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Die aufschiebende Wirkung der beim beschließenden Gericht anhängigen Klage 9 K 830/22 gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Landesamts für Finanzen vom 3. November 2021 betreffend die Kontoguthaben des Antragstellers bei der Sparkasse T. wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
21. Der zulässige und aus dem Entscheidungssatz ersichtliche Rechtsschutzantrag des Antragstellers vom 9. März 2022 ist begründet und hat deshalb Erfolg. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Antrag auch durch eine etwaige Einstellung der Verwaltungsvollstreckung nicht entfallen, da gemäß § 1 Abs. 4 Satz 5 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) die in der Hauptsache verfahrensgegenständliche Pfändungs- und Einziehungsverfügung für die Fortsetzung der Vollstreckung nach Maßgabe der Zivilprozessordnung – ZPO – (dazu näher unter 2.b.bb) weiterhin den Antragsteller belastende Rechtswirkungen entfaltet.
3Eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung bedurfte es nicht, da § 80 Abs. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) lediglich für die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) gilt, nicht jedoch für Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung, zumal hier lediglich die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen in Rede steht.
4Einer Beiladung der Sparkasse T. als Adressatin der Pfändungs- und Einziehungsverfügung bedurfte es nicht, da das Obsiegen des Antragstellers im vorliegenden Rechtsschutzverfahren keine Belastung für diese begründet.
5Vgl. hierzu: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 27. September 1995 – 3 C 11.94 –, juris Rn. 3.
6Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise in den Fällen anordnen, in denen diese kraft gesetzlicher Anordnung – wie hier gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 112 des Gesetzes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (Justizgesetz Nordrhein-Westfalen – JustG NRW) – entfällt.
7Bei der vom Gericht zu treffenden eigenen Entscheidung über die Frage der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs sind die privaten Interessen des jeweiligen Antragstellers an der Verschonung vom Vollzug des streitbefangenen Verwaltungsakts bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel und das Interesse der Allgemeinheit am sofortigen Vollzug gegeneinander abzuwägen. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden soll, ein wesentliches Kriterium.
8Vgl.: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 16. Januar 2020 – 15 B 814/19 –, juris Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2020 – 2 B 202/12 –, juris Rn. 9; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH Bad.-Württ.), Beschluss vom 31. Juli 1989 – 1 S 3675/88 –, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1990, 61.
9Erweist sich der Rechtsbehelf als wahrscheinlich erfolglos, so dürfte regelmäßig dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung der Vorrang zukommen. Erweist sich der Rechtsbehelf als voraussichtlich begründet, dürfte dagegen regelmäßig das private Aussetzungsinteresse überwiegen.
10Vgl. zur Interessenabwägung: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 11. Februar 1982 – 2 BvR 77/82 –, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1982, 241; OVG NRW, Beschluss vom 13. November 2003 – 16 B 1945/03 –, juris Rn. 9; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13. März 1997 – 13 S 1132/96 –, Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (VBlBW) 1997, 390 <390 f.>.
11Die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotene, aber auch genügende,
12BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 1984 – 2 BvR 507/81, NVwZ 1984, 429 <429 f.>,
13summarische Prüfung des Sach- und Streitstands ergibt im vorliegenden Fall unter Zugrundelegung und in Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs ein Überwiegen des Suspensivinteresses des Antragstellers, da sich die in der Hauptsache verfahrensgegenständliche Verfügung voraussichtlich als rechtswidrig erweisen dürfte.
14a) Rechtsgrundlage der hier verfahrensgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist § 40 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit 21 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW.
15b) Die Voraussetzungen der Durchführung der Verwaltungsvollstreckung dürften nach summarischer Prüfung bereits zu dem für die Entscheidung im Hauptsacheverfahren maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – hier dem Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 1. März 2022 –, gleichermaßen aber auch bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausgangsverfügung, nicht vorgelegen haben, sodass die den Gegenstand des Hauptsacheverfahrens bildende Pfändungs- und Einziehungsverfügung rechtswidrig gewesen sein und den Antragsteller in seinen Rechten verletzen dürfte (vgl.: § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16Gemäß § 2 Buchst. c) VwVG NRW in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. o) der Verordnung zur Ausführung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (Ausführungsverordnung VwVG – VO VwVG NRW) vom 8. Dezember 2009 können bürgerlich-rechtliche Forderungen auf Unterhalt, die gemäß § 7 Abs. 1 UVG auf das Land übergegangen sind, auch im Wege der Verwaltungsvollstreckung beigetrieben werden. Zuständig ist gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG-Durchführungsverordnung – UVGDVO) vom 11. Dezember 2018 das Landesamt für Finanzen.
17Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass für die Kinder des Antragstellers Unterhaltsvorschussleistungen erbracht worden sind und dass dementsprechend gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs Unterhaltsansprüche auf das Land übergegangen sind.
18Solange der Elternteil, bei dem der Berechtigte nicht lebt – hier der Antragsteller –, Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bezieht und über kein eigenes Einkommen im Sinne von § 11 Absatz 1 Satz 1 SGB II verfügt, wird der nach § 7 UVG übergegangene Unterhaltsanspruch nicht verfolgt (§ 7a UVG).
19aa) Es kann zunächst dahinstehen, ob § 7a UVG eine rechtshemmende Einwendung gegen die Forderung begründet – wovon wohl mit der überwiegend vertretenen Auffassung im Schrifttum und dem erklärten Ziel der Gesetzesbegründung auszugehen ist, dazu sogleich (bb) – oder ob es sich um ein bundesrechtlich im Wege einer sogenannten Gesetzgebungskompetenz kraft Annex geregeltes und in einem notwendigen Zusammenhang zu der dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 des Grundgesetzes (GG) unterfallenden Materie des Unterhaltsvorschussrechts,
20vgl. zur Gesetzgebungskompetenz kraft Annex: BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 – 2 BvR 834, 1588/02 –, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 109, 190 <215>; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 9. Aufl., 2021, Art. 70 Rn. 37 ff.; Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 70 Rn. 71 (Stand: Oktober 2008),
21stehendes Vollstreckungshindernis handelt.
22Im Falle einer rechtshemmenden Einwendung gegen den übergegangenen Anspruch ist gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 VwVG NRW die Beitreibung nach § 1 Abs. 2 VwVG NRW einzustellen, sobald der Vollstreckungsschuldner bei der Vollstreckungsbehörde schriftlich oder zu Protokoll Einwendungen gegen die Forderung geltend macht.
23Dies ist hier spätestens mit den anwaltlichen Schreiben vom 11. Oktober 2021 und vom 14. Oktober 2021 erfolgt. Entsprechend dem Grundsatz der Behördeneinheit kommt es – entgegen der dem Schreiben des Landesamts für Finanzen vom 7. Dezember 2021 offenbar zugrundegelegten Auffassung – im Außenverhältnis nicht darauf an, ob die Einwendungen auch an die behördenintern zuständige Abteilung gerichtet werden.
24Denn Untergliederungen bzw. unselbstständige Teile einer Behörde sind keine Behörde im rechtlichen Sinne. Sie haben keine eigenen von jenen der Behörde selbst unabhängigen Zuständigkeiten und werden nicht selbst nach außen tätig. Die Einzeluntergliederungen von Behörden – wie hier eine Heranziehungs- und eine Vollstreckungsstelle – sind selbst keine Behörden.
25Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, 2. Aufl., 2019, § 1 Rn. 46.
26Eine Eigenständigkeit fälschlicherweise suggerierende Benennung eines unselbstständigen Teils einer Behörde – wie hier der Passus „als Vollstreckungsbehörde“ – oder gewisse Arten von Freistellungen aus hierarchischen Strängen in behördeninternen Geschäftsverteilungsplänen reichen nicht aus, um eine Stelle als Behörde zu qualifizieren.
27Vgl.: BVerfG, Beschluss vom 27. März 1979 – 2 BvR 1011/78 –, juris Rn. 27; BVerwG, Beschluss vom 22. November 1995 – 11 VR 42.95 –, NVwZ-RR 1996, 610 <610 f.>; BVerwG, Beschluss vom 30. August 1978 – 7 ER 402.78 –, juris; Schoch, in: Schoch/Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht, § 1 VwVfG Rn. 138 (Stand: Juli 2020); Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, 2. Aufl., 2019, § 1 Rn. 46.
28Es genügt damit, dass die Einwendungen bei der Behörde angebracht werden, die für die Vollstreckung zuständig ist. Selbst wenn ein anderes Aktenzeichen als das der Vollstreckungsabteilung angegeben gewesen wäre, hätte jene Abteilung, welcher das Schreiben (mutmaßlich) von der zentralen Scanstelle zugeleitet worden ist, dieses unverzüglich der Vollstreckungsabteilung übermitteln müssen.
29Auch sind entsprechende Erklärungen, auch wenn sie nicht formell als „Einwendungen“ bezeichnet werden, nach ihrem materiellen Gehalt auszulegen, sodass der Inhalt eines Schreibens, in welchem der Bezug von vermögensabhängig gewährten Sozialleistungen in Zusammenhang mit einer angekündigten Vollstreckung von Unterhaltspflichten angekündigt wird, nach dem objektiven Empfängerhorizont als das Erheben von Einwendungen zu verstehen ist. Etwas anderes kann allenfalls bei förmlichen Rechtsbehelfen gelten, worum es sich bei Einwendungen indes nicht handelt. Denn bei Einwendungen handelt es sich um Rechtstatsachen, deren „Erhebung“ im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVG NRW nicht der Erhebung im engeren Sinne der Einlegung eines förmlichen Rechtsbehelfs entspricht, sondern die lediglich angezeigt werden müssen und können. Eine solche Anzeige setzt lediglich voraus, dass die Rechtstatsache als solche verständlich angeführt und die diese begründenden tatsächlichen Umstände hierbei zumindest in ihren groben Zügen dargestellt werden oder wenigstens in dieser Anzeige angelegt sind. Diesen Anforderungen genügen die genannten Anwaltsschreiben ohne ernsthaft vertretbaren Zweifel, sodass es nicht darauf ankommt, ob der Antragsteller bereits mit der Mitteilung seines Bezugs von Grundsicherungsleistungen, deren Eingang das Landesamt für Finanzen ihm mit der Zahlungsaufforderung vom 1. Juli 2021 mitgeteilt hat, solche Einwendungen erhoben hat.
30Sofern § 7a UVG als reines Vollstreckungshindernis anzusehen ist, kann dahinstehen, ob diese Vorschrift bereits in Wege einer unmittelbaren Anwendung und ohne eine landesrechtliche Transmissionsnorm eine Betreibung der Unterhaltsforderung im Wege der Vollstreckung verwehrt oder ob § 6a Abs. 1 Buchst. a) VwVG NRW im Wege eines Analogieschlusses entsprechend auf den dann gegebenen Fall anzuwenden ist, dass ein Bundesgesetz fachgesetzlich eine Betreibung verwehrt.
31In beiden Fällen war die Vollstreckung jedenfalls zu dem für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der verfahrensgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügung einzustellen gewesen, sodass die Verfügung gar nicht erst hätte erlassen werden dürfen. Dies gilt im Übrigen bereits unabhängig von der Erhebung von Einwendungen, wenn – wie hier ausweislich des Schreibens vom 1. Juli 2021 – der zuständigen Behörde bereits vorher positiv bekannt ist, dass ein Leistungsbezug nach dem SGB II vorliegt. Sie ist damit aufgrund ihrer anfänglichen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
32bb) Eine Aufhebung einer – anders als hier rechtmäßig verfügten – Vollstreckungsmaßnahme kommt gemäß § 1 Abs. 4 Satz 4 VwVG NRW nur dann nicht in Betracht, wenn der Gläubiger nicht binnen eines Monats nach Geltendmachung der Einwendungen wegen seiner Ansprüche vor den ordentlichen Gerichten Klage erhoben oder den Erlass eines Mahnbescheids beantragt hat oder der Gläubiger mit der Klage rechtskräftig abgewiesen worden ist.
33Dieser Vorschrift kann im Verfahren der Beitreibung von Unterhaltsansprüchen aus gemäß § 7 UVG übergegangenem Recht faktisch keine Bedeutung zukommen, da § 7a UVG bereits eine „Verfolgung“ dieser Ansprüche beim Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende verwehrt.
34In diesem Zusammenhang kommt es anders als hinsichtlich eines Anspruchs auf Einstellung der Vollstreckung entscheidend darauf an, ob es sich hier um eine rechtshemmende Einwendung gegen den Anspruch oder um ein Vollstreckungshindernis handelt.
35Das erstgenannte Ergebnis, welches sowohl der in der Gesetzesbegründung formulierten Zielsetzung am nächsten steht als auch im Schrifttum soweit ersichtlich ausschließlich angenommen wird, dürfte sich als rechtlich zutreffend erweisen.
36Nach dem in der Begründung zu dem Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften vom 14. August 2017 (BGBl. 2017 I, S. 3122), durch welches die Vorschrift in § 7a UVG in das Gesetz eingefügt worden ist, niedergelegten Gesetzeszweck sollen verwaltungsaufwändige und unwirtschaftliche Rückgriffsbemühungen durch diese Vorschrift vermieden werden.
37Bundestags-Drucksache (BT-Drs.) 18/11135, S. 163.
38Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in welchem der Unterhaltsschuldner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende – Leistungen nach dem SGB II – bezieht, von diesem barunterhaltspflichtigen Elternteil kein Unterhalt beigetrieben werden kann, da mangels Leistungsfähigkeit kein Unterhaltsanspruch des Kindes besteht. In diesen Fällen findet zwar ein Anspruchsübergang auf das Land statt, dieser Anspruch darf jedoch nicht geltend gemacht werden, solange der Barunterhaltspflichtige auf diese Leistungen angewiesen ist und über kein eigenes Einkommen verfügt.
39BT-Drs. 18/11135, S. 163; die temporäre Bedeutung des § 7a UVG in anderem Zusammenhang betonend: OVG NRW, Beschluss vom 6. September 2021 – 12 A 2525/19 –, juris Rn. 27.
40Diesem Gedanken der Verwaltungsvereinfachung entspricht auch der in der Gesetzesbegründung artikulierte Gedanke, dass, sofern der barunterhaltspflichtige Elternteil die Auskünfte nicht selbst erteilt, die Unterhaltsvorschussstellen dann gem. § 6 Abs. 5 UVG die Möglichkeit haben, diese beim für den barunterhaltspflichtigen Elternteil örtlich zuständigen Jobcenter zu erfragen.
41BT-Drs. 18/11135, S. 163.
42Dies bestärkt die Annahme eines Charakters als rechtshemmende Einwendung.
43Von der Möglichkeit einer Abfrage bei Sozialleistungsträgern hat das Landesamt für Finanzen hier auch umfassend Gebrauch gemacht, obwohl der Leistungsbezug bereits feststand.
44Es handelt sich nach alledem voraussichtlich um eine bereits gegen den Anspruch als solchen gerichtete rechtshemmende Einwendung.
45Conradis, in: Rancke/Pepping (Hrsg.), Mutterschutz Elterngeld Elternzeit Betreuungsgeld, 6. Aufl., 2022, § 7a UVG Rn. 1; so auch: Schürmann, Zeitschrift für das Gesamte Familienrecht (FamRZ) 2017, 1380 <1383>, der indes Maßnahmen zur Vermeidung einer Verwirkung für zulässig hält, was indes keinen Niederschlag im Gesetz findet und im Übrigen ins Leere gehen dürfte, da eine Verwirkung wohl dann nicht angenommen werden kann, wenn die Geltendmachung gesetzlich gehemmt ist und somit keine „illoyale verspätete Rechtsausübung“ – vgl. hierzu: Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 16. Juni 1999 – XII ZA 3/99 –, juris Rn. 2 und Urteil vom 27. Juni 1957 – II ZR 15/56 -, juris Rn. 13, vorliegen kann; vgl. hierzu im Übrigen auch: BGH, Urteil vom 16. Juni 1982 – IVb ZR 709/80 –, juris Rn. 10; zusammenfassend auch: Langeheine, in: Münchener Kommentar-BGB, 8. Aufl., 2020, § 1613 Rn. 49 f.
46Diese auch im bislang veröffentlichten und oben genannten Schrifttum vertretene Auffassung hin zu einer unmittelbar auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG fußenden und bereits den Unterhaltsanspruch als solchen betreffenden Regelung, welche auch die öffentliche Hand vor letztlich unwirtschaftlichen und von Vornherein mit dem Ergebnis des Scheiterns gezeichneten Versuchen einer Geltendmachung schützen soll, überzeugt.
47Dafür spricht auch die Verwendung des rechtlich nicht näher definierten und inhaltlich weitgefassten Begriffs einer „Verfolgung“ im Gesetzeswortlaut anstelle etwa einer „Beitreibung“, „zwangsweisen Durchsetzung“ oder einer „Vollstreckung“.
48In diesem Fall, in dem der Barunterhaltspflichtige Leistungen der Grundsicherung bezieht, ist damit eine Verfolgung und zwar auch in Gestalt der zivilgerichtlichen Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gesetzlich ausgeschlossen. Diese Vorschrift begründet neben einer rechtshemmenden Einwendung zugleich eine – was aus der Gesetzesbegründung sowie der darin enthaltenen Anknüpfung an das Prinzip des Förderns und Forderns im Grundsicherungsrecht und damit an den Leistungsempfänger persönlich,
49BT-Drs. 11135/18, S. 163,
50folgt – drittschützende Amtspflicht der zuständigen Behörde – hier des Landesamts für Finanzen –, mit der Folge, dass eine Klageerhebung oder die Beantragung eines Mahnbescheids gemäß § 1 Abs. 4 Satz 4 VwVG NRW verwehrt ist, sofern nicht binnen dieser Monatsfrist die den Unterhaltsschuldner begünstigenden Voraussetzungen des § 7a UVG wegfallen, also der maßgebliche Sozialleistungsbezug entfällt. § 1 Abs. 4 Satz 4 VwVG NRW läuft dann in einem solchen Fall leer, sodass auch ein etwaiges Vorbringen betreffend das Ziel einer Rangwahrung in der zwangsweisen Befriedigung von Forderungen hier nicht verfängt.
51Vgl. zu Amtspflichten bei der verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Beitreibung privatrechtlicher Ansprüche öffentlich-rechtlicher Körperschaften auf Grundlage der mit den nordrhein-westfälischen Vorschriften vergleichbaren Vorschriften des rheinland-pfälzischen Landesverwaltungsvollstreckungsrechts auch unter Berücksichtigung des Gedankens einer rangwahrenden Zielsetzung: Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, Urteil vom 12. September 2019 – 1 U 135/19 –, juris Rn. 44.
52Das Vorbringen betreffend eine beabsichtigte Rangwahrung mag mit Blick auf § 1 Abs. 4 Satz 5 VwVG NRW zunächst im gedanklichen Ansatz nachvollziehbar erscheinen. Denn nach dieser Vorschrift darf im Falle der Einstellung der Vollstreckung diese nur nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung „fortgesetzt“ werden. Dies lässt darauf schließen, dass bisherige Vollstreckungsmaßnahmen in dem Sinne erhalten bleiben, dass sie die Grundlage für weitere zivilprozessrechtliche Vollstreckungshandlungen bilden. Derartiges kann jedoch nur dann eintreten, wenn die bisherigen Maßnahmen rechtmäßig erfolgt sind, was hier jedoch nicht der Fall sein dürfte, sodass all dies keiner weiteren Erörterung oder Vertiefung bedarf.
532. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 1. Halbs. VwGO gerichtskostenfrei, da der Gesetzgeber als Gegenausnahme von der Gerichtskostenfreiheit lediglich Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern, nicht aber Dritten, denen diese Eigenschaft nicht zukommt, vorgesehen hat.
54Rechtsmittelbelehrung:
55Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg) Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht eingelegt werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Sofern die Begründung nicht mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, ist sie bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster) einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten und die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
56Die Beschwerde und deren Begründung können in schriftlicher Form oder auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) eingereicht werden. Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der ERVV wird hingewiesen.
57Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, sowie die ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen vor dem Oberverwaltungsgericht als Bevollmächtigte zugelassen.