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Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu folgenden Fragen Auskunft zu geben:
1. Wie viele Aktien der RWE AG hält der Kreis T. -X. über die Tochtergesellschaft BBG derzeit?
2. Wie viele Aktien der RWE AG hat der Kreis T. -X. seit dem 1. Januar 2006 verkauft? Zu welchem genauen Zeitpunkt wurden die Aktien verkauft? Entweder aus eigener Hand oder aus Hand einer Tochtergesellschaft?
3. Plant der Kreis T. -X. Aktien der RWE AG über die BBG zu verkaufen? Gibt es entsprechende Kreistagsbeschlüsse?
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Tatbestand:
2Der Kläger verfasst als freier Journalist u.a. Artikel zu Energiethemen. Der Kreis T. -X. ist Alleingesellschafter der Betriebs- und Beteiligungsgesellschaft Kreis T. -X. mbH (BBG), deren Gegenstand nach § 2 Abs.1 des Gesellschaftsvertrags der Erwerb, der Betrieb und/oder die Verwaltung von Vermögensgegenständen, Einrichtungen sowie Unternehmen insbesondere aus dem Versorgungs- und Verkehrsbereich sowie dem Umweltschutz-, Technologie- und Dienstleistungsbereich ist. Die BBG war ausweislich des Beteiligungsberichtes des Kreises T. -X. im Jahr 2006 u.a. mit 0,807 % in einer Höhe von 11.619.750 EUR an der RWE Aktiengesellschaft (RWE AG) beteiligt.
3Im Rahmen einer Recherche bei einer Vielzahl von Kommunen und Kreisen bat der Kläger den Beklagten per E-Mail unter dem 10. Dezember 2007 u.a. um Auskünfte zum aktuellen Bestand der gehaltenen RWE-Aktien und zu etwaigen Verkaufsabsichten. Hierauf antwortete der Beklagte am gleichen Tage ebenfalls per E-Mail und führte aus, dass die Beantwortung so nicht möglich sei. Aktien würden in verschiedenen Gesellschaften gehalten und die Gesellschafter seien im Hinblick auf die gewünschten Auskünfte auf Verschwiegenheit verpflichtet. Das beträfe die Aussage zu der Zahl der gehaltenen Aktien und den Planungen für die Zukunft, die Bestandteil der jeweiligen Unternehmensstrategie seien.
4Die Beteiligten vertieften in weiteren E-Mails jeweils ihre wechselseitigen Standpunkte zum Bestehen bzw. Nichtbestehen einer Auskunftspflicht.
5Der Kläger hat am 12. Januar 2008 Klage erhoben. Zudem hat er den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, den die Kammer mit Beschluss vom 5. Februar 2008 -12 L 28/08- abgelehnt hat. Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die von ihm erbetene Auskunft sei wiederholt zu Unrecht verweigert worden. Sinn und Zweck des Pressegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (PresseG NRW) sei es, der Presse die durch Art. 5 des Grundgesetzes (GG) garantierte Funktion im Rahmen der demokratischen Meinungs- und Willensbildung zu gewährleisten und es ihr so zu ermöglichen, Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse umfassend und wahrheitsgetreu zu erhalten. Die Beteiligung der öffentlichen Hand am Energieversorger RWE sei von wesentlichem öffentlichen Interesse, da sich aus der Beteiligung der Einfluss der öffentlichen Hand im Sinne des Allgemeinwohls auf den Energieversorger ableite. Bei der Beteiligung der öffentlichen Hand an der RWE handele es sich um eine veröffentlichungspflichtige Beteiligung, die der Beklagte auch in seinem Beteiligungsbericht 2007 bekannt gegeben habe. Allerdings gehe aus dem Bericht nicht hervor, wie viele Aktien der Kreis zum jetzigen oder zu einem früheren Zeitpunkt halte oder gehalten habe.
6Die Tatsache, dass der Beklagte seine Beteiligung an der RWE über seine BBG organisiere, führe nicht dazu, dass sich die Auskunftspflicht nach dem jeweiligen Gesellschaftsrecht richte und der Beklagte keine Auskunftspflicht mehr habe. Bei der BBG handele es sich um eine öffentliche Einrichtung, die von ihrer Aufgabe her zum Kreis der Behörden gerechnet werden müsse. Als übergeordnete Behörde habe der Beklagte alle nachgefragten Daten gesammelt und ausgewertet und sei über die BBG als kreiseigene Tochter nach § 4 PresseG NRW auskunftspflichtig. Angesichts dessen sei es verwunderlich, warum der Beklagte nicht, wie über 70 andere Kommunen, die gestellten Fragen beantwortet habe. § 4 Abs. 2 PresseG NRW, der unter den dort festgelegten Voraussetzungen eine Auskunftspflicht der Behörden einschränke, greife erkennbar nicht ein. Der Beklagte berufe sich deshalb auch lediglich darauf, dass das Auskunftsrecht durch das Gesellschaftsrecht der BBG eingeschränkt werde und dass über den nach § 112 Abs. 3 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) vorzulegenden Beteiligungsbericht hinaus keine weitere Informationspflicht bestehe.
7Der Kläger beantragt,
8den Beklagten zu verpflichten, ihm folgende Auskünfte zu geben:
91. Wie viele Aktien der RWE AG hält der Kreis T. -X. über die Tochtergesellschaft BBG derzeit?
102. Wie viele Aktien der RWE AG hat der Kreis T. -X. seit dem 1. Januar 2006 verkauft? Zu welchem genauen Zeitpunkt wurden die Aktien verkauft? Entweder aus eigener Hand oder aus Hand einer Tochtergesellschaft?
113. Plant der Kreis T. -X. Aktien der RWE AG über die BBG zu verkaufen? Gibt es entsprechende Kreistagsbeschlüsse?
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er macht geltend: Die Klage sei wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, denn der Kläger habe bereits durch die E-Mail vom 10. Dezember 2007 die begehrte Auskunft erhalten. Zudem habe der Kläger unstreitig den Beteiligungsbericht des Kreises T. -X. erhalten, der weitere Informationen über die erbetenen Auskünfte enthalte. Damit seien die Fragen 1 bis 3 dahin beantwortet, dass der Kreis keine Aktien mehr in eigener Hand besitze und damit aus eigener Hand auch keine Verkäufe planen könne. Im Hinblick auf die Fragen, die sich auf die BBG bezögen, sei die Klage schon unzulässig, weil sie sich gegen den falschen Beklagten richte. Das Auskunftsbegehren gegen die BBG sei im Übrigen auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten sowie den Inhalt der Verfahrensakte 12 K 1088/08 betreffend das gegen die BBG gerichtete Verfahren des Klägers auf Auskunftserteilung Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage hat Erfolg.
18Sie ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Mit seinem Auskunftsbegehren erstrebt der Kläger ein schlicht-hoheitliches Handeln und nicht etwa den - mit einer Verpflichtungsklage zu erstreitenden - Erlass eines Verwaltungsaktes. Die behördliche Weitergabe von Informationen an die Presse, sei es durch die Beantwortung konkreter Fragen oder durch die Aushändigung von Unterlagen, geschieht in der Regel weder in Form noch auf der Grundlage des Verwaltungsaktes.
19Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) Urteil vom 23. Mai 1995 - 5 A 2875/92 -, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1995, 2741, auch abrufbar in Juris.
20Dieser presserechtliche Auskunftsanspruch macht die Stelle auskunftspflichtig, die organisatorisch für den Vorgang unmittelbar zuständig ist, auf den sich die Auskunft bezieht.
21Vgl. Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 1. April 1998 - 8 R 27/96 -, abrufbar in Juris, Rdnr. 68.
22Das Leistungsbegehren ist somit gegen die Behörde und nicht gegen die Körperschaft, den Kreis T. -X. , zu richten.
23Es fehlt auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis. Die Fragen des Klägers sind entgegen der Auffassung des Beklagten nicht schon mit der e-Mail vom 10. Dezember 2007 und durch Übersendung des Beteiligungsberichtes beantwortet worden. Mit der e-Mail ist dem Kläger im Gegenteil mitgeteilt worden, dass eine Beantwortung nicht möglich sei. Aktien würden in verschiedenen Gesellschaften gehalten und die Gesellschafter seien zur Verschwiegenheit verpflichtet. Damit sind die streitgegenständlichen Fragen nicht beantwortet worden. Die Angaben lassen sich auch nicht dem Beteiligungsbericht entnehmen, der die Beteiligungen des Kreises im Jahr 2005 und 2006 ohne Angabe der Aktienstückzahlen auflistet und somit zwangsläufig die vom Kläger gestellten Fragen zu den derzeitigen Aktienbeständen, den seit 2006 verkauften Aktien und den Verkaufsabsichten nicht beantwortet.
24Es fehlt auch nicht deshalb an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger die begehrten Auskünfte auch von der BBG erhalten könnte. Denn die unter Nr.3 gestellten Fragen nach den Verkaufsabsichten und entsprechenden Kreistagsbeschlüssen sind zunächst vom Kreis zu beantwortende Fragen. Auch bezüglich der unter Nr.2 gestellten Fragen ist auf der Grundlage der Erklärungen in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeschlossen, dass der Kreis T. -X. entgegen seinem Beteiligungsbericht im Jahr 2006 noch Aktien der RWE AG auch außerhalb der BBG hielt. Denn die Vertreterin des Beklagten und der Geschäftsführer der BBG, der zugleich Kämmerer des Kreises T. -X. ist, haben insoweit in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass der Kreis zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt jedenfalls auch in eigener Hand Aktien gehalten hat. Ob dies auch im Jahr 2006 der Fall war, konnte sie beide nach eigenen Angaben deshalb nicht beantworten, weil sie nicht damit gerechnet haben, dass dies auch Gegenstand des Auskunftsbegehren sei.
25Unabhängig von Vorstehendem kann der Kläger auch hinsichtlich der in der BBG gehaltenen Aktien des Kreises nicht auf einen Auskunftsanspruch gegen die BBG verwiesen werden. In diesem Zusammenhang ist die Frage, welcher Behördenbegriff bei der Anwendung des Pressegesetzes zugrunde zu legen ist und ob private Unternehmen der öffentlichen Hand als Behörden zu verstehen sind, d.h. ob die BBG selbst und ggf. in welchem Umfang auskunftspflichtig ist, nicht entscheidungs- erheblich. Jedenfalls ist in Fällen des "out sourcing" öffentlicher Aufgaben auf privatrechtlich organisierte Unternehmen die dahinterstehende juristische Person des öffentlichen Rechts auskunftspflichtig. Sie könnte die geforderte Auskunft ohne weiteres erteilen, weil sie kraft ihres Weisungs- und Informationsrechts als "(Mit)Eigentümer" des Unternehmens die Unternehmensleitung anweisen könnte, die begehrte Information zur Verfügung zu stellen. Dass damit möglicherweise eine Komplizierung und Verzögerung der Auskunftserteilung verbunden ist, kann nicht dazu führen, einen solchen Auskunftsanspruch zu verneinen. Das Rechtschutzbedürfnis für eine Leistungsklage kann nicht mit dem Hinweis auf eine mögliche Inanspruchnahme eines anderweitigen Anspruchsverpflichteten verneint werden. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn der - möglicherweise - andere Auskunftsverpflichtete zur Auskunftserteilung - wie hier - nicht bereit ist. Somit stehen der Auskunftserteilung durch den Beklagten angesichts des Umstandes, dass er im Ergebnis alle Anteile an der BBG hält und diese somit völlig beherrscht, keine durchgreifenden rechtlichen Hindernisse entgegen.
26Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 1. April 1998 a.a.O, Rdnr. 76.
27Die Klage ist auch begründet. Gemäß § 4 Abs.1 PresseG NRW sind die Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen. Der Informationsanspruch soll der Presse die Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen der demokratischen Meinungs- und Willensbildung dadurch ermöglichen, dass sie umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse erhält und dadurch in die Lage versetzt wird, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten.
28vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 10. Februar 2005, III ZR 294/7, NJW 2005, 1720, auch abrufbar in Juris.
29Zu der in Art. 5 Abs.1 Satz 2 GG verbürgten Pressefreiheit gehört auch die Beschaffung von Informationen. Erst der ungehinderte Zugang zur Information versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie eröffnete Rolle wirksam wahrzunehmen. Die Gerichte müssen bei der Auslegung einfachrechtlicher Normen und ihrer konkreten Anwendung im Einzelfall diese grundgesetzliche Wertentscheidung berücksichtigen.
30Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 -, NJW 2001, 503.
31Aus der Gewährleistung der Pressefreiheit folgt die Pflicht des Staates, diese Aufgabe der Presse zu respektieren. Hierzu gehört auch die Pflicht zur Erteilung von Auskünften. Einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung entspricht ein Verhalten der Behörden, das in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse von Offenheit geprägt ist. Es erfordert die Bereitschaft, dem Bürger diese Angelegenheiten dadurch durchsichtig zu machen, dass der Presse durch eine großzügige Informationspolitik eine genaue und gründliche Berichterstattung ermöglicht wird. Eine Behörde, die der Presse eine Auskunft verweigert, obwohl der Erteilung ein durchgreifender Grund nicht entgegensteht, wird der ihr vom Grundgesetz auferlegten Pflicht nicht gerecht.
32Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Dezember 1984 - 7 C 139.81 -, BVerwGE 70. 310 (314).
33Bei Anwendung dieser Maßstäbe hat der Kläger einen Auskunftsanspruch gegen den Beklagten aus § 4 Abs.1 PresseG NRW. Der Beklagte ist eine Behörde im Sinne des § 4 Abs.1 PresseG NRW. Der Kläger ist als freier Journalist auch ein Vertreter der Presse. Es handelt sich bei den vom Kläger begehrten Auskünften auch um solche Informationen, die der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse dienen. Der Kläger hat dargelegt, dass die nachgefragten Informationen u. U. entscheidend sein könnten, wenn es um den kommunalen Einfluss auf den Energieerzeuger RWE geht. Derzeit halten nach Angaben des Klägers die kommunalen Anteilseigner evtl. noch eine Sperrminorität an RWE. Sollte der Kreis T. -X. aber mehr als 1 Mio. Aktien verkauft haben oder verkaufen wollen, so könnte diese Sperrminorität weggefallen sein. In diesem Fall wäre der Konzern nicht mehr durch die Allgemeinheit vor feindlichen Übernahmen aus dem Ausland geschützt. Insoweit hat der Kläger dargelegt, dass die Erteilung der begehrten Auskünfte der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Presse dient.
34Dass es sich bei den Fragen nach den Beteiligungen des Beklagten an der RWE auch um ein für die Öffentlichkeit wichtiges Thema handelt, ergibt sich im Übrigen zum Einen aus der (gerichtsbekannten) umfangreichen Berichterstattung über die Veräußerung der RWE-Aktien durch nordrhein-westfälische Kommunen in der jüngsten Vergangenheit und zum Anderen unmittelbar aus der auch für die Kreise nach § 53 Abs.1 der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (KrO NRW) anwendbaren Vorschrift des § 112 Abs.3 GO NRW. Denn weil die Öffentlichkeit ein besonderes Interesse an der Offenlegung und Transparenz der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen hat, müssen diese einen Beteiligungsbericht erstellen, den jedermann einsehen kann. Im Übrigen besteht überall dort, wo zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden, ein berechtigtes öffentliches Interesse daran von der konkreten Verwendung öffentlicher Mittel Kenntnis zu erlangen.
35Vgl. BGH, a.a.O., Juris Rdnr. 13
36Es gibt auch keine Gründe im Sinne von § 4 Abs.2 PresseG NRW die Auskunft zu verweigern. Insoweit kommt hier allenfalls ein Auskunftsverweigerungsrecht auf der Grundlage von § 4 Abs.2 Nr.2 PresseG NRW in Betracht. Danach besteht ein Anspruch auf Auskunft nicht, soweit Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen. Diese Vorschrift ist unter Abwägung der betroffenen Rechtsgüter auszulegen, denn nicht jede Geheimhaltungsvorschrift führt zugleich zu einem Auskunftsverweigerungsrecht. Der Auskunftsanspruch ist - wie ausgeführt - Ausfluss der verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs.1 Satz 2 GG verankerten Freiheit der Presse. Die Gerichte müssen ihrerseits bei der Auslegung einfachrechtlicher Normen - wie hier des § 4 Abs. 2 PresseG NRW - diese grundsätzliche Wertentscheidung berücksichtigen.
37Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2004 - 5 A 640/02 -, abrufbar in Juris.
38Danach ist der Beklagte zur Beantwortung der Fragen verpflichtet. Der Beklagte beruft sich nicht auf eine der Erteilung der Auskünfte entgegenstehende Geheimhaltungsvorschrift. Er verweist lediglich auf die Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsführer der BBG aus § 85 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Nach § 85 Abs.1 GmbHG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer ein Geheimnis der Gesellschaft, namentlich ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, das ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer, Mitglied des Aufsichtsrates oder Liquidator bekannt geworden ist, unbefugt offenbart. Auf diese Vorschrift kann sich der Beklagte als Organ des Alleingesellschafters nicht berufen, weil § 85 Abs.1 GmbHG eine Verschwiegenheitspflicht nur in Bezug auf die dort genannten Organe der GmbH begründet.
39Ein Recht auf Auskunftsverweigerung ergibt sich insoweit auch nicht aus der Treuepflicht des Gesellschafters. Der Beklagte kennt als Organ des Gesellschafters die für die Auskunft erforderlichen Tatsachen bzw. kann sich grundsätzlich bei der BBG die erforderlichen Informationen nach § 51a GmbHG beschaffen. Das Informationsrecht ist, vom Sonderfall des § 51a Abs.2 GmbHG abgesehen, prinzipiell unbeschränkt und findet seine Grenze erst bei einer nicht mehr zweckentsprechenden Wahrnehmung. Kehrseite dieses umfassenden und sehr weitgehend gestalteten Informationsrechts ist als Ausfluss der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht eine verstärkte Verschwiegenheitspflicht. Die Weitergabe von Informationen zu gesellschaftsfremden Zwecken oder an gesellschaftsfremde Dritte ist grundsätzlich pflichtwidrig, und zwar ohne Rücksicht auf ihren Inhalt und ohne Rücksicht darauf, welche Zwecke mit der Verbreitung der Kenntnisse verfolgt werden.
40Vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2002 - II ZR 125/02 -, BGH Z 152, 339, auch abrufbar in Juris.
41Diese gesellschaftsinterne Verschwiegenheitspflicht begründet aber nur dann eine Geheimhaltungspflicht im presserechtlichen Sinne, wenn auf dem Umweg über ein Auskunftsersuchen an die Trägerkörperschaft (hier den Kreis T. -X. ) in deren Eigenschaft als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter Informationen begehrt werden, die Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse einer von der öffentlichen Hand beherrschten GmbH darstellen
42vgl. Köhler, Auskunftsanspruch der Presse gegen Unternehmen der öffentlichen Hand, NJW 2005, S. 2337 ff
43und wenn die erforderliche Güterabwägung zwischen dem dadurch betroffenen Rechtsgut (Betriebs- und Geschäftsgeheimnis als Vermögenswert des Unternehmens) und der Freiheit der Presse zu Lasten der Pressefreiheit ausfällt.
44Ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis ist durch die Fragen nicht berührt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können
45Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u.a., BVerfGE 115, 205.
46Ein derartiges berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung besteht u. a. dann, wenn die Tatsache für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens von Bedeutung ist, ihr Bekannt werden also fremden Wettbewerb fördern oder eigenen Wettbewerb schwächen und damit dem Unternehmen einen materiellen oder immateriellen Schaden zufügen kann.
47vgl. Köhler a.a.O. mit weiteren Nachweisen.
48Dies ist auch für Unternehmen der öffentlichen Hand, die im Wettbewerb mit privaten Unternehmen stehen, von Bedeutung.
49Die Nichtbekanntgabe der vom Kläger mit den Fragen begehrten Daten dient ersichtlich nicht der Wahrung eines Betriebsgeheimnisses. Die Zahl der in der Beteiligungsgesellschaft gehaltenen Aktien ist ebenso wie die Zahl der vormals verkauften Aktien und die Frage nach etwaigen Verkaufsabsichten auch kein Geschäftsgeheimnis. Dies zeigt bereits die Tatsache, dass nach den unbestrittenen Angaben des Klägers, der dies durch Vorlage einzelner Auskünfte auch nachgewiesen hat, eine Vielzahl von Kommunen die Anfrage des Klägers beantwortet hat. Insoweit ist auch vom Beklagten nicht dargelegt worden, dass durch die Auskunft ein solches Geheimnis verletzt würde. Es ist auch nicht ersichtlich, geschweige denn dargelegt, welches berechtigte wirtschaftliche Interesse der BBG der Bekanntgabe dieser Daten entgegen stehen soll. Soweit nach dem vorhandenen Aktienbestand und den Verkäufen seit 2006 gefragt wird, dürfte sich bereits aus den Beteiligungsberichten, zu dessen Erstellung der Beklagte rechtlich verpflichtet ist, ergeben, dass Aktien verkauft worden sind. Insbesondere ermöglicht auch ein Vergleich der in den Beteiligungsberichten jeweils veröffentlichten prozentualen Beteiligung an der RWE auch einen Rückschluss auf den Umfang der Verkäufe. Warum die konkreten Zahlen der Aktienbestände bzw. -verkäufe im Unterschied zu den veröffentlichen prozentualen Beteiligungen ein Geschäftsgeheimnis darstellen sollte, ist insoweit nicht nachvollziehbar. Dies gilt auch im Hinblick auf die Frage nach den geplanten Verkäufen. Insoweit wird nur Auskunft zu der Frage erbeten, ob ein Verkauf von Aktien beabsichtigt ist und ob es einen entsprechenden Kreistagsbeschluss gibt. Diese Fragen können schlicht mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden. Da weder nach dem konkreten Zeitpunkt oder den Bedingungen für einen etwaigen Verkauf noch nach der Zahl etwaig zu veräußernder Aktien gefragt wird, ist auch nicht ersichtlich, dass die Beantwortung der Frage eine gegebenenfalls als Geschäftsgeheimnis geschützte Marktstrategie der BBG offenbaren würde.
50Wird mit der Beantwortung der gestellten Fragen somit kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart, so kann es dahinstehen, ob die Fragen selbst bei Offenbarung eines Geheimnisses nicht gleichwohl zu beantworten wären, weil dem Interesse an der grundgesetzlich geschützten Freiheit der Presse der Vorrang vor dem Interesse am Schutz eines Geschäftsgeheimnisses vor Offenbarung einzuräumen ist. Insoweit dürfte aber viel dafür sprechen, dass ein Vorrang jedenfalls dann in der Regel anzunehmen ist, wenn es sich - wie hier bei der BBG - um ein Unternehmen in Privatrechtsform handelt, dessen sich die öffentliche Hand zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient und das von dieser beherrscht wird. Denn ein bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgaben unter richtungsweisendem Einfluss der öffentlichen Hand stehendes Unternehmen ist nicht in jeder Hinsicht mit einem Unternehmen in privater Hand zu vergleichen. Deswegen ist es gerechtfertigt, ein solches Unternehmen Auskunftspflichten zu unterwerfen, denen ein etwaig privat beherrschter Mitbewerber nicht unterliegt.
51Vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2005, a.a.O., Juris Rdnr. 18.
52Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO.
53Die Voraussetzungen des § 124a Abs.1 VwGO liegen nicht vor.