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Die aufschiebende Wirkung der Klage 12 K 2084/23 wird wiederhergestellt, soweit diese auf die Aufhebung der in dem Bescheid der Bezirksregierung B vom 26. Mai 2023 verfügten Rücknahme der Feststellung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage in Bezug auf das im Rahmen des Tempelfestes stattfindende Hauptfest „Theer“ am 18. Juni 2023, die am 19. Juni 2023 angedachte Prozession sowie das am 21. Juni 2023 stattfindende Abschlussfest „Poongavanam“ gerichtet ist.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Hiervon ausgenommen sind etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
2Der – sinngemäße – Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 26. Mai 2023, Az.: 21.03.03 Tempelfest I zumindest im Hinblick auf das Hauptfest (18. Juni 2023), die Prozession (19. Juni 2023) und ggf. die Abschlussfeierlichkeiten der Antragstellerin (20. Juni 2023) wiederherzustellen,
4ist im Interesse der Antragstellerin an möglichst umfassendem und sachangemessenem Rechtsschutz gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend auszulegen, dass in der Sache die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begehrt wird. Bezüglich der Abschlussfeierlichkeit, die ausweislich des Veranstaltungskalenders der Antragstellerin nicht am 20., sondern am 21. Juni 2023 stattfindet, geht die Kammer von einem Schreibversehen aus, insbesondere da für den 20. Juni 2023 ausweislich des Veranstaltungskalenders keine Feierlichkeiten angedacht sind.
5Der so verstandene Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.
6Er ist als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 12 K 2084/23 gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 zweite Alternative VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
7Die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis der Antragstellerin folgt aus Art. 19 Abs. 3 i.V.m. Art. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz – GG). Die Antragstellerin ist ausweislich Art. 1 Abs. 3 ihrer Verfassung vom 24. Juni 2017 unter anderem die religiöse Vertretung der in Deutschland lebenden Hindus und setzt sich für die religiöse Vertretung ihrer Mitglieder sowie die religiöse und kulturelle Erziehung ein. Religionsgesellschaften und andere juristische Personen, deren Zweck die Pflege oder Förderung eines religiösen Bekenntnisses oder die Verkündung des Glaubens ihrer Mitglieder ist – und zu denen nach Vorstehendem auch die Antragstellerin zählt –, können Träger des Grundrechts aus Art. 4 GG sein.
8Vgl. Bundesverfassungsgericht (BverfG), Beschluss vom 4. Oktober 1965 – 1 BvR 498/62 –, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 19, 129 bis 135 = juris, Rn. 14.
9Eine Verletzung des Grundrechts auf Glaubensfreiheit erscheint durch die efolgte Rücknahme der Feststellung, dass es sich bei den im Rahmen des von der Antragstellerin veranstalteten, mehr als zweiwöchigen Tempelfestes stattfindenden Rituale „Theer“ (Hauptfesttag mit großem Umzug), der Prozession zum Kanal und „Poongavanam“ (Abschluss) um kirchliche Feiertage i.S.d. § 8 Abs. des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz NW – FeiertagsG NW) handelt, jedenfalls möglich.
10Der Antrag ist auch begründet.
11Der Antragsgegner hat in formeller Hinsicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung seiner Rücknahmeentscheidung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Der Antragsgegner war sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst und hat dies im angefochtenen Bescheid kurz aber hinreichend zum Ausdruck gebracht. Das Erlassinteresse und das Interesse an der sofortigen Vollziehung können dabei durchaus zusammenfallen, wobei die Frage, ob die Abwägung inhaltlich tragfähig ist, keinen Aspekt des Formerfordernisses gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO darstellt.
12Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 19. März 2012 – 16 B 237/12 –, juris, Rn. 2 und 8. August 2008 –13 B 1022/08 –, juris, Rn. 4 bis 6.
13Die in materieller Hinsicht im gerichtlichen Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende selbstständige Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der getroffenen Entscheidung und dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragstellerin fällt hier zu Gunsten der Antragstellerin aus.
14Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den vorliegend einschlägigen Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise wiederherstellen. Hierbei hat das Gericht das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der angeordneten Maßnahmen gegen das Interesse der Rechtsschutzsuchenden, von der sofortigen Durchsetzung des Verwaltungsaktes vorläufig verschont zu bleiben, abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche und gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kann grundsätzlich kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Erweist sich der zugrunde liegende Bescheid bei dieser Prüfung hingegen als offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in den Fällen, in denen abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gesondert angeordnet wurde, das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gleichwohl nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes besteht, das über das allgemeine öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände, wie es jedem Verwaltungsakt innewohnt, hinausgeht. Lässt sich im Rahmen der summarischen Prüfung weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes feststellen, ergeht die Entscheidung auf der Grundlage einer umfassenden Folgenabwägung.
15Eine solche umfassende Folgenabwägung ist hier vorzunehmen, da nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht mit der erforderlichen Gewissheit beurteilt werden kann, ob die mit Bescheid vom 26. Mai 2023 erfolgte Rücknahme der mit Bescheid vom 31. August 2022 erfolgten Feststellung, dass es sich bei den im Rahmen des Tempelfestes stattfindenden Ritualen „Theer“, Prozession und „Poongavanam“ um kirchliche Feiertage handelt, offensichtlich rechtmäßig ist. Gleichermaßen kann im vorliegenden Verfahren aber auch nicht die offensichtliche Rechtswidrigkeit der verfügten Rücknahme festgestellt werden.
16Fraglich ist bereits, ob vorliegend die Bezirksregierung B als sachlich zuständige Behörde gehandelt hat. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 FeiertagsG NW entscheidet in Zweifelsfällen über die Anerkennung von kirchlichen Feiertagen der Regierungspräsident. Ob es sich bei dieser Gesetzesformulierung, die dem Regierungspräsidenten (und nicht der Bezirksregierung) Entscheidungsbefugnis zuweist, – wie es der Antragsgegner vorträgt – um ein redaktionelles Versehen handelt, welches auf die historische Fassung des Gesetzes über die Organisation der Landesverwaltung (Landesorganisationsgesetz – LOG NRW) von 1962 zurückgeht, nach welchem der Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung als solcher des Regierungspräsidenten beschrieben wurde, wirft die komplexe Frage auf, welche Fassung das Landesorganisationsgesetzes im Zeitpunkt der letzten Änderung des Feiertagsgesetzes durch das Gesetz vom 20. Dezember 1994 hatte. Die Beantwortung dieser Frage kann nicht im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren erfolgen, sondern muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
17Fraglich ist auch, wie der Umstand rechtlich zu würdigen ist, dass der Ausgangsbescheid vom 31. August 2022 durch den seinerzeit amtierenden Regierungspräsidenten persönlich erlassen wurde, der Rücknahmebescheid vom 26. Mai 2023 hingegen von einer – laut Organisationsplan der Bezirksregierung B – im Dezernat 21 der Bezirksregierung B beschäftigten Sachberarbeiterin. Denn sachlich zuständig für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes ist grundsätzlich die Behörde, die den Bescheid erlassen hat (sog. actus contrarius-Gedanke). Für die Rücknahme als „actus contrarius“ gelten dieselben Anforderungen an die Form wie für den Verwaltungsakt selbst oder für die Rücknahme eines Antrages. Danach müsste der actus contrarius grundsätzlich in derselben Form durch dieselbe öffentliche Stelle verfügt werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
18Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. März 2016 – 2 A 4/15 –, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2016, 1648, = juris, Rn. 20.
19Die Bescheidung des von der Antragstellerin bereits im Juli 2020 angebrachten Feststellungsantrags nach § 8 Abs. 3 Satz 1 FeiertagsG NW im August 2022 durch den damaligen Regierungspräsidenten persönlich legt bei vorliegend nur möglicher summarischer Prüfung den Schluss nahe, dass der damalige Regierungspräsident – sofern er sich durch die Formulierung des § 8 Abs. 3 Satz 2 FeiertagsG NW nicht schon von Gesetzes wegen zur Entscheidung ermächtigt gesehen haben sollte – jedenfalls von der in § 13 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung für die Bezirksregierungen eingeräumten Möglichkeit der (persönlichen) Entscheidung Gebrauch gemacht haben dürfte.
20Die materielle Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheides erweist sich nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung ebenfalls als offen. Die Rechtmäßigkeit der mit Bescheid vom 26. Mai 2023 verfügten Rücknahme der Feststellung, dass es sich bei dem Tempelfest um einen kirchlichen Feiertag handelt, kann insbesondere mit Blick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Satz 1 FeiertagsG NW nicht mit der erforderlichen Gewissheit beurteilt werden.
21Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 FeiertagsG NW werden kirchliche Feiertage gemäß § 5 Abs. 1 FeiertagsG NW geschützt in den Gemeinden, in denen mindestens zwei Fünftel der Bevölkerung den Feiertag begehen (erste Alternative) oder in denen die allgemeine Achtung des Feiertages einer langjährigen Gewohnheit entspricht (zweite Alternative). Ob diese Voraussetzungen – maßgeblich diejenigen der zweiten Alternative der Vorschrift – hier vorliegen, lässt sich bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht abschließend entscheiden. Insbesondere die Frage, ob das Tempelfest – oder zumindest die drei in der Antragsschrift explizit benannten Komponenten des Festes – bei den Einwohnern der Stadt I allgemein als religiös geprägte/r Feiertag/e geachtet wird bzw. werden, kann auf der Grundlage des vorliegenden Aktenmaterials nicht bewertet werden. Es fehlt insoweit an tragfähigen Erhebungen unter der Bevölkerung. Angaben zu den örtlichen Verhältnissen finden sich nur in den Stellungnahmen der Beigeladenen vom 10. August 2020 und 15. Mai 2023. Dabei führt der Oberbürgermeister der Beigeladenen unter dem 15. Mai 2023 aus, das Tempelfest sei seit Jahren ein fester Bestandteil in der Stadt I, es werde sowohl von sehr vielen Gläubigen als auch von interessierten Gästen besucht. Ein Höhepunkt des Tempelfestes sei der sonntägliche Umzug, der von mehreren tausend Gläubigen und Gästen begleitet werde. Diese aktuelle Stellungnahme könnte – jedenfalls auf den ersten Blick – durchaus auch für eine allgemeine Achtung der Feierlichkeiten – maßgeblich des sonntäglichen Umzugs – i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 1 zweite Alternative FeiertagsG NW sprechen. Die dafür erforderliche weitere Aufklärung der tatsächlichen Gegebenheiten im Stadtgebiet von I muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
22Die hiernach vorliegend – unabhängig vom Erfolg der Hauptsacheklage – vorzunehmende allgemeine Folgenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Hierbei sind die Folgen, die einträten, wenn die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt würde, sich die angefochtene Verfügung aber später als rechtmäßig erwiese, gegen die Folgen abzuwägen, die sich ergäben, wenn es bei der sofortigen Vollziehbarkeit der Verfügung vom 26. Mai 2023 verbliebe und sich später herausstellte, dass diese rechtswidrig ist.
23Gemessen daran überwiegt vorliegend das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse.
24Sofern es bei der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides vom 26. Mai 2023 verbliebe und sich später herausstellte, dass dieser rechtswidrig ist, dürften die Einwohner der Stadt I in ihren Rechten aus Art. 8, Art. 12 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 GG tangiert sein. Denn nach § 5 Abs. 1 FeiertagsG NW wären bei Anerkennung des Tempelfests als kirchlicher Feiertag während der Hauptzeit des Gottesdienstes öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und öffentliche Auf- und Umzüge, die nicht mit dem Gottesdienst zusammenhängen (lit. a.), alle der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen, bei denen nicht ein höheres Interesse der Kunst, Wissenschaft oder Volksbildung vorliegt (lit. b.), öffentliche Versammlungen in geschlossenen Räumen, soweit hierdurch der Gottesdienst unmittelbar gestört wird (lit. c.) sowie größere sportliche Veranstaltungen und solche, durch die der Gottesdienst unmittelbar gestört wird (lit. d.), verboten. Die Hauptzeit des Gottesdienstes umfasst dabei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 4 FeiertagsG NW die Zeit von 6:00 bis 11:00 Uhr. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 3 FeiertagsG NW handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 5 Abs. 1 FeiertagsG NW an Sonn- oder Feiertagen während der Hauptzeit des Gottesdienstes Veranstaltungen der dort bezeichneten Art durchführt. Sollte sich der Rücknahmebescheid im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen, wären die Einwohner der Stadt I diesen Beschränkungen ohne rechtfertigenden Grund ausgesetzt gewesen.
25Inwiefern jedoch tatsächlich geplante Versammlungen oder Veranstaltungen im Sinne des § 5 Abs. 1 FeiertagsG NW während der Zeit des Tempelfestes – konkret am Sonntag, 18. Juni 2023, Montag, 19. Juni 2023 sowie Mittwoch, 21. Juni 2023 zwischen 6:00 und 11:00 Uhr geplant und durch den Feiertagsschutz gefährdet wären, ist weder vorgetragen noch aus sonstigen Umständen erkennbar.
26Die Einschränkungen dürften zudem einen zeitlich zumutbaren Rahmen einhalten. Hinsichtlich des Hauptfestes am Sonntag, 18. Juni 2023, greifen die Verbote des § 5 FeiertagsG NW bereits aufgrund des Schutzes des Sonntages, sodass sich die Beeinträchtigungen auf die übrigen beiden Tage – die Prozession am 19. Juni 2023 sowie das Abschlussfest am 21. Juni 2023 – beschränken. Versammlungen und Veranstaltungen können an diesen Tagen aber jedenfalls in der Zeit nach 11:00 Uhr ungehindert stattfinden. Überdies besteht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 5 FeiertagsG NW für die örtliche Ordnungsbehörde die Möglichkeit, im Einvernehmen mit den Kirchen festzulegen, dass die geschützte Zeit bereits vor 11:00 Uhr endet. Dass die Antragstellerin sich insoweit kooperativ zeigen würde, ist nach Aktenlage nicht ausgeschlossen, zumal die Prozession am Montag, 19. Juni 2023, erst um 11:00 Uhr beginnt und eine Verkürzung der Schutzzeit mit den Interessen der Antragstellerin nicht kollidieren würde.
27Für den Fall einer angedachten Versammlung oder Veranstaltung bestünde überdies die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung nach § 10 Abs. 1 FeiertagsG NW. Das dort normierte Erfordernis des dringenden Bedürfnisses dürfte dabei im Lichte der Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG auszulegen sein, um Versammlungen weitestmöglich stattfinden zu lassen.
28Hingegen streitet für die Interessen der Antragstellerin maßgeblich der in Art. 4 GG niedergelegte Schutz der Glaubensbetätigung. Entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners dürfte dabei von untergeordneter Bedeutung sein, dass die geplanten Veranstaltungen größtenteils nach dem von § 5 Abs. 1 FeiertagsG NW umfassten zeitlichen Schutzbereich stattfinden. Die Qualifizierung als kirchlicher Feiertag hätte vordergründig zur Folge, dass gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 FeiertagsG NW Arbeitgeber den in einem Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis stehenden Angehörigen der Religionsgemeinschaft Gelegenheit zum Besuch des Gottesdienstes zu geben hätten, sofern nicht unaufschiebbare oder im allgemeinen Interesse vordringliche Aufgaben zu erledigen wären. Weitere Nachteile als ein etwaiger Lohnausfall für die versäumte Arbeitszeit dürfen den Arbeitnehmern aus ihrem Fernbleiben nicht erwachsen. Für eine ungestörte Religionsausübung ist maßgeblich von Relevanz, an den angebotenen religiösen Veranstaltungen der eigenen Religionsgemeinschaft teilnehmen zu können, ohne berufliche Nachteile befürchten zu müssen.
29Dabei bleibt nicht außer Acht, dass das Tempelfest auch ohne entsprechende Anerkennung als kirchlicher Feiertag ungehindert stattfinden kann. Die Möglichkeit der Teilnahme der berufstätigen Gläubigen hinge in diesem Fall jedoch vom Wohlwollen ihrer Arbeitgeber oder dem Stellen eines Urlaubsantrages ab.
30Sollte sich der angefochtene Rücknahmebescheid im Nachhinein als rechtswidrig erweisen, ginge hiermit nach alledem eine Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit der Antragstellerin einher, die gewichtiger wäre als eine nach Aktenlage lediglich abstrakte Beeinträchtigung von Rechts- oder sonstigen Positionen der Einwohner der Stadt I.
31Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da diese keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
32Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Dabei ist in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 der im Hauptsacheverfahren anzusetzende Auffangwert (5.000,00 EUR) zu halbieren.
33Rechtsmittelbelehrung:
34Gegen die Entscheidung mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg) Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht eingelegt werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Sofern die Begründung nicht mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, ist sie bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster) einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten und die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
35Die Beschwerde und deren Begründung können in schriftlicher Form oder auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) eingereicht werden. Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der ERVV wird hingewiesen.
36Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, sowie die ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen vor dem Oberverwaltungsgericht als Bevollmächtigte zugelassen.
37Gegen die Streitwertfestsetzung können die Beteiligten auch persönlich Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht entscheidet, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft. Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR nicht überschreitet.
38Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung kann schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV eingereicht werden. Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der ERVV wird hingewiesen.
39Camen Dr. Urban Löw