182021: 101.063,76 Euro
619- Bund:
6202021: 104.832,66 Euro
621- Baden-Württemberg:
6222021: 104.541,24 Euro
623- Bayern:
6242021: 106.826,59 Euro
625- Berlin:
6262021: 101.710,56 Euro
627- Brandenburg:
6282021: 100.901,28 Euro
629- Bremen:
6302021: 99.374,28 Euro
631- Hamburg:
6322021: 99.900,48 Euro
633- Hessen:
6342021: 102.128,04 Euro
635- Mecklenburg-Vorpommern:
6362021: 100.713,43 Euro
637- Niedersachsen:
6382021: 101.286,12 Euro
639- Rheinland-Pfalz:
6402021: 102.765,84 Euro
641- Saarland:
6422021: 98.450,16 Euro
643- Sachsen:
6442021: 104.517,00 Euro
645- Sachsen-Anhalt:
6462021: 101.636,56 Euro
647- Schleswig-Holstein:
6482021: 100.084,32 Euro
649- Thüringen:
6502021: 102.271,92 Euro
651- Median: 101.636,56 Euro
652- Mittelwert: 101.941,43 Euro
653Unter Zugrundelegung der dargestellten Werte blieb die Jahresbruttobesoldung in NRW im Jahr 2021 um 3,60 % hinter der R 3-Besoldung auf Bundesebene zurück und um 0,73 % unter dem Durchschnitt der Besoldung in den übrigen Ländern.
6547. Insgesamt hat die erste Prüfungsstufe für die streitgegenständlichen Jahre 2017 bis 2021 folgende Ergebnisse erbracht:
655Jahr |
Tariflohnentwicklung |
Nominallohnindex |
Verbraucherpreisindex |
Mindestabstandsgebot |
Quervergleich |
2017 |
3,39 % |
-0,40 % |
-2,11 % |
verletzt (- 0,83 %) |
nicht erfüllt |
2018 |
3,38 % |
1,40 % |
-1,50 % |
verletzt (- 0,28 %) |
|
2019 |
3,20 % |
1,95 % |
-2,74 % |
verletzt (- 3,50 %) |
|
2020 |
3,12 % |
-1,91 % |
-6,94 % |
verletzt (- 5,99 %) |
|
2021 |
3,01 % |
-0,18 % |
-6,52 % |
verletzt (- 4,92 %) |
8. Auf der zweiten Prüfungsstufe sind die Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe mit den weiteren alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung zusammenzuführen.
657Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 84.
658Eine Vermutungswirkung der Gesamtbetrachtung der Parameter auf der ersten Stufe entfällt, da in allen streitgegenständlichen Jahren (nur) der vierte Parameter (Mindestabstand zur Grundsicherung) erfüllt ist.
659Vgl. zum Entfall der Vermutungswirkung bei Erfüllung von ein oder zwei Parametern: VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, a.a.O., Rn. 30, unter Hinweis auf: BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 85.
660Die Kammer kommt im Rahmen der Gesamtabwägung unter Einbeziehung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien zu dem Ergebnis, dass eine evidente verfassungswidrige Unteralimentation des Klägers als Richter der Besoldungsgruppe R 3 in den Jahren 2017 bis 2021 nicht gegeben ist.
661Eingangs der zweiten Prüfungsstufe sind angesichts ihrer Steuerungsfunktion hinsichtlich der weiteren Prüfungsrichtung und -tiefe für die verfassungsrechtliche Gesamtabwägung zunächst die Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe zu würdigen.
662Dafür ist eine exaktere Berechnung der Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe (sogenannte Spitzausrechnung) im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Nach der Recht-sprechung des Bundesverfassungsgerichts,
663vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 31,
664erscheint es für Zeiträume, in denen nicht bereits auf der Grundlage der vereinfachten Berechnung der Besoldungsentwicklung eine Vermutung für eine unzureichende Alimentation besteht und in denen die Schwellenwerte bei entscheidungserheblichen Parametern knapp unterschritten werden, angezeigt, eine aufwendigere sogenannte Spitzausrechnung vorzunehmen.
665Daran gemessen wurden die Schwellenwerte „bei entscheidungserheblichen Parametern“ nicht „knapp unterschritten“. Zum einen ist eine „knappe“ Unterschreitung jedenfalls bei einem Schwellenwert ab 4,45 %, noch nicht aber bei einem Schwellenwert von 3,95 % anzunehmen.
666Vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 163, 157, 155 („knappe“ Unterschreitung bei Schwellenwerten von 4,93 %, 4,45 %, 4,56 %, 4,94 %; keine „knappe“ Unterschreitung bei Werten zwischen 0,18 % bis 3,95 %); anders: VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, a.a.O., Rn. 275 ff., das schon eine „knappe“ Unterschreitung bei Schwellenwerten zwischen 2,79 % bis 4,38 % annimmt.
667Hier weisen die Schwellenwerte mit Blick auf alle streitgegenständlichen Jahre einen Höchst-Schwellenwert von lediglich 3,39 % (Jahr 2017, erster Parameter) auf. Zum anderen liegt auch keine Unterschreitung der Schwellenwerte von „entscheidungserheblichen Parametern“ vor. Erstens folgt allein aus dem Wortlaut der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzung, dass mehr als ein Parameter erfüllt sein muss. Dies ist hier in den Jahren 2017 bis 2021 nicht der Fall. Für alle streitgegenständlichen Jahre ist unter Zugrundelegung der vergröbernden Sichtweise der ersten Prüfungsstufe jeweils nur der zweite Aspekt des vierten Parameters (Mindestabstand zu Grundsicherung) erfüllt. Zweitens handelt es sich bei diesem aus Sicht der Kammer nicht um einen für die sogenannte Spitzausrechnung erforderlichen „entscheidungserheblichen“ Parameter. Das Bundesverfassungsgericht hat die Würdigung einer „knappen“ Unterschreitung nur mit Blick auf den ersten bis dritten Parameter der ersten Prüfungsstufe vorgenommen und die sogenannte Spitzausrechnung nur bei diesen Parametern durchgeführt.
668Vgl. dazu nur: BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 161 bis 163.
669Darüber hinaus ist weder vorgetragen worden noch im Übrigen ersichtlich, dass Besonderheiten bei der (Besoldungs-)Entwicklung, die Anlass zu einer sogenannten Spitzausrechnung geben könnten, im Raum stehen.
670Vgl. zu diesem Erfordernis: BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 31.
671Auch besteht aus Sicht der Kammer keine Veranlassung, im Rahmen einer sogenannten Staffelprüfung relevante statistische Verzerrungen zu identifizieren, da auf der ersten Prüfungsstufe die Schwellenwerte der – dafür maßgeblichen – Parameter eins bis drei nicht überschritten sind.
672Vgl. zum Erfordernis einer bedarfsweisen Staffelprüfung des ersten bis dritten Parameters: BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 36, 38, 41.
673Schließlich wurden auch die Grenzwerte des fünften Parameters in allen streitgegenständlichen Jahren deutlich unterschritten.
674Auch bei Einbeziehung der weiteren alimentationsrelevanten Kriterien in die Gesamtabwägung kommt die Kammer nicht zu der Überzeugung einer evidenten verfassungswidrigen Unteralimentation des Klägers als Richter der Besoldungsgruppe R 3 in den Jahren 2017 bis 2021.
675Zunächst kommt dem Ausmaß der Über- oder Unterschreitung der Schwellenwerte im Rahmen der Gesamtabwägung eine besondere Bedeutung zu.
676Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 85; BVerwG, Beschluss vom 22. September 2017 - 2 C 56.16 u.a. -, a.a.O., Rn. 28, 47, 51.
677Im Rahmen einer vertieften Analyse der Ergebnisse auf der ersten Stufe ist von besonderem Gewicht, dass der aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts,
678vgl. dazu seinen Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 34,
679für eine mögliche Missachtung des Alimentationsgebotes besonders wichtige erste Parameter in allen streitgegenständlichen Jahren nicht unerheblich unter der 5 %-Grenze liegt. In diesem Kriterium erblickt das Bundesverfassungsgericht „ein wichtiges Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes“ und hebt dessen Bedeutung innerhalb der Prüfungsparameter auf der ersten Stufe besonders hervor, da es neben der allgemeinen ökonomischen Entwicklung auch – anders als der zweite und dritte Prüfungsparameter – die spezifische wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte widerspiegelt, an denen Richter und Staatsanwälte angemessen zu beteiligen sind.
680Vgl. VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, a.a.O., Rn. 294, unter Hinweis auf: BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 34 m.w.N.
681Auch das weite Organisationsermessen des Dienstherrn bei einer Verbeamtung hebt die Bedeutung des Vergleichs der Besoldungsentwicklung der Beamten mit den Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst hervor: Da der Dienstherr regelmäßig die Wahl hat, eine Stelle mit Beamten oder Tarifangestellten zu besetzen, ist es besonders erklärungsbedürftig, sofern sich deren Einkommen unterschiedlich entwickeln. Das Bundesverwaltungsgericht misst diesem Parameter ebenfalls einen besonderen Stellenwert zu und sieht bereits in einer Überschreitung von 7,73 % eine „sehr deutliche“ Differenz.
682Vgl. VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, a.a.O., Rn. 294, unter Hinweis u.a. auf: BVerwG, Beschluss vom 22. September 2017 - 2 C 56.16 u.a. -, a.a.O., Rn. 55.
683Darüber hinaus liegt der zweite Parameter in den Jahren 2017, 2020 und 2021 sogar im negativen Bereich, da die Lohnentwicklung in der Privatwirtschaft in diesen Jahren hinter der Besoldungsentwicklung zurückblieb. Auch der dritte Parameter liegt in allen streitbefangenen Jahren deutlich im negativen Bereich. Schließlich werden die Schwellenwerte der ersten Komponente des vierten Parameters und des fünften Parameters in den Jahren 2017 bis 2021 deutlich unterschritten. Die zweite Komponente des vierten Parameters ist in den Jahren 2017 und 2018 nur geringfügig unterschritten (0,83 % und 0,28 %). In den Jahren 2019 bis 2021 liegt zwar eine deutlichere Unterschreitung (3,50 %, 5,99 % bzw. 4,92 %), aber noch keine „evidente“ Unterschreitung,
684vgl. zu Werten von 28,36 % bzw. 26,25 % Unterschreitung im Vergleich zum Mindestabstandsgebot von 15 %: VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, a.a.O., Rn. 294; vgl. zu Werten von 24 % („deutlich missachtet“), 26 % („deutlich erfüllt“), 28 % („eklatante Verletzung“), sowie 24 bis 29 % („bei weitem unterschritten“): BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 140, 157, 162 f.,
685vor.
686Weiterhin bilden weder die Einstellungsvoraussetzungen noch das Notenniveau der eingestellten Bewerber,
687vgl. zum Kriterium der qualitätssichernden Funktion: BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, a.a.O., Rn. 88, 150 ff., sowie Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 88, 169 bis 173,
688ein Indiz für die beschränkte Attraktivität der Richterbesoldung in NRW in den streitgegenständlichen Jahren und damit für Einbußen bei deren qualitätssichernder Funktion.
689Zum einen sind die Voraussetzungen für die Einstellungen in den höheren Justizdienst in den streitbefangenen Jahren nicht spürbar herabgesetzt worden. Die Einstellungsvoraussetzungen sind zuletzt mit Erlass des Ministeriums der Justiz des Landes NRW vom 29. Juni 1999 abgesenkt worden. Danach werden in NRW in der Regel derzeit nur Juristen eingestellt, die die zweite juristische Staatsprüfung mit Prädikat („vollbefriedigend“, mindestens 9,0 Punkte) abgelegt haben. Ausweislich der Auskunft des Justizministeriums NRW vom 25. August 2023 – die im Einklang mit der Erlasslage seit 1999 steht – können im Einzelfall zwar auch solche Bewerber zu einem Auswahlgespräch eingeladen werden, die in der zweiten juristischen Staatsprüfung weniger als 9,0 Punkte, aber mindestens 7,76 Punkte erreicht haben und sich durch besondere persönliche Eigenschaften auszeichnen; ein Ergebnis von mindestens 7,76 Punkten in der zweiten juristischen Staatsprüfung sei jedoch zwingende Voraussetzung für eine Einstellung in den richterlichen Probedienst in NRW. Seither, insbesondere in den Jahren 2017 bis 2021, erfolgte keine weitere Absenkung der Einstellungsvoraussetzungen.
690Vgl. anders zur zweifachen Absenkung in den Jahren 2010 und 2015: VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, a.a.O., Rn. 300.
691Zum anderen ist das Notenniveau über einen Zeitraum von fünf Jahren nicht in erheblicher Weise gesunken. Die Anzahl der Absolventen, die in NRW ein vollbefriedigendes Ergebnis im zweiten juristischen Staatsexamen erreichten, überstieg die Zahl der Einstellungen in den höheren Justizdienst in NRW in den streitgegenständlichen Jahren nicht deutlich. Zur Überzeugung der Kammer konnten die – nach Erlasslage – qualifizierten Kandidaten, die besonders für den Richterberuf geeignet waren, ausgewählt werden, ohne dass es eines (überwiegenden) Rückgriffs auf von vornherein ausweislich ihrer Abschlussnote schlechter qualifizierte Bewerber (mit besonderer Eignung für die Richterlaufbahn) bedurft hätte. In den Jahren 2017 bis 2021 gelang es dem Land NRW, zwischen 57 bis 72 % (2017: 64 %, 2018: 62 %, 2019: 57 %, 2020: 70 %, 2021: 72 %) notenmäßig weit überdurchschnittliche (9,0 Punkte und besser) Kräfte für den Eintritt in den höheren Justizdienst zu gewinnen. Dabei lag die Anzahl der Absolventen in NRW, die im zweiten juristischen Staatsexamen mit der Note „vollbefriedigend“ oder besser abgeschnitten haben, in den streitbefangenen Jahren bei durchschnittlich 22,65 % (2017: 21,71 %, 2018: 21,55 %, 2019: 22,32 %, 2020: 24,26 %, 2021: 23,41 %). Damit konnten im Jahr 2017 47,55 %, im Jahr 2018 50,49 %, im Jahr 2019 49,05 %, im Jahr 2020 49,18 % und im Jahr 2021 43,06 % der Absolventen mit der Note „vollbefriedigend“ im zweiten juristischen Staatsexamen für den höheren Justizdienst gewonnen werden. Eine „deutliche“ Differenz liegt vor diesem Hintergrund nicht vor.
692Vgl. zu einer „deutlichen“ Differenz: VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, a.a.O., Rn. 301.
693Demzufolge sind auch nicht „in größerem Umfang“ Bewerber zum Zuge gekommen, die nicht in beiden Examina ein Prädikatsexamen erreicht haben.
694Ungeachtet dessen – und selbstständig tragend – kommt dem Kriterium der besoldungsabhängigen Qualitätssicherung nur eine begrenzte Aussagekraft zu. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die Alimentationshöhe Einfluss auf die Bewerberzahl und -qualität hat. Es lässt sich aber nicht ohne Weiteres der Schluss ziehen, dass es dem Land NRW infolge der Besoldungshöhe nicht gelungen wäre, noch mehr hinreichend qualifizierte Bewerber in den streitgegenständlichen Jahren zu akquirieren. Insbesondere bildet die Besoldung nur ein – für einen signifikanten Anteil überdurchschnittlich qualifizierter Absolventen offenbar in seiner Bedeutung begrenztes – Kriterium innerhalb der multifaktoriell bedingten Auswahlentscheidung für einen Arbeitgeber, die von verschiedenen weiteren Umständen abhängt (z.B. Familienvereinbarkeit, Karriererisiken und -chancen, gesellschaftliches Ansehen des Berufs, persönliche Wertvorstellungen).
695Vgl. dazu und zu den Einstellungsvoraussetzungen auch außerhalb des höheren Justizdienstes ausführlich: VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, a.a.O., Rn. 302.
696Sofern das Bundesverwaltungsgericht annimmt, dass es eine Art „Zielwert“ der besten 10 % der Absolventen für die Einstellung in den höheren Justizdienst gebe,
697vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 2017 - 2 C 56.16 u.a. -, a.a.O., Rn. 84,
698lässt sich eine solche Größe weder der Verfassung noch der vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnehmen und muss hier demzufolge nicht zugrunde gelegt werden.
699So auch: VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, a.a.O., Rn. 303.
700Des Weiteren führt ein Vergleich mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung (vgl. dazu die Auskunft des Statistischen Landesamtes IT.NRW vom 1. September 2023) nicht zu einer anderweitigen verfassungsrechtlichen Bewertung der Alimentationshöhe für die Jahre 2017 bis 2021. Die vergleichende Betrachtung zeigt keine deutlichen Gehaltsdifferenzen auf.
701Vgl. zum Erfordernis, dass sich die Amtsangemessenheit der Alimentation auch durch ihr Verhältnis zu den Einkommen bestimmen lassen muss, die für vergleichbare und auf der Grundlage vergleichbarer Ausbildung erbrachten Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt werden, insbesondere: BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, a.a.O., Rn. 88, 124, 150 ff.
702Das Statistische Landesamt IT.NRW teilte mit Schreiben vom 1. September 2023 die Daten seiner Verdiensterhebung zu den Gehältern, die mit einem gegenüber den Richtern vergleichbarem Qualifikationsniveau in der Privatwirtschaft in den Jahren 2017 bis 2021 erzielt worden sind, mit. Die Daten sind mangels Verfügbarkeit einer spezifischen Datenerhebung zu Verdiensten der Leistungsgruppe 1 „mit Universitätsabschluss“ bzw. zur „Gruppe der juristischen Berufe Rechtsanwälte und Notare“ (vgl. dazu den Telefonvermerk der Berichterstatterin vom 31. August 2023) begrenzt auf die Verdienste der Leistungsgruppe 1 „Arbeitnehmer in leitender Stellung“/Vollzeitbeschäftigte, die regelmäßig auch ein abgeschlossenes Hochschulstudium voraussetzt.
703Vgl. zur Heranziehung dieser Vergleichsgruppe: BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, a.a.O., Rn. 160; vgl. auch VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, a.a.O., Rn. 307.
704Die in der Statistik des Statistischen Landesamtes IT.NRW neben dem Durchschnittsverdienst ausgewiesenen „Sonderzahlungen“ in der Privatwirtschaft werden dabei außer Betracht gelassen, da die diesbezüglichen Angaben keine Rückschlüsse auf ihre Häufigkeit erlauben, die Sonderzahlungen auch Elemente wie Abfindungen, Gewinnbeteiligungen oder den geldwerten Vorteil von Aktienoptionen umfassen, deren Funktion sich von dem monatlichen Einkommen stark unterscheidet, sowie in den Werten auch Nachzahlungen für bereits vergangene Zeiträume enthalten sind, was zu gewichtigen statistischen Verzerrungen führen würde.
705Vgl. VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, a.a.O., Rn. 307, unter Hinweis auf: BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, a.a.O., Rn. 160 (i.E. ebenso).
706Der Vergleich belegt, dass überdurchschnittlich qualifizierte Juristen in der Privatwirtschaft kein deutlich höheres Bruttogehalt als Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppe R 3 in NRW in den Jahren 2017 bis 2021 erzielten. Im Gegenteil, nach der Besoldungsgruppe R 3 Besoldete erhielten in den streitgegenständlichen Jahren durchweg ein besseres Gehalt als die Vergleichsgruppe in der Privatwirtschaft.
707Jahr |
R 3-Besoldung (Jahresbruttogehalt in Euro) |
Durchschnittlicher Jahresbruttoverdienst in der Privatwirtschaft (in Euro) |
Abstand der R 3- Besoldung zum Jahresbruttoverdienst |
2017 |
90.959,28 |
87.631,00 |
+3,80 % |
2018 |
93.583,20 |
90.075,00 |
+3,89 % |
2019 |
96.577,92 |
92.226,00 |
+4,72 % |
2020 |
99.668,40 |
90.668,00 |
+9,93 % |
2021 |
101.063,76 |
92.986,00 |
+8,69 % |
Mit Blick darauf fällt die Diskrepanz zu den Verdienstmöglichkeiten in der Privatwirtschaft zur Überzeugung der Kammer ersichtlich nicht beachtlich aus. Dies zeigt auch die sich in den Jahren 2017 bis 2021 – mit Ausnahme der Jahre 2020 und 2021 – stetig verbessernde Position eines R 3-Besoldeten im Vergleich zu den nachfolgenden Jahren, in denen der Vorsprung zum durchschnittlichen Verdienst in der Privatwirtschaft in der betrachteten Leistungsgruppe (in der Regel) sukzessive zunahm. Doch selbst mit Blick auf ein Abfallen des Abstandes zum Jahresbruttoverdienst in der Privatwirtschaft im Jahre 2021 im Vergleich zum Jahr 2020 ist gesamtbetrachtend eine Vergrößerung des Vorsprungs über einen Zeitraum von fünf Jahren – +3,90 % zu +8,69 % – zu verzeichnen.
709Vgl. zur Relevanz der Entwicklung des Abstands der Jahresbruttobesoldung zum Jahresverdienst in der Privatwirtschaft im Rahmen der Gesamtbetrachtung: BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, a.a.O., Rn. 162 f.; BVerwG, Beschluss vom 22. September 2017 - 2 C 56.16 u.a. -, a.a.O., Rn. 100 f.; vgl. zur Annahme einer „deutlichen“ Diskrepanz zugunsten der Verdienste in der Privatwirtschaft: BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 174 (Werte von 55 % bzw. 65 %); VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, a.a.O., Rn. 307 bis 310 (Werte zwischen 33,18 % bis 54,42 % bzw. 60 %).
710Doch selbst wenn der obige Abstand bzw. Vorsprung der R 3-Besoldung zum Jahresbruttoverdienst in der Privatwirtschaft verfassungsrechtlich bedenklich sein sollte, ist auch hier die Aussagekraft des Vergleichs der Bruttobesoldungen bzw. -verdienste nach Ansicht der Kammer begrenzt. Beamte und Richter müssen zunächst keine Beiträge zur Sozialversicherung (Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung) oder sonst für die Eigenvorsorge zahlen. Die Verdiensterhebung stellt aber offenbar auf die Bruttogehälter ohne Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen ab. Richter und Staatsanwälte profitieren zudem von der lebenslangen Alimentation in Gestalt einer im Vergleich zu anderen Altersvorsorgesystemen attraktiveren Pension, für die sie keine Entnahmen aus ihrem monatlichen Einkommen vornehmen müssen. Zudem spiegelt das Gehalt in der Privatwirtschaft – gerade bei der hier betroffenen Leitungsebene – auch Risiko- und Belastungsfaktoren wider, die nicht in gleichem Maße auf Richter und Staatsanwälte zutreffen (z.B. befristete Verträge). Die Besonderheiten des beamten-/richterrechtlichen Status sowie des Besoldungs- und Versorgungssystems (z.B. auch im Hinblick auf die Beihilfeberechtigung) dürfen bei der vergleichenden Betrachtung nicht außer Acht gelassen werden. Sie relativieren eine Besoldungsdiskrepanz jedenfalls partiell.
711Vgl. zu alldem: VG Berlin, Beschluss vom 16. Juni 2023 - 26 K 128/23 -, a.a.O., Rn. 311 f., unter Hinweis u.a. auf: BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, a.a.O., Rn. 124.
712Schließlich erfolgten im Betrachtungszeitraum keine relevanten Einschnitte im Bereich der Beihilfe- und Versorgungsleistungen, die zu einer zusätzlichen und wesentlichen Minderung des zum laufenden Lebensunterhalt verfügbaren Einkommens bzw. der verfügbaren Versorgung hätten führen können.
713Nach alldem ist in der Gesamtabwägung nicht von der evidenten Verfassungswidrigkeit der Alimentation der Besoldungsgruppe R 3 in den Jahren 2017 bis 2021 auszugehen. Es sind danach keine gegenläufigen Aspekte erkennbar, die zur Annahme einer evidenten Unangemessenheit der Besoldung bzw. Versorgung in diesen Jahren führen könnten. Dabei legt die Kammer ihrer Überzeugungsbildung im Vergleich zum – teilweise relativ geringfügigen – Ausmaß der Überschreitung des Mindestabstandsgebots insbesondere die Werte der nicht erfüllten Parameter eins bis vier (erste Komponente) und fünf sowie das vorstehende Ergebnis der Auswertung der weiteren alimentationsrelevanten Kriterien zugrunde, die eine evidente Unteralimentation nicht hinreichend belegen.
7149. Der Landesgesetzgeber hat den prozeduralen Anforderungen, insbesondere den Begründungspflichten, in den hier maßgeblichen Gesetzgebungsverfahren in zureichendem Maße Genüge getan.
715Der Landesgesetzgeber hatte die unter B. II. 2. e. benannten prozeduralen Anforderungen betreffend Art. 1 und Art. 2 BesVersAnpG NRW 2017/2018 sowie Art. 1, 2 und 3 BesVersAnpG NRW 2019/2020/2021 zu beachten. Die Frage, ob der Besoldungsgesetzgeber die ihn treffenden prozeduralen Pflichten erfüllt hat, ist anhand sämtlicher ihm zurechenbaren, inhaltlich eine Begründung für das jeweilige Besoldungsgesetz liefernden Gesetzgebungsmaterialien zu prüfen.
716Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2022 - 26 K 2275/14 -, juris, Rn. 177.
717Soweit das Gesetz dem Gesetzentwurf entsprechend beschlossen wird, kommt regelmäßig der Begründung des Gesetzentwurfs zentrale Bedeutung zu. Aber auch andere Dokumente aus dem Gesetzgebungsverfahren, die das beschlossene Gesetz stützen, sind in die Betrachtung einzuziehen.
718Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2022 - 26 K 2275/14 -, a.a.O., Rn. 190.
719Die Ermittlung und Abwägung der berücksichtigten und berücksichtigungsfähigen Bestimmungsfaktoren für den verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der Anpassung der Besoldung müssen sich in einer entsprechenden Darlegung und Begründung niederschlagen.
720Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 97 m.w.N.
721Im sogenannten Hartz-IV-Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, juris, auf das sich das Bundesverfassungsgericht in seinem erstmals die prozeduralen Anforderungen an den Besoldungsgesetzgeber statuierenden Beschluss vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, juris, Rn. 164, bezogen hatte, war als dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung aufgegeben benannt worden, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat,
722vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, juris, Rn. 143.
723Auch wenn sich letztere Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts spezifisch auf den Regelungsbereich der Bemessung des Existenzminimums beziehen und nicht unmittelbar auf den Regelungsbereich der Bemessung der Beamtenbesoldung übertragen lassen,
724vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2022 - 26 K 2275/14 -, a.a.O., Rn. 199, unter Hinweis auf: Hartmann, Zeitschrift für Beamtenrecht (ZBR) 2014, 228, 231,
725tragen diese in Zusammenschau mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu den prozeduralen Pflichten des Besoldungsgesetzgebers zur Verdeutlichung bei, welche Elemente eine hinreichende Begründung eines Besoldungsgesetzes enthalten muss. Weitere konkretisierende Anhaltspunkte lassen sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Südumfahrung Stendal vom 17. Juli 1996 - 2 BvF 2/93 -, juris, entnehmen, auf den sich das Bundesverfassungsgericht ebenfalls in seinem Beschluss zur W-Besoldung vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, a.a.O., Rn. 164, bezogen hatte. Der Beschluss vom 17. Juli 1996 betraf eine in Gesetzesform getroffene Planungsentscheidung, für die das Bundesverfassungsgericht von einer ihm vorgegebenen nur eingeschränkten Prüfungskompetenz ausgegangen ist dahingehend, ob sich der Gesetzgeber davon hat leiten lassen, den für die Regelung erheblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig zu ermitteln, anhand dieses Sachverhalts alle sachlich beteiligten Belange und Interessen der Entscheidung zugrunde zu legen sowie umfassend und in nachvollziehbarer Weise gegeneinander abzuwägen.
726Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 - 2 BvF 2/93 -, a.a.O., Rn. 68.
727Zusammenschauend lassen sich für den – hier zu betrachtenden – Fall eines Gesetzes, welches die Besoldungshöhe fortschreibt, folgende drei Elemente benennen, die eine hinreichende Begründung des Gesetzes enthalten muss:
728- die Darlegung der Methode einschließlich der hierbei herangezogenen Bestimmungsfaktoren zur Ermittlung der Fortschreibung der Besoldungshöhe auf der Grundlage des vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmens (dazu a.),
729- die Darstellung der auf dieser Grundlage benötigten und zuvor ermittelten Tatsachen (dazu b.) und
730- die Darstellung der in Ausübung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Rahmen der gewählten Methode erfolgten Abwägung (dazu c.).
731Dabei ist aus dieser strukturellen Dreiteilung nicht zu folgern, dass diese Elemente auch darstellerisch strikt getrennt sein müssen; entscheidend ist, dass sämtliche Elemente im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in der gebotenen Weise dokumentiert werden.
732Vgl. zu alldem: VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2022 - 26 K 2275/14 -, a.a.O., Rn. 194 bis 209.
733a. Hinsichtlich der Methode zur Ermittlung der Fortschreibung der Besoldungshöhe auf Grundlage der von Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich vorgegebenen Verpflichtung des Gesetzgebers zur Anpassung der Bezüge an die Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse,
734vgl. zu dieser Verpflichtung: BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, juris, Rn. 114; VerfGH NRW, Urteil vom 1. Juli 2014 - 21/13 -, a.a.O., Rn. 71 m.w.N.,
735ergeben sich aus dem vom Bundesverfassungsgericht erstmals in seinem Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, a.a.O., entwickelten und in seinem Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., fortentwickelten dreistufigen Prüfungsmodell entscheidende Vorgaben. Zwar handelt es sich bei diesem „lediglich“ um ein Modell zur Prüfung des Bestehens einer evidenten Unteralimentation, auf deren Nichtfeststellung sich der Besoldungsgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren gerade nicht zu beschränken hat, sondern die die von ihm im Rahmen seines gesetzgeberischen Spielraums für sachgerecht gehaltene Besoldungsfortschreibung zu begründen hat. Jedoch wird seit Bestehen dieses Prüfungsmodells kein Besoldungsgesetzgeber umhinkommen, sich bei der Fortschreibung der Besoldungshöhe hieran zu orientieren, da eine solche Fortschreibung als ersten Schritt beinhaltet, im Sinne einer gesetzgeberischen Selbstvergewisserung festzustellen, ob eine (evidente) Unteralimentation besteht oder nicht, denn von dieser Feststellung hängt ab, wieweit sodann im Rahmen gesetzgeberischer Abwägung Spielräume bestehen.
736Vgl. zu alldem: VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2022 - 26 K 2275/14 -, a.a.O., Rn. 210 ff.
737Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, a.a.O., und seinen Beschlüssen vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 u.a. -, a.a.O., sowie vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., ist eine Orientierung des Gesetzgebers an dem dort entwickelten Prüfungsmodell im Rahmen der Methode zur Ermittlung der Fortschreibung der Besoldungshöhe möglich.
738Vgl. zur Orientierung an dem dort entwickelten Prüfungsmodell für streitgegenständliche Zeiträume vor Ergehen des Urteils des BVerfG vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, a.a.O.: VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2022 - 26 K 2275/14 -, a.a.O., Rn. 213 ff., unter Hinweis auf: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Dezember 2016 - OVG 4 B 4.13 -, juris, Rn. 111, sowie VG Gelsenkirchen, Urteil vom 31. Mai 2016 - 12 K 6021/13 -, juris, Rn. 560.
739b. Um die zur Ermittlung der Fortschreibung der Besoldungshöhe demzufolge methodisch erforderlichen Vergleichsberechnungen bezogen auf die zu berücksichtigenden Parameter über Zeiträume von mindestens 15 Jahren möglich zu machen, musste der Landesgesetzgeber diesbezügliche Daten erheben und dies in der Gesetzesbegründung dokumentieren.
740Vgl. zu einem Zeitraum von mindestens vier Jahren: VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2022 - 26 K 2275/14 -, a.a.O., Rn. 253 f., unter Hinweis auf: VG Bremen, Beschluss vom 17. März 2016 - 6 K 276/14 -, juris, Rn. 33 ff., sowie Hartmann, ZBR 2014, 228, 231 f.
741c. Zudem musste der Landesgesetzgeber ausgehend von dem anhand der gewählten Methode und auf der Grundlage der ermittelten Daten festgestellten status quo (Über-alimentation, Mindestalimentation oder Unteralimentation), von welchem das Maß des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums für die Fortschreibung der Besoldungshöhe abhängt, die sodann getroffene Abwägungsentscheidung nachvollziehbar darstellen.
742Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2022 - 26 K 2275/14 -, a.a.O., Rn. 255.
743d. Diesen Anforderungen ist der Landesgesetzgeber bezogen auf den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum von 2017 bis 2021 hinreichend gerecht geworden.
744Für die Beurteilung der Prozeduralisierungspflichten des Gesetzgebers sind dabei in erster Linie die Gesetzgebungsmaterialien zum BesVersAnpG NRW 2017/2018 und zum BesVersAnpG NRW 2019/2020/2021 heranzuziehen. Begründungen enthaltende Ausführungen finden sich für die streitgegenständlichen Jahre 2017 und 2018 in dem Gesetzentwurf der Landesregierung vom 21. März 2017 (Landtags-Drucksache – LT-Drucks. – 16/14615) und der im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens eingebrachten Vorlage an den Unterausschuss Personal des Haushalts- und Finanzausschusses des Landtags NRW vom 10. Februar 2017 (Landtags-Vorlage 16/4766). Für die streitbefangenen Jahre 2019 bis 2021 sind Begründungen in dem Gesetzentwurf der Landesregierung vom 27. Juni 2019 (LT-Drucks. 17/6681) enthalten.
745Die Begründungen zu den Gesetzentwürfen beider Gesetzgebungsverfahren lassen hinreichend erkennen, dass sich der Landesgesetzgeber seiner Pflicht zur Prozeduralisierung bewusst war. Die Methode zur Ermittlung der Fortschreibung der Besoldungshöhe ist nachvollziehbar. Insoweit wurden jeweils die vom Bundesverfassungsgericht zur Ermittlung des verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentationsniveaus entwickelten Parameter zugrunde gelegt und auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, a.a.O., und vom 17. November 2015 - 2 BvL 20/09 u.a. -, a.a.O., Bezug genommen.
746Anhand dieser Methode hat der Landesgesetzgeber auch die zur Ermittlung der Fortschreibung der Besoldungshöhe methodisch erforderlichen Vergleichsberechnungen durch Ermittlung der erforderlichen Datensätze bezogen auf die zu berücksichtigenden Parameter über Zeitraume von 15 Jahren angestellt und jeweils in den Begründungen zu den Gesetzentwürfen dokumentiert (vgl. dazu jeweils insbesondere die Tabellen-sätze 1 bis 9 in der Anlage zu den Gesetzentwürfen). Darin hat er umfassende Berechnungen und Vergleiche mit sämtlichen vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Parametern zur Ermittlung einer amtsangegessenen Besoldung angestellt.
747Schließlich begegnet auch die Abwägungsentscheidung des Landesgesetzgebers keinen rechtlichen Bedenken. Der Landesgesetzgeber hat in den Begründungen zu den Gesetzentwürfen jeweils festgestellt, dass keine Vermutung für eine nicht amtsangemessene Besoldung besteht und seine sodann getroffene Abwägungsentscheidung („Zweite Prüfungsstufe“) dargestellt.
74810. Die Alimentation des Klägers verstößt nicht gegen Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG.
749a. Die Regelung der Bezüge ist auch an den Gleichheitssatz gebunden.
750Vgl. BVerfG, Urteil vom 6. März 2007 - 2 BvR 556/04 -, juris, sowie Beschlüsse vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, juris, Rn. 17, vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 u.a. -, a.a.O., Rn. 77 f., vom 17. Januar 2012 - 2 BvL 4/09 -, juris, vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, juris, vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 - und - 2 BvR 709/99 -, juris.
751Nach ständiger Rechtsprechung,
752vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2008 - 2 BvL 1/07 u.a. -, juris, Beschlüsse vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, a.a.O., Rn. 17, vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 u.a. -, a.a.O., Rn. 81 m.w.N., vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 -, juris, vom 7. Februar 2012 - 1 BvL 14/07 -, juris, vom 21. Juni 2006 - 2 BvL 2/99 -, juris, und vom 15. Juli 1998 - 1 BvR 1554/89 -, juris,
753gebietet der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er verbietet ungleiche Belastungen ebenso wie ungleiche Begünstigungen.
754Vgl. BVerfG, Urteile vom 9. Dezember 2008 - 2 BvL 1/07 u.a. -, a.a.O., und vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 -, juris, sowie Beschlüsse vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, a.a.O., Rn. 17, vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 u.a. -, a.a.O., Rn. 81 m.w.N. (st. Rspr.).
755In Verbindung mit dem Alimentationsprinzip folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG ferner, dass für gleiche und vergleichbare Ämter derselben Laufbahn im Hinblick auf die vom Träger des öffentlichen Amtes geforderte gleiche Tätigkeit, gleiche Leistung, gleiche Verantwortung und gleiche Arbeitslast auch gleiche Besoldung gewährt wird.
756Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, a.a.O., Rn. 17.
757Wenn der Besoldungsgesetzgeber für niedrigere Besoldungsgruppen eine Anpassung in bestimmter Höhe als für eine amtsangemessene Alimentation erforderlich erachtet, muss er sich hieran – zumindest im Grundsatz – für alle Beamten festhalten lassen, sofern er mit der Differenzierung keine Umgestaltung des Besoldungssystems oder eine Neubewertung von Statusämtern vornimmt.
758Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 u.a. -, a.a.O., Rn. 97 f. m.w.N.
759Bei dem Erlass besoldungsrechtlicher Vorschriften hat der Gesetzgeber eine verhältnismäßig weite Gestaltungsfreiheit. Dies gilt sowohl mit Blick auf Art. 33 Abs. 5 GG als auch hinsichtlich Art. 3 Abs. 1 GG. Wegen dieses weiten Spielraums politischen Ermessens, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf, überprüfen die Gerichte nicht, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Sie können, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen. Jede Besoldungsordnung enthält unvermeidbare Härten und mag aus Sicht der Betroffenen fragwürdig sein. Solche Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssen in Kauf genommen werden, solange sich für die Regelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt.
760Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, a.a.O., Rn. 18, und vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 u.a. -, a.a.O., Rn. 85, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
761Was die Möglichkeit anbelangt, den Beamten Sparlasten aufzubürden, ist nicht nur auf den grundsätzlichen „Bezug der Besoldung […] auch zur Lage der Staatsfinanzen“ hinzuweisen. Der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation als Teil der mit den hergebrachten Grundsätzen verbundenen institutionellen Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG ist, soweit er mit anderen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen oder Instituten kollidiert, entsprechend dem Grundsatz der praktischen Konkordanz im Wege der Abwägung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Das gilt namentlich für das Verbot der Neuverschuldung in Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG (eingeführt durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes [Artikel 91c, 91d, 104b, 109, 109a, 115, 143d] vom 29. Juli 2009 [BGBl. I Seite 2248]). Der in Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG angelegten Vorwirkung des Verbots der strukturellen Nettokreditaufnahme hat der Haushaltsgesetzgeber auch bei der Anpassung der Bezüge der Beamten Rechnung zu tragen. Die Finanzlage der öffentlichen Haushalte oder das Ziel der Haushaltskonsolidierung allein vermögen den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentierung zwar nicht einzuschränken, dürfen aber bei der Festsetzung der Besoldung ergänzend berücksichtigt werden (vgl. unter B. II. 2. c. bb.).
762Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, a.a.O., Rn. 19 m.w.N.; vgl. auch VerfGH NRW, Urteil vom 1. Juli 2014 - 21/13 -, a.a.O., Rn. 76 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- gerichts.
763Eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentierung aus rein finanziellen Gründen kann zur Bewältigung einer der in Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG genannten Ausnahmesituationen nur in Ansatz gebracht werden, wenn die betreffende gesetzgeberische Maßnahme Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung ist, das anhand einer aussagekräftigen Begründung in den Gesetzgebungsmaterialien – gegebenenfalls unter ergänzender Heranziehung der im Rahmen eines Konsolidierungs- oder Sanierungshilfeverfahrens getroffenen Vereinbarungen – erkennbar sein muss. Ein solches Konzept setzt wenigstens die Definition eines angestrebten Sparziels sowie die nachvollziehbare Auswahl der zu dessen Erreichung erforderlichen Maßnahmen voraus. Vor dem Hintergrund der Wertungen des Art. 3 Abs. 1 GG ist das notwendige Sparvolumen dabei gleichheitsgerecht zu erwirtschaften.
764Vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, a.a.O., Rn. 127, sowie Beschlüsse vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 94, vom 6. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, a.a.O., Rn. 28 ff., und vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 u.a. -, a.a.O., Rn. 110.
765b. Daran gemessen liegt ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG nicht vor.
766Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob sich der Kläger überhaupt auf einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in den hier streitgegenständlichen Jahren berufen kann. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegt ohne Weiteres in den Jahren 2017 bis 2021 nicht vor. In diesen Jahren wurde die Besoldung in allen Besoldungsgruppen und -ordnungen jeweils linear und zeitlich nicht verzögert angepasst. Lediglich in den – hier nicht streitbefangenen – Jahren 2013 und 2014 wurde die Besoldung in den Besoldungsgruppen A 2 bis A 10, A 11 und A 12, sowie A 13 bis A 16 und in den Besoldungsordnungen B, R, W (C und H) nicht-linear und zeitlich verzögert erhöht. Der Kläger könnte sich allenfalls auf einen etwaigen fortwirkenden Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in den Jahren 2013 bzw. 2014 auch mit Blick auf die hier streitgegenständlichen Jahre berufen. Aus Sicht der Kammer dürfte Kern des Klägervortrags aber vielmehr ein (etwaiger) Verstoß gegen das Abstandsgebot in den Jahren 2017 bis 2021 aufgrund möglicher abstandsverkürzender Auswirkungen der unterschiedlichen Besoldungsanpassungen in den Jahren 2013 und 2014 auch auf die Folgejahre sein (siehe dazu unter III. 11.).
767Doch selbst man die Fortwirkung eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz auf alle nachfolgenden Besoldungsjahre seit 2013 unterstellte, läge ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG hier nicht vor.
768Zwar besteht eine ungleiche Besoldungsanpassung der – hier streitgegenständlichen – Besoldungsgruppe R 3 im Vergleich zu den Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 sowie A 11 und A 12 in den Jahren 2013 und 2014. Im Gegensatz zu den Besoldungsgruppen A 2 bis A 10, die eine Besoldungserhöhung um 2,65 % ab dem 1. Januar 2013 und um 2,95 % ab dem 1. Januar 2014, sowie A 11 und A 12, die eine Besoldungserhöhung von 1,0 % ab dem 1. Januar 2013, um 0,3 % und zusätzlich um monatlich 30,00 Euro ab dem 1. Mai 2013, ab dem 1. Januar 2014 um 1,0 %, ab dem 1. Mai 2014 um 0,3 % und zusätzlich um 40,00 Euro erfahren haben, wurde die Besoldung in der Besoldungsgruppe R 3 erst ab dem 1. September 2013 um lediglich 1,3 % und zusätzlich um monatlich 30,00 Euro sowie ab dem 1. September 2014 um nur 1,3 % und zusätzlich monatlich 40,00 Euro erhöht (vgl. Art. 1 Nr. 1 lit. a BesVersAnpÄndG).
769Zur Überzeugung der Kammer ist die Ungleichbehandlung der nach der Besoldungsgruppe R 3 Besoldeten jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
770In die Abwägung ist zum einen einzustellen, dass keine „wesentlich unterschiedliche Behandlung“ vorliegt. Die unterschiedliche Besoldungsanpassung in der Besoldungsgruppe R 3 in den Jahren 2013 und 2014 ist in ihrer Dauer und ihrem Umfang nicht als schwerwiegend anzusehen.
771Die in den Jahren 2013 und 2014 im Vergleich zu den Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 sowie A11 und A 12 erfolgte unterschiedliche Besoldungsangleichung in der Besoldungsgruppe R 3 ist nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen die obersten Gerichte des Bundes und das oberste Gericht des Landes die Verfassungswidrigkeit einer Besoldungsangleichung angenommen haben.
772Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, a.a.O., zu einer befristeten Absenkung der Besoldung für die Dauer von bis zu drei Jahren in den Besoldungsgruppen A 9 und A 10 um 4 %, ab der Besoldungsgruppe A 11 um 8 %, wobei zudem nicht alle Stelleninhaber derselben Besoldungsgruppe gleichermaßen betroffen waren, sowie vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 -, a.a.O., zu einer um vier Monate verzögerten Besoldungsanpassung um 2,9 % zulasten der ab A 10 besoldeten Beamten, die weder als sozialverträglicher Sparbeitrag höherer Besoldungsgruppen noch durch das Verbot der (seinerzeit noch nicht geltenden) Neuverschuldung bzw. seiner Vorwirkungen gerechtfertigt war; BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 2 C 49.11 -, juris, zu einer zeitlichen Verzögerung von zwei Jahren bei einer Anpassung der Bezüge um 7,5 %; VerfGH NRW, Urteil vom 1. Juli 2014 - 21/13 -, a.a.O., zu einem vollständigen Unterbleiben der Besoldungserhöhung ab der Besoldungsgruppe A 13 und in den Besoldungsordnungen R, W, B, C und H sowie einer nicht-linearen Erhöhung in den Besoldungsgruppen A 11 und A 12 um 1 % im Vergleich zu einer Erhöhung der Besoldung in den Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 um 2,65 % bzw. 2,95 %; vgl. zur Zumutbarkeit einer unterschiedlichen Besoldungsanpassung bei einer siebenmonatigen Verschiebung einer allgemeinen Anpassung: BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2001 - 2 BvR 571/00 -, juris.
773Für die Kammer ist dabei zudem von besonderem Gewicht, dass der Besoldungsgesetzgeber durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Besoldungsangleichung in den unteren und höheren Besoldungsgruppen Sprünge in der Staffelung der Besoldung vermieden und für gleitende Übergänge zwischen den Besoldungsgruppen und -ordnungen gesorgt hat.
774Vgl. zu diesem Erfordernis: VerfGH NRW, Urteil vom 1. Juli 2014 - 21/13 -, a.a.O., Rn. 87.
775Zum anderen liegt ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung in Form der Vorwirkungen der sogenannten Schuldenbremse vor.
776Nach Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG ist der Gesetzgeber verpflichtet, den Landeshaushalt so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe aus Art. 109 Abs. 3 Satz 5 GG erfüllt wird. Die verfassungsrechtliche Pflicht zur Zurückführung des strukturellen Haushaltsdefizits entbindet den Gesetzgeber zwar nicht von der in Art. 4 Abs. 1 LV NRW i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG begründeten Pflicht zur Beachtung des Alimentationsprinzips. Er darf aber zur Haushaltssanierung in Ausübung seines weiten Gestaltungsspielraums die Bezüge der Beamten und Richter auf die Mindestalimentation zurückführen, die den Kerngehalt des Alimentationsprinzips ausmacht. Die Bestimmungen zur Schuldenbegrenzung ermächtigen den Gesetzgeber nur nicht zu einem Eingriff in diesen Kerngehalt.
777Vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 1. Juli 2014 - 21/13 -, a.a.O., Rn. 77. m.w.N.
778Erstens ist insbesondere mit Blick auf die in Dauer und Umfang nicht schwerwiegende Ungleichbehandlung in der Besoldungsanpassung (s.o.) nicht ersichtlich, dass durch die Besoldungsangleichung in den Jahren 2013 und 2014 in den Kerngehalt des Alimentationsprinzips hinsichtlich der Besoldungsgruppe R 3 eingegriffen worden ist.
779Zweitens lagen die Unterschiede in den Besoldungsanpassungen in den Jahren 2013 und 2014 in den Vorwirkungen des Verbots der Neuverschuldung begründet, die zur Überzeugung der Kammer ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien zum BesVersAnpÄndG Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltssanierung des Besoldungsgesetzgebers waren.
780Zwar war vor Ergehen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, a.a.O., in dem die Anforderungen an ein sogenanntes schlüssiges und umfassendes Konzept der Haushaltssanierung erstmals konkretisiert worden sind, und damit vor dem Gesetzgebungszeitraum 2013/2014 eine Orientierung an den Kriterien zur Gestaltung eines hinreichenden Konzepts der Haushaltssanierung noch nicht möglich. Insoweit können an das Konzept des Besoldungsgesetzgebers in den Gesetzgebungsmaterialien zum BesVersAnpÄndG keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden.
781Doch selbst mit Blick auf die im Jahr 2018 konkretisierten Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts ist der Besoldungsgesetzgeber seiner Verpflichtung zur Darlegung eines umfassenden und schlüssigen Konzepts der Haushaltssanierung in den Gesetzgebungsmaterialien zum BesVersAnpÄndG hinreichend nachgekommen.
782Die Frage, ob die Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentation aus rein finanziellen Gründen zur Bewältigung einer der in Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG genannten Ausnahmesituationen Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltssanierung ist, ist anhand sämtlicher dem Besoldungsgesetzgeber zurechenbaren, inhaltlich eine Begründung für das jeweilige Besoldungsgesetz liefernden Gesetzgebungsmaterialien zu prüfen.
783Vgl. zu den im Rahmen der – vergleichbaren – Überprüfung des Prozeduralisierungsgebots zugrunde zu legenden Gesetzgebungsmaterialien: VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2022 - 26 K 2275/14 -, a.a.O., Rn. 177.
784Der Besoldungsgesetzgeber hat in seiner Begründung zum BesVersAnpÄndG vom 2. September 2014 (LT-Drucks. 16/6688) zunächst das angestrebte Sparziel hinreichend klar beziffert. Für die Konsolidierung des Haushalts 2013 wurden 970 Millionen Euro an Einsparungen in den Haushaltsplan aufgenommen (vgl. LT-Drucks. 16/6688, Seite 14). Mit dem Haushalt 2014 wurden die mit dem Haushalt 2013 begonnenen strukturellen Einsparungen bei den Förderprogrammen und die Umstellung auf Förderdarlehen in Höhe von rund 150 Millionen Euro fortgeführt; darüber hinaus mussten die Ministerien im Haushaltsvollzug 2014 Minderausgaben im Gesamtumfang von 865 Millionen Euro erwirtschaften (vgl. LT-Drucks. 16/6688, Seite 14). Zwar hat der Besoldungsgesetzgeber den Anteil der Absenkung der Besoldung an den insgesamt notwendigen Kürzungsmaßnahmen gemessen an den im Jahr 2018 konkretisierten Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht konkret beziffert. Unter Zugrundelegung abzusenkender Anforderungen (s.o.) an die Definition des Sparziels im Jahr 2014 hat der Besoldungsgesetzgeber den Anteil der Besoldung an den Sparmaßnahmen aus Sicht der Kammer aber hinreichend definiert, indem er zumindest den grundsätzlichen Anteil der Personalausgaben im Landeshaushalt mit 23 Milliarden Euro beziffert hat, von denen rund 18 Milliarden auf die Besoldung und Versorgung entfielen. Die Kammer sieht es vor dem Hintergrund der erst im Jahr 2018 konkretisierten Maßgaben als hinreichend an, dass der Besoldungsgesetzgeber jedenfalls den Anteil der Personalausgaben und der Besoldung am Gesamt-Haushalt beziffert und als Teil der Gesamteinsparungen von 970 Millionen im Landeshaushalt formuliert hat, von denen 818 Millionen als Globale Minderausgaben in allen Einzelplänen zu erwirtschaften waren (vgl. LT-Drucks. 16/6688, Seite 9 und 14), und sieht insofern die konkrete Bezifferung des Anteils der Einsparungen in der Besoldung hier als abdingbar an. Ungeachtet dessen können aus weiteren Gesetzgebungsmaterialien hinreichende und aussagekräftige Rückschlüsse auch auf einen bezifferten Anteil der Besoldung im Gesamt-Einsparvolumen von mindestens 220 Millionen Euro gezogen werden. So hat der damalige Finanzminister im Rahmen der ersten Lesung zur Vorstellung u.a. des BesVersAnpÄndG ausgeführt, dass die Belastung aufgrund der vorgesehenen sozialen Staffelung und zeitversetzten Anpassung der Bezüge um 220 Millionen geringer sein werde als bei einer Eins-zu-eins-Übertragung der Tarifergebnisse auf alle Besoldungsgruppen und -ordnungen (vgl. Plenarprotokoll 16/65 vom 10. September 2014, Seite 6523). Auch aus der Anlage 1 zur Stellungnahme zum BesVersAnpÄndG des Landesvorsitzenden der Komba Gewerkschaft Nordrhein-Westfalen vom 2. Oktober 2014 – Protokoll über das Gesprächsergebnis zwischen der Landesregierung und den Gewerkschaften/Verbänden zur Übertragung des Tarifabschlusses 2013/2014 auf die Beamtenbesoldung vom 22. August 2014 – ergibt sich „eine strukturelle Einsparung in Höhe von 220 Millionen Euro“ als Folge der Besoldungsanpassungen.
785Darüber hinaus ist auch die Auswahl der Maßnahme – Einsparungen im Bereich der Besoldungsausgaben – hinreichend nachvollziehbar. Das Bundesverfassungsgericht,
786vgl. seinen Beschluss vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, a.a.O., Rn. 28, 30,
787hat für einen Sachverhalt, in dem der Besoldungsgesetzgeber im Gesetz neben der Einführung einer „Schuldenbremse“ in die Landeshaushaltsordnung eine Reihe weiterer Sparmaßnahmen vorgesehen habe, die auch unter Heranziehung der Gesetzgebungsmaterialien lediglich unverbunden nebeneinander gestanden hätten, und bezüglich derer die Auswahl der getroffenen Regelungen lediglich pauschal festgestellt worden sei, insbesondere gefordert, dass es zur Begründung eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung wenigstens der konkreten Benennung der alternativ in Betracht gezogenen Mittel und der Gründe bedurft hätte, die gegen die Anwendung der alternativen Maßnahmen gesprochen hätten.
788Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist auf den hier vorliegenden Fall schon nicht uneingeschränkt anwendbar. Der Besoldungsgesetzgeber hat ausweislich der Begründung zum BesVersAnpÄndG alternative Maßnahmen zur gestaffelten Besoldungsanpassung nicht in Erwägung gezogen, sondern eine Einsparung auch im Bereich der Besoldungsausgaben als unabdingbar angesehen („Da die Personalausgaben in Höhe von rund 23 Milliarden Euro, von denen rund 18 Milliarden auf die Besoldung und Versorgung entfallen, den mit Abstand größten Ausgabenblock des Landeshaushalts darstellen, müssen sie in eine nachhaltige und verantwortungsvolle Haushaltskonsolidierung einbezogen werden“, vgl. Seite 9 der LT-Drucks. 16/6688; „[...], dass eine weitere strukturell wirksame Absenkung nicht zu umgehen ist und zu dem Teil der Haushaltskonsolidierung gehört, an der auch der Personalhaushalt anteilsmäßig fair beteiligt werden muss.“, vgl. Plenarprotokoll 16/65 vom 10. September 2014, Seite 6523; „Auch das Personalbudget wird dazu einen Beitrag leisten müssen, und zwar in dem Maße, wie es der Finanzminister deutlich gemacht hat. Angesichts eines Anteils von 42 % an den Gesamtausgaben sowie steigender Kosten für Beihilfen und Versorgung führt daran kein Weg vorbei.“, vgl. Plenarprotokoll 16/65 vom 10. September 2014, Seite 6540). Die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist nach Auffassung der Kammer nicht dahingehend zu verstehen, dass alternative Mittel stets aufgeführt und deren Nichtauswahl begründet werden muss. Nur dann, wenn alternative Mittel in den inhaltlich begründenden Gesetzgebungsmaterialien vom Besoldungsgesetzgeber konkret bezeichnet werden, müssen die Gründe, die gegen deren Auswahl gesprochen haben, auch benannt werden. Sieht der Besoldungsgesetzgeber die Auswahl des gewählten Mittels – wie hier – aus nachvollziehbaren Gründen als alternativlos an, entfällt folgerichtig das Erfordernis der Begründung der Nichtauswahl alternativer Mittel.
789Der Besoldungsgesetzgeber hat auch plausibel aufgezeigt, dass die Einsparungen im Bereich der Besoldung aufgrund seines erheblichen Anteils im Ausgabenblock des Landeshaushalts (s.o.) insbesondere mit Blick auf die nicht als alternatives Mittel in Betracht zu ziehenden Personaleinsparungen durch Stellenabbau („Wir müssen das, was wir an Personaleinsparungen erzielen wollten, ohne großen Stellenabbau in einer anderen Form realisieren. Das heißt: Wir haben eine erste Einspartranche und werden in den nächsten Jahren 150 bis 160 Millionen Euro pro Jahr im Personalbereich einsparen müssen.“, vgl. Plenarprotokoll 16/65 vom 10. September 2014, Seite 6557) notwendig sind. Darüber hinaus hat er deutlich zum Ausdruck gebracht, dass im Gegenzug und trotz der erforderlichen Einsparungen aufgrund der von ihm verfolgten Bildungs- und Sozialpolitik „vor allem in die Bildung, die Förderung [von] Kinder[n], die Stabilisierung der kommunalen Finanzen und die Erhaltung der Infrastruktur“ investiert werden und auf „notwendige Investitionen für Bildung und Wirtschaftskraft“, für die im Jahr 2014 insgesamt 25 Milliarden Euro im Bereich der Forschung und Bildung zur Verfügung gestellt werden sollten, nicht verzichtet werden solle (vgl. Seiten 6540 f. des Plenarprotokolls 16/65 vom 10. September 2014).
790Daneben hat der Besoldungsgesetzgeber hinsichtlich der Sozialverträglichkeit und unter Gleichheitsgesichtspunkten sowohl die Auswahl der von der Absenkungsregelung unterschiedlich betroffenen Personenkreise (A 2 bis A 10 im Vergleich zu A 11 und A 12 sowie A 13 bis A 16 und die Besoldungsordnungen B, R, W, C und H) unter Angabe von Berechnungen und Daten des Statistischen Bundesamtes nachvollziehbar erläutert als auch aufgeführt, warum es erforderlich war, in Bezug auf die von der Norm erfassten Beamten und Richter gerade die festgelegte nicht-lineare und zeitlich verzögerte Besoldungsanpassung festzulegen („Der Sparbeitrag für die Empfängerinnen und Empfänger höherer Bezüge wird auf diesem Wege nunmehr unter Berücksichtigung der Tatsache ausgestaltet, dass auch diese von der Steigerung der Lebenserhaltungskosten betroffen sind, wenn auch weniger stark als die Empfängerinnen und Empfänger niedrigerer Bezüge. [...] Das führt dazu, dass die tatsächlichen Inflationsraten für die typischen Konsumausgaben der verschiedenen Haushaltsnettoeinkommensgruppen, wenn man sie gewichtet nach dem Anteil der jeweiligen Ausgaben berechnet, für Bezieher von niedrigeren Einkommen höher ist als für Haushalte mit höherem Einkommen (Haushaltsnettoeinkommen 2.800-3.600 Euro: 1,6 Prozent; Haushaltsnettoeinkommen 3.600-5.000 Euro: 1,5 Prozent; Haushaltsnettoeinkommen zwischen 5.000 und 18.000 Euro, z.B. B 11: 1,4 Prozent [...]). Die geschilderten Unterschiede zwischen A 10 und A 13 treffen auch auf das Verhältnis zwischen A 10 und A 11 zu; der Übergang ist fließend. Des Weiteren ist hierbei zu beachten, dass höhere Einkommensgruppen prozentual weniger von ihrem Einkommen konsumieren als niedrigere und somit eine höhere Sparquote aufweisen (Sparquote bei Haushaltsnettoeinkommen zwischen 2.800 und 3.600 Euro: 7,5 Prozent; zwischen 3.600 und 5.000 Euro: 12,1 Prozent; zwischen 5.000 und 18.000 Euro: 22,0 Prozent), sodass gestiegene Preise bei höheren Einkommen eine kleinere Auswirkung auf den Lebensstandard haben als bei niedrigeren Einkommen. [...] Die Staffelung der Erhöhung der Bezüge [...] führt im Ergebnis dazu, dass auch die höchste Besoldungsgruppe im Jahr 2013 strukturell mindestens eine Anpassung in Höhe von rund 1,8 Prozent erhält. Somit liegen alle Erhöhungen über dem Preissteigerungsindex von 1,5 Prozent für das Jahr 2013. Eine Kürzung der Bezüge wird ausgeschlossen. Der dem jeweiligen Amt entsprechende Lebensstandard bleibt real gewahrt. [...] Im Übrigen sind die Erhöhungen auch für die Beamtinnen und Beamten der oberen Besoldungsgruppen im Jahr 2013 vergleichen mit dem Nominallohnindex [...] überdurchschnittlich. Im Jahr 2013 stieg der Nominallohnindex [...] um 1,4 Prozent [...]. Abzüglich einer Inflationsrate von 1,5 Prozent ergibt sich sogar ein Reallohnverlust in Höhe von 0,1 Prozent. Somit liegt auch die prozentual niedrigste Erhöhung der Besoldung in B 11 strukturell sowohl deutlich über dem Nominallohnindex als auch über der Preisteuerungsrate. Das gilt ebenso im Jahr 2014, in dem die niedrigste prozentuale Besoldungserhöhung bei rund 1,8 Prozent liegt. [...]“, vgl. LT-Drucks. 16/6688, Seiten 11 f.).
791Vgl. zum Erfordernis der Erläuterung der Auswahl des von der Absenkungsregelung betroffenen Personenkreises und der konkreten Ausgestaltung der Besoldungsanpassung: BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, a.a.O., Rn. 30.
792Schließlich ist der Gesetzgeber wegen des ihm unverändert zustehenden weiten Gestaltungsspielraums auch nicht in Bezug auf jede Detailfrage rechtfertigungspflichtig.
793Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, a.a.O., Rn. 31.
794Mit der Begründung zum BesVersAnpÄndG hat er zur Überzeugung der Kammer diesen Freiraum aus den vorstehenden Gründen nicht überdehnt.
79511. Ein Verstoß gegen das Abstandsgebot liegt auch mit Blick auf eine Fortwirkung der gestaffelten Besoldungsanpassungen in den Jahren 2013 und 2014 auf die Besoldungsgruppe R 3 nicht vor.
796Der Gesetzgeber hat bei der Festsetzung der Bezüge der Beamten und Richter zu beachten, dass diese – dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG folgend – entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit ihrer Ämter abzustufen sind (Abstandsgebot).
797Die Organisation der öffentlichen Verwaltung stellt darauf ab, dass die Inhaber höher besoldeter Ämter Leistungen erbringen, die höhere Anforderungen an ihre Kenntnisse und Fähigkeiten stellen. Aus diesem Grund bestimmt sich die Angemessenheit der Alimentation maßgeblich nach unmittelbar auf das Amt bezogenen Kriterien wie etwa der mit dem Amt verbundenen Verantwortung oder der Inanspruchnahme des Amtsinhabers sowie den für die Ausübung des Amts erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten. Diese „amts“-angemessene Besoldung ist notwendig eine abgestufte Besoldung. Deshalb muss im Hinblick auf das Leistungs- und das Laufbahnprinzip mit der organisationsrechtlichen Gliederung der Ämter eine Staffelung der Bezüge einhergehen. Amtsangemessene Bezüge sind daher so zu bemessen, dass sie dem Amtsinhaber in der Realität eine Lebenshaltung ermöglichen, die der Bedeutung seines jeweiligen Amts entspricht. Auch insoweit ist maßgeblich auf das, was sich der Amtsinhaber von seinen Bezügen leisten kann, und damit auf seine Nettobezüge abzustellen. Die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen sind auch nicht absolut, das heißt nominal, sondern relativ, also prozentual, zu bemessen, weil ein nominal gleich bleibender Abstand durch die Inflation an Wert verliert und zunehmend weniger Kaufkraft vermittelt.
798Vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 1. Juli 2014 - 21/13 -, a.a.O., Rn. 67 f. m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie unter Hinweis auf: BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 2 C 49.11 -, a.a.O., Rn. 37.
799Das Abstandsgebot zwingt den Gesetzgeber weder, einen einmal festgelegten Abstand zwischen den Besoldungsgruppen und Laufbahnen beizubehalten, noch verlangt es, dass der Abstand zwischen zwei Besoldungsgruppen dem Abstand zwischen zwei anderen Besoldungsgruppen entspricht. Das Besoldungsgefüge muss jedoch in seiner Gesamtheit eine angemessene Ämterbewertung widerspiegeln. Das schließt es nicht aus, durch unterschiedliche Abstände zwischen den Besoldungsgruppen und/ oder Besoldungs- bzw. Erfahrungsstufen die Attraktivität des Beamtenverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte zu erhöhen oder vergleichbare amtsbezogene Kriterien zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber darf die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen aber nicht einebnen, sondern muss stets einen substantiellen, die unterschiedliche Wertigkeit der verschiedenen Ämter zum Ausdruck bringenden Abstand zwischen den jeweiligen Besoldungsgruppen wahren. Diese Verpflichtung ist insbesondere bei nach Besoldungsgruppen gestaffelten Erhöhungen der Besoldung im Blick zu behalten, da so ausgestaltete Erhöhungen zwingend zu einer Verringerung der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen führen.
800Vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 1. Juli 2014 - 21/13 -, a.a.O., Rn. 69 m.w.N.
801Nach diesen Maßgaben ist das Abstandsgebot auch unter Berücksichtigung der Fortwirkungen des BesVersAnpÄndG in den streitgegenständlichen Jahren 2017 bis 2021 für die Besoldungsgruppe R 3 gewahrt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen der Kammer unter III. 2. d. aa., 3. d. aa., 4. d. aa., 5. d. aa. und 6. d. aa. verwiesen. Da vorliegend lediglich die Verfassungsmäßigkeit der Alimentation in der Besoldungsgruppe R 3 im Streit steht und es der Kammer nicht obliegt, die Gesamtheit der gesetzlichen Bestimmungen des BesVersAnpÄndG auch mit Blick auf die nicht streitbefangenen Besoldungsgruppen zu überprüfen (vgl. Art. 75 Nr. 3 LV NRW, §§ 12 Nr. 6, 47 lit. a des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen – VGHG NRW), bedarf es hier keiner Entscheidung, ob der Abstand der monatlichen Grundgehälter insbesondere auch an der Schnittstelle, an der sich prozentual die größte Verringerung des Abstands ergeben dürfte, nämlich zwischen den Besoldungsgruppen A 10 und A 11 in der Erfahrungsstufe 11,
802vgl. dazu LT-Drucks. 16/6688, Seite 13, sowie VerfGH NRW, Urteil vom 1. Juli 2014 - 21/13 -, a.a.O., Rn. 94,
803gewahrt ist.
80412. Ist die Kammer nach dem Vorstehenden von der Verfassungswidrigkeit der Alimentation des Klägers nicht überzeugt, kommt die von ihm begehrte Vorlage der Besoldungsgesetze an das Bundesverfassungsgericht (vgl. Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, §§ 80 ff. des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht) bzw. an den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (vgl. §§ 50, 51 VGHG NRW Westfalen) nicht in Betracht.
805Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
806Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
807Die Berufung ist von Amts wegen gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, weil der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat.
808Rechtsmittelbelehrung:
809Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung bei dem Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg) Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
810Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster) einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.
811Die Berufung und deren Begründung können in schriftlicher Form oder auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) eingereicht werden. Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der ERVV wird hingewiesen.
812Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, sowie die ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen vor dem Oberverwaltungsgericht als Bevollmächtigte zugelassen.
813V. H. R.
814B e s c h l u s s
815Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes auf 5.000,00 EUR festgesetzt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2017 - 1 A 1561/16 -, juris, vorgehend VG Gelsenkirchen, Urteil vom 31. Mai 2016 - 12 K 6021/13 -, juris).
816Rechtsmittelbelehrung
817Gegen die Streitwertfestsetzung können die Beteiligten beim Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg) Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht entscheidet, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft. Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR nicht überschreitet.
818Die Beschwerde kann schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) eingereicht werden. Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der ERVV wird hingewiesen.
819V. H. R.