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Die Bescheide des Beklagten vom 10. Januar 2002 und vom 29. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2002 werden aufgehoben, soweit darin eine Härteausgleichszahlung in Höhe von 59.590,59 DM festgesetzt wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Die Berufung wird zugelassen.
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Beteiligung an einem sozialhilferechtlichen Härteausgleich zu Gunsten der Beigeladenen. Die Klägerin und die Beigeladene sind kreisangehörige Städte im Gebiet des H-Kreises. Am 19. Dezember 2000 hat der Kreistag des H-Kreises auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zum Bundessozialhilfegesetz (AG BSHG) die "Satzung über die Regelung des Härteausgleichs im Zuge der Zusammenführung der Aufgaben- und Finanzverantwortung im Bereich der Sozialhilfe im H-Kreis" (im Folgenden: Satzung) erlassen, die durch Beschluss des Kreistages vom 19. März 2001 geändert wurde und am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist. In § 1 Satz 2 der Satzung wird festgestellt, der H-kreis sei nach § 6 Abs. 1 AG BSHG verpflichtet, einen Härteausgleich im Rahmen dieser Satzung festzulegen, wenn infolge erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet die Beteiligung kreisangehöriger Städte und Gemeinden an den Aufwendungen für diese zu einer erheblichen Härte führe. In § 2 Abs. 1 der Satzung wird als sogenannter "Indikator für den Härteausgleich" die Sozialhilfedichte je Stadt und Gemeinde herangezogen. Nach § 2 Abs. 2 wird ein "erheblicher struktureller Unterschied" erst angenommen, wenn die zuvor ermittelte Sozialhilfedichte die Dichte des Kreisdurchschnitts um mehr als 25 % überschreitet. Ausweislich der Niederschrift über die Kreistagssitzung vom 19. Dezember 2000 wurde die Satzung aufgrund der Drucksache Nr. 6/447 ohne Aussprache beschlossen, nachdem der Vorsitzende des Kreistages Erläuterungen vorgetragen hatte. In der Drucksache, die vom 30. November 2000 datiert, wird zunächst festgestellt, es sei nicht möglich gewesen, auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 AG BSHG eine Vereinbarung über die Verteilung der Sozialhilfekosten auf die Städte und Gemeinden des H-kreises zu erzielen. Sodann heißt es wörtlich:
2"Aufgrund dieses Sachverhaltes besteht nur die Möglichkeit, § 6 Abs. 1 AG-BSHG mit einer Satzungsregelung über einen Härteausgleich um- zusetzen, weil im Fall der Stadt A. ein erheblicher struktureller Unterschied gemessen an der Sozialhilfedichte im Vergleich zu den übrigen kreisangehörigen Städten und Gemeinden offensichtlich ist. Im übrigen kann eine solche Satzung auch nicht zu einem späteren Zeit- punkt erlassen werden, weil zu Beginn der Umsetzung der 50 v. H.-Fi- nanzierungsbeteiligung klar sein muss, unter welchen Voraussetzungen eine Kommune einen Härteausgleich beantragen kann."
3Mit Schreiben vom 18. und vom 27. September 2001 beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten unter Bezugnahme auf § 6 Abs. 1 AG BSHG und die Satzung des H-kreises den Härteausgleich, wobei sie zur Begründung auf die Sozialhilfedichte in ihrem Stadtgebiet hinwies und ferner geltend machte, durch die Einführung der finanziellen Beteiligung der Kommunen an den Kosten der Sozialhilfe erführen sämtliche Städte und Gemeinden des Kreises eine Entlastung, während allein sie, die Beigeladene, belastet werde. Der Antrag wurde durch Bedienstete des Beklagten geprüft, die sich in einem Vermerk vom 12. November 2001 über die finanzielle Lage der Beigeladenen und deren Haushaltssicherungskonzept für die Jahre 2001 bis 2008 äußerten. Dort wird sodann festgestellt, jede finanzielle Belastung des Haushalts der Beigeladenen stelle eine erhebliche Härte dar.
4Mit Bescheid vom 10. Januar 2002, der unter dem 29. Januar 2002 geändert wurde, gewährte der Beklagte der Beigeladenen einen Härteausgleich in Höhe von 961.997,54 DM. Unter den gleichen Daten zog er mehrere Städte und Gemeinden zu Ausgleichszahlungen heran. Gegenüber der Klägerin begründete der Beklagte eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 59.590,59 DM.
5Mit Schreiben vom 29. Januar und vom 7. Februar 2002 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Bescheide des Beklagten vom 10. und vom 29. Januar 2002. Sie machte im Wesentlichen geltend: Die Satzung verstoße gegen § 6 AG BSHG und sei damit nichtig. Dies führe auch zur Nichtigkeit der angefochtenen Bescheide. Zunächst habe der Kreistag die Satzung vorzeitig erlassen. Denn nach § 6 Abs. 1 AG BSHG könne eine Härteausgleichssatzung erst erlassen werden, nachdem das Vorliegen einer erheblichen Härte festgestellt worden sei. Nach § 6 AG BSHG müssten zudem erhebliche strukturelle Unterschiede Ursache für eine erhebliche Härte sein. Dem gegenüber stelle der Text der Satzung in § 2 nicht auf das Vorliegen struktureller Unterschiede im Sinne des Gesetzes ab. Die Satzung betrachte lediglich die Sozialhilfedichte je Stadt und Gemeinde. Dem Willen des Gesetzes hätte es entsprochen, Ursachen als strukturelle Unterschiede zu benennen, die zu einer höheren Zahl von Sozialhilfeempfängern führten. Die sogenannte Härte, die in der Satzung mit der Zahl der Sozialhilfeempfänger bezeichnet werde, habe der Gesetzgeber bereits dadurch berücksichtigt, dass die jeweiligen Gemeinden lediglich 50 % der Sozialhilfeaufwendungen trügen. Bei Gemeinden mit überdurchschnittlich hohen Sozialhilfekosten würden 50 % der Aufwendungen von den übrigen Gemeinden über die Kreisumlage mitgetragen. Die aus einer hohen Zahl von Sozialhilfeempfängern resultierenden Unterschiede habe der Gesetzgeber bereits mit der 50 zu 50-Regelung berücksichtigt. Es sei nicht anzunehmen, dass er mit dem Härteausgleich infolge erheblicher struktureller Unterschiede noch einmal das selbe habe tun wollen. Für einen Härteausgleich infolge struktureller Unterschiede sollten Ursachen bzw. Gründe zählen, die es selbst bei noch so intensiver Wahrnehmung der Sozialhilfeaufgaben nicht ermöglichten, eine überdurchschnittliche Höhe der Aufwendungen zu reduzieren. Die Satzung widerspreche dem Ziel des Gesetzgebers. Durch die Ausgleichsregelung fehle es für die begünstigten Gemeinden an Anreizen, auf eine Senkung der Sozialhilfekosten hin zu arbeiten. Die Satzung sei ferner deshalb nichtig, weil nach ihrem § 4 vom Jahre 2004 an ein Härteausgleich nicht mehr stattfinde. Das Gesetz schreibe einen Härteausgleich jedoch zwingend vor, sofern erhebliche strukturelle Unterschiede beständen. Hiergegen verstoße die Satzung durch die darin enthaltene Befristung. Nichtig sei auch § 2 Abs. 3 der Satzung, wonach die ausgleichsberechtigten Gemeinden ihren Antrag auf Härteausgleich zu begründen hätten und die Begründung durch die Kommunalaufsicht überprüft werde. Die Satzung könne nicht die Prüfung notwendiger Tatbestände, die eine unmittelbare Zahlungspflicht der Gemeinden auslösten, auf die Kommunalaufsicht verlagern. Vielmehr müssten die Härtekriterien für jeden erkennbar in der Satzung selbst verankert werden. Gegen die Annahme, für die Beigeladene ergebe sich eine finanzielle Härtesituation, spreche auch der Umstand, dass die Beigeladene beträchtliche Kosten für freiwillige Aufgaben aufbringe. Schließlich hielten die Berechnungsverfahren zum Härteausgleich einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. So sei es sachfremd, bei der Berechnung auf die Umlagegrundlagen der kreisangehörigen Gemeinden abzustellen. Wenn dies jedoch geschehe, müssten die Umlagegrundlagen aller Gemeinden und Städte berücksichtigt werden, während dies im vorliegenden Fall hinsichtlich der Beigeladenen und der Stadt Marsberg nicht erfolgt sei.
6Mit Bescheid vom 15. Februar 2002 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Hierzu teilte er ihr folgendes mit: Der Gesetzgeber habe davon abgesehen, Merkmale zu den "erheblichen strukturellen Unterschieden" zu definieren. Deshalb müsse der Satzungsgeber geeignete objektive Kriterien festlegen. Nachdem in der Konferenz der Hauptverwaltungsbeamten unterschiedliche Vorstellungen bestanden hätten, sei in die Satzung lediglich das Merkmal der Sozialhilfedichte eingeflossen, wie es im Übrigen der landesweiten Praxis entspreche. Damit seien für alle kreisangehörigen Kommunen die Auswirkungen der neuen Rechtslage mit den sich hieraus ergebenden finanziellen Folgen erkennbar gewesen. Es seien klare, objektive Kriterien für den Härteausgleich festgelegt worden, die jederzeit überprüfbar seien und zu jedem Zeitpunkt eine Einschätzung der aktuellen Entwicklung ermöglichten. Der Kreistag habe in besonderem Maße auch die schutzwürdigen Interessen der ausgleichspflichtigen Gemeinden berücksichtigt. So erfolge nach § 3 Abs. 2 der Satzung eine Bereinigung der durchschnittlichen Aufwendungen je Sozialhilfeempfänger, wenn die begünstigte Gemeinde mit ihren Aufwendungen um mehr als 5 % über dem Kreisdurchschnitt liege. Diese Bereinigung sei auch im Falle der Beigeladenen erfolgt. Durch § 4 Abs. 2 der Satzung werde den ausgleichspflichtigen Kommunen ein Selbstbehalt von mindestens 50 % der erwirtschafteten finanziellen Vorteile garantiert. Die Auffassung der Klägerin, für die Beigeladene fehle es an einem Anreiz, die Sozialhilfekosten zu senken, sei nicht zutreffend. Die Beigeladene erfahre infolge der hälftigen Beteiligung der Gemeinden an den Sozialhilfekosten trotz des Härteausgleichs noch eine Mehrbelastung von über 2.000.000,00 DM. Durch die Befristung werde die Klägerin zur Zeit nicht beschwert. Zur Einbindung der Kommunalaufsicht sei anzumerken, dass diese den umfassendsten Einblick in die Haushaltssituation der kreisangehörigen Kommunen habe. Die Kommunalaufsicht habe die Begründung der Beigeladenen überprüft, wonach der erhebliche strukturelle Unterschied zu einer erheblichen Härte führe. Die Beigeladene befinde sich seit Jahren in der Haushaltssicherung. Es könne nicht Aufgabe des Kreistages sein, im Rahmen der Härteausgleichssatzung Detailregelungen zu treffen. Insoweit sei eine Einbeziehung der Finanzsituation im Rahmen einer Gesamtschau durch die Kommunalaufsicht ausreichend.
7Am 7. März 2002 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung sie zunächst ihren bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft, wonach die Satzung des H-kreises nichtig sei. Im Übrigen meint sie mit eingehenden Erwägungen, die Bescheide seien auch bei unterstellter Wirksamkeit der Satzung rechtswidrig.
8Die Klägerin beantragt,
9die Bescheide des Beklagten vom 10. Januar 2002 und vom 29. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2002 aufzuheben, soweit darin eine Härte- ausgleichszahlung in Höhe von 59.590,59 DM festgesetzt wird. Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Er tritt dem Vorbringen der Klägerin mit eingehenden Ausführungen entgegen.
12Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
13Zur Sache führt die Beigeladene aus: Bei seiner Entscheidung, ob eine erhebliche Härte vorliege, habe sich der H-Kreis am Zweck des Gesetzes und seiner Begründung zu orientieren. Danach sei eine auf die örtlichen Verhältnisse bezogene Gesamtschau derjenigen Indikatoren notwendig, die Einfluss auf den in den kreisangehörigen Gemeinden zu leistenden Aufwand haben könnten. Der H-Kreis sei bei der Einführung des Härteausgleichs davon ausgegangen, eine Satzungsregelung sei notwendig, weil bei der Beigeladenen ein erheblicher struktureller Unterschied, gemessen an der Sozialhilfedichte, offensichtlich sei. Der Beigeladenen sei es entgegen der Ansicht der Klägerin trotz zahlreicher Bemühungen aufgrund exogener Faktoren dauerhaft nicht möglich, ihren Sozialhilfebestand abzubauen. Zwar habe es bis Oktober 2001 im Sozialhilfewesen sinkende Fallzahlen gegeben. Diese positive Entwicklung sei durch die derzeit schwache Konjunktur negativ beeinflusst worden. Die Arbeitslosenquote habe etwa im August 2002 im H-Kreis bei 7,1 % gelegen, während sie im Gebiet der Beigeladenen 9,5 % betragen habe. Dieser überproportionale Anstieg habe negative Auswirkungen auf den Anteil der Sozialhilfeempfänger im Stadtgebiet. Die Sozialhilfedichte habe Ende Juli 2002 im Stadtgebiet bei 3,68 % gelegen, während sie im Kreisdurchschnitt 2,28 % betragen habe. Im Stadtgebiet der Beigeladenen gebe es auch einen höheren Anteil an Langzeitarbeitslosen. Deren Anteil betrage im Kreisdurchschnitt 28,5 %, während es im Stadtgebiet 33,6 % seien. Hinzu komme der erhöhte Anteil an Alleinerziehenden bzw. Sozialhilfeempfängern über 65 Jahre. Als weiteres Beispiel für die nicht zu beeinflussende Sozialhilfedichte sei der Sitz des Frauenhauses zu nennen, das im Jahre 2001 lediglich 17,83 % Frauen und Kinder aus dem Stadtgebiet aufgenommen habe, während 34,11 % aus dem übrigen Kreisgebiet stammten. Nach dem Auszug aus dem Frauenhaus blieben die Betroffenen regelmäßig im Stadtgebiet und bezögen hier Sozialhilfe, ohne dass eine Kostenerstattung erfolge. Daraus werde deutlich, dass zahlreiche exogene und damit von der Beigeladenen selbst nicht zu beeinflussende Faktoren negative Auswirkungen auf den Anteil der Sozialhilfebezieher im Stadtgebiet hätten. Soweit die Klägerin ihr - der Beigeladenen - vorhalte, mehr Aussiedler aufzunehmen als gesetzlich von ihr verlangt, geschehe dies allein zur Familienzusammenführung, aus der sich letztlich eine Senkung des Sozialhilfeaufwandes ergebe. Im Übrigen würden tendenziell Aussiedler bereits nach relativ kurzer Zeit erwerbstätig, so dass die gesamte Familie aus dem Hilfebezug ausscheide. Sie - die Beigeladene - erfahre auch keine hinreichende Entlastung durch erhöhte Schlüsselzuweisungen.
14Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
16Die Klage ist als Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Bei den angegriffenen Bescheiden des Beklagten handelt es sich um Verwaltungsakte im Sinne dieser Vorschrift. Im Hinblick darauf, dass der Klägerin eine Zahlungsverpflichtung auferlegt wird, ist diese ohne weiteres klagebefugt nach § 42 Abs. 2 VwGO. Weil auch die Beteiligten keine Zweifel an der Zulässigkeit der Klage hegen, erübrigen sich hierzu weitere Ausführungen.
17Die Klage ist auch begründet. Denn die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide rechtswidrig in ihren Rechten verletzt im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
18Bei der Heranziehung der Klägerin zu einem Härteausgleich zu Gunsten der Beigeladenen handelt es sich um eine belastende Maßnahme, die in die Rechte der Klägerin eingreift. Als solche bedarf sie einer gesetzlichen oder einer auf Gesetz beruhenden Ermächtigung. Als Ermächtigungsgrundlage kommt im vorliegenden Fall allein § 4 Abs. 2 der Satzung in Betracht, wonach der Härteausgleich durch die Städte und Gemeinden finanziert wird, die dadurch finanziell entlastet werden, dass die Gemeinden nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AG BSHG nunmehr 50 % des Sozialhilfeaufwandes selbst tragen. Auf diese Vorschrift kann der Beklagte seine Bescheide jedoch nicht stützen, weil die Satzung insgesamt unwirksam ist. Die Kammer ist befugt, die Nichtigkeit der Satzung in den Urteilsgründen ("inzidenter") festzustellen. Wenn es für die Beurteilung eines Klagebegehrens auf die Gültigkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm ankommt, dürfen die Verwaltungsgerichte die Norm in den Gründen ihrer Entscheidung selbst als ungültig verwerfen,
19vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 3. November 1988 - 7 C 115.86 -, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) Band 80 S. 355 (358 f).
20Die Gerichte sind sogar verpflichtet, einen Bescheid aufzuheben, wenn dieser auf einer unwirksamen Satzung beruht. Es ist ihnen verwehrt, von der Inzidentfeststellung der Nichtigkeit einer Satzung abzusehen, auch wenn mit der Aufhebung des auf die Satzung gestützten Bescheides beträchtliche negative Folgen verbunden sind,
21vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 1995 - 8 B 193.94 -, Die Öffentliche Verwaltung 1995 S. 469; Beschluss vom 10. Februar 2000 - 11 B 54.99 -, Deutsches Verwaltungsblatt 2000 S. 1461.
22Allerdings ist es nicht die Aufgabe der Verwaltungsgerichte, gleichsam ungefragt in eine Suche nach Fehlern einer untergesetzlichen Rechtsnorm einzutreten,
23vgl. BVerwG, Urteil vom 7. September 1979 - IV C 7.77 -, DVBl 1980 S. 230; Urteil vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 -, BVerwGE Band 116 S. 188.
24Im vorliegenden Fall wird seitens der Klägerin ausdrücklich geltend gemacht, die Satzung des H-Kreises sei unwirksam und damit nichtig. Das erkennende Gericht ist deshalb verpflichtet, den vorgetragenen Zweifeln an der Wirksamkeit der Satzung nachzugehen.
25Die Satzung des H-kreises über den Härteausgleich ist unwirksam, weil sie von der Ermächtigung des § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG nicht gedeckt ist. Nach dieser Vorschrift legen die Kreise durch Satzung einen Härteausgleich fest, wenn infolge erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet die Beteiligung kreisangehöriger Gemeinden an den Aufwendungen für diese zu einer erheblichen Härte führt. Die Bestimmung enthält den typischen Aufbau einer Ermächtigungsnorm, indem sie zunächst einen "Tatbestand" beschreibt, an den sich, wenn der "Lebenssachverhalt" sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt, eine Rechtsfolge, nämlich die Befugnis, zu der ermächtigt wird, knüpft: Damit der Kreis einen Härteausgleich durch Satzung festlegen kann, müssen zunächst erhebliche strukturelle Unterschiede im Kreisgebiet vorliegen. Ein Härteausgleich verlangt zweitens, dass die strukturellen Unterschiede erhebliche Härten verursachen. Insoweit folgt die Kammer der Auffassung der Klägerin, soweit diese in ihrer Widerspruchsbegründung geltend macht, eine auf § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG gestützte Satzung könne nur erlassen werden, wenn zuvor erhebliche strukturelle Unterschiede im Kreisgebiet festgestellt worden seien. Eine Befugnis der Kreise, unabhängig von den strukturellen Gegebenheiten in den einzelnen Gemeinden Härteausgleichsregelungen zu erlassen, lässt sich der maßgebenden Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG nicht entnehmen. Schon deren Wortlaut verbietet eine solche Auslegung. Denn danach legen die Kreise durch Satzung einen Härteausgleich fest, wenn infolge erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet die Beteiligung kreisangehöriger Gemeinden an den Aufwendungen für diese zu einer erheblichen Härte führt. Durch die mit dem Wort "wenn" geschaffene grammatikalische Verknüpfung zwischen den Halbsätzen hat der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Rechtsfolge des im ersten Halbsatz enthaltenen satzungsrechtlichen Härteausgleichs erst bei Vorliegen der im zweiten Halbsatz geregelten tatbestandlichen Voraussetzungen (erhebliche Härte infolge erheblicher struktureller Unterschiede durch die Beteiligung kreisangehöriger Gemeinden an den Aufwendungen) erforderlich ist. Auch die Auslegung der Vorschrift nach dem Gesetzeszweck führt zu keinem anderen Ergebnis. Welchen Inhalt der Gesetzgeber einem Gesetz bzw. einer einzelnen Rechtsvorschrift gibt, hängt in erster Linie davon ab, welche Zwecke er damit verfolgt, welche Lösungen (einer rechts- oder sozialpolitischen Aufgabe) er vor Augen hat und verwirklichen will.
26Vgl. Larenz, Methodenlehre, 2. Auflage 1969, S. 313.
27Bei der Ermittlung des Gesetzeszwecks kommen die Gesetzesmaterialien, insbesondere die amtlichen Begründungen als erste Erkenntnisquelle in Betracht.
28Vgl. Bartholomeyczik, Die Kunst der Gesetzesauslegung, 1967, Seite 52.
29Dies ist hier zunächst die Begründung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen (Zweites Modernisierungsgesetz - 2. ModernG NRW) vom 20. September 1999 (LtDrS 12/4320). In der Begründung zu Artikel 17 - Änderung des Gesetzes zur Ausführung des BSHG - heißt es zu Nr. 1 (§ 6):
30"Abs. 1 geht auf einen Vorschlag von Landkreistag und Städte- und Gemeindebund im Rahmen der Beratungen zum Ersten Modernisierungsgesetz zurück und ist in einer Entschließung des Landtages (Drucksache 12/4024) aufgegriffen worden."
31Die hier zitierte Entschließung des Landtages vom 8. Juni 1999 (Drucksache 12/4024) lautet insoweit:
32"Der Landtag begrüßt die Absicht der Landesregierung, mit dem 2. Modernisierungsgesetz weitere Initiativen zur Stärkung der Kommunen umzusetzen. Dazu zählt aus Sicht des Landtags zum Zwecke der Zusammenführung von Finanz- und Aufgabenverantwortung auch eine Neuregelung der Zuständigkeiten im Bereich des Bundessozialhilfegesetzes... Eine Verlagerung der Zuständigkeiten für die Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 96 BSHG von den Kreisen als örtliche Träger auf die kreisangehörigen Gemeinden ist wegen des entgegenstehenden Bundesrechts nicht möglich. Mit dem ersten Modernisierungsgesetz ist in einem ersten Schritt die Möglichkeit für eine einvernehmlich getroffene Regelung bezüglich einer Verlagerung der Finanzverantwortung auf die kreisangehörigen Gemeinden im Experiment gegeben. Um über die Möglichkeit dieser Experimente hinaus Aufgaben - und Finanzverantwortung soweit wie möglich zusammen zu führen, soll in denjenigen Kreisen, in denen die kreisangehörigen Gemeinden zur Durchführung herangezogen werden, eine direkte Beteiligung der Gemeinden an den Aufwendungen als Regel vorgesehen werden.
33Der Landtag ist sich bewusst, dass durch die Zusammenführung von Aufgaben- und Finanzverantwortung in den genannten Bereichen Veränderungen der finanziellen Belastungen der Aufgabenträger entstehen. Es muss berücksichtigt werden, dass aufgrund erheblicher struktureller Unterschiede zwischen den Gemeinden eines Kreisgebietes unvertretbare Härten für die Kommunen auftreten können, die möglichst auszugleichen sind. Dies kann durch eine Regelung erreicht werden, die
34- ...,.
35- bei der Hilfe zum Lebensunterhalt eine direkte Beteiligung der Gemeinden an den Aufwendungen ermöglicht, soweit diese von den Kreisen herangezogen werden und einen strukturellen Ausgleich durch Satzung zugunsten derjenigen Gemeinden vorsieht, bei denen wegen ihrer besonderen Einwohnerstruktur unverhältnismäßige Mehrbelastungen entstehen würden.
36Der Landtag sieht in diesem Maßnahmen eine Möglichkeit, auch kreisangehörigen Kommunen sozialpolitische Steuerungsinstrumente an die Hand zu geben und über den Einsatz von Sozialhilfeleistungen eine eigenständig aktive kommunale Beschäftigungspolitik zu entwickeln, um Sozialhilfebedürftigkeit zu überwinden."
37Daraus ergibt sich, dass die finanzielle Beteiligung kreisangehöriger Gemeinden an den Sozialhilfeaufwendungen durch die 50 zu 50 - Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 AG BSHG den Zweck verfolgt, bei den Gemeinden durch die Entwicklung sozialpolitischer Steuerungsinstrumente zur eigenen finanziellen Entlastung die Aufwendungen für die Sozialhilfe zu senken. Dabei hat der Gesetzgeber jedoch gesehen, dass dieser Zweck aufgrund struktureller Unterschiede nicht von allen betroffenen kreisangehörigen Gemeinden in gleicher Weise erreicht werden kann und die finanzielle Beteiligung an den Sozialhilfeaufwendungen in Einzelfällen zu unvertretbaren Härten führen kann. Diese sollten nach dem Willen des Gesetzgebers möglichst durch einen satzungsrechtlichen finanziellen Ausgleich zugunsten derjenigen Gemeinden ausgeglichen werden, die in Folge ihrer Einwohnerstruktur unverhältnismäßigen Belastungen ausgesetzt wären. Danach bedarf es aber einer satzungsrechtlichen Regelung über den Härteausgleich auch nur in denjenigen Kreisen, in denen die finanzielle Beteiligung an den Aufwendungen für einzelne kreisangehörige Gemeinden in Folge erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet zu einer erheblichen Härte führt.
38Im vorliegenden Fall hat der H-Kreis auch durchaus erkannt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers beide Kriterien, nämlich die erheblichen strukturellen Unterschiede und die daraus resultierende erhebliche Härte, erfüllt sein müssen. Dies ergibt sich jedenfalls aus der Drucksache 4/2000 für die Hauptverwaltungsbeamtenkonferenz am 21. Juni 2000, indem dort festgestellt wird, dass "nach dem Willen des Gesetzgebers zwei Kriterien erfüllt sein" müssen. Erst wenn beide Merkmale gegeben sind, ist der Kreis befugt bzw. sogar verpflichtet, für einen Ausgleich Sorge zu tragen,
39zur Verpflichtung des Kreises, einen Härteausgleich zu schaffen, vgl. etwa Hörster, Die Wahrnehmung der Sozialhilfeaufgaben im kreisangehörigen Raum in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 2002 S. 137 f.
40Nach dem der Kammer vorliegenden Material sowie dem umfangreichen Vortrag der Beteiligten dürfte manches dafür sprechen, dass die Städte und Gemeinden im H-Kreis strukturelle Unterschiede aufweisen, die eine unterschiedlich starke Belastung der Gemeindehaushalte mit den Kosten der Sozialhilfe zur Folge haben, wobei sich möglicherweise für die eine oder andere Gemeinde erhebliche Härten ergeben können. Das Kreisgebiet ist, was die Belastung der Gemeinden durch die 50 zu 50-Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 AG BSHG anlangt, keineswegs homogen. So ist es bezeichnend, dass die Sozialhilfedichte - auf diesen Begriff wird sogleich noch einzugehend sein - nach dem Stand von Juni 2000 etwa in Hallenberg nur 0,96 betrug, während sie damals auf dem Gebiet der Beigeladenen bereits 3,29 erreichte. Auch die Zahlen sowie die Hintergründe, welche die Beigeladene namentlich in ihrem Schriftsatz vom 24. Februar 2003 mitgeteilt hat, sind eindrucksvoll und geeignet, die im Vergleich mit anderen Kommunen des H-Kreises deutlich höhere Sozialhilfelast der Beigeladenen zu erklären. Nach den betreffenden Informationen - etwa zu den sozialhilferechtlichen Auswirkungen des sog. Frauenhauses - dürfte einiges dafür sprechen, dass die Belastung der Beigeladenen nicht auf einer zu großzügigen Handhabung der Bestimmungen des Bundessozialhilferechts, sondern auf konkreten Umständen beruht, die in anderen Kommunen des Kreises nicht anzutreffen sind. Übrigens - dies sei nur am Rande erwähnt - hat die Kammer, die auch das Sozialhilferecht aus dem Bereich des H-Kreises bearbeitet, bei der Beigeladenen einen sorglosen Umgang mit öffentlichen Geldern bislang nicht beobachten können.
41In dieser Situation dürfte der H-Kreis grundsätzlich befugt sein, eine auf § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG gestützte Satzung zu erlassen. Die am 19. Dezember 2000 beschlossene Satzung ist jedoch nichtig, weil der H-Kreis nicht in der gebotenen Form untersucht hat, welche "erheblichen strukturellen Unterschiede" im Kreisgebiet bestehen. Obwohl er - wie dargelegt - bereits im Sommer 2000 den Tatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG zutreffend erkannt hatte und obwohl in der Hauptverwaltungsbeamtenkonferenz am 21. Juni 2000 ein "Raster" diskutiert wurde, das außer auf die Anzahl der betroffenen Hilfeempfänger auch auf die Anzahl der Sozialwohnungen, die Insolvenzen großer Unternehmen sowie die demografische Entwicklung abstellen sollte, ist in die Satzung des Kreises letztlich nur das Kriterium "Sozialhilfedichte" eingeflossen. Hierbei handelt es sich um das Verhältnis der durchschnittlichen Sozialhilfeempfängerzahl pro 1.000 Einwohner nach der letzten Einwohnerstatistik (vgl. § 2 Abs. 1 der Satzung). Die Sozialhilfedichte jedoch ist - jedenfalls für sich allein und im Verständnis der Satzung - nicht geeignet, das Merkmal "erhebliche strukturelle Unterschiede" im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG auszufüllen.
42Bei dem Tatbestandsmerkmal "erhebliche strukturelle Unterschiede" handelt es sich um einen sogenannten unbestimmten Rechtsbegriff. Dieser unterliegt grundsätzlich der vollständigen verwaltungsgerichtlichen Überprüfung.
43Vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 12. Auflage (2000) § 114 Rdnrn. 23 ff; vgl. auch Hörster aaO S. 135 f.
44Bei dieser Überprüfung lässt sich im vorliegenden Zusammenhang folgendes feststellen:
45Der Wortlaut der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG NRW gibt noch keine eindeutige Auskunft über den Inhalt des Begriffs. Den Worten "strukturelle Unterschiede" ist zunächst nur zu entnehmen, dass im Gesamtgefüge des Kreisgebietes verschiedene Bedingungen gegeben sein müssen.
46Vgl. zum Strukturbegriff: Meyers enzyklopädisches Lexikon, Band 22 Seite 709.
47Dies hilft indessen nicht weiter, weil es in Nordrhein-Westfalen wohl keinen Kreis geben dürfte, der in einer Weise "homogen" ist, dass in sämtlichen Kommunen gleiche Bedingungen (Einwohnerzahl, Arbeitsplätze, Wirtschaftskraft, Steueraufkommen) anzutreffen sind. Möglicherweise ist auch dem Behördenleiter des Beklagten zuzustimmen, der in der Hauptverwaltungsbeamtenkonferenz am 21. Juni 2000 Überlegungen des Bürgermeisters der Klägerin entgegen trat, bei der Handhabung des § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG auf etwaige strukturelle Benachteiligungen abzustellen. Andererseits trifft die in der Drucksache 4/2000 für die Hauptverwaltungsbeamtenkonferenz getroffene Feststellung, der Gesetzgeber habe nicht dargelegt, wann die betreffenden Kriterien des § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG erfüllt seien, in dieser Allgemeinheit nicht zu. Aus dem vom Gesetzgeber hergestellten Zusammenhang zwischen der 50-prozentigen Beteiligung der Kommunen an den Sozialhilfekosten einerseits und den "erheblichen strukturellen Unterschieden" sowie der dadurch bewirkten "erheblichen Härte" andererseits ergibt sich nämlich, dass es sich nur um solche verschiedene Bedingungen im Gesamtgefüge des Kreisgebietes handeln kann, die Einfluss auf die Höhe der Sozialhilfeaufwendungen nehmen. Weil auch diese Erkenntnis noch keinen endgültigen Aufschluss über die inhaltliche Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs gibt, ist daher wiederum auf den Zweck des Gesetzes abzustellen. Denn auch bei unbestimmten Rechtsbegriffen eröffnet die Bezugnahme auf die Gesetzeszwecke eine Präzisierungsmöglichkeit.
48Vgl. Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensermächtigung im Verwaltungsrecht, 1979, Seite 95.
49Insoweit heißt es jedoch in der Begründung zu § 6 Abs. 1 Satz AG BSHG heutiger Fassung:
50"Bei der Entscheidung, ob eine erhebliche Härte infolge erheblicher struktureller Unterschiede festgestellt werden kann, ist eine auf die örtlichen Verhältnisse bezogene Gesamtschau (Hervorhebung durch die Kammer) aller Indikatoren notwendig, die Einfluss auf den von den kreisangehörigen Gemeinden zu leistenden Aufwand haben können. In diesem Rahmen kann beispielsweise geprüft werden, ob folgende Indikatoren - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - zur Feststellung dieses Tatbestandes geeignet sind, z. B. die Arbeitslosenquote (insbesondere der Anteil der Langzeitarbeitslosen), die Höhe von Sozialhilfeaufwendungen pro Einwohner, der Bestand an Sozial- wohnungen u. a.. In jedem Fall können nur solche Faktoren zur Begründung einer erheblichen Härte herangezogen werden, die Einfluss auf die Höhe der Aufwendungen der kreisangehörigen Gemeinden haben."
51Nach diesen Erwägungen des Gesetzgebers sind erhebliche strukturelle Unterschiede im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG im Kreisgebiet nur anzunehmen, wenn im Hinblick auf das grundsätzlich erforderliche kumulative Vorliegen mehrerer sozialhilfeaufwendungsrelevanter Indikatoren in den kreisangehörigen Gemeinden unterschiedliche Verhältnisse bestehen, die von der Gemeinde nicht beeinflusst werden können. Es müssen solche Umstände außer Betracht bleiben, die nicht "strukturell" bedingt sind, indem sie zwar Einfluss auf die Höhe der Aufwendungen haben, aber dies erst durch die Art der Sachbearbeitung auf der Ebene der Verwaltung der kreisangehörigen Gemeinde. Das ergibt sich zwingend aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes, das durch die teilweise Übernahme der Finanzverantwortung (der Kostenlast) auf die Ebene der kreisangehörigen Gemeinden dafür sorgen will, dass die Gemeinden durch eigene Steuerungsinstrumente die Höhe der Sozialhilfekosten nach Kräften senken. Weil auch die in der Gesetzesbegründung "ohne Anspruch auf Vollständigkeit" aufgezählten Indikatoren nicht abschließend sind, hat der Satzungsgeber in Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG eine umfassende Prüfung möglichst aller objektiv und unmittelbar aufwendungsrelevanter Umstände vorzunehmen. Die in diesem Rahmen bedeutsamen Indikatoren können sich dabei beziehen etwa auf die Anzahl der Sozialhilfeempfänger im Verhältnis zur Einwohnerzahl (die "Sozialhilfedichte" im Sinne der Satzung des H-Kreises), die Höhe der Sozialhilfeaufwendungen pro Einwohner, den Bestand an Sozialwohnungen und anderem preiswerten Wohnraum, die Arbeitslosenquote, die Anzahl der Langzeitarbeitslosen, der Aussiedler, der Kontingentflüchtlinge, der Bezieher niedriger Einkommen, der sozialhilfebedürftigen Personen pro Hilfefall, die Dauer des Sozialhilfebezugs pro Sozialhilfeempfänger oder auch die Anzahl der offenen Stellen auf dem Arbeitsmarkt im Kreisgebiet.
52Im vorliegenden Fall haben der Beklagte und - ihm folgend - der Kreistag des H- Kreises bei der Überprüfung der Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals der strukturellen Unterschiede den Auftrag des Gesetzes verkannt, indem sie lediglich die Sozialhilfedichte im Kreisgebiet betrachtet haben. Die vom Gesetz verlangte "Gesamtschau" wurde ersichtlich nicht angestellt. Das Merkmal "Sozialhilfedichte" ist indessen für sich allein ungeeignet, strukturelle Unterschiede im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG nachzuweisen oder auch - umgekehrt - solche Unterschiede zu verneinen. Der Anteil der Sozialhilfeempfänger an der Einwohnerschaft einer Gemeinde mag im Rahmen der gebotenen Gesamtschau als ein Kriterium unter vielen berücksichtigt werden; als alleiniger Maßstab struktureller Unterschiede scheidet die Sozialhilfedichte im Verständnis des § 2 Abs. 1 der Satzung jedenfalls aus. Denn der Begriff stellt ausschließlich auf die Anzahl der Hilfeempfänger im Gemeindegebiet ab, die in eine Relation zur Gesamtheit der Einwohner gesetzt wird. Eine Aussage zu den Ursachen, die zur Folge haben, dass etwa auf dem Gebiet der Beigeladenen prozentual wesentlich mehr Sozialhilfeempfänger anzutreffen sind als im Bereich der Klägerin, wird hingegen nicht getroffen. Die absolute Zahl der Hilfeempfänger wirkt sich indessen unmittelbar auf die Höhe der aufzubringenden Leistungen aus, von denen 50 Prozent nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AG BSHG ohne den Umweg über die Kreisumlage auf den Haushalt der Gemeinden durchschlagen und die sich wegen der unvermittelten Haushaltswirksamkeit unter Umständen als "Härte" darstellen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang der Vermerk der Bediensteten des Beklagten, die den Antrag der Beigeladenen auf einen Härteausgleich geprüft und festgestellt haben, jede finanzielle Belastung des Haushalts der Beigeladenen stelle eine erhebliche Härte dar. Betrachtet man den Begriff "Sozialhilfedichte" unter diesem Gesichtspunkt, nämlich als ein unmittelbar den Gemeindehaushalt belastendes Element, gehört er tendenziell eher zum Tatbestandsmerkmal "erhebliche Härte" im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG. Es trifft die Gemeinden eben unterschiedlich "hart", ob nur zwei Prozent oder vielleicht fünf Prozent ihrer Bürger der Soziahilfe bedürfen. Bedeutet jedoch die absolute Anzahl der Sozialhilfeempfänger gegebenenfalls eine "erhebliche Härte", die nach dem Tatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG als Folge der strukturellen Unterschiede festzustellen ist, um einen Ausgleich zu rechtfertigen, kann sie nach Überzeugung der Kammer jedenfalls nicht das alleinige, sondern allenfalls ein ergänzendes Merkmal für einen strukturellen Unterschied sein.
53Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der bereits zitieren Entschließung des Landtages vom 8. Juni 1999. Zwar ist darin von einem "strukturellen Ausgleich durch Satzung" zu Gunsten derjenigen Gemeinden die Rede, "bei denen wegen ihrer besonderen Einwohnerstruktur unverhältnismäßige Mehrbelastungen entstehen würden". Der Begriff der Einwohnerstruktur ist indessen nicht gleichzusetzen mit "Sozialhilfedichte". Während diese nur zwischen Sozialhilfeempfängern und Nicht- Hilfeempfängern unterscheidet, meint "Einwohnerstruktur" im Sinne der Entschließung die Einwohner einer Kommune unter allen für die Höhe der Aufwendungen der Sozialhilfe erheblichen Kriterien. Er umfasst die "Besserverdienenden" ebenso wie die "Durchschnittsarbeitnehmer" und die "Geringverdienenden" sowie schließlich etwa die Langzeitarbeitslosen bzw. die Bewohner von Sozialwohnungen und preiswerten Altbauten. Deshalb verbietet sich die Annahme, der Landtag habe in seiner Entschließung einen Härteausgleich allein schon wegen der in den einzelnen Kommunen unterschiedlichen Sozialhilfedichte befürwortet.
54Die Kammer verkennt nicht, dass die von § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG geforderte Gesamtschau" für die Kreise mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden ist, während sich das Kriterium "Sozialhilfedichte" als äußerst praktikabel erweist, indem die einschlägigen Zahlen unschwer erhoben und miteinander verglichen werden können. Dies ändert indessen nichts daran, dass eine Satzung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG, die - wie hier - allein die Sozialhilfedichte betrachtet, um daraus "erhebliche strukturelle Unterschiede" abzuleiten, mit dem Tatbestand der Ermächtigungsnorm nicht vereinbar und damit nichtig ist. Sollte sich herausstellen, dass die vom Gesetz geforderte Betrachtung sämtlicher Umstände, die auf die Höhe der Sozialhilfeaufwendungen von Einfluss sind, in der Praxis der Kreise und Kreistage auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt, mag der Landtag eine Änderung des Gesetzes vornehmen. So lange dies nicht geschehen ist, haben die Kreise den Auftrag des Gesetzes zu erfüllen; sie dürfen keine Härteausgleichsregelungen durch Satzung festlegen, wenn nicht zuvor die erheblichen strukturellen Unterschiede und die daraus resultierenden erheblichen Härten in der gebotenen Art und Weise festgestellt worden sind.
55Die Kreise sind auch nicht deshalb befugt, den Tatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG in der hier geschehenen Weise auf das Merkmal der Sozialhilfedichte zu verkürzen, weil insoweit Entscheidungsprozesse ablaufen, die überwiegend politischer Natur sind,
56so die Stellungnahme des Landkreistages Nordrhein-Westfalen vom 22. Dezember 1999, Landtags-Zuschrift 12/3533, S. 33,
57bzw. weil den Kreistagen beim Satzungserlass grundsätzlich eine gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit eingeräumt ist,
58vgl. hierzu Hörster aaO, S. 135 f.
59Die dem Satzungsgeber insoweit eingeräumten Freiheiten bedeuten nämlich nicht, dass der Kreis bei der Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG gleichsam ein "freies Ermessen" besäße, dessen Ausübung gerichtlich nicht zu kontrollieren sei. Dem Kreis mag ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum eröffnet sein, soweit es um die Bewertung geht, ob objektiv festgestellte strukturelle Unterschiede wirklich "erheblich" sind bzw. ob die aus den Unterschieden folgende Härte schon als "erheblich" anzusehen ist. Der Kreis ist indessen nicht befugt, bereits die Untersuchung der strukturellen Unterschiede nach eigenem Gutdünken vorzunehmen und aus "politischen" Gründen oder auch nur aus Gründen der Praktikabilität von vornherein einzelne Merkmale oder gar alle Merkmale, welche die Höhe der Sozialhilfeaufwendungen beeinflussen können, auszublenden. Die Gewichtung der verschiedenen Faktoren, die im Wege der Gesamtschau festgestellt wurden, mag auch unter politischen Gesichtspunkten vorgenommen werden mit der Folge, dass die richterliche Kontrolle auf eine Plausibilitätsprüfung beschränkt ist,
60vgl. Hörster aaO. S. 137.
61Insoweit ähnelt die Entscheidung des Kreises nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG dem aus dem Planungsrecht bekannten Abwägungsprozess: Das Gericht kann eine abwägungsfehlerfrei getroffene Entscheidung nicht deshalb verwerfen, weil es ein anderes Ergebnis bevorzugt. Eine Abwägungsentscheidung ist jedoch zwingend fehlerhaft, wenn nicht alle Belange berücksichtigt und abgewogen wurden, die in die Abwägung einzustellen waren. So liegen die Dinge indessen hier: Der H-kreis hat als Kriterium für einen strukturellen Unterschied ausschließlich die Sozialhilfedichte betrachtet, ohne zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche weiteren Gesichtspunkte im Wege der "Gesamtschau" einzustellen waren. Damit ist die Härteausgleichssatzung des H-Kreises in einem entscheidenden Punkt, nämlich bei der satzungsmäßigen Umsetzung der Tatbestandsmerkmale "erhebliche strukturelle Unterschiede" und "erhebliche Härte" in § 2 Abs. 1 der Satzung, von § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG nicht gedeckt und damit nichtig. Die Nichtigkeit des § 2 Abs. 1 führt ohne weiteres zur Nichtigkeit auch von § 4 Abs. 2 der Satzung. Fehlt es nämlich an einer wirksamen Regelung über den Härteausgleich (§ 2 der Satzung), ist eine Bestimmung, welche die Finanzierung des Ausgleichs regelt (§ 4 der Satzung), ohne weiteres hinfällig.
62Weil mithin die angefochtenen Bescheide des Beklagten auf keiner wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruhen, sind sie rechtswidrig, so dass dem Aufhebungsbegehren der Klägerin zu entsprechen ist.
63Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154, 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladenen, die nach der Interessenkonstellation zum unterliegenden Teil im Sinne von § 154 Abs. 1 VwGO gehört, können keine Kosten auferlegt werden, weil sie keinen Sachantrag gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
64Das Gericht lässt die Berufung gegen das Urteil gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Die Auslegung der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 AG BSHG und die sich aus dieser Bestimmung ergebenden Verpflichtungen der Kreise zum Erlass untergesetzlicher Normen haben über den hier zu entscheidenden Sachverhalt hinaus allgemeine Bedeutung für die in Nordrhein-Westfalen durch die Regelung betroffenen Kreise und kreisangehörigen Gemeinden. Die einschlägigen Rechtsfragen sind - soweit für die Kammer erkennbar - obergerichtlich noch nicht geklärt.
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