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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Die Kläger wehren sich gegen das sakrale Glockenläuten des benachbarten Glockenturmes der Beklagten.
3Die Klägerin zu 1) ist Eigentümerin des seit 1993 gemeinsam mit dem Kläger zu 2) bewohnten Hausgrundstückes in der Q1. -H. -Str. . in X. . Die Beklagte ist Eigentümerin des benachbarten Grundstückes, welches seit 1966 mit dem Kirchengebäude und einem freistehendem Glockenturm bebaut ist. Das Grundstück der Kläger ist mit dem Garten zum Glockenturm hin ausgerichtet. Der Abstand zwischen Terrasse des klägerischen Grundstücks und dem Glockenturm beträgt ca. 30 m. Die nähere Umgebung ist überwiegend mit Wohnhäusern und einem Schul- sowie Kindergartengebäude bebaut. Ein Bebauungsplan existiert nicht.
4Am 28. November 2004 hat die Beklagte die bisherige Stahlgussglocke durch ein sog. "Zimbelgeläut", bestehend aus einer großen und vier kleinen Glocken, ersetzt. Gleichzeitig wurde erstmalig das sog. Zeitschlagen eingeführt.
5Die Kläger wandten sich hinsichtlich des eingeführten Zeitschlagens zunächst im Dezember 2004 an die Beklagte und die Stadt X. . Am 17. Januar 2005 erfolgten am Wohngebäude der Kläger erste Geräuschmessungen durch das staatliche Umweltamt Lippstadt. Nach erfolglosem Schlichtungsversuch und (für die Kläger nicht ausreichenden) Maßnahmen zur Geräuschminderung erhoben die Kläger zunächst Klage vor dem Amtsgericht X. , mit dem Ziel, die Untersagung des Zeitläutens zu erreichen. Im Verlauf dieses Verfahrens wurden zwei weitere Immissionsschutzgutachten vom 14. Dezember 2005 und 26. September 2006 erstellt. Das Gutachten vom 14. Dezember 2005 ergab u.a. für das sakrale Geläut einen Wirkpegel von 88,9 dB (A). Nach dem Gutachten vom 26. September 2006 liegt der Wirkpegel bei dem sakralen Geläut ohne große Glocke bei 79,2 dB (A), bei sakralem Geläut mit großer Glocke bei 87,2 dB (A).
6Die Beklagte wurde hinsichtlich des sakralen Läutens zuletzt erfolglos mit Schreiben vom 04. Mai 2006 unter Fristsetzung bis zum 26. Mai 2006 aufgefordert, den Maximalpegel für kurzzeitige Geräuschspitzen in allgemeinen Wohngebieten von 85 dB(A) tagsüber bei dem Wohnhaus der Kläger einzuhalten.
7Am 29. Juni 2006 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zu deren Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: Seit Einbau des "Zimbelgeläuts" habe sich die Lautstärke des sakralen Geläuts um ein vielfaches erhöht. Dies führe zu nachhaltigen, störenden und unzumutbaren Beeinträchtigungen. Der Aufenthalt im Wohngebäude sei nur bei geschlossenen Türen und Fenstern möglich. Ein Aufenthalt im Garten, insb. zur Entspannung, sei vor allem im Hinblick auf die Dauer des sakralen Geläutes von 6 Min. u. 33 Sek. unmöglich. Bei den Klägern sei es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Ein- und Durchschlafstörungen sowie Kopfschmerzen und Kreislaufbeschwerden, Hörstürzen, Tinnitus u.a. gekommen, die ärztlich behandelt werden müssten. Die Kläger würden erheblich in ihrer Gesundheit und in ihrem Eigentum beeinträchtigt. Der Spitzenpegel werde erheblich überschritten. Diese Überschreitung sei nicht - auch nicht ausnahmsweise - hinzunehmen. Das neue Geläut werde als wesentlich durchdringender und störender empfunden. Das vor dem Austausch dreimal täglich erfolgte Geläut sei hinnehmbar gewesen. Sonst hätten die Kläger das Haus nicht erworben. Die Kirchengemeinde könne sich nicht auf eine gemeindliche Läutetradition berufen, da das Glockengeläut erst im November 2004 durch die Anschaffung neuer Glocken verändert worden sei. Die Läutegewohnheiten der anderen Kirchen seien unerheblich. Es werde zudem zu einer Vielzahl von weiteren kirchlichen Anlässen geläutet, welches zwei Läuteprotokolle für die Jahre 2005 und 2006 belegten.
8Die Kläger beantragen,
9die Beklagte zu verurteilen, das sakrale Läuten des Glockenwerks des Kirchturms der Evangelischen Kirchengemeinde X. , Q1. -H. -Str. , X. , ab sofort bis zu dem Zeitpunkt einzustellen, in dem
10a) durch geeignete aktive Schallschutzmaßnahmen an der Geräuschquelle selbst sichergestellt ist, dass durch das Läuten des Glockenwerks verursachte kurzzeitige Geräuschspitzen am Tage den Immissionswert für ein allgemeines Wohngebiet von 55 dB(A) tagsüber um nicht mehr als 30 dB(A) überschreitet;
11b) die Einhaltung des Immissionswertes nach vorstehendem Buchstaben a) durch ein Gutachten eines öffentlichen bestellten und vereidigten Sachverständigen gegenüber den Klägern nachgewiesen worden ist.
12c)
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie trägt im Wesentlichen vor: Es könne nicht wegen eines einheitlichen Lebenssachverhaltes gegen sie einerseits vor den ordentlichen und andererseits vor dem Verwaltungsgericht zugleich Klage erhoben werden. Die Beklagte habe seit dem Bau der Kirche und des Glockenturms im Jahr 1966 zu Gottesdiensten, an hohen kirchlichen Feiertagen und zu ähnlichen Anlässen geläutet. In X. , einem weithin bekannten Wallfahrtsort, existierten im Innenstadtbereich vier große katholische Kirchen und mehrere Kapellen, die alle über Glockentürme verfügten, von denen deutlich häufiger und auch deutlich vernehmbarer geläutet werde. Ein sakrales Glockenläuten finde lediglich Samstags abends und Sonntags morgens sowie an bestimmten Feiertagen statt. In den übrigen Zeiten könnten sie sich im Garten aufhalten und auch Fenster und Türen geöffnet halten. Nach der Messung vom 17. Januar 2005 sei auf ihre Veranlassung der Schallpegel für das Zeitschlagen von der Glockenbaufirma durch Maßnahmen des Schallschutzes deutlich herabgesetzt worden. Eine Vermengung der Messung des Geräuschpegels des Zeitschlagens mit dem des sakralen Läutens sei falsch. Im übrigen genieße sakrales Geläut besonderen Schutz durch Art. 4 Abs. 2 GG und sei deshalb regelmäßig keine erhebliche Belästigung. Auch der Maximalpegel sei nur ein Orientierungswert.
16Mit Urteil vom 11. Januar 2007 - 4 C 464/05 - hat das Amtsgericht X. die Beklagte verurteilt, das Zeitläuten an den Tagen einzustellen, an welchen ein sakrales Geläut stattfindet und die Klage im übrigen abgewiesen. Hiergegen ist zur Zeit die Berufung vor dem Landgericht Arnsberg - 5 S 41/07 - anhängig.
17Mit Wirkung vom 28. Februar 2007 ist das Presbyterium der Beklagten komplett zurückgetreten. Für das vorliegende Verfahren wurde ein Bevollmächtigtenausschuss eingesetzt.
18Am 17. April 2007 hat die Berichterstatterin der Kammer vor Ort einen Termin zur Erörterung der Streitsache und zu Vergleichsverhandlungen durchgeführt. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Niederschrift vom gleichen Tag (Bl. 82 bis 87 der Gerichtsakte) verwiesen.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
21Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig.
22Für den geltend gemachten Anspruch ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich bei einer Klage gegen das liturgische Glockengeläut um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S. des § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
23Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 07. Oktober 1983, BVerwGE 68, 62; VG Würzburg, Urteil vom 28. September 2004, - W 4 K 03.1654 -, juris.
24Entgegen der Ansicht der Beklagten findet hierdurch auch keine unzulässige "Verdoppelung von Prozesschancen" statt. Ausschlaggebend ist, ob die öffentliche Sache, zu denen die Kirchenglocken unstreitig gehören, im Rahmen ihrer öffentlich- rechtlichen Zweckbindung genutzt wird, oder ob es sich um die Wahrnehmung von Eigentümerbefugnissen außerhalb des Widmungszwecks handelt. Aufgrund der Doppelnatur öffentlicher Sachen erscheint daher eine Rechtswegaufspaltung unvermeidlich.
25Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1994 - 7 B 198/93 -; in: Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl), 1994, 762.
26Das Läuten anläßlich von Gottesdiensten, Beerdigungen, Hochzeiten, Konfirmationen u.ä. ist eindeutig vom sakralen und damit öffentlich-rechtlichen Widmungszweck der Glocken erfaßt.
27Es ist auch nicht auf den Schwerpunkt der Einwendungen abzustellen und der Rechtsstreit im Hinblick auf das Zeitschlagen mit zu entscheiden
28Vgl hierzu: Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 28. September 2004 - W 4 K 03.1654, in: Juris.
29Die Kläger haben keinen Schwerpunkt ihrer Einwendungen deutlich gemacht. Zudem ist der Rechtsstreit bezüglich des Zeitschlagens bereits vor dem Zivilgericht anhängig.
30Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Kläger haben gegenüber der Beklagten keinen Anspruch darauf, dass das sakrale Läuten des Glockenwerks des Kirchturms ab sofort bis zu dem Zeitpunkt eingestellt wird, in dem durch geeignete aktive Schallschutzmaßnahmen an der Geräuschquelle selbst sichergestellt ist, dass durch das Läuten des Glockenwerks verursachte kurzzeitige Geräuschspitzen am Tage den Immissionswert für ein allgemeines Wohngebiet von 55 dB(A) tagsüber um nicht mehr als 30 dB(A) überschreiten.
31Als Anspruchsgrundlage für das Begehren der Kläger kommt der allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Abwehr-, Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gegen Immissionen, die von einer schlicht hoheitlich betriebene Anlage ausgehen, in Betracht.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 - 7 C 77.87 -, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1989, S. 1291 (1291); Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 29. November 1993 - 11 A 773/90 -, in: Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl. 1994, S. 385 (385); OVG NRW, Beschluss vom 08. Juli 2004 - 21 A 2435/02 -, in: NWVBl. 2004, S. 480 f. m.w.N..
33Dieser Anspruch lehnt sich inhaltlich an die Regelungen des § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) an. Er setzt voraus, dass der Bürger durch schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln in seinen geschützten Rechtsgütern rechtswidrig beeinträchtigt wird und zur Duldung dieser Beeinträchtigung nicht verpflichtet ist.
34Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
35Im vorliegenden Fall handelt es sich zwar zumindest bei dem hier streitigen sakralen Läuten um eine schlicht hoheitliche Tätigkeit, die die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts ausübt.
36Jedoch ist nicht ersichtlich, dass das sakrale Läuten, wie es zur Zeit erfolgt, für die Kläger eine unzumutbare und nicht hinnehmbare Beeinträchtigung darstellt.
37Der Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit der Immissionen ergibt sich auch für das sakrale Läuten grundsätzlich aus § 22 Abs. 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG), der insoweit zu demselben Ergebnis führt, wie § 906 BGB im privatrechtlichen Nachbarschaftsverhältnis.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 - 7 C 77.87 -, in: NJW 1989, S. 1291 (1291); OVG NRW, Urteil vom 10. August 1989 - 7 A 1926/86 -, in: Baurecht (BauR) 1989, S. 715 (717); OVG NRW, Beschluss vom 08. Juli 2004, a.a.O.
39Danach sind schädliche Umwelteinwirkungen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, erhebliche Belästigungen u.a. für die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), zu verhindern, soweit sie nach dem Stand der Technik vermeidbar sind und soweit dies nicht der Fall ist, auf ein Mindestmaß zu beschränken.
40Für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Glockengeläut ist grundsätzlich die sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz von 26. August 1998 (TA Lärm) geeignet.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 1992, BVerwGE 90, 163.
42Die Immissionsrichtwerte der TA Lärm richten sich zunächst nach der Schutzwürdigkeit des Gebiets, in dem der Immissionsort liegt. Es bestehen keine Bedenken, den unbeplanten Bereich, in dem das Wohngrundstück der Kläger gelegen ist, als allgemeines Wohngebiet i.S.v. § 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO) zu charakterisieren. Das ergibt sich aus der tatsächlich vorhandenen Bebauung, die vorwiegend aus Wohnhäusern sowie dem Schul- /Kindergartengebäude und der Kirche besteht.
43Nach Ziffer 6.1 Satz 1 Buchstabe d) TA Lärm beträgt der Immissionsrichtwert in allgemeinen Wohngebieten tags 55 dB (A). Gemäß Ziffer 6.1 Satz 2 TA Lärm dürfen einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen die Immissionsrichtwerte am Tage um nicht mehr als 30 dB (A) überschreiten. Hiernach ist daher grundsätzlich ein Spitzenpegelwert von 85 dB (A) zulässig.
44Ergänzend hierzu bestimmt Ziffer 3.2.2 TA Lärm: "Liegen im Einzelfall besondere Umstände vor, die bei der Regelfallprüfung keine Berücksichtigung finden, nach Art und Gewicht jedoch wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung haben können, ob die Anlage zum Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen relevant beiträgt, so ist ergänzend zu prüfen, ob sich unter Berücksichtigung dieser Umstände des Einzelfalls eine vom Ergebnis der Regelfallprüfung abweichende Beurteilung ergibt." Als Umstände, die eine Sonderfallprüfung erforderlich machen können, kommen nach Buchstabe d) der Ziffer 3.2.2 TA Lärm besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmission in Betracht.
45Vorliegend sind solche besonderen Umstände, die eine Sonderfallprüfung erforderlich machen, gegeben. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit des sakralen Läutens gilt nach der ständigen Rechtsprechung im Vergleich zum Zeitschlagen ein anderer Maßstab, der sich aus der Priviligierung dieser kirchlichen Lebensäußerung aufgrund des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts der Kirchen und dem von Schutz des Art. 4 Abs. 2 GG erfassten Akt freier Religionsausübung ergibt.
46Vgl. z.B.: BVerwG, Urteil vom 30. April 1992, a.a.O.; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München (Bay VGH), Urteil vom 01. März 2002, juris.
47Liturgisches Glockenläuten ist danach regelmäßig keine schädliche Lärmimmission, sondern eine zumutbare, sozialadäquate und allgemein akzeptierte Äußerung kirchlichen Lebens. Für die Frage der Zumutbarkeit ist in erster Linie auf die Lautstärke und Lästigkeit des Einzelgeräusches und damit auf den Wirkpegel abzustellen, während die Mittelwertbildung an Bedeutung zurücktritt. Für die Überschreitung der Schädlichkeitsgrenze ist zwar zunächst entscheidend, ob der gemessene Wirkpegel des einzelnen Läutegeräuschs den Maximalpegel für Einzelgeräusche - von hier 85 dB (A) - überschreitet.
48BVerwG, Beschluss v. 02. September 1996, in: UPR 1997, 39; VG Würzburg, Urteil 28. September 2004, a.a.O.
49Hierbei handelt es sich allerdings um keine starre Grenze, sondern um einen Orientierungswert, der im Rahmen der Sonderfallprüfung gegebenfalls zu korrigieren ist.
50Vgl. BayVGH, Beschluss v. 05.12.1997 - 22 ZE 97.3353 -, in: juris; BVerwG, Beschluss vom 02.September 1996 - 4 B 152/96 -, in: juris.
51Im Rahmen des zivilrechtlichen Verfahrens sind durch das Staatliche Umweltamt Lippstadt Geräuschmessungen vor dem Wohnhaus (im Bereich der Terrasse) der Kläger erfolgt, die auch das sakrale Läuten mit berücksichtigt hatten. Insofern konnte im vorliegenden Verfahren auf die Erstellung eines weiteren Gutachtens verzichtet werden.
52Das Gutachten vom 14. Dezember 2005, welches eine Spitzenpegelüberschreitung von 3,9 dB (A) ergab, dürfte insofern nachrangig sein, weil dort keine differenzierte Messung des sakralen Läutens im Hinblick auf die unterschiedlichen Einsatzarten der Glocken erfolgte. Zudem sind nach Angaben der Beklagten in Nachhinein nochmals Geräuschminderungsmaßnahmen erfolgt.
53Nach dem somit hier vorrangig einschlägigem Gutachten vom 26. September 2006 sind für das sakrale Läuten zwei unterschiedliche Spitzenpegel zu verzeichnen. Bei Einsatz der kleinen Glocken beträgt der Wirkpegel LmaxF 79,2 dB (A), während bei Einsatz der großen Glocke ein Wert von 87,2 dB (A) erreicht wird.
54Es besteht auch kein Anlass, die Richtigkeit dieser Ergebnisse und damit die Korrektheit der Immissionsmessung in Zweifel zu ziehen.
55Im vorliegenden Fall wird der Mittelungspegel für allgemeine Wohngebiete von 55 dB (A) mit 62 dB (A) zwar um 7 dB (A) überschritten, der Maximalpegel für Einzelgeräusche in Höhe von 85 dB (A) wird für das täglich stattfindende Gebetsläuten, welches laut Läuteordnung montags bis freitags um 7.Uhr, 12.00 Uhr und 18.00 Uhr, samstags um 7.00 Uhr und 12.00 Uhr sowie sonntags um 12.00 und 18.00 Uhr stattfindet, der Maximalpegel mit 79,2 dB (A) deutlich unterschritten. Für dieses regelmäßig stattfindende sakrale Läuten wird lediglich die Glocke 2 eingesetzt, während die große Glocke (Glocke 1) nicht zum Einsatz kommt.
56Dagegen ist zwar hinsichtlich des sakralen Läutens anläßlich der Gottesdienste, Trauerfeiern, Hochzeiten und Konfirmation eine Überschreitung des Maximalpegels festzustellen. Nach dem hier entscheidenden Gutachten vom 26. September 2006 wird bei einem Einsatz der großen Glocke ein Maximalpegel von 87,2 dB (A), also eine Überschreitung des Spitzenpegelwertes um 2,2 dB (A) erreicht.
57Die Priviligierung des liturgischen Glockengeläuts führt jedoch im vorliegenden Fall dazu, dass geringfügige Überschreitungen der Grenzwerte hingenommen werden müssen.
58So in einem ähnlichen Fall auch VG Kassel, Urteil vom 25. November 2004 - 7 E 1173/02 -, in: juris
59Diese Vorgehensweise erscheint zumindest gerechtfertigt, wenn das liturgische Glockenläuten täglich nur wenige Male zu festgelegten Zeiten und für kurze Dauer stattfindet. Es ist daher bei liturgischen Glockenläuten zum Gottesdienst, anders als beim täglichen Gebetsläuten, der Anspruch auf ungestörte Religionsausübung selbst dann höher zu gewichten als das Ruhebedürfnis der Anwohner, wenn der Maximalpegel den Immissionswert um mehr als 30 dB(A) überschreitet.
60Vgl. auch VG Würzburg, Beschluss v. 14.10.1997 - W 6 E 97.1217 -, in: NVwZ 1999, 799.
61Dieser Einschätzung ist auch für den vorliegenden Fall zuzustimmen. Der Einsatz der großen Glocke anläßlich des Läutens für Gottesdienste findet laut Läuteordnung lediglich Samstags abends sowie Sonntags morgens statt. Für den Mittwochs morgens erfolgenden Schulgottesdienst wird keine große Glocke geläutet. Damit sind die Anzahl der Überschreitungen des Spitzenpegelwertes aufgrund von Gottesdiensten gering und auch hinsichtlich der Tageszeit als sozialüblich und adäquat hinzunehmen. Abgesehen davon, dass es bei der Beurteilung der Zumutbarkeit anhand des Spitzenpegels nach allgemeiner Ansicht nicht auf die Dauer des Glockenläutens ankommt,
62vgl. VG Würzburg, Urteil v. 28. September 2004, a.a.O.
63kann vorliegend die Läutedauer von 5 Minuten, die durch den Nachhall zur der von der Klägern angegebenen Zeit von 6 Minuten 33 Sekunden führt, nicht als unüblich lang und exzessiv angesehen werden, sondern hält sich im Rahmen des allgemein üblichen.
64Auch der Einsatz der großen Glocke - und damit die Überschreitung des Spitzenpegelwertes - für kirchlich bedeutsame Ereignisse wie Trauerfeiern, Hochzeiten und Konfirmationen ist für die Kläger zumutbar. Nach Angaben der Beklagten finden Beerdigungen in der Regel mittwochs nachmittags statt, also während einer Zeit, in der die Kläger regelmäßig noch ihrem Beruf oder anderen Beschäftigungen nachgehen dürften. Konfirmationen finden lediglich ein bis zweimal jährlich statt. Auch Hochzeiten treten nur unregelmäßig auf. Vor diesem Hintergrund erscheint das Läuten mit großer Glocke den Klägern noch zumutbar.
65Es ist vorliegend auch nicht ersichtlich, dass das sakrale Läuten im Hinblick auf die vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden der Kläger unzumutbar sein könnte. Aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen vom 23. April 2007 betreffend die Klägerin zu 1. und vom 25. April 2007 betreffend den Kläger zu 2. ergibt sich insofern kein hinreichender Kausalzusammenhang zwischen dem sakralen Glockenläuten und den dort genannten "erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen". Eine nachvollziehbare Begründung dieser pauschalen Behauptung ist dort nicht erfolgt. Zudem ist dem Attest vom 23. April 2007 zu entnehmen, dass die Klägerin sich seit 2000 dort in Behandlung befindet. Insofern ist fraglich, inwiefern das 2004 veränderte Glockengeläut die Ursache für die hiermit attestierte gesundheitliche Beeinträchtigung sein sollte. Diesen Widerspruch konnte der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht ausräumen. Er hat vielmehr nochmals darauf hingewiesen, dass sie grundsätzlich nichts gegen das Glockenläuten einzuwenden hätten und dieses sie vor dem Austausch der Glocken nicht gestört hätte. Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass die Kläger ihr Grundstück trotz des bereits vorhandenen Glockenturms, von dem auch zuvor geläutet worden ist, gekauft haben.
66Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 S. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
67Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch die Kammer nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO sind nicht gegeben.
68Rechtsmittelbelehrung:
69Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg, Postanschrift: Verwaltungsgericht Arnsberg, 59818 Arnsberg) Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
70Die Berufung ist nur zuzulassen,
711. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
722. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
733. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
744. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
755. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
76Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Zulassungsantrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, bzw. Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen - ERVVO VG/FG - vom 23. November 2005 (GV. NRW. S. 926) einzureichen. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss.
77Vor dem Oberverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Das gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In Abgabenangelegenheiten sind vor dem Oberverwaltungsgericht als Prozessbevollmächtigte auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zugelassen.
78Der Antragsschrift sollen möglichst Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
79T. I. Q.
80B e s c h l u s s
81Ferner hat die Kammer b e s c h l o s s e n :
82Der Streitwert wird auf EUR festgesetzt.
83G r ü n d e:
84Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Anlehnung an Nr. 19.2 in Verbindung mit Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von Juli 2004 (veröffentlicht in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ - 2004, 1327; Deutsches Verwaltungsblatt - DVBl - 2004, 1525).
85Rechtsmittelbelehrung:
86Gegen die Streitwertfestsetzung können die Beteiligten schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg, Postanschrift: Verwaltungsgericht Arnsberg, 59818 Arnsberg) Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht entscheidet, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft. Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR nicht überschreitet.
87Der Beschwerdeschrift sollen möglichst Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.