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Der Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2011 betreffend die Erweiterung des Steinbruchs der Beigeladenen wird aufgehoben.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte; im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beigeladene geht seit über 100 Jahren in Hohenlimburg der Gewinnung von Kalkstein nach. Sie betreibt einen Steinbruch ("T2. "), der sich nördlich der Lenne zwischen den Ortschaften F. im Nordwesten und P1. im Südosten erstreckt. Die Ausdehnung des Steinbruchs von Westen nach Osten beträgt deutlich mehr als 800 m.(*) Die ostwärtige Begrenzung des derzeitigen Abbaus misst von Norden nach Süden rund 500 m. Diese Linie läuft in etwa parallel zur Grenze zwischen der Beklagten und der Klägerin; der Abstand zur Stadtgrenze beträgt im Norden gut 80 m und im Süden rund 100 m. Weiter ostwärts verläuft eine 220-KV-Freileitung im Wesentlichen von Süden nach Norden. Diese schneidet nordostwärts von P1. die Stadtgrenze und entfernt sich in ihrem weiteren Verlauf nach Norden von dieser auf bis zu 100 m. Der Geländestreifen zwischen dem Steinbruch im Westen und der Stadtgrenze im Osten ist bewaldet; nach Osten folgen auf dem Gebiet der Klägerin überwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen. Hier steigt das Gelände mäßig von Osten nach Westen an. Entlang eines Weges, der von einer in der Örtlichkeit nicht mehr vorhandenen Gaststätte ("B. ") auf Iserlohner Gebiet auf den Steinbruch zuläuft, beträgt die Höhendifferenz bei einer Streckenlänge von etwa 360 m rund 25 m.
3Der soeben beschriebene Bereich wird von dem Gebietsentwicklungsplan (im folgenden Text: GEP) der Bezirksregierung Arnsberg, Teilabschnitt Oberbereiche Bochum und Hagen aus dem Jahre 2001 erfasst. Dieser Plan beruht auf dem Raumordnungsgesetz (ROG) vom 18. August 1997 (BGBl I S. 2102), dem Landesplanungsgesetz (LPlG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1994 (GV NW S. 474) in Verbindung mit der 3. DVO zum Landesplanungsgesetz (Planzeichen) vom 17. Januar 1995 (GV NW S. 144), dem Gesetz zur Landesentwicklung (Landesentwicklungsprogramm - LEPro -) in der Fassung vom 5. Oktober 1989 (GV NW S. 485) sowie schließlich dem Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen (LEP NRW) vom 11. Mai 1995 (GV NW S. 532). Auf den Seiten 7 und 8 beschreibt der GEP die "rechtliche(n) Grundlagen und rechtliche(n) Wirkungen" und führt dazu aus:
4"Die Gebietsentwicklungspläne legen auf der Grundlage des ROG, des LEPro und von Landesentwicklungsplänen die regionalen Ziele der Raumordnung und Landesplanung für die Entwicklung der Regierungsbezirke und für alle raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen im Planungsgebiet fest. Diese Ziele sind von allen öffentlichen Stellen und von Personen des Privatrechts in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten,... . Mit der Bekanntmachungen der Genehmigung werden die Gebietsentwicklungspläne Ziele der Raumordnung und Landesplanung.
5...
6Grundlage für die Ausgestaltung des Gebietsentwicklungsplanes ist die 3. DVO zum LPlG... Danach werden die Ziele in zeichnerischen und textlichen Darstellungen festgelegt. Die Regelungsgegenstände sind im Planzeichenverzeichnis vorgegeben. Die zeichnerische Darstellung der regionalen Ziele ist nicht parzellenscharf, d. h., sie ist so generalisiert, dass die exakte Zuordnung an den Schnittstellen von Bereichsdarstellungen nachgeordneten Planungs-, Genehmigungs- und/oder Planfeststellungsverfahren vorbehalten bleibt.
7Die regionalplanerische Untergrenze für die zeichnerische Darstellung beginnt in der Regel bei einer Größenordnung von 10 ha. Die textlichen Darstellungen sind ausdrücklich als "Ziele" bezeichnet worden. Die im Sinne von § 3 Nr. 2 ROG abschließend abgewogenen Ziele (textliche und zeichnerische Darstellung) werden durch Erläuterungen begründet und näher beschrieben sowie durch Karten und Tabellen ergänzt. Rechtsverbindlichkeit wie die zeichnerischen und textlichen Darstellungen besitzen die Erläuterungen nicht."
8In Nr. 3.5 der Textlichen Darstellungen und Erläuterungen befasst sich der GEP mit dem Gegenstand "Sicherung und Abbau oberflächennaher Bodenschätze". Unter der Zwischenüberschrift "Sicherung der Lagerstätten..." formuliert der Plan folgendes Ziel 30:
9"(1) Innerhalb der in den Karten 9 A - D dargestellten Reservegebiete ist langfristig die Möglichkeit des Abbaus der Rohstoffe zu sichern.
10(2) Die Reservegebiete dürfen für andere Nutzungen nur in Anspruch genommen werden, wenn die Inanspruchnahme vorübergehender Art ist, die angestrebte Nutzung nicht außerhalb dieser Gebiete realisiert werden kann und die Nutzung der Lagerstätte langfristig nicht in Frage gestellt wird."
11Für den hier interessierenden Bereich stellt die Karte 9 A im Maßstab 1:50.000 ein "Reservegebiet hochreiner Kalkstein" dar. Dieses beginnt im Westen etwa in der Mitte des vorhandenen Steinbruchgeländes und es erstreckt sich über mehr als 1,3 km in Richtung Ost - Nordost. Unter der Zwischenüberschrift "Abbau oberflächennaher Bodenschätze" wird im Ziel 31 ausgeführt:
12"(1) Die oberirdische Gewinnung von Bodenschätzen darf nur innerhalb der zeichnerisch dargestellten Bereiche erfolgen. Außerhalb der Abgrabungsbereiche gelegene genehmigte Abgrabungen können ausnahmsweise erweitert werden. (2) Die Abgrabungen und Rekultivierungen/Renaturierungen sind zeitlich und räumlich so aufeinander abzustimmen, dass die gewünschte Wiederherstellung des Naturhaushalts und die Wiedereingliederung in die umgebende Landschaft möglichst frühzeitig erreicht werden können."
13Im Anschluss an dieses Ziel 31 erläutert der Plan die in § 32 Abs. 3 LEPro normierte Verpflichtung, Abgrabungen unter größtmöglicher Schonung von Natur und Landschaft, der Grundwasserverhältnisse und des Klimas vorzunehmen. Weiter heißt es in den Erläuterungen wörtlich:
14"Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sind in der zeichnerischen Darstellung Abgrabungsbereiche dargestellt worden. Durch die die zeichnerische Darstellung ergänzende Regelung des Ziels 31 Abs. 1 wird gewährleistet, dass die Schonung der oben genannten Schutzgüter durch grundsätzliche Beschränkung der Abgrabungen auf die dargestellten Bereiche erfolgt. Lediglich maßstabsbedingt nicht dargestellte genehmigte Abgrabungen, wie die Ruhrsandsteinbrüche im Ennepe-Ruhr-Kreis und der Plattenkalksteinbruch in Iserlohn-Griesenbrauck, können außerhalb dieser Bereiche zulässigerweise erweitert werden."
15Die zeichnerischen Darstellungen des GEP befinden sich auf elf Kartenblättern im Maßstab 1:50.000. Der Steinbruch der Beigeladenen und eine ostwärts anschließende Fläche ist auf den Karten 3 (dort am Südrand) und 6 (am nördlichen Rand) mit dem Planzeichen 2. e) eb) der 3. DVO zum Landesplanungsgesetz als "Sicherung und Abbau oberflächennaher Bodenschätze" dargestellt. Auf die hier eingefügte (nicht maßstäbliche) Montage wird Bezug genommen:
16Der im Jahr 1980 aufgestellte Flächennutzungsplan der Klägerin stellt das Gelände beiderseits der Hochspannungsfreileitung als Fläche für die Landwirtschaft dar; ein kleiner Bereich im Norden ist als Fläche für Wald dargestellt.
17Bereits im Dezember 2006 fand bei der Bezirksregierung Arnsberg eine Besprechung (Scopingtermin) über die geplante Erweiterung des Steinbruchs der Beigeladenen in Richtung Osten statt. Bei dieser Gelegenheit machte die Klägerin geltend, die Maßnahme werde das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen, weil der Steinbruch aus Iserlohner Richtung einsehbarer werde. Ein Bediensteter der Bezirksregierung ließ erkennen, Probleme mit den landesplanerischen Zielen seien nicht zu erwarten.
18Mit Verfügung vom 17. November 2009 bestimmte die Bezirksregierung, dass der Oberbürgermeister der Stadt Hagen für ein Verfahren betreffend die Erweiterung des Steinbruchs der Beigeladenen zuständig sei. Diese Entscheidung begründete sie mit folgenden Erwägungen: Im Falle der örtlichen Zuständigkeit mehrerer Behörden eröffne § 3 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) der gemeinsamen Aufsichtsbehörde die Möglichkeit, eine Behörde zu bestimmen, die über diese Angelegenheit entscheiden solle. Weil die derzeit genehmigte Abbaufläche auf dem Gebiet der Stadt Hagen liege, durch die beabsichtigte Erweiterung erstmals das Gebiet der Stadt Iserlohn betroffen sei und wegen der bereits sehr weitgehend erfolgten Bearbeitung des Verfahrens halte sie - die Bezirksregierung - es aus Gründen der Verfahrensökonomie und der Beschleunigung für sinnvoll, den Oberbürgermeister der Stadt Hagen als zuständige Behörde zu bestimmen.
19Unter dem 29. Januar 2010 reichte die Beigeladene bei der Beklagten einen Antrag nach § 16 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) zur Erweiterung ihres Steinbruchs in Richtung Osten ein. Danach ist geplant, im südlichen Bereich des Abgrabungsgeländes dieses auf einer Nord-Süd-Ausdehnung von etwa 240 m um rund 200 m nach Osten auszuweiten. Nördlich hiervon soll ein Streifen (im Zuge des Verfahrens gelegentlich als "Klinke" bezeichnet) zwischen dem vorhandenen Steinbruchgelände und der Stadtgrenze unberührt bleiben. Jenseits (östlich) der Stadtgrenze soll ein von Norden nach Süden 320 m langer und von Westen nach Osten zwischen 110 m und 140 m breiter Bereich ebenfalls abgegraben werden. Die neue ostwärtige Begrenzung des Steinbruchs würde danach auf einer gesamten Länge von 630 m rund 30 m ostwärts der Hochspannungsfreileitung verlaufen.
20In der Zeit vom 1. März bis zum 31. März 2010 lag der Antrag mit den zugehörigen Unterlagen in den Rathäusern der Klägerin und der Beklagten öffentlich aus. In der Bekanntmachung der Beklagten, die am 20. Februar 2010 in der örtlichen Presse erschien, heißt es hierzu: Der Antrag umfasse die Erweiterung des Steinbruchs um 9,6 ha auf nunmehr 44,6 ha Fläche. Der Steinbruch gehöre zu den unter Nr. 2.1 Spalte 1 des Anhangs der 4. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (4. BImSchV) genannten Steinbrüchen mit einer Abbaufläche von 10 ha oder mehr. Einwendungen gegen das Vorhaben könnten in der Zeit vom 1. März bis zum 15. April 2010 erhoben werden.
21Mit Schreiben vom 8. Februar 2010 leitete die Beklagte den Antrag der Beigeladenen u. a. der Klägerin "zur Prüfung und Stellungnahme" zu. Diese äußerte sich unter dem 16. März 2010: Der Rat und der Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung hätten sich ausführlich mit dem Vorhaben auseinandergesetzt. Die Erweiterungsabsichten der Beigeladenen würden aus grundsätzlichen Vorbehalten, insbesondere in Bezug auf Lärm, Erschütterungen, Stäube, Sprengtechnik, Aufbereitungsanlagen und Lagerstätten grundsätzlich abgelehnt. Die derzeit genehmigte Betriebsfläche habe eine Größe von ca. 35 ha. Die Erweiterungsfläche liege mit 9,6 ha zwar unterhalb der Größenordnung eines vorgeschriebenen Raumordnungsverfahrens, sie sei auf Grund der Größe des Gesamtabbaubereichs jedoch geeignet, die Belange der Raumordnung in einem förmlichen Verfahren prüfen zu lassen. Die grundsätzliche Annahme, dass die Rohstoffbasis des Produktionsstandorts Hohenlimburg als besonders hochwertig einzuschätzen sei und auf Grund des regionalen Bedarfs sichergestellt werden müsse, könne ebenfalls in einem landesplanerischen Verfahren geprüft werden. Die Erweiterungsfläche sowie der ausgewiesene Bereich mit zukünftiger Abbauperspektive auf weiteren rund 18,3 ha hätten eine besondere Bedeutung für die Naherholung der umliegenden Ortslagen. Es erscheine geboten, den gesamten Abbaubereich zukünftig dem Naturschutz zu widmen.
22Diese Ausführungen veranlassten die Beklagte zu einem Schreiben an die Klägerin vom 26. Juli 2010, in welchem es heißt: Nach § 36 Abs. 1 Satz 2 des Baugesetzbuches (BauGB) dürfe über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB im Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz nur im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden werden. Dem Schreiben der Klägerin vom 16. März 2010 sei zwar zu entnehmen, dass sie nach der Beratung im Rat der Stadt am 16. Februar 2010 dem Vorhaben ablehnend gegenüber stehe. Die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens sei damit tendenziell erkennbar, werde jedoch nicht konkret ausgedrückt und explizit erklärt. Um eine in jeder Hinsicht rechtlich einwandfreie Entscheidung treffen zu können, übersende sie - die Beklagte - erneut eine vollständige Ausfertigung des Genehmigungsantrags. Sie ersuche die Klägerin um die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens. Vorsorglich weise sie darauf hin, dass dieses nur aus planungsrechtlichen Gründen nach §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB versagt werden dürfe.
23Mit Schreiben an die Beklagte vom 24. September 2010 erklärte die Klägerin ausdrücklich, dass sie ihr Einvernehmen nicht erteile. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen auf ihren Flächennutzungsplan und den verbindlichen Gebietsentwicklungsplan (Regionalplan im Sinne der neueren Terminologie), die im Widerspruch zur geplanten Erweiterung des Steinbruchs ständen.
24Auf diese Ausführungen entgegnete die Beklagte unter dem 15. Oktober 2010: Der Regionalplan lege in Ziel 30 "Sicherung der Lagerstätten oberflächennaher nicht energetischer Bodenschätze" fest, dass innerhalb der in den Karten dargestellten Reservegebiete langfristig die Möglichkeit des Abbaus der Rohstoffe zu sichern sei. Die Karte 9 A lasse erkennen, dass das an Hagen angrenzende Gebiet von Iserlohn-Letmathe als Rohstoffabbaugebiet gekennzeichnet sei. Reservegebiete dürften für eine andere Nutzung nur in Anspruch genommen werden, wenn diese vorübergehender Art sei, die angestrebte Nutzung nicht außerhalb dieser Gebiete realisiert werden könne und sie die Nutzung der Lagerstätte langfristig nicht in Frage stelle. werde. Zwar widerspreche die derzeitige Darstellung der Erweiterungsfläche im Flächennutzungsplan der Klägerin diesem Ziel nicht. Diese sei jedoch nach § 1 Abs. 4 BauGB gehalten, ihre Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung anzupassen, was die Klägerin bislang versäumt habe. Angesichts dessen beständen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung des Einvernehmens. Es werde deshalb erwogen, dieses zu ersetzen.
25Mit Schreiben an die Beklagte vom 8. November 2010 hielt die Klägerin an ihrer Entscheidung fest.
26Mit Bescheid vom 5. Oktober 2011 genehmigte die Beklagte den Antrag der Beigeladenen vom 29. Januar 2010, wobei sie das gemeindliche Einvernehmen der Klägerin aus den Gründen ersetzte, die sie bereits unter dem 15. Oktober 2010 formuliert hatte.
27Am 8. November 2011 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung macht sie mit eingehenden Ausführungen geltend: Die Beklagte habe das Einvernehmen zu Unrecht ersetzt. Das Vorhaben der Beigeladenen widerspreche den Zielen des Gebietsentwicklungsplans aus September 2001, weil es entgegen dem Ziel 31 zum großen Teil außerhalb des festgesetzten Abgrabungsbereichs ausgeführt werde. Damit widerspreche das Vorhaben ihrem Flächennutzungsplan, der seinerseits mit dem Ziel 30 vereinbar sei und nicht angepasst werden müsse. Die Darstellung einer Fläche für die Landwirtschaft beeinträchtige die langfristige Möglichkeit des Rohstoffabbaus nicht.
28Die Klägerin beantragt,
29die immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Beklagten vom 5. Oktober 2011 zur Erweiterung und Betrieb des Steinbruchs T2. aufzuheben.
30Die Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Sie hält an ihrer Auffassung fest, wonach die Klägerin ihr Einvernehmen zu Unrecht versagt habe, weil der Gebietsentwicklungsplan dem Vorhaben nicht entgegenstehe.
33Die Beigeladene beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Unter Vorlage eines Rechtsgutachtens von Herrn Prof. Dr. C. (N1. ) vom 29. Oktober 2012 ist sie der Ansicht: Die Klägerin sei mit ihren Einwendungen gegen das Vorhaben bereits nach § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ausgeschlossen. Im Übrigen sei ihr Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich zulässig. Insbesondere scheitere es nicht an § 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB. Zum einen fehle es an der Raumbedeutsamkeit; zum anderen widerspreche es auch nicht Zielen der Raumordnung im Sinne dieser Vorschrift. Soweit das Vorhaben außerhalb der unmittelbaren Abgrabungsfläche nach dem Gebietsentwicklungsplan/Regionalplan ausgeführt werde, bewege es sich jedenfalls im Rahmen des auf der fehlenden Parzellenschärfe der Darstellung beruhenden Interpretationsspielraums.
36Am 6. September 2012 hat der Berichterstatter einen Erörterungstermin in Iserlohn-Letmathe und Hagen-Hohenlimburg durchgeführt. Auf die über diesen Termin gefertigte Niederschrift (Bl. 192 bis 196 der Akte) und die daselbst gefertigten Lichtbilder (Bl. 198 bis 203 der Akte) wird verwiesen.
37Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
39Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen den von der Beklagten erlassenen Verwaltungsakt zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an der in § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelten Klagebefugnis. Nach dieser Vorschrift setzt die Zulässigkeit der Anfechtungsklage voraus, dass der Kläger geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Aus dem prozessualen Vortrag des Klägers muss sich die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ergeben; ob diese tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit des Rechtsmittels. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin geltend, die Beklagte habe das nach § 36 Abs. 1 BauGB erforderliche gemeindliche Einvernehmen zu Unrecht ersetzt. In einer solchen Konstellation ist die betroffene Gemeinde grundsätzlich befugt, den ohne ihr Einvernehmen erlassenen Verwaltungsakt mit der Anfechtungsklage anzugreifen,
40vgl. nur Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 18. Auflage (2012), § 42 Rand-Nr. 138 a.
41Ob die Klägerin - wie insbesondere die Beigeladene meint - mit Einwendungen gegenüber dem Vorhaben der Beigeladenen ausgeschlossen ist, weil sie diese nicht rechtzeitig vorgetragen habe, ist nicht im Rahmen der Zulässigkeit der Klage zu erörtern. Die (materielle) Präklusion lässt die Klagebefugnis in aller Regel unberührt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verlust der Einwendungen offensichtlich ist,
42vgl. Kopp/Schenke a.a.O. § 42 Rand-Nr. 179; Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, 8. Auflage (2010) § 10 Rand-Nr. 98.
43Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin wird durch den angefochtenen Genehmigungsbescheid rechtswidrig in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), so dass der Bescheid aufzuheben ist. Die Klägerin hat ihr Einvernehmen in formeller und in materieller Hinsicht in Übereinstimmung mit den einschlägigen Vorschriften versagt; deshalb war es der Beklagten verwehrt, das Einvernehmen zu ersetzen.
44Am 24. September 2010 (Datum des betreffenden Schreibens, Eingang bei der Beklagten am selben Tage) war die Klägerin befugt, ihr Einvernehmen aus den in § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB bezeichneten Gründen zu versagen. Nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB gilt das gemeindliche Einvernehmen als erteilt, wenn es nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert wird. Diese Frist hat die Klägerin gewahrt: Das Ersuchen der Beklagten vom 26. Juli 2010 ging am 27. Juli bei der Klägerin ein, so dass das Versagungsschreiben vom 24. September 2010 rechtzeitig war.
45Die Klägerin war im September 2010 nicht gehindert, ihre Mitwirkungsrechte aus § 36 BauGB auszuüben. Diese Vorschrift wird weder in formeller Hinsicht (Notwendigkeit des Einvernehmens, § 36 Abs. 1 BauGB) noch hinsichtlich ihres materiellen Gehalts (Versagungsgründe nach § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB) von den Präklusionsvorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verdrängt. Nach § 10 Abs. 3 Sätze 4 und 5 BImSchG sind innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der in § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG bestimmten Auslegungsfrist Einwendungen schriftlich zu erheben. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Die Obliegenheit, form- und fristgerecht Einwendungen zu erheben, trifft nach dem den Beteiligten bekannten
46Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2008 - 7 B 19.08 -, zitiert nach "Juris"
47auch eine Gemeinde, die sich die Möglichkeit offen halten will, ihre Rechte notfalls im Klagewege geltend zu machen. Zu den Rechten, die eine Gemeinde zwingend in dem Verfahren nach § 10 Abs. 3 BImSchG im Wege der Einwendung geltend machen muss, gehören indessen nicht die Befugnisse nach § 36 BauGB. Schließt - wie hier - die Genehmigung nach § 13 BImSchG die für das Vorhaben notwendige Baugenehmigung ein, wird dem Antragsteller als Ergebnis des Verwaltungsverfahrens zwar nur ein Bescheid erteilt. Dieser enthält jedoch auf der Grundlage unterschiedlicher materieller Rechtsvorschriften mehrere Regelungen, die selbstständig nebeneinander bestehen (können). Wird etwa die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 18 Abs. 2 BImSchG unwirksam, weil das (immissionsschutzrechtliche) Genehmigungserfordernis aufgehoben wird, berührt dies nicht die Wirksamkeit der von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung eingeschlossenen Baugenehmigung; diese bleibt vielmehr einschließlich der mit ihr verbundenen Nebenbestimmungen bestehen,
48vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. März 1993 - 21 A 1691/89 -, Baurechtssammlung (BRS) Band 55 Nr. 153 = Baurecht (BauR) 1993 S. 706.
49Den in einem Bescheid nach § 13 BImSchG zusammengefassten mehreren Genehmigungen materieller Art korrespondieren die Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes über das Genehmigungsverfahren: Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG muss der Antragsteller sämtliche Unterlagen einreichen, die zur Prüfung nach § 6 BImSchG erforderlich sind. Nach dieser Vorschrift ist die Genehmigung zu erteilen, wenn die Pflichten des Immissionsschutzes erfüllt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) und wenn andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegen stehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Die in § 6 Abs. 1 BImSchG angelegte Unterscheidung muss bei der Beantwortung der Frage im Blick behalten werden, mit welchen Einwendungen eine Gemeinde nach § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG präkludiert ist. Hierzu zählen jedenfalls nicht die planungsrechtlichen Gründe, die in § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB genannt sind. Das Erfordernis des gemeindlichen Einvernehmens für ein Vorhaben nach §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB besteht auch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung,
50vgl. Jarras aaO § 13 Rdnr. 8 a.
51Das Einvernehmenserfordernis entfällt nicht deshalb, weil die Genehmigungsbehörde nach § 10 Abs. 5 BImSchG u. a. die Standortgemeinden zu beteiligten hat,
52vgl. Jarras aaO § 10 Rdnr. 45.
53Äußert sich eine Gemeinde auf der Grundlage von § 10 Abs. 5 Satz 1 BImSchG gegenüber der Genehmigungsbehörde, ersetzt diese Stellungnahme nicht die von der Gemeinde zu treffende eigene Entscheidung, sofern sie nicht sogleich mit der Stellungnahme ausdrücklich auch ihr Einvernehmen erteilt, woran sie nicht gehindert ist,
54vgl. Dietlein in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 10 BImSchG Rdnr. 102.
55Wenn allerdings schon die Beteiligung der Gemeinde in dem Verfahrensabschnitt nach § 10 Abs. 5 BImSchG deren Entscheidung nach § 36 BauGB nicht entbehrlich macht, kann das Einvernehmenserfordernis auch nicht dadurch wegfallen, dass die Gemeinde keine Einwendungen nach § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG erhebt. Auch die Beklagte und die Beigeladene sind ersichtlich nicht der Auffassung, eine Gemeinde müsse unter dem Gesichtspunkt des Einvernehmens überhaupt nicht mehr beteiligt werden, sofern sie sich innerhalb der Auslegungsfrist und den sich daran anschließenden zwei Wochen nicht geäußert habe; andernfalls hätte die Beklagte die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 26. Juli 2010 nicht ausdrücklich um die Erteilung des Einvernehmens ersucht. Indem § 10 BImSchG - sei es mit der in Absatz 3 Sätze 4 und 5 getroffenen Regelung, sei es mit Absatz 5 - § 36 BauGB nicht verdrängt, bleiben der Gemeinde bei der Entscheidung über die Erteilung (oder Versagung) des Einvernehmens sämtliche Gründe aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB unabhängig davon erhalten, ob und wie sie sich zuvor im Verfahren nach § 10 BImSchG erklärt hat. Andernfalls hätten sich die Klägerin und auch die Beklagte im Sommer 2010 in der geradezu grotesken Situation befunden, dass einerseits eine Entscheidung der Klägerin benötigt wird, die andererseits gar keine Entscheidung im eigentlichen Sinne ist, weil die Versagung des Einvernehmens nicht mehr möglich ist. Lässt nach alledem § 10 BImSchG die Vorschriften des § 36 BauGB unberührt, verbietet sich die Annahme, eine Gemeinde müsse zur Vermeidung eines Rechtsverlusts auf der Grundlage von § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG auch diejenigen Gesichtspunkte als Einwendung erheben, die dem Regelungsbereich des § 36 BauGB unterliegen.
56Der hier vertretenen Ansicht steht nicht entgegen, dass nach wohl herrschender Auffassung die sogenannten Jedermanns-Einwendungen auch bauplanungsrechtliche Gesichtspunkte zum Gegenstand haben können,
57vgl. Dietlein aaO § 10 Rdnr. 126.
58Denn die Allgemeinheit ist am immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nur nach Maßgabe von § 10 BImSchG beteiligt, während die Gemeinde einerseits nach § 10 Abs. 5 BImSchG eine Stellungnahme abgibt und sie andererseits ihr bauplanungsrechtliches Einvernehmen zu erteilen hat. Die verschiedenen Arten der Beteiligung rechtfertigen die unterschiedliche Behandlung der Gemeinden im Vergleich mit der Allgemeinheit.
59Im Übrigen hat die Klägerin innerhalb der Frist des § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG exakt die Einwendung erhoben, aus der sie später (Schreiben vom 24. September 2010) ihr Einvernehmen versagt hat. Zwar genügt es zur Wahrung der Rechte der Gemeinde im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren grundsätzlich nicht, wenn diese sich als eine an dem Verfahren beteiligte Behörde äußert; vielmehr sind die sogenannte Behördenanhörung und die Betroffenenanhörung streng zu trennende Verfahrensschritte,
60vgl. den allen Beteiligten bekannten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. August 2005 - 11 A 4823/03 -, "Juris".
61Die danach erforderliche Trennung der beiden Ebenen der gemeindlichen Beteiligung an einem Genehmigungsverfahren ist jedoch nicht dahin zu verstehen, dass die Gemeinde zwei äußerlich getrennte Äußerungen abgeben müsste. Es wäre praxisfern, von der Gemeinde zu verlangen, zwei Schreiben - womöglich unter dem selben Datum - an die Genehmigungsbehörde zu richten, von denen eines die Stellungnahme nach § 10 Abs. 5 BImSchG verkörpert, während das andere Einwendungen im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG enthält. Es spricht vielmehr nichts gegen die Zusammenfassung in einem Schriftstück, wenn dessen Inhalt aus dem für die Auslegung maßgeblichen Empfängerhorizont
62vgl. OVG NRW a.a.O. Rand-Nr. 12
63hinreichend deutlich erkennen lässt, dass die Gemeinde eigene Rechtspositionen wahren will. Im vorliegenden Fall lag der Antrag der Beigeladenen vom 1. März 2010 bis zum 31. März 2010 einschließlich öffentlich aus; die Einwendungsfrist endete am 15. April 2010. Das in den Akten der Beklagten abgeheftete Schreiben der Klägerin vom 16. März 2010 trägt zwar keinen Eingangsstempel; es spricht jedoch alles für einen Eingang wenige Tage nach diesem Datum. Dort berichtet die Klägerin zunächst, sowohl ihr Rat als auch der Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung hätten sich "ausführlich" mit dem Vorhaben auseinander gesetzt. In ihren weiteren Ausführungen verweist die Klägerin auf die Größe des Gesamtabbaubereichs, die geeignet sei, die Belange der Raumordnung in einem förmlichen Verfahren prüfen zu lassen. Sie fordert ein "landesplanerisches Verfahren", befürchtet den dauerhaften Verlust von etwa vier Hektar Waldfläche und eine Beeinträchtigung der Naherholung der umliegenden Ortslagen. Mit diesen Ausführungen, die von einem dafür offensichtlich zuständigen Ressortleiter unterschrieben sind, machte die Klägerin jedenfalls dem Sinne nach geltend, die Beklagte sei nicht befugt, das Vorhaben auf der Grundlage des bestehenden Planungsrechts (§ 35 BauGB, Gebietsentwicklungsplan / Regionalplan 2001) zuzulassen. Für die Beklagte war mithin aufgrund des Vorbringens der Klägerin hinreichend erkennbar, in welcher Weise sie - die Beklagte - bestimmte Belange einer näheren Betrachtung unterziehen sollte,
64vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2008, Rand-Nr. 10 der bei "Juris" veröffentlichten Fassung.
65Die Beklagte hat die Ausführungen der Klägerin auch durchaus zutreffend erfasst. In ihrem Schreiben vom 26. Juli 2010 stellt sie nämlich fest, die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens werde "tendenziell erkennbar", jedoch nicht konkret ausgedrückt und expliziert erklärt. Mit anderen Worten: Auch aus der Sicht der Beklagten ("Empfängerhorizont") war das Schreiben der Klägerin nicht als bloße Behördenverlautbarung anzusehen, sondern als förmliche Einwendung der von dem Vorhaben der Beigeladenen betroffenen Gebietskörperschaft. Die Klägerin hat somit rechtzeitig vorgetragen, das Vorhaben der Beigeladenen sei ohne planerische Maßnahmen unzulässig, so dass sie - die Klägerin - befugt sei, die Unvereinbarkeit mit § 35 BauGB über § 36 Abs. 1 BauGB geltend zu machen.
66Die Entscheidung der Beklagten, das versagte Einvernehmen der Klägerin zu ersetzen, war rechtswidrig. Dieser Umstand begründet die Rechtswidrigkeit des Genehmigungsbescheides insgesamt, so dass er auf die Klage hin aufzuheben ist.
67Nach § 2 Nr. 4 des Ersten Gesetzes zum Bürokratieabbau vom 13. März 2007 (GV NRW Seite 133) kann die zuständige Bauaufsichtsbehörde das fehlende Einvernehmen ersetzen, wenn die Gemeinde ihr nach § 36 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauGB erforderliches Einvernehmen rechtswidrig versagt hat. Zwar ist die Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht als Bauaufsichtsbehörde tätig geworden. Weil § 2 Nr. 4 a) jenes Gesetzes jedoch ausdrücklich § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB anspricht, der die Notwendigkeit des gemeindlichen Einvernehmens für andere Verfahren begründet, in denen über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB entschieden wird, gilt die Ersetzungsbefugnis entsprechend für die in jenen Verfahren zuständigen Behörden,
68vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2009 - 8 B 572/09 -, BRS Band 74 Nr. 160 = BauR 2009 S. 1565.
69Die Ersetzung setzt allerdings die rechtswidrige Versagung des Einvernehmens voraus (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB), an der es hier fehlt. Die Entscheidung der Klägerin, zum Vorhaben der Beigeladenen das Einvernehmen nicht zu erteilen, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
70Nach § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB darf das gemeindliche Einvernehmen nur aus Gründen versagt werden, die sich aus §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergeben. Im vorliegenden Fall ist das Vorhaben der Beigeladenen nach § 35 BauGB unzulässig, so dass die Klägerin die Versagung ihres Einvernehmens auf einen statthaften Gesichtspunkt stützt. Die Erweiterung des Steinbruchs dürfte ein nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiertes Vorhaben sein, weil es einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient. Angesichts dessen dürfte es nicht an den abweichenden Darstellungen des Flächennutzungsplans der Klägerin (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) und auch nicht daran scheitern, dass es die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Auch sonstige öffentliche Belange, die in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft aufgeführt sind, dürften dem standortgebundenen Vorhaben nicht entgegen stehen.
71Das Vorhaben der Beigeladenen ist allerdings mit § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB nicht vereinbar. Hiernach dürfen raumbedeutsame Vorhaben den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen. Ob auf das streitgegenständliche Objekt (auch) § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB anzuwenden ist, braucht in diesem Zusammenhang nicht erörtert zu werden. Abweichend von dem Rechtsgutachten von Herrn Professor Dr. C. (Seite 18 f. daselbst) ist die Kammer nicht der Auffassung, § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB sei die speziellere und insoweit auch § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB verdrängende Vorschrift. Bereits § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB enthält zwei Tatbestände, indem dort einerseits die "negative" und andererseits die "positive" Wirkung von Zielen der Raumordnung geregelt wird; Satz 3 zielt darauf ab, durch positive Standortzuweisungen privilegierter Nutzungen an einzelnen Stellen des Plangebiets den übrigen Planungsraum von diesen Anlagen freihalten zu können,
72vgl. Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 11. Auflage (2009) § 35 Rand-Nrn. 72 ff.
73Jede der in § 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB getroffenen Regelungen beansprucht ihre Geltung jeweils aus sich heraus und ohne Beziehung zu den übrigen. Ein raumbedeutsames Vorhaben darf nach § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB den Zielen der Raumordnung unabhängig davon nicht widersprechen, ob (auch) § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 oder § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB einschlägig sind.
74Das Vorhaben der Beigeladenen ist raumbedeutsam im hier interessierenden Sinne. In den Blick zu nehmen ist hierbei nicht die Erweiterungsfläche von 9,6 Hektar, sondern der Steinbruchbetrieb insgesamt. Der Bereich, in dem die Beigeladene demnächst ihrer Tätigkeit nachgehen will, entzieht sich einer gesonderten Betrachtung schon deshalb, weil er mit dem vorhandenen Betrieb eine untrennbare funktionale Einheit bildet. Gegenstand des Antrags und der Genehmigung ist mithin nicht das Vorhaben "Abgrabung auf einer Fläche von 9,6 Hektar", sondern das Vorhaben "Erweiterung eines Steinbruchs von 35 Hektar Fläche auf insgesamt 44,6 Hektar Fläche". Dieses Verständnis des Antrags wird sowohl von der Beigeladenen als auch von der Beklagten und schließlich von der Bezirksregierung Arnsberg geteilt: Auf Seite 2 der Unterlagen zum Antrag vom 29. Januar 2010 heißt es "Zuordnung gem. 4. BImSchV: Nr. 2.1, Spalte 1"; in der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung zitiert die Beklagte dieselbe Nummer. Diese betrifft allerdings Steinbrüche von mehr als 10 Hektar, während Steinbrüche von weniger als 10 Hektar in der Spalte 2 bezeichnet werden. Die Auffassung der Bezirksregierung kommt in deren Schreiben an die Beklagte vom 25. September 2012 eindeutig zum Ausdruck. Danach ist der Steinbruch der Beigeladenen "einschließlich der geplanten Erweiterung" als raumbedeutsam anzusehen. Soweit Professor Dr. C. die Raumbedeutsamkeit des Vorhabens mit der Erwägung in Frage stellt, der bereits genehmigte und seit langem betriebene Steinbruch liege innerhalb eines regionalplanerisch ausgewiesenen Abbaubereichs, so dass er planerisch gesichert sei, folgt die Kammer dieser Überlegung nicht. Die Raumbedeutsamkeit eines Vorhabens ist ein objektiv festzustellendes Tatbestandsmerkmal, das die unter anderem in § 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB bestimmten Rechtsfolgen auslöst. Wenn bezüglich eines raumbedeutsamen Vorhabens planerische Abwägungen stattgefunden haben und als Abwägungsergebnis die planungsrechtliche Zulässigkeit festgestellt worden ist, darf es ausgeführt werden und wird die notwendige Genehmigung erteilt. Der planerische Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis selbst lassen jedoch die Raumbedeutsamkeit als solche nicht gleichsam rückwirkend entfallen.
75Selbst wenn - abweichend von der hier vertretenen Auffassung - das Merkmal der Raumbedeutsamkeit des Vorhabens nur anhand der zusätzlichen Abgrabungsfläche beurteilt würde, stände sie außer Frage. Dem steht nicht entgegen, dass § 1 Nr. 17 der Raumordnungsverordnung (RoV) Vorhaben bezeichnet, die eine Gesamtfläche von 10 Hektar oder mehr beanspruchen. Hierbei handelt es sich nicht um ein Kriterium, das geeignet wäre, raumbedeutsame Maßnahmen von solchen nicht raumbedeutsamer Qualität abzugrenzen. Das zeigt bereits § 1 Satz 1 RoV. Denn danach soll für die in den Nummern 1 bis 19 aufgeführten Planungen und Maßnahmen ein Raumordungsverfahren durchgeführt werden, wenn sie im Einzelfall raumbedeutsam sind und überörtliche Bedeutung haben. Ein Vorhaben, das mehr als 10 Hektar Raum beansprucht, kann nach den Vorstellungen der Raumordnungsverordnung also durchaus nicht raumbedeutsam sein. Umgekehrt schließt die Verordnung nicht die Feststellung aus, dass ein Vorhaben von weniger als 10 Hektar beanspruchter Fläche raumbedeutsam sein kann. Hätte der Gesetz- oder Verordnungsgeber die Raumbedeutsamkeit von einer bestimmten Größenordnung abhängig machen wollen, hätte er hierzu in § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG Gelegenheit gehabt. Dort stellt er indessen gerade nicht auf konkrete Werte ab, sondern (unter anderem) darauf, ob die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebiets beeinflusst wird. Dies jedoch ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
76vgl. den Beschluss vom 2. August 2002 - 4 B 36.02 -, BRS Band 65 Nr. 96 = BauR 2003 S. 837,
77eine Frage der Würdigung des Einzelfalls. Kommt es allerdings auf den Einzelfall und dessen Umstände an, verbietet sich von vornherein die Annahme, es fehle an der Raumbedeutsamkeit eines Vorhabens, wenn ein bestimmtes Kriterium (hier: Flächenbedarf von als 10 Hektar oder mehr) nicht erfüllt werde.
78Das Vorhaben der Beigeladenen ist raumbedeutsam im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB. Dass der Steinbruch einschließlich der jetzt genehmigten Erweiterung dieses Merkmal erfüllt, wird ernsthaft von keinem der Verfahrensbeteiligten bestritten. Gleiches gilt, wenn nur die Erweiterung in den Blick genommen wird. In seinem
79Urteil vom 13. März 2003 - 4 C 4.02 -, BRS Band 66 Nr. 10 = BauR 2003 S. 1165
80zitiert das Bundesverwaltungsgericht die Vorinstanz (Oberverwaltungsgericht für das Land Rheinland-Pfalz), welches sich die Einschätzung des Verwaltungsgerichts zu Eigen gemacht habe, die von dem (dortigen) Kläger geplante Anlage sei raumbedeutsam, weil sie wegen ihrer Größe und wegen der vom Standort aus bestehenden Fernsicht erheblich auf den Raum und seine Landschaft einwirke (Rand-Nr. 11 der bei "Juris" veröffentlichten Urteilsfassung). Genau diese Kriterien sind auch im vorliegenden Verfahren diejenigen, welche die Raumbedeutsamkeit des Vorhabens der Beigeladenen begründen. Das Landschaftsbild zwischen Hagen Hohenlimburg und Iserlohn-Letmathe wird infolge der Maßnahme der Beigeladenen eine nachhaltige Veränderung erfahren. Das Gelände, das westlich der Hochspannungsleitung im Süden 220 m über NN und im Norden 230 m über NN liegt, soll im Zuge des genehmigten Vorhabens auf etwa 140 m über NN im Süden und etwa 170 m über NN im Norden abgegraben werden. Es sind 10 m bis 24 m hohe Böschungen mit einer Neigung von 60° bis 75° und Bermen von jeweils 5 m Breite vorgesehen. Die derzeit bestehende Anhöhe oberhalb des ehemaligen Anwesens "B. " wird also in beträchtlichem Umfang abgetragen werden. Zwar wird der Steinbruch als solcher von dem Gebiet der Klägerin aus nicht zu sehen sein, weil der Abbau von der Hohenlimburger Seite aus erfolgen wird. Dies ändert indessen nichts daran, dass die Landschaft und insbesondere das Landschaftsbild im Vollzug des Vorhabens der Beigeladenen auf Dauer verändert werden wird. Die Raumbedeutsamkeit ist damit offenkundig.
81Das Vorhaben der Beigeladenen widerspricht den Zielen der Raumordnung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB. Denn es ist mit Ziel 31 Abs. 1 Satz 1 GEP nicht vereinbar. Die dort getroffene Regelung, wonach die oberirdische Gewinnung von Bodenschätzen nur innerhalb der zeichnerisch dargestellten Bereiche erfolgen darf, ist ein Ziel der Raumordnung und nicht etwa "nur" ein raumordnerischer Grundsatz. In I.2 GEP (Seite 7) wird unter der Überschrift "Rechtliche Grundlagen und rechtliche Wirkungen" sehr deutlich zwischen Grundsätzen der Raumordnung und Zielen der Raumordnung und Landesplanung unterschieden, wobei letztere von allen öffentlichen Stellen und von Personen des Privatrechts in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten sind. Angesichts dessen kann es nicht zweifelhaft sein, dass der seinerzeitige Bezirksplanungsrat "Ziele" im Rechtssinne gemeint hat, wenn und soweit er solche formuliert.
82Das Vorhaben der Beigeladenen widerspricht Ziel 31 Abs. 1 Satz 1 GEP, weil es nicht innerhalb des zeichnerisch dargestellten Abgrabungsbereichs ausgeführt wird. Dies wird von der Beklagten und der Beigeladenen auch gar nicht bestritten. Unabhängig davon, wo die ostwärtige Grenze des Abgrabungsbereichs geographisch exakt zu ziehen ist, soll sich das Vorhaben der Beigeladenen nach Osten noch über den derzeitigen Verlauf der Hochspannungsleitung hinaus erstrecken. Diese Leitung befindet sich in ihrer gesamten Länge außerhalb des Abgrabungsbereichs. Zwar dürfte es zutreffen, dass - wie seitens der Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung erläutert wurde - die Leitung auf den Karten zum Gebietsentwicklungsplan zu weit östlich eingetragen ist. Denn danach verlässt sie nördlich der Ortschaft P1. das Hagener Stadtgebiet und bleibt auf der Iserlohner Seite der Grenze, während sie ausweislich der zum Antrag der Beigeladenen gehörenden Grundkarte und auch nach dem Kartenmaterial der Landesvermessungsverwaltung (Bezirksregierung Köln, vgl. oben) nördlich von P1. noch einmal die Grenze schneidet und auf einer Länge von gut 30 m auf Hagener Gebiet liegt. Dies ändert indessen nichts an der Erkenntnis, dass sich das streitgegenständliche Vorhaben in beträchtlichem Umfang außerhalb der von Ziel 31 Abs. 1 Satz 1 GEP gemeinten Fläche befindet. Auch die Beklagte und die Beigeladene behaupten nicht ernsthaft, die Erweiterung des Steinbruchs bewege sich voll und ganz innerhalb des Abgrabungsbereichs. Es wird lediglich diskutiert, ob die Erweiterungsfläche mit etwa 8 Hektar (so die Bezirksregierung in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 25. September 2012) oder mit weniger als 6 Hektar (so Professor Dr. C. auf Seite 9 seines Gutachtens) außerhalb des Abgrabungsbereichs liegt. Die Unvereinbarkeit des Vorhabens mit Ziel 31 Abs. 1 Satz 1 GEP ist danach offensichtlich. Die Formulierung "darf nur innerhalb der zeichnerisch dargestellten Bereiche erfolgen" ist klar und eindeutig: Außerhalb dieser Bereiche darf nicht abgegraben werden, wobei es gleichgültig ist, ob die außerhalb gelegene Fläche 8 Hektar, 6 Hektar oder möglicherweise nur 5 Hektar umfasst.
83Die Kammer folgt nicht den Überlegungen von Herrn Professor Dr. C. , wonach eine Unvereinbarkeit des Vorhabens mit Ziel 31 GEP gleichwohl nicht vorliege. Soweit der Gutachter - in Übereinstimmung mit der Beklagten, den Prozessbevollmächtigten zu 1. der Beigeladenen und der Bezirksregierung Arnsberg - auf die nicht parzellenscharfe Darstellung des in Rede stehenden Abgrabungsbereichs hinweist und den Interpretationsspielraum anführt, den das Verwaltungsgericht zu respektieren habe, verkennt auch die Kammer nicht, dass ein Regionalplan unvermeidlich gröbere Darstellungen enthält als der Flächennutzungsplan einer Gemeinde oder gar ein Bebauungsplan. Richtig ist zudem, dass die von einer Verwaltungsentscheidung Betroffenen und das Verwaltungsgericht behördliche Interpretationsmöglichkeiten ebenso hinzunehmen haben wie Beurteilungsspielräume oder Ermessensentscheidungen, von denen Letztere nur nach Maßgabe von § 114 VwGO einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Allerdings darf die Behörde in keinem dieser drei Bereiche die ihr gesetzten rechtlichen Grenzen überschreiten; tut sie dies, ist ihre Entscheidung rechtswidrig und auf eine dagegen angestrengte Klage aufzuheben. Die Befugnis der Beklagten und der Bezirksregierung, Ziel 31 Abs. 1 Satz 1 GEP in Verbindung mit dem zeichnerisch dargestellten Abgrabungsbereich zu interpretieren, findet jedoch wie jede Form der Auslegung ihre Grenze am Wortlaut der auszulegenden Vorschrift,
84vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Oktober 1991 - 1 BvR 850/88 -, zitiert nach "Juris", Rand-Nr. 18.
85Auf den vorliegenden Fall übertragen ist der "Wortlaut der Norm" die zeichnerische Darstellung der Abgrabungsfläche, die übrigens entgegen der verschiedentlich geäußerten Annahme der Beklagten und der Beigeladenen keineswegs 2 mm stark ist. Das Zeichen 2.e)eb) der 3. DVO zum Landesplanungsgesetz zeigt vielmehr eine sehr dünne Linie (wie bei dem Zeichen ea)), auf welcher nach innen weisende Dreiecke aufsitzen. Die Ungenauigkeit wird im vorliegenden Fall nicht durch die Grenze des Abgrabungsbereichs, sondern durch die in der Tat nahezu 2 mm starke Darstellung der Stadtgrenze hervorgerufen. Die äußerste Grenze einer Interpretation, die einer gerichtlichen Kontrolle entzogen ist, mag sich danach irgendwo zwischen der Stadtgrenze Hagen-Iserlohn im Westen und der Hochspannungsleitung im Osten bewegen. Die Annahme, die der Beigeladenen genehmigte Abgrabung sei mit Ziel 31 Abs. 1 Satz 1 GEP vereinbar, obwohl sie nicht nur bis zu dieser Leitung ausgeführt wird, sondern deren Linienverlauf noch um rund 30 m nach Osten überschreitet, ist jedenfalls von einem wie auch immer verstandenen Interpretationsspielraum nicht mehr gedeckt.
86Das Vorhaben der Beigeladenen kann auch nicht aufgrund der Ausnahmevorschrift in Ziel 31 Abs. 1 Satz 2 GEP zugelassen werden. Diese Regelung betrifft ausschließlich genehmigte Abgrabungen außerhalb der Abgrabungsbereiche, während sich der genehmigte Steinbruch der Beigeladenen derzeit voll und ganz innerhalb des für ihn festgelegten Abgrabungsbereichs bewegt. Die Kammer teilt nicht die Auffassung von Herrn Professor Dr. C. , wonach Ziel 31 Abs. 1 Satz 2 GEP das in Ziel 31 Abs. 1 Satz 1 GEP enthaltene Verbot deutlich abschwäche (Seite 30 des Gutachtens). Dem Bezirksplanungsrat war seinerzeit bewusst, dass mit Ziel 31 Abs. 1 Satz 1 GEP sämtliche vorhandenen und genehmigten Abgrabungen "auf den Bestandschutz gesetzt" würden, so dass sie nicht erweitert werden könnten, auch wenn dies wirtschaftlich notwendig und planerisch durchaus vertretbar wäre. Für diese - und nur für diese - Konstellation hat der Plangeber die Ausnahmevorschrift erlassen, die deshalb nicht auf solche Abgrabungen übertragen werden kann, die sich innerhalb eines Abgrabungsbereichs bewegen und - wie hier - auch beträchtliches Ausdehnungspotential auf einer Reservefläche haben.
87Die Kammer folgt schließlich Herrn Professor Dr. C. auch nicht in der Ansicht, Ziel 31 Abs. 1 Satz 1 GEP solle eine Abgrabung in dem benachbarten Reservegebiet nicht ausschließen (Seite 30 f des Gutachtens). Die Ziele 30 und 31 GEP haben eine unterschiedliche Funktion: Ziel 31 GEP gestattet ohne Weiteres den Abbau von Bodenschätzen in den ausgewiesenen Abbaubereichen "jetzt und heute", während Ziel 30 GEP Reserveflächen darstellt, die erst später zum Abbau anstehen werden. Deshalb dürfen sie nicht für Nutzungen in Anspruch genommen werden, die den späteren Abbau unmöglich machen oder wesentlich erschweren. Die Erläuterungen zu Ziel 30 GEP verdeutlichen das Zusammenwirken der beiden Regelungen: Die Abgrabungsbereiche dienen einer Bedarfsdeckung für 25 Jahre, gerechnet ab 2001 (Aufstellung des Gebietsentwicklungsplans), während die Reservegebiete für den späteren Abbau, also nach Ablauf dieser 25 Jahre, vorgesehen sind. Die Reservegebiete stehen jedenfalls heute einem Abbau entgegen, weil sie (noch) keine Abgrabungsbereiche sind. Die Umwandlung dieser Flächen ist ersichtlich einer späteren Überarbeitung des Regionalplans vorbehalten, die (möglicherweise) um das Jahr 2025 anstehen könnte.
88Die Annahme des Bezirksplanungsrats im Jahre 2001, wonach der seinerzeit ausgewiesene Abgrabungsbereich den Bedarf der Beigeladenen für etwa 25 Jahre decke, ist im Übrigen bislang nicht widerlegt. Es spricht vielmehr überschlägig alles dafür, dass die seinerzeitige Einschätzung weiterhin zutreffend ist. Bereits auf der genehmigten Fläche kann die Beigeladene ihre Tätigkeit noch einige Jahre fortsetzen. Hätte sie zudem in ihre Erweiterungsplanungen die im Verfahren als "Klinke" bezeichnete Fläche westlich der Stadtgrenze und nördlich der beabsichtigten Erweiterung einbezogen, könnte sie ihren Betrieb mit Sicherheit noch 12 oder 13 Jahre aufrecht erhalten, ohne auf die bislang nicht als Abgrabungsbereich ausgewiesene Reservefläche zugreifen zu müssen. Dass die Beigeladene zunächst (bis zum Spätsommer 2012) keinen Zugriff auf die "Klinke" hatte, ist keine Rechtfertigung für die Inanspruchnahme eines Bereichs, der derzeit nach den Zielen der Raumordnung für Abgrabungen nicht in Betracht kommt.
89Nach alledem erweist sich die Klage auf der Grundlage der heutigen Rechtssituation als begründet. Dass die Klägerin eine Erweiterung des Steinbruchs ungeachtet des Widerstandes der Bewohner von Letmathe nicht wird verhindern können, wenn der Regionalrat den Gebietsentwicklungsplan/Regionalplan ein weiteres Mal (es haben bereits neun Änderungen stattgefunden) ändert und die Reservefläche in einen Abgrabungsbereich umwandelt, ist für das vorliegende Verfahren ohne Belang.
90Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO. Die unterliegende Beigeladene ist an den Kosten zu beteiligten, weil sie einen Sachantrag gestellt hat.
91Die Kammer lässt die Berufung zu, weil die Streitsache mehrere Fragen aufwirft, denen grundsätzliche Bedeutung zukommen dürfte.
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