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Der Bescheid des Beklagten vom 23.01.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2004 wird hinsichtlich der darin für das Jahr 2003 erhobenen Entwässerungsgebühren aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des Hausgrundstücks C.---weg in N. -C1. .
3Mit Grundbesitzabgabenbescheid vom 23.01.2004 rechnete der Beklagte unter anderem die vom Kläger für das Jahr 2003 für dieses Hausgrundstück zu entrichtenden Entwässerungsgebühren ab und erhob Vorauszahlungen auf die im Jahr 2004 fällig werdenden Entwässerungsgebühren. Gegen diese Heranziehung zu Entwässerungsgebühren erhob der Kläger am 25.02.2004 mit der Begründung Widerspruch, dass der in der Gebührensatzung vorgesehene einheitliche Frischwassermaßstab gegen höherrangiges Recht verstoße. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2004 als unbegründet zurück. Er führte aus, dass die Stadt N. über eine homogene und wenig verdichtete Bebauung verfüge, weshalb der Frischwassermaßstab auch hinsichtlich der Niederschlagswasserentsorgung zulässig sei.
4Der Kläger hat am 19.05.2004 Klage erhoben. Er trägt vor, dass der einheitliche Frischwassermaßstab, wie er in der Stadt N. Anwendung finde, weder mit dem gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip noch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar sei. Der Frischwassermaßstab schaffe im Fall der Stadt N. eine willkürliche Ungleichbehandlung von Grundstücken mit geringerem und größerem Schmutz- und Niederschlagswasseraufkommen im Verhältnis zum Frischwasserverbrauch. Die Gebühr stehe ferner in keinem auch nur möglichen Zusammenhang mehr zur Leistung, da verschiedenste Faktoren wie insbesondere das Maß der Versiegelung des Grundstückes außer Betracht blieben.
5Die Voraussetzungen, unter denen nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ein einheitlicher Frischwassermaßstab zulässig sei, seien in N. nicht erfüllt. Insofern sei entscheidend, ob die betreffende Gemeinde eine homogene und nur wenig verdichtete Bebauung aufweise, weil nur dann ein Zusammenhang zwischen Einwohnerzahl, der Menge von bezogenem Frischwasser und der Menge abgeleiteten Schmutzwassers sowie der Größe der versiegelten Fläche denkbar und nicht offensichtlich unmöglich sei. Homogenität in diesem Sinne liege nur vor, wenn sich im Gemeindegebiet ein absolut vorherrschender Typ der Grundstücksnutzung feststellen lasse und wenn diese durch die Art und Weise der baulichen Nutzung bestimmte Einheitlichkeit ihre Entsprechung finde in einer für alle Ortsteile der Gemeinde etwa gleichen Bevölkerungsdichte. Im Falle eines Streits über die Rechtmäßigkeit des Frischwassermaßstabs habe die beklagte Gemeinde die die Homogenität der Bebauung begründenden Tatsachen vorzutragen und zu begründen. Dieser Darlegungslast könne die Stadt N. nicht entsprechen. Zu Unrecht behaupte der Beklagte, dass kleine und mittlere Gewerbebetriebsgrundstücke mit Grundstücken vergleichbar seien, auf denen sich Wohngebäude befänden. Auch bei kleineren und mittleren Gewerbebetrieben sei das Verhältnis von Schmutz- zu Regenwasser sowie zur Bewohnerzahl von zum Teil erheblich abweichenden Faktoren abhängig. Ferner könne dem Beklagten nicht darin gefolgt werden, dass Großbetriebe, die in Gewerbegebieten der Stadt N. ansässig seien, nicht zu einer Störung der Homogenität führten, weil Abwässer aus den Gewerbegebieten teilweise nicht in das Kanalnetz abgeleitet würden. Immerhin erfolge in dem Gewerbegebiet " C2. " eine teilweise Einleitung von Abwässern. Im Gewerbegebiet "L. " und im Gewerbegebiet " M. " erfolge eine Einleitung zu 50 %. Dies stelle eine erhebliche Abweichung der Art der Nutzung dar, die zu einer Verneinung der Homogenität führen müsse. Nach richtiger Ansicht sei eine Satzung wegen mangelnder Homogenität schon dann rechtswidrig, wenn die Zahl der Fälle, bei denen der Frischwassermaßstab nicht geeignet sei, 10 % übersteige.
6Ebenso wenig einheitlich sei die Bevölkerungsdichte in den einzelnen Ortslagen der Stadt N. . Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) müsse aber, damit der Frischwassermaßstab rechtmäßig sei, die jeweilige Gemeinde für alle Ortsteile eine homogene, vergleichbare Bevölkerungsdichte aufweisen. Dieses Erfordernis müsse kumulativ zu der vergleichbaren und homogenen Bebauung vorliegen. Die Bevölkerungsdichte in den einzelnen Ortsteilen der Stadt N. weise erhebliche Unterschiede auf. Es gebe Ortsteile mit dörflichem Gepräge wie z. B. D. mit 666 Einwohnern oder T. mit 249 Einwohnern. Diese hätten eine entsprechend geringe Bevölkerungsdichte. Dem gegenüber habe die Kernstadt N. 17.017 Einwohner, so dass sich ein erheblicher Unterschied in der Bevölkerungsdichte ergebe. Auch die Bevölkerungsdichte pro km² weise Abweichungen bis zu 30 % auf.
7Der Kläger beantragt,
8den Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 23.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2004 hin- sichtlich der darin für das Jahr 2003 erhobenen Entwässerungs- gebühren aufzuheben.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung seines Antrages trägt der Beklagte vor, dass die der Gebührenerhebung zu Grunde liegende Gebührensatzung wirksam sei. Der in dieser Satzung herangezogene einheitliche Frischwassermaßstab stelle einen insgesamt zulässigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab dar. Eine Gemeinde besitze eine homogene und nur wenig verdichtete Bebauung, wenn sich ein im Gemeindegebiet absolut vorherrschender Typ der Grundstücksnutzung feststellen lasse und wenn diese durch Art und Weise der baulichen Nutzung bestimmte Einheitlichkeit ihre Entsprechung finde in einer für alle Ortsteile der Gemeinde etwa gleichen Bevölkerungsdichte. Eine Differenzierung ist auch dann nicht erforderlich, wenn die Fälle, in denen der Frischwassermaßstab zur Erfassung der Niederschlagswasserbeseitigung ungeeignet sei, unter 10 % bleibe. Der für das Stadtgebiet N. vorherrschende Typ der Grundstücksnutzung sei das zweigeschossige (Wohn-)Gebäude mit einer Grundfläche von ca. 120 bis 140 m², einer Doppelgarage von 30 m², einer befestigten Zuwegung mit Garagenvorplatz mit 50 m² sowie einer übrigen befestigten Fläche - z.B. Terrasse - mit 30 bis 50 m². Die Summe der befestigten und angeschlossenen Flächen dieser vorherrschenden Grundstücksnutzung liege bei 230 bis 250 m². Insgesamt seien an die öffentliche Abwasseranlage der Stadt N. 8.260 Grundstücke angeschlossen. 736 dieser Parzellen entsprächen nicht dem beschriebenen vorherrschenden Typ der Grundstücksnutzung. Das seien weniger als 10 %. Die Bevölkerungsdichte liege durchschnittlich bei 2.499 Einwohnern pro km². Die Abweichung schwanke zwischen -19 % und +15 %. Dieser Unterschied zwischen 2.026 Einwohner pro km² und 2.881 Einwohner pro km² könne nicht als gravierend bezeichnet werden, sondern bewege sich im Rahmen dessen, was als gleichartige Bevölkerungsdichte zu bezeichnen sei. Zu dem würde nur auf 4,34 % der Grundstücke mehr als 500 m³ Frischwasser im Jahr verbraucht.
12Zur weiteren Begründung seines Antrags nimmt der Beklagte Bezug auf von ihm zur Gerichtsakte gereichte sogenannte Übersichtspläne zur Homogenität, zur Typengerechtigkeit und zur Siedlungsdichte sowie auf eine Liste über die Zusammenstellung der Grundstücke, die nicht der typischen Grundstücksnutzung entsprechen, und auf eine Tabelle "Vergleich der Bevölkerungsdichte aller Siedlungsgebiete der Stadt N. ".
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage ist zulässig und begründet.
16Der Grundbesitzabgabenbescheid vom 23.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2004 ist hinsichtlich der darin erhobenen Entwässerungsgebühren für das Jahr 2003 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ).
17Es fehlt an einer wirksamen Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu Entwässerungsgebühren für das Jahr 2003. Die als Rechtsgrundlage für die Erhebung dieser Gebühren in Betracht kommende Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt N. vom 09.04.2001 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 06.12.2002 (BGS) ist zwar formell gültig erlassen worden, jedoch materiell-rechtlich unwirksam. Diese Satzung enthält entgegen § 2 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) keine gültige Maßstabsregelung. Der in § 8 Abs. 2 BGS geregelte Frischwassermaßstab, demzufolge die Entwässerungsgebühr nach der Menge des bezogenen Frischwassers berechnet wird, steht mit höherrangigem Recht nicht in Einklang, weil eine gesonderte Erfassung des abgeleiteten Oberflächenwassers unterbleibt. Angesichts der Größe und der uneinheitlichen Siedlungsstruktur der Stadt N. stellt dieser Maßstab keinen nach § 6 Abs. 3 KAG noch zulässigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab mehr dar. Er führt zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Gebührenpflichtigen.
18Die Eignung des Frischwassermaßstabs zur realitätsnahen Erfassung des Umfangs der Inanspruchnahme der städtischen Kanalisation ist allgemein anerkannt, soweit es um die Ableitung des häuslichen Schmutzwasser geht. Insoweit beruht dieser Maßstab auf der ohne weiteres nachvollziehbaren Schlussfolgerung, dass die Menge des dem Grundstück zugeführten Frischwassers in etwa der des abgeleiteten Schmutzwassers entspricht.
19Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 01.09.1999 - 9 A 5715/98 -, vom 05.08.1994 - 9 A 1248/92 -, vom 15.04.1991 - 9 A 803/88- und vom 08.08.1984 - 2 A 2501/78- in: Der Gemeindehaushalt 1985, S. 447; Beschluss vom 31.01.1990 - 2 A 1124/86 -.
20Ein entsprechender Wahrscheinlichkeitszusammenhang besteht indessen nicht, soweit es um die Niederschlagswasserableitung geht. Die für die Höhe der von den einzelnen Grundstückseigentümern geforderten Entwässerungsgebühren maßgebliche Menge des bezogenen Frischwassers erlaubt grundsätzlich keinerlei Rückschlüsse darauf, wie viel Niederschlagswasser von dem betreffenden Grundstück in den Kanal gelangte, weshalb es im Grundsatz auch nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zu vereinbaren ist, wenn eine Gemeinde die Gegenleistung der Gebührenpflichtigen für die Ableitung von Schmutz- und Regenwasser allein nach der Brauchwassermenge berechnet und die abgeleitete Regenwassermenge dabei ganz außer Betracht lässt.
21Vgl. Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.03.1965 - 1 A 54/64 -, in: Kommunale Steuer-Zeitschrift (KStZ) 1965, S. 227; VG Köln, Urteil vom 26.01.1967 - 7 K 41/66 -, in: Betriebsberater 1967, S. 981; vgl. auch: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Urteil vom 16.12.1998 - 23 N 94.3201 und 23 N 97.20002 -, in: Bayr. Verwal-tungsblätter (BayVBl.) 1999, S. 463 (464).
22Die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers wird nämlich allein von der Größe der versiegelten Grundstücksfläche sowie von der Intensität des Niederschlags bestimmt.
23Vgl. Tillmanns: Ein Plädoyer für die getrennte Abwassergebühr, in: KStZ 2001, S. 101.
24Trotz dieser fehlenden Aussagekraft des Frischwasserverbrauchs für das Maß der Inanspruchnahme des Kanals für Niederschlagswasser sieht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des OVG NRW den Frischwassermaßstab auch in Bezug auf das Niederschlagswasser unter ganz bestimmten Voraussetzungen als mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes bzw. der Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG noch zu vereinbarenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab an. So hat das Bundesverwaltungsgericht mehrfach entschieden, dass eine gesonderte Erfassung des Niederschlagswassers unterbleiben und eine Berechnung der Gebühr ausschließlich nach der Frischwassermenge erfolgen darf, wenn die durch Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung geringfügig sind, wobei die Erheblichkeitsgrenze bei einem 12 %igen Anteil an den der Gebührenkalkulation zu Grunde gelegten Gesamtkosten der Entwässerungseinrichtung liegt.
25Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 26.01.1973 - 7 B 21/72 -, in: KStZ 1973, S. 92 und Beschluss vom 25.03.1985 - 8 B 11/84 -, in : KStZ 1985, S. 129; vgl. auch: Bayr. VGH, Urteil vom 16.12.1998, aaO.
26Diese Voraussetzung ist in N. nicht erfüllt. Für die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung sind in N. deutlich mehr als nur 12 % der durch die Entwässerung insgesamt entstehenden Unkosten aufzuwenden.
27Das OVG NRW hat für bestimmte Anwendungsfälle einen Wahrscheinlichkeitszusammenhang zwischen dem Frischwasserverbrauch und der Menge des von dem Grundstück abgeleiteten Niederschlagswassers mit der Erwägung bejaht, dass beide Größen gleichmäßig durch die Zahl der auf dem Grundstück lebenden Menschen beeinflusst sein könnten. Die Größe der befestigten Grundstücksfläche stehe (noch) in einem gewissen Zusammenhang mit der Zahl der Bewohner des Grundstücks, von der wiederum die Menge des dem Grundstück zugeführten Frischwassers abhänge. Dieser Zusammenhang zwischen der Menge des abgeleiteten Schmutzwassers und des Niederschlagswassers sei denkbar und nicht offensichtlich unmöglich, was zur Annahme eines zulässigen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs ausreiche. Weil indessen selbst dieser entfernte Zusammenhang zwischen Frischwasserverbrauch und versiegelter Fläche in allen den Fällen nicht gegeben ist, in denen andere Faktoren als die Bewohnerzahl für den Grad der Versiegelung verantwortlich sind, lässt das OVG den dargestellten Wahrscheinlichkeitszusammenhang nur für solche Gemeinden gelten, die sich durch eine homogene und wenig verdichtete Bebauungsstruktur auszeichnen.
28Vgl. OVG NRW, Urteile vom 08.08.1984 - 2 A 2501/78 - in: Der Gemein-dehaushalt 1985, S. 44 (46); vom 15.04.1991 - 9 A 803/88 - und vom 05.08.1994 - 9 A 1248/92 -.
29Anders gesagt: Der einheitliche Frischwassermaßstab ist dann ein zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wenn angesichts der Bebauungs- und Besiedlungsstruktur einer Gemeinde eine Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass eine gleichmäßige Relation zwischen dem Trinkwasserverbrauch auf den Grundstücken einerseits und der Größe der dort jeweils anzutreffenden versiegelten Flächen andererseits durchweg gewahrt ist.
30Ein Ortsgesetzgeber, der trotz der aufgezeigten mit dem einheitlichen Frischwassermaßstab verbundenen Probleme an diesem Maßstab festhalten will, hat regelmäßig selbst unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zu prüfen, ob kein offensichtliches Missverhältnis zur Inanspruchnahme vorliegt.
31Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.03.1982 - 2 A 1584/79 -, in: Der Gemeinde-haushalt 1983, S. 69 (70); Schmidt: Die neuere Rechtsprechung des OVG NRW zur Erhebung von Entwässerungsgebühren, in: Städte- und Gemeinderat (StuGR) 1991, S. 234 ff. (238); vgl. auch: OVG NRW, Beschluss vom 12.10.1999 - 9 A 2778/99 -.
32Er hat dem Gericht im Streitfall die für die Beurteilung der Ordnungsgemäßheit der gewählten Maßstabsregelung erforderlichen Tatsachen mitzuteilen und zu belegen, denn das Gericht kann die Wirksamkeit der Gebührensatzung einer Gemeinde nur feststellen, wenn der Satzungsgeber im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nachvollziehbare Tatsachen vorträgt, sofern die entscheidungserheblichen Fragen - wie hier - nicht ohne Mithilfe des Beklagten zu klären sind.
33Vgl. Urteil der Kammer vom 15.01.2002 - 11 K 1994/00 -; siehe auch VG Aachen, Urteil vom 01.09.1995 - 7 K 1005/92 -, in: Rechtsprechungsreport zur Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ - RR -) 1996, S. 702 (704).
34Aus dem vom Beklagten vorgelegten Daten- und Kartenmaterial ergibt sich indessen, dass die Voraussetzungen, unter denen nach diesen Grundsätzen an einem einheitlichen Frischwassermaßstab festgehalten werden kann, im Gebiet der Stadt N. nicht mehr vorliegen. Die Bebauungsstruktur dieser Gemeinde weist erhebliche Differenzen auf zwischen den überwiegend dörflich geprägten Ortsteilen und der demgegenüber wesentlich verdichteteren Bebauung in der Kernstadt N. ; auch die Kernstadt selbst ist nicht homogen bebaut. Diese Unterschiede können auch nicht ausnahmsweise mit Blick auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit außer Betracht bleiben.
35Eine Gemeinde besitzt eine homogene und nur wenig verdichtete Bebauung im Sinne der zitierten OVG-Rechtsprechung, wenn sich ein im Gemeindegebiet absolut vorherrschender Typ der Grundstücksnutzung feststellen lässt und wenn diese durch die Art und Weise der baulichen Nutzung bestimmte Einheitlichkeit ihre Entsprechung findet in einer für alle Ortsteile der Gemeinde etwa gleichen Bevölkerungsdichte und -verteilung. Das Zurücktreten der Verdichtungsräume und der Gewerbeflächen gegenüber der vorherrschenden Bebauungsstruktur muss sich ablesen lassen an dem die Nutzung der bebauten Fläche wiedergebenden Kartenmaterial wie Auszügen aus der Grundkarte, Abgrenzungskarten, Katasterauszügen oder Flächennutzungsplänen. Auch Luftbilder können für die Erfassung der Bebauungsstruktur von Nutzen sein.
36Die in diesem Sinne für das Stadtgebiet N. vorherrschende Art der Grundstücksnutzung sieht der Beklagte in der Bebauung mit einem zweigeschossigen (Wohn-)Gebäude mit einer Grundfläche von ca. 120 bis 140 m², zu dem eine Doppelgarage, ein versiegelter Garagenvorplatz sowie weitere versiegelte Flächen wie etwa eine Terrasse gehören, so dass sich insgesamt eine versiegelte und an das Kanalnetz angeschlossene Fläche von 230 bis 250 m² ergibt. Der so definierte Grundstückstyp findet sich am ehesten in Bereichen aufgelockerter Bebauung mit Ein- und Zweifamilienhäusern, weil die angenommene Größe der im Rahmen unterschiedlicher Nutzungen versiegelten Flächen im Regelfall deutlich größere Grundstücke voraussetzt.
37Aus dem vorliegenden Kartenmaterial ergibt sich, dass dieser Grundstückstyp zwar die ländlichen Ortsteile prägen mag; er ist indessen nicht bestimmend für die Kernstadt N. . Diese Kernstadt, deren Fläche der Beklagte - unter Einbeziehung des westlich angrenzenden Gewerbegebiets F3. - auf ingesamt 5,90 qkm beziffert, verfügt nicht über eine homogene Bebauung, sie weist vielmehr typisch urbane und damit uneinheitliche Strukturen auf.
38Im unmittelbaren Zentrumsbereich, zu dem insbesondere die S.---straße , die T1. -Straße, die F.--------straße , die H.--------straße , die S1.------straße , die T2.-- --straße , die A.--------straße , die C3.-Straße, die L1.---straße , die N1.-----gasse , die Straßen I. , S2. , I1. und I2. , der L2. -Platz, der T3.-----platz und der X. Platz sowie Teile der B. Straße und der Q. -Straße gehören, ist - wie sich den vom Beklagten überreichten Katasterplänen entnehmen lässt - eine sehr dichte, fast durchgängig geschlossene Bebauung anzutreffen. Hinzu kommen eine Reihe großflächig überbauter Grundstücke, welche für Zentrumslagen typische Nutzungen aufweisen, wie etwa das Parkhaus an den Straßen I1. /B. Straße oder der Block zwischen L1.---straße und X. Platz, der ein Kaufhaus und die Stadthalle beherbergt. An diese Zentrumsbebauung schließt sich nach Osten hin dem Lauf der Ruhr folgend ein Industriegebiet an, welches - wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert hat - von den I3. genutzt wird. Dieses Gebiet weist überschlägig eine Fläche von rund 20.000 qm auf. Nordöstlich vom Zentrum verläuft bandartig entlang der K.---straße und der Straße C2. ein ebenfalls etwa 20.000 qm großes Gewerbegebiet. Nach Süden und Norden hin schließen sich an das Zentrum entlang der B 55 Bereiche an, in denen private und öffentliche Dienstleistungen dominieren, wie etwa das Seniorenzentrum an der I4.----straße sowie die Kreisverwaltung und das Landesbehördenhaus an der T4.----straße im Süden oder das Gymnasium der Benediktiner, die Benediktiner- Abtei, das Westfälische Straßenbauamt sowie die Berufs- und Berufsfachschule im Norden.
39Auch in den übrigen Bereichen der Stadt finden sich zahlreiche Gebäude, die schon auf Grund ihrer Größe nicht mehr dem vom Beklagten als vorherrschend bezeichneten Typ entsprechen. Zu nennen sind hier etwa die im nördlichen Stadtgebiet gelegenen Wohngebiete an der S3. - und der O.-----straße einerseits sowie der X1.-----straße und dem M1.-------weg andererseits, zu denen nach einer vom Beklagten vorgelegten Auflistung zahlreiche Wohnhochhäuser gehören. Auch das in letzterem Bereich gelegene Gelände der Fachhochschule Südwestfalen weist eine untypische" Bebauung auf. Gleiches gilt schließlich für die im Südosten der Kernstadt an der T5.------straße gelegenen großzügigen Grundstücke des Krankenhauses St. Walburga und diverser Schulen (Hauptschule, Realschule und Gymnasium). Dem vom Beklagten als vorherrschend bezeichneten Grundstückstyp widersprechen endlich mehrere Reihenhausbebauungen in den verschiedenen Bereichen der Kernstadt, etwa am G. - und S4.--weg , zwischen der L3. - Straße und der X2.-------straße , im Bereich der Straße H1. /H2.----straße , am F1. - und X3.-----weg beziehungsweise an der F2.-----straße .
40In dem der Kernstadt N. zuzuordnenden Siedlungsgebiet sind also - dem typischen Erscheinungsbild einer kleineren bis mittleren Stadt entsprechend - in verhältnismäßig enger räumlicher Nähe sehr unterschiedliche Arten der Grundstücksnutzung anzutreffen, die im weiteren eine verstärkte Verdichtung der Bevölkerung bewirken. Insofern sagt die vom Beklagten vorgelegte Berechnung, derzufolge die Bevölkerungsdichte in der Kernstadt N. (2.881 Einwohner/qkm) nur um 15 % von der durchschnittlichen Bevölkerungsdichte im gesamten Stadtgebiet (2.499 Einwohner/qkm) abweichen soll, nichts über die Einheitlichkeit der Bebauung aus. Vielmehr stellen die naturgemäß nur von wenigen Personen bewohnten Gewerbeflächen einen Ausgleich dar zu den dicht besiedelten Zentrums- und Hochhausbereichen. Lässt man diese gewerblich genutzten Flächen - 0,4 qkm für die I3. und das Gewerbegebiet an der K.---straße beziehungsweise der Straße C2. sowie 0,85 qkm für das Gewerbegebiet F3. - außer Ansatz, so ergibt sich für den verbleibenden Siedlungsbereich mit einer Fläche von 4,65 qkm bei 17.003 Einwohnern eine deutlich höhere Bevölkerungsdichte von 3.657 Einwohnern/qkm, welche die vom Beklagten ermittelte durchschnittliche Bevölkerungsdichte um dann immerhin rund 43% übersteigt. Diese Zahl macht im übrigen deutlich, wie sehr sich die Besiedlungs- und Bebauungsstruktur des Zentralortes unterscheidet von den entsprechenden Strukturen der übrigen Ortsteile.
41Angesichts dieser uneinheitlichen Siedlungsstrukur im Gebiet der Stadt N. kann die für eine Rechtfertigung des einheitlichen Frischwassermaßstabes erforderliche Feststellung, dass eine gleichmäßige Relation zwischen dem Trinkwasserverbrauch auf den Grundstücken und der Größe der dort jeweils anzutreffenden versiegelten Flächen durchweg wahrscheinlich ist, nicht getroffen werden.
42Dieser Mangel ist auch nicht mit Rücksicht auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit unerheblich. Jener Grundsatz gestattet dem Abgabengesetzgeber bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Maßstabsregelungen die verallgemeinernde und pauschalierende Anknüpfung an die Regelfälle eines Sachbereichs, wenn die Zahl der dem Typ widersprechenden Ausnahmen geringfügig ist, die Auswirkungen auf die Betroffenen nicht erheblich sind und Schwierigkeiten - insbesondere verwaltungspraktischer Art - bestehen, die Härte zu vermeiden.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.02.1997 - 22 A 1135/94 -, in: Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 1998, S. 72, und vom 17.03.1998 - 9 A 3871/96 -.
44Im Gebiet der Stadt N. fehlt es bereits an dem ersten Merkmal. Mehr als 10% der Grundstücke widersprechen nämlich dem Regelfall, von dem der Satzungsgeber bei der Gestaltung der Maßstabsregelung in § 8 Abs. 2 BGS ausgegangen ist. Damit ist indessen die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Der Beklagte geht auf Grund seiner eigenen Ermittlungen davon aus, dass in N. von den 8.260 an den Kanal angeschlossenen Grundstücken lediglich 736 nicht dem Regeltyp des (Wohn-) Grundstücks mit einer bebauten Fläche von 150 bis 170 qm (Haus+Doppelgarage) und 230 bis 250 qm insgesamt befestigter und angeschlossener Fläche entsprechen.
45Diese Aufstellung ist aber noch um zahlreiche weitere Grundstücke zu ergänzen, so dass letztlich die bei 826 Grundstücken liegende 10 %-Grenze deutlich überschritten ist. Aus den vom Beklagten auf gerichtliche Anforderung zur Verfügung gestellten Unterlagen, vor allem dem Katasterplan der Kernstadt N. und den entsprechenden Luftbildern, ergibt sich, dass seine Auflistung der nicht der Norm" entsprechenden Grundstücke unvollständig ist. So weist etwa das Zentrum der Kernstadt - wie oben bereits ausgeführt - eine geschlossene Bebauung mit zahlreichen Grundstücken auf, die entweder vollständig oder doch weitgehend überbaut sind. Eine stichprobenartige Überprüfung durch - bei einem Maßstab des vorliegenden Katasterplanes von 1:5000 notwendigerweise überschlägige - Nachmessung macht deutlich, dass die versiegelte Grundstücksfläche in diesem Bereich in einer Vielzahl von Fällen den maximalen Normwert" von 250 qm klar überschreitet beziehungsweise deutlich unterhalb des Minimalwerts von 230 qm liegt. Es kommt hinzu, dass auf der Mehrzahl jener Grundstücke - soweit sie jedenfalls im Bereich der Fußgängerzone (S.---straße , S2. , F4.-------straße , X. Platz, L2. -Otto-Platz, T3.-----platz , Zeughausstraße) oder im angrenzenden Bereich liegen - gewerbliche Nutzung vorzufinden sein dürfte. Insoweit bedürfte es einer Einzelfallbetrachtung, um zu klären, ob der vom Beklagten unterstellte Regelfall, der angesichts seiner Merkmale (Doppelgarage, Garagenvorplatz, Zuwegung, Terrasse) doch wohl eher von einer Wohnnutzung ausgeht, tatsächlich einschlägig ist.
46Die Zahl von rund 20 nicht dem Regelfall entsprechenden Grundstücken, die nach der vom Beklagten vorgelegten Auflistung auf jenen Zentrumsbereich entfallen, dürfte bei einer entsprechenden Einzelfallbetrachtung mit genauer Erhebung der jeweils überbauten und versiegelten Flächen deutlich überschritten werden.
47Es kommt hinzu, dass in jener Liste die Reihenhaussiedlungen, die - wie oben bereits dargelegt - an mehreren Stellen im Stadtgebiet von N. anzutreffen sind, vollständig ausgeblendet sind. Diese Grundstücke weichen indessen durchgehend zumindest in zweifacher Hinsicht von dem Regeltyp ab. So befinden sich auf diesen - naturgemäß recht kleinen - Grundstücken durchweg keine Doppelgaragen; zum großen Teil sind nicht einmal Einzelgaragen vorhanden. Die ansonsten überbaute Fläche liegt - teilweise erheblich - unter der vom Beklagten für den Regelfall veranschlagten Fläche von 120 bis 140 qm. So weisen etwa die Reihenhäuser am G. - und S4.--weg Grundflächen von rund 70 bis 100 qm auf; die überbauten Flächen der Reihenhäuser im Bereich zwischen X2.-------straße und Josef-L3. - Straße liegen sogar nur zwischen 60 und 70 qm. Die Reihenhäuser im Bereich der Straßen H1. /H2.----straße überdecken jeweils eine Fläche von cirka 80 qm. Im Ergebnis Ähnliches gilt für die Reihenhaus-Siedlungen am F5.-----weg oder im Bereich von F1. - und X3.-----weg . Zwar sind die genannten Zahlen letztlich ebenfalls nur überschlägig auf der Grundlage der Katasterkarte ermittelt; die Abweichungen von dem vorgegebenen Regeltyp sind indessen derart signifikant, dass es auf die jeweils genaue Quadratmeterzahl nicht ankommt. In der beschriebenen Weise weichen allein in den hier angeführten Bereichen deutlich über 100 Reihenhaus-Grundstücke vom Regelfall ab. Es liegt auf der Hand, dass auf diesen Grundstücken auch die insgesamt versiegelte Fläche weitaus geringer ist als die vom Beklagten für den Regeltyp angegebene.
48Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 167 VwGO iVm den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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