Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Es wird festgestellt, dass die Bezeichnung des Erzeugnisses "Tillman's Wiener Schnitzel vom Schwein - mit 30 % Würzpanade hergestellt ... vorgebacken + tiefgefroren" der Klägerin, das Gegenstand der Beanstandung der Beklagten vom 3. Juli 2008 ist, kennzeichnungsrechtlich nicht gegen § 11 Abs. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches verstößt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist u.a. Herstellerin panierter Schweineschnitzel, die sie in Fertigpackungen unter der Bezeichnung "Tillman's Wiener Schnitzel vom Schwein" über verschiedene Betriebe des Lebensmitteleinzelhandels in den Verkehr bringt. Die Fertigpackungen enthalten als Angaben zur Zusammensetzung des Erzeugnisses:
3"Schweinefleisch (72 %), Panade (Weizenmehl - Gluten, Wasser, Salz, Hefe, Gewürze, modifizierte Weizenstärke -, Speisesalz, Gewürze, Pflanzenöl, Vollei".
4Am 26. März 2008 entnahm ein Lebensmittelkontrolleur der Beklagten in der Filiale der Fa. Aldi in Lippetal-Oestinghausen eine Probe des genannten Erzeugnisses, die noch am selben Tage zum Chemischen Untersuchungsamt der Stadt I transportiert wurde. Mit dessen Gutachten vom 29. April 2008 wurde die Probe wegen ihrer Kennzeichnung beanstandet. Zur Begründung ist ausgeführt: Nach Art. 8 VO (EG) 178/2002 müssten Praktiken, die den Verbraucher irreführten, verhindert werden; dazu zähle auch eine irreführende Kennzeichnung, Werbung oder Aufmachung von Lebensmitteln. Eine entsprechende Regelung enthalte auch § 11 Abs. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFBG). Nach allgemeiner Verkehrsanschauung sei das Charakteristische an einem "Wiener Schnitzel", dass es aus Kalbfleisch hergestellt sei. Panierte Scheiben aus dem Fleisch anderer Tiere würden hingegen als "Schweineschnitzel paniert" o.ä. bezeichnet. Die Bezeichnung eines Produktes aus einer panierten Schweinefleischscheibe als Wiener Schnitzel sei daher zur Irreführung des Verbrauchers geeignet, auch wenn ein Hinweis auf die zutreffende Tierart gegeben werde.
5Daraufhin hörte die Beklagte den Geschäftsführer U. der Klägerin mit Schreiben vom 3. Juli 2008 im Hinblick auf die beabsichtigte Festsetzung einer Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 59 Abs. 1 Nr. 7, 60 Abs. 1 und 5 LBFG an. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin machten daraufhin geltend: Ein Verstoß gegen § 11 LFGB setze voraus, dass das betreffende Erzeugnis unter einer Bezeichnung in den Verkehr gebracht werde, die mit der berechtigten Erwartung der Verbraucher nicht übereinstimme. Das ziele auf die allgemeine Verkehrsauffassung ab, wie sie auch in § 4 Abs. 1 Nr. 1 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV) erwähnt werde. Die Bezeichnung "Wiener Schnitzel vom Schwein" sei eine in diesem Sinne zulässige, weil übliche Bezeichnung für ein Erzeugnis der hier in Rede stehenden Art. Soweit Ziffer 2.508.1 der sog. "Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse" (i.F. kurz: Leitsätze) erwähne, ein "Wiener Schnitzel" sei ein paniertes Kalbsschnitzel, könne daran nicht mehr festgehalten werden. Aber selbst wenn man das anders sehe, sei ein Verstoß gegen § 11 LFGB ausgeschlossen, da keine Irreführung des verständigen und interessierten Verbrauchers, auf den abzustellen sei, vorliege. Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richteten, nähmen zunächst die Verkehrsbezeichnung zur Kenntnis und läsen sodann ggf. noch das Zutatenverzeichnis. Schon der dem Begriff "Wiener Schnitzel" beigefügte Zusatz "vom Schwein" mache dem Verbraucher klar, dass es sich um ein Erzeugnis handele, das unter Verwendung von Schweine- statt Kalbfleisch hergestellt worden sei. Der Verbraucher könne daher in keinem Fall der irrigen Annahme unterliegen, es handele sich um ein Produkt aus Kalbfleisch. Darüber hinaus werde aber auch in der Zutatenliste deutlich darauf hin gewiesen (Schweinefleisch 72 %).
6Mit Bußgeldbescheid vom 29. September 2008 setzte die Beklagte gegen Herrn U. ein Bußgeld in Höhe von 10.000,00 EUR fest und erhob daneben eine Verwaltungsgebühr von 500,00 EUR sowie Zustellungsauslagen von 2,50 EUR. Zur Begründung ist ergänzend ausgeführt: Nach § 4 Abs. 1 LMKV sei die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels die in Rechtsvorschriften festgelegte Bezeichnung und bei deren Fehlen entweder 1. die nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung oder 2. eine Beschreibung des Lebensmittels, die dem Verbraucher ermögliche, die Art des Lebensmittels zu erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden. Die Leitsätze hätten für Produkte, deren Bezeichnung nicht in Rechtsvorschriften geregelt sei, für die es aber übliche Bezeichnungen gebe, Beschreibungen der allgemeinen Verkehrsauffassung vorgenommen, und zwar hier in dem Sinne, dass "Wiener Schnitzel" ausschließlich solche aus paniertem Kalbfleisch seien. Im Gegensatz zu anderen Produkten wie etwa dem "Cordon bleu" sei auch kein Zusatz als zulässig bezeichnet worden. Damit liege ein Verstoß gegen die Kennzeichnungsvorschriften vor, der auch zu einer Irreführung des Verbrauchers i.S.v. § 11 LFGB und Art. 8 und 16 VO EG 178/2002 führe. Bei der gewählten Bezeichnung handele es sich nicht lediglich um eine Abweichung von der Verkehrsauffassung des bezeichneten Produkts, sondern um ein völliges neues Produkt. Die Irreführung ergebe sich daraus, dass der fehlerhafte und von der Darstellung her größte Begriff "Wiener Schnitzel" auf eine höherwertige Qualität hindeute, die das Produkt nicht besitze. Gerade dieser Irrtum sei beabsichtigt und könne durch die deutlich kleinere Bezeichnung der tatsächlichen Tierart "vom Schwein" nicht beseitigt werden. Bei dem Verbraucher solle durch das Herausstellen der fehlerhaften Bezeichnung die Kaufentscheidung ausgelöst werden.
7Hiergegen richtete sich die Klägerin mit Einspruch vom 30. September 2008 und regte an, das Verfahren auszusetzen, da die Beurteilung der Frage, ob ein Ordnungswidrigkeitentatbestand verwirklicht worden sei, von einer verwaltungsrechtlichen Vorfrage abhänge, die vor dem erkennenden Gericht geklärt werden solle.
8Die Klägerin hat am 5. November 2008 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Vorbringen im Bußgeldverfahren wiederholt und vertieft.
9Die Klägerin beantragt,
10festzustellen, dass die Bezeichnung des Erzeugnisses "Tillman's Wiener Schnitzel vom Schwein - mit 30 % Würzpanade hergestellt ... vorgebacken + tiefgefroren", das Gegenstand der Beanstandung der Beklagten vom 3. Juli 2008 ist, kennzeichnungsrechtlich nicht gegen § 11 Abs. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches verstößt.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt des o.g. Bußgeldbescheides und vertieft ihre Rechtsauffassung.
14Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
15Entscheidungsgründe:
16Die Klage hat Erfolg.
17Sie ist als Feststellungsklage zulässig. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Dem Feststellungsbegehren liegt ein konkretes Rechtsverhältnis zu Grunde, denn die Beteiligten streiten darüber, ob ein bestimmtes Lebensmittel wegen irreführender Bezeichnung nicht in Verkehr gebracht werden darf. Auch das erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, da der Beklagte bereits ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Klägerin eingeleitet hat. Unter diesen Umständen hat die Klägerin ein schutzwürdiges Interesse daran, die streitige Frage in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu klären.
18Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 31. Januar 1996 - 13 A 6644/95 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungsreport, NVwZ-RR 1997, 264.
19Die Feststellungsklage ist nicht durch § 43 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen, weil der Beklagte bisher keine verwaltungsrechtlichen Maßnahmen ergriffen hat, gegen die eine Anfechtungsklage der Klägerin möglich wäre.
20Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte wirft der Klägerin zu Unrecht einen Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Kennzeichnungsvorschriften vor.
21Die Klägerin hat nicht gegen § 11 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 Nr. 1 LFGB verstoßen. Nach diesen Vorschriften ist es unter anderem verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, was insbesondere dann der Fall ist, wenn bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung verwendet werden.
22Die vorliegend verwendete Produktbezeichnung "Tillman's Wiener Schnitzel vom Schwein" ist weder irreführend noch zur Täuschung der Verbraucher geeignet.
23In diesem Zusammenhang ist § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LMKV in den Blick zu nehmen, wonach die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels die nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung ist, wenn die Bezeichnung nicht in Rechtsvorschriften festgelegt wurde - wie es hier hinsichtlich der Bezeichnung von Fleischerzeugnissen der Fall ist. Zwar stellen die von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission beschlossenen Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse vom 27./28.11.1974 in der derzeit gültigen Fassung, in denen auf der Grundlage des § 15 LFGB Herstellung, Beschaffenheit oder sonstige Merkmale von Lebensmitteln, die für die Verkehrsfähigkeit der Lebensmittel von Bedeutung sind, beschrieben werden, eine wichtige Auslegungshilfe dar. Sie haben indes keine Rechtsnormqualität. Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 10. Dezember 1987 - 3 C 18/87 -, Sammlung lebensmittelrechtlicher Entscheidungen (LRE) 22, 35, und Beschluss vom 18. Oktober 2000 - 1 B 45/00 -, LRE 40, 166; OVG NRW, Beschluss vom 8. August 2008 - 13 B 1022/08 -, LRE 57, 377.
24Bei der Anwendung des Irreführungsverbotes, dessen Voraussetzungen im Lichte des zugrunde liegenden Gemeinschaftsrechts auszulegen sind,
25vgl. bereits - noch zu § 17 LMBG - BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1992 - 3 C 33/89 -, LRE 27, 180,
26ist maßgeblich darauf abzustellen, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher eine Aussage oder Aufmachung wahrscheinlich auffassen wird, was sich in der Regel ohne ein Sachverständigengutachten und eine Verbraucherbefragung feststellen lässt.
27Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 16. Juli 1998 - C-210/96 -, LRE 35, 70; BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 2000 - 1 B 45/00 - a.a.O.; VGH München, Urteil vom 17. Mai 2000 -- 25 B 97.3555 -, LRE 38, 400.
28Die Existenz der von der Beklagten behaupteten allgemeinen Verkehrsauffassung, ein als "Wiener Schnitzel" bezeichnetes Fleischprodukt bestehe aus Kalbfleisch, vermag die Kammer nicht festzustellen.
29Nach Ziffer 2.508.1 der Leitsätze ist ein "Wiener Schnitzel" zwar ausschließlich ein paniertes Kalbschnitzel. Bei der Feststellung der allgemeinen Verkehrsauffassung über ein bestimmtes Lebensmittel begründen die von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission beschlossenen Leitsätze aber lediglich eine Vermutungswirkung dafür, was der Verbraucher von einem in den Leitsätzen beschriebenen Lebensmittel erwartet. Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1987 und Beschluss vom 18. Oktober 2000, jeweils a.a.O. - 1 B 45/00 -, a. a. O.; OVG NRW, Beschluss vom 8. August 2008 - 13 B 1022/08 -, a.a.O.
30Indes ist die Verkehrsauffassung nicht statisch, sondern kann im Laufe der Zeit einem Wandel unterliegen. Vgl. dazu VGH München, Beschluss vom 20. September 2004 - 25 CS 03.914 -, LRE 49, 307; VG Osnabrück, Urteil vom 23. August 2007 - 4 A 119/06 -, LRE 56, 359.
31Bei der Beurteilung der Frage, ob ein solcher Wandel eingetreten ist, kann sich die Kammer aufgrund ihrer eigenen Sachkunde ein Bild machen, gehören ihre Mitglieder doch zu dem angesprochenen Verbraucherkreis. Insbesondere bedarf es in diesem Falle keiner Feststellung der Verbrauchererwartung etwa durch ein Umfrage- oder Sachverständigengutachten.
32Vgl. nur: BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 2000, a.a.O.
33Die Kammer ist der Überzeugung, dass die Leitsätze im konkret zu beurteilenden Fall infolge eines solchen Wandels nicht mehr die herrschende Verkehrsauffassung widerspiegeln. Die Mehrzahl der Verbraucher verbindet heute mit dem streitigen Begriff nicht mehr (jedenfalls nicht ausschließlich) ein Kalbsschnitzel, sondern ein paniertes Schnitzel schlechthin.
34In vielen Gaststätten oder Kantinen werden dementsprechend (auch) Schweineschnitzel - aber z.T. auch Puten- oder andere Geflügelschnitzel - als "Wiener Schnitzel" und nicht etwa als "Schnitzel Wiener Art" (wenngleich auch diese von der Beklagten als korrekt angesehene Bezeichnung noch verbreitet anzutreffen ist) bezeichnet. Vgl. statt vieler weiterer exemplarisch folgende Internetadressen (Stand 4. November 2009): http://www.hotel-domhof.de/Speisekarte2.pdf betreffend eine Gaststätte im Zuständigkeitsbereich der Beklagten - "Wiener Schnitzel (vom Schwein)"; http://www.gasthof-hufen.de/ ("Wiener Schnitzel ... wahlweise vom Schwein oder Kalb") http://www.zwz.de/leckereien-vom-schwein.html ("Wiener Schnitzel vom Schwein"); http://www.iisb.fraunhofer.de/de/cafeteria/warme_gerichte_desserts.pdf - "Wiener Schnitzel (vom Schwein)"; http://www.rumpener-scheune.de/00000198610e6b203/000001986d0d0b508/index.html ("Schwein aus der Pfanne ... Wiener Schnitzel")
35Den Kammermitgliedern einschließlich der ehrenamtlichen Richter ist bekannt, dass - sofern die Speisekarte selbst keinen unmissverständlichen Zusatz enthält, was allerdings meist der Fall ist (aber an der Bezeichnung als "Wiener Schnitzel" nichts ändert) - gerade aus diesem Grunde von Gästen häufig Fragen nach der Art des verwendeten Fleisches gestellt werden. Diese Fragen machen deutlich, dass es eine Verbrauchererwartung im Sinne der Beklagten nicht (mehr) gibt. Dies folgt auch daraus, dass sich die von der Klägerin verwendete Bezeichnung in Rezeptsammlungen findet.
36Vgl. etwa: http://de.peperita.com/rezepte/Rezept_Wiener_Schnitzel_vom_Schwein/; http://www.kochmix.de/rezept-wiener-schnitzel--26796-2.html.
37Darüber hinaus wird sie auch von anderen Lebensmittelbetrieben verwendet. Vgl. nur das Produkt "Mini Wiener Schnitzel vom Schwein" der Abbelen Fleischwaren GmbH & Co. KG, Tönisvorst (http://www.abbelen.de/287/Produkte/CLASSIC_LINE/Mini_Wiener_Schnitzel_vom_ Schwein.html
38Nach alledem gehen die Verbraucher oder andere beteiligte Kreise bei der Verwendung des Begriffs "Wiener Schnitzel" gerade nicht mehr regelmäßig von der Herstellung aus vergleichsweise höherwertigem Kalbfleisch aus, sondern ist vielmehr die Bezeichnung "Wiener Schnitzel" mittlerweile auch für ein aus Schweinefleisch hergestelltes, paniertes Schnitzelgericht gängig geworden. Die für den Kaufentschluss entscheidende Verbrauchererwartung hat sich mithin aufgrund des tatsächlichen Marktgeschehens in einer Weise gewandelt, die der Annahme einer Irreführung entgegensteht. Hiervon ausgehend kann eine Täuschungs- oder Irreführungsgefahr von vornherein nicht bestehen.
39Aber auch ungeachtet der von der Kammer festgestellten Verkehrsauffassung scheidet eine Täuschung durch die von der Klägerin gewählte Bezeichnung schon deshalb aus, weil die Bezeichnung "Wiener Schnitzel" hier (wie auch auf den meisten Speisekarten) nicht etwa isoliert steht, sondern in Verbindung mit der weiteren - zwar in geringfügig kleiner gedruckter, aber doch deutlich lesbarer und unübersehbarer Schrift - Angabe "vom Schwein". Sollte der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher mithin tatsächlich eine Verkehrsanschauung haben, die der von der Beklagten zugrunde gelegten entspräche, so wäre doch für ihn - infolge der gewählten Bezeichnung in ihrer Gesamtheit - sofort und ohne jeden Restzweifel erkennbar, dass ihm im konkreten Fall ein Schweineschnitzel und mithin gerade kein Kalbsschnitzel angeboten wird. Auch insoweit scheidet mithin angesichts der ausreichenden Kenntlichmachung der - hier unterstellten - Sollbeschaffenheitsabweichung eine Irreführung oder Täuschung des Verbrauchers im Hinblick auf die von ihm zu treffende Kaufentscheidung aus. Nur am Rande erwähnt die Kammer, dass nach dem Ergebnis der Internetrecherche des Berichterstatters die von der Klägerin gewählte Bezeichnung für ein paniertes Schweineschnitzel in Österreich - und damit im "Mutterland" des Wiener Schnitzels - dort nicht nur (ebenfalls) nicht als irreführend angesehen wird, sondern sogar allgemein üblich ist.
40Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Schnitzel
41Aber selbst dann, wenn man abweichend von der Auffassung der Kammer auch angesichts des Zusatzes "vom Schwein" eine Irreführung noch nicht ausschließen wollte
42- etwa ähnlich dem VG München, Urteil vom 24. September 2008 - M 18 K 06.1469 - wegen "Perplexität" und einer daraus "per se" abzuleitenden Irreführung der Verkehrsbezeichnung (dort im Hinblick auf einen "Vorderschinken" mit 70 % Schweinefleisch, der indes mindestens 90 % Schweinefleisch enthalten muss) -,
43wäre unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichts davon auszugehen, dass diejenigen Verbraucher, die ihre Kaufentscheidung an der Zusammensetzung des Erzeugnisses - hier des konkret verwendeten Fleisches - ausrichten, im Bedarfsfalle das Zutatenverzeichnis zur Hilfe nehmen, um Aufklärung zu finden.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2000, a.a.O. m.w.N., auch aus der Rechtsprechung des EuGH.
45Da dort der Schweinefleischanteil von 72 % am Gesamtprodukt korrekt angegeben ist sowie im weiteren auch keine Kalbfleischanteile aufgeführt werden, würde der zu erwartende Blick in das Zutatenverzeichnis etwaige - hier unterstellte - abweichende Verbrauchererwartungen endgültig beseitigen, so dass in keinem Falle eine Irreführung oder gar Täuschung der Verbraucher zu besorgen wäre.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
47T. C. M.
48Ferner hat die Kammer am selben Tage
49b e s c h l o s s e n :
50Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
51