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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger war Kommissaranwärter und wendet sich gegen seine Entlassung.
2Der Kläger wurde unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Kommissaranwärter ernannt und stand im Dienst des Beklagten. Ihm wurde das Polizeipräsidium als Einstellungs- und Ausbildungsbehörde zugewiesen; zur Absolvierung der fachtheoretischen Ausbildungsabschnitte wurde er an die Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW (HSPV) überwiesen.
3Am 12. Januar 2022 verfasste eine Dozentin der HSPV einen Bericht über den Kläger, in welchem sie dessen Verhalten kritisierte. Die Dozentin führte aus, dass ihr der Kläger in verschiedenen Situationen aufgefallen sei. Er sei oft unaufmerksam, gehe häufig auf die Toilette und nehme dabei sein Handy mit und gähne demonstrativ und laut, während Dozenten sprechen würden. Er habe den Sachgebietsleiter gefragt, ob er melden müsse, wenn gegen ihn ein Fahrverbot verhängt werde. Ihr gegenüber erklärte er, dass er mit einem Tempo von 230 km/h auf der Autobahn eine Vollbremsung habe durchführen müssen. Im Theorieunterricht am 7. Januar 2022 habe der Kläger von einer Studie erzählt, nach der Sexualdelikte ausschließlich von Afghanen begangen würden. Ein weiterer Dozent sei von zwei Kommissaranwärterinnen angesprochen worden, die sich über den Kläger beschwert hätten, da dieser frauenfeindlich und rechtsradikal sei. Der Kläger habe Frauen als „feministische Fotzen“ bezeichnet und äußere sich regelmäßig negativ über Menschen mit Migrationshintergrund.
4Diesbezüglich erfolgten Befragungen von Studierenden am 11. und 12. Januar 2022, die sich zu verschiedenen Vorfällen in Bezug auf den Kläger äußerten. Deren Angaben wurden von der Dozentin ebenfalls in ihrem Bericht zusammengefasst. Die Kommilitonen schildern verschiedene Situationen, in denen sich der Kläger frauenfeindlich oder rassistisch geäußert haben soll. Der Kläger wird insgesamt als überheblich, anmaßend und respektlos beschrieben. Im Einzelnen:
5Die Kommissaranwärterin A gab an, dass der Kläger seit dem ersten Tag negativ aufgefallen sei. Er sei sehr von sich überzeugt und würde durch Sprüche auffallen. Diese würden sich meist gegen Frauen und auch gegen ausländische Mitbürger richten. Der Kommissaranwärter B habe ihr gesagt, dass der Kläger im Umkleideraum zwei Kommilitoninnen als „feministische Fotzen“ bezeichnet habe. Der Kläger zeige durch sein Verhalten, dass er der Auffassung sei, dass Männer bei der Polizei besser aufgehoben seien als Frauen. Sie gab weiter an, dass der Kläger, als sich ein Dozent am ersten Tag vorgestellt und von seinen beiden Töchtern erzählt habe, gesagt habe: „Sind die geil? Kann ich Nummer haben?“. Sie gehe davon aus, dass auch der Dozent die Aussage gehört habe. Er sei irritiert gewesen und habe es nicht weiter kommentiert. Bei einem weiteren Vorfall im Unterricht über Kriminalstatistik habe der Kläger kommentiert: „War ja klar, Scheiß-Ausländer!“. Sie habe ihn auch schon das Wort „Kanake“ sagen hören. Jedes Mal, wenn es um Ausländer gehe, sehe man in seiner Mimik und seinem Ausdruck, was er denke. Er zeige sich genervt, atme laut aus und mache mit der Hand abweisende Bewegungen.
6Die Kommissaranwärterin C bestätigte, dass sie die Ausdrücke „Scheiß-Ausländer“ und „Kanake“ vom Kläger gehört habe. Auch an den Kommentar des Klägers in Bezug auf die Töchter eines Dozenten könne sie sich erinnern.
7Die Kommissaranwärterin D gab an, dass der Kläger vom ersten Tag der Ausbildung aufgefallen sei; als Profilbild bei WhatsApp habe er ein GdP T-Shirt getragen und auf der Motorhaube eines schnellen Autos gesessen. Er würde sich im Kurs immer wieder sexistisch und ausländerfeindlich äußern. Als konkretes Beispiel falle ihr z.B. ein, dass ein Dozent gesagt habe, dass es bei Verkehrskontrollen in bestimmten Situation angebracht sein könne, mit der Hand an der Waffe an das Auto heranzutreten. Der Kläger habe gefragt, ob das auch dann gelte, wenn in dem Auto Afghanen säßen.
8Der Kommissaranwärter E gab an, dass sich der Kläger respektlos gegenüber Dozenten verhalte; aus diesem Grunde versuche er, sich von ihm zu distanzieren und auf „Durchluft zu schalten“ damit er dessen Aussagen nicht höre, ansonsten müsse man ständig melden, was er sage. Sein Verhalten gegenüber Frauen sei herablassend und respektlos. Er habe gehört, wie der Kläger Kommilitonen als „drecks feministische Weiber“ bezeichnet habe.
9Die Kommissaranwärterin F führte aus, dass sich der Kläger respektlos gegenüber Dozenten verhalte. Als konkretes Beispiel gab sie an, dass er zu einem Dozenten gegangen sei und ihm gesagt habe, er könne doch 10 Minuten früher Schluss machen, da er seine Mutter vom Bahnhof abholen müsse. Dann habe er dem Dozenten auf die Schulter geklopft. Das sei allen unglaublich peinlich gewesen. Der Dozent habe dann gesagt, dass sich der Kläger setzen solle und dass sein Verhalten das Respektloseste gewesen sei, was er als Dozent jemals erlebt habe. Außerdem sei der Kläger sehr waffenfixiert; er rede ständig über das Schießen. Beim Training schlage er immer so fest zu, dass man Sorge habe, dass er einen erschlage. Sie habe das Gefühl, er habe sich nicht unter Kontrolle und brauche eine Uniform und eine Rolex als Statussymbol. Zu Beginn der Ausbildung habe sie mit dem Kläger eine Fahrgemeinschaft bilden wollen. Als sie diesen über Snapchat gefragt habe, was er für den Sprit haben wolle, habe er geantwortet, dass er kein Geld wolle, sie müsse nur mit ihm essen gehen. Sie habe ganz klar „nein“ gesagt, daraufhin habe er gemeint: „Ja, komm, wenn ich dir einen Wein gebe, dann kann ich dich flachlegen“ oder „dann kriege ich dich schon rum“. So sei ungefähr der Wortlaut gewesen. Sie zeigte zudem einen Screenshot, von einem Beitrag, den der Kläger gepostet habe:
10Frau: Als was arbeitest du?
11Mann: Ich bin Polizist.
12Frau: Wie gefällt dir so? (Male mir in meinem Kopf schon Sex in Uniform aus.)
13Mann: Beruflich top, aber privat muss man aufpassen, nicht an Uniform-fetisch-Trullas zukommen.
14So etwas poste er ständig. Zudem könne sie den Vorfall mit dem Dozenten, der von seinen Töchtern gesprochen habe, bestätigen. Außerdem habe sie gehört, wie der Kläger darüber gesprochen habe, sich in Brühl eine Wohnung zu nehmen, um dann alle Frauen aus dem Kurs flachzulegen. Auch habe er ihr gegenüber gesagt, dass es Männer bei der Polizei leichter haben würden, denn das Schießen liege in der Natur des Mannes. Man würde im Kurs merken, dass er etwas gegen Ausländer habe; in Bezug zu Kriminalstatistiken habe er „Scheiß-Ausländer“ gesagt.
15Der Kommissaranwärter G gab an, dass der Kläger generell für Unruhe sorge; er äußere sich öfter sexistisch oder ausländerfeindlich. Er habe zudem gehört, wie der Kläger in Bezug auf eine Auseinandersetzung mit Ausländern gesagt habe: „Ich war kurz davor, mein Messer oder meine Pistole aus dem Auto zu holen“. Der Kläger habe ihm gesagt, immer ein Messer und eine Pistole im Handschuhfach mit sich zu führen; hierbei solle es sich um eine Tierabwehrpistole handeln. Im Ethikunterricht habe der Kläger ausgeführt, dass er je nach Gruppe mehr oder weniger Gewalt im Einsatz anwenden würde. Bei „Kanaken“ würde er mehr Gewalt anwenden. Der Kläger spreche beim Eingriffsrecht ständig über Schusswaffen. Auch bei Sachverhalten, bei denen es offensichtlich sei, dass es nicht verhältnismäßig wäre, eine Schusswaffe zu ziehen, frage er trotzdem. Eine Kommilitonin habe ihn, Kommissaranwärter G, einmal gebeten, sie nach dem Unterricht mitzunehmen. Diese habe eigentlich eine Fahrgemeinschaft mit dem Kläger gehabt. Auf dem Hinweg habe er aber anzügliche Bemerkungen gemacht, sodass sie nicht mehr mit diesem habe zurückfahren wollen. Der Kläger habe sie gefragt, wo sie ihre Hosen kaufe, damit ihr fetter Arsch da rein passe. Die Kommilitonin sei hierüber sehr aufgebracht gewesen und habe noch am selben Tag die Fahrgemeinschaft wechseln wollen.
16Der Kommissaranwärter H führte aus, dass der Kläger in einer Diskussion gesagt habe, dass es „racial profiling voll bringen würde“. Dies sei ziemlich genau der Wortlaut gewesen. Er habe sich noch gedacht, dass er hier anscheinend falsch sei, wenn die Leute das so sehen würden. Nachfolgend hierzu habe er sich noch mit den anderen Kommissaranwärtern, die bei der Aussage des Klägers dabei gewesen seien, unterhalten, und sie hätten festgestellt, dass alle nicht diese Meinung vertreten würden. Er habe zudem erzählt, dass er in Italien eine Gruppe von Leuten verprügelt habe und blutüberströmt gewesen sei. Der Kläger würde allgemein sehr viel über Waffen sprechen. Er habe ihm gesagt, dass er im Auto eine Pistole und ein Messer mitführe.
17Der Kommissaranwärter I bestätigte, dass der Kläger gesagt habe, dass es „racial profiling voll bringen würde“. Er erinnere sich auch, dass der Kläger in Bezug auf ausländische Mitbürger gefragt habe, ob er bei dieser Gruppe mit gezogener Schusswaffe zur Kontrolle gehen könne. Der Kläger spreche ständig von Waffen und frage im Unterricht, ob er in diesem Fall seine Schusswaffe ziehen könne. Ein Dozent machediesbezüglich schon Witze. Der Kläger habe ihm gegenüber auch gesagt, dass er eine Pistole im Auto mitführe. Der Kläger pflege gegenüber Frauen keinen respektvollen Umgang. Er sei generell herablassend. Den Vorfall mit der Kommilitonin, die nicht mehr mit dem Kläger habe im Auto fahren wollen, könne er bestätigen. Er könne sich auch noch an eine Situation erinnern, in der sie hätten Gruppen bilden sollen, und der Kläger gesagt habe: „Zum Glück kein Weib in unserer Gruppe.“ Dabei sei eine Frau Teil der Gruppe gewesen und habe den Kommentar auch mitbekommen. Danach sei die Stimmung schlecht gewesen.
18Der Kommissaranwärter J gab an, dass man generell anhand der Mimik und Gestik im Unterricht beim Kläger erkenne, dass er der Meinung sei, dass es immer die Gleichen seien, die etwas machen. Damit meine er ausländische Mitbürger. Der Kläger sei generell herablassend gegenüber Frauen. Er habe einmal ein Telefonat gehört, bei dem der Kläger mit seiner Mutter telefoniert habe. Mit dieser habe er auch äußerst respektlos gesprochen. Der Kläger sei auch der Meinung, dass Männer bei der Polizei besser aufgehoben seien als Frauen; dies beziehe sich insbesondere auf die körperliche Fitness und Kraft. Er führte weiter aus, dass er sich gut mit dem Kläger verstehe, sich aber von diesem aufgrund seines Verhaltens distanziert habe. Der Kläger sei zudem „waffengeil“. Im Unterricht würde er immer waffenspezifische Fragen stellen. Der Kläger habe ihm auch gesagt, dass er im Auto ein Messer und eine Tierabwehrpistole mit sich führe. Der Kläger habe gesagt, er mache das für den Fall, dass ihn jemand „dumm anmache“. Er sei auch schon gemeinsam mit dem Kläger im Auto gefahren, bei sehr hoher Verkehrsdichte sei dieser auf der Autobahn viel zu schnell gefahren. Dabei habe er sich sehr unwohl gefühlt und das auch gesagt. Nachdem er den Kläger darauf hingewiesen habe, habe dieser seine Fahrweise angepasst. Abschließend könne er sagen, dass sein generelles Bild vom Kläger sei, dass dieser überheblich und respektlos sei, es ginge ihm stets darum zu prahlen und zu protzen.
19Mit Verfügung vom 25. Januar 2022 wurde gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Mit Verfügung vom selben Tag wurde er zu einer beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung angehört.
20Mit Schreiben vom 25. Januar 2022 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er beabsichtige, ihn gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG zu entlassen. Er stehe im Verdacht, gegen seine Wohlverhaltenspflicht, die Pflicht zum kollegialen Verhalten, die Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens und gegen die Genehmigungspflicht von Nebentätigkeiten verstoßen zu haben. Der Kläger zeige sich im Unterricht unaufmerksam und respektlos gegenüber Dozenten (Vorwurf 1. und 6.). Sein Fahrverhalten sei rücksichtslos (Vorwurf 2.). Außerdem bestehe der Verdacht, dass er durch die Unterhaltung von Corona-Testzentren Nebeneinkünfte erwirtschafte, ohne eine entsprechende Genehmigung zu besitzen (Vorwurf 3.). Zudem zeige er eine ausländerfeindliche Haltung und äußere sich immer wieder rassistisch zu verschiedenen Themen (Vorwurf 4.). Er sei zudem aufgrund von sexistischen Äußerungen aufgefallen und habe Kolleginnen verbal bedrängt (Vorwurf 5.). Zudem zeige der Kläger eine Affinität zu Waffen und Gewaltanwendung (Vorwurf 7.). Jeder Vorwurf für sich genommen begründe bereits Zweifel an der charakterlichen Geeignetheit des Klägers.
21Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 1. Februar 2022 äußerte sich der Kläger zu den Vorwürfen. Er suche die Toilette vermehrt auf, da er sich ein erhöhtes Trinkverhalten antrainiert habe. An demonstratives Gähnen und entsprechende Mimik im Unterricht erinnere er sich nicht. Eine Nebentätigkeit habe er nie ausgeführt. Er sei auch nicht ausländerfeindlich; die Begriffe „Scheiß-Ausländer“ oder „Kanake“ habe er nie benutzt. Auch habe er sich nicht auf die Methode des „racial profiling“ festgelegt. Er arbeite gerne mit Frauen zusammen und habe seinen Kolleginnen gegenüber kein abwertendes Verhalten gezeigt. Den Begriff „fetter Arsch“ habe er nicht verwendet, sondern nur darüber gesprochen, dass es teilweise schwierig sei, Jeans für bestimmte Körperzuschnitte zu bekommen. Das Problem habe er in Bezug auf seine Person angesprochen.
22Mit Bescheid vom 25. Februar 2022 wurde der Kläger als Beamter auf Widerruf nach Beteiligung des Personalrats am 22. Februar 2022 und der Gleichstellungsbeauftragten am 18. Februar 2022 aus dem Dienst des Beklagten entlassen. Die weitere Ableistung des Vorbereitungsdienstes wurde dem Kläger zugleich untersagt. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Der Beklagte verwies auf die fehlende charakterliche Eignung aufgrund von verschiedenen Vorwürfen, die alle isoliert betrachtet die Entlassung rechtfertigen würden.
231.) Der Kläger zeige offenkundiges Desinteresse an den Lehrinhalten (demonstratives Gähnen mit entsprechender Mimik, vermehrte Gänge zur Toilette unter Mitnahme des Handys); hierdurch dränge sich zunächst die Frage auf, ob der Polizeidienst generell für ihn der richtige Weg sei. Darüber hinaus zeige dies auch eine respektlose Einstellung gegenüber den Dozenten und der Ausbildung zum Polizeivollzugsbeamten.
242.) Der Kläger habe überdies rücksichtsloses Fahrverhalten an den Tag gelegt. Dies werde von Kommilitonen, die gemeinsam mit ihm eine Fahrgemeinschaft gebildet hätten, bestätigt. Zudem habe er gegenüber einer Dozentin einen Vorfall geschildert, bei dem er von 230 km/h habe abbremsen müssen. Auf den Hinweis der Dozentin, dass er sein eigenes Fahrverhalten hinterfragen müsse, habe er geantwortet, er fahre so schnell, weil er leistungsstarke Fahrzeuge besitze. Als Polizeibeamter fungiere man innerhalb und außerhalb des Dienstes als Vorbild. Gerade der Straßenverkehr stehe im engen Kontakt mit den Aufgaben der Polizei. Sowohl die Verkehrsraumüberwachung, aber auch die Unfallaufnahme seien Kernaufgaben der Polizei. Es bestehe in der Öffentlichkeit eine hohe Sensibilität für die Gefahren im Straßenverkehr. Seine Fahrweise spreche für einen Mangel an einer solchen Sensibilität. Es zeige aber auch eine rücksichtslose Haltung gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern.
253.) Der Kläger könne sich in Bezug auf seine ausländerfeindliche Haltung nicht entlasten, insoweit stehe seine Aussage denen seiner Kollegen gegenüber, die selbst proaktiv auf die Dozenten und die Ausbildungsleitung zugegangen seien, um über dessen Verhalten zu berichten. An verschiedenen Beispielen werde deutlich, dass er gegenüber ausländischen Mitbürgern eine deutlich abwertende bis hin zu einer feindlichen Haltung aufweise. Die Nutzung von Begriffen wie „Scheiß-Ausländer“ oder „Kanake“ sei nicht mit dem Amt eines Polizeivollzugsbeamten zu vereinbaren. Aber auch Konsequenzen, die er vermeintlich im Dienst zu ziehen bereit sei, würden erschüttern. Er habe gegenüber Kollegen und Dozenten angegeben, bei einem Einsatz gegenüber ausländischen Mitbürgern gewaltbereiter vorgehen zu wollen. Eine Umsetzung dieser Haltung stelle einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue und gegen die beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht dar. Ein solches Verhalten werde nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die der Beruf erfordere. Beleidigende Äußerungen zulasten anderer seien schon grundsätzlich mit dem Wohlverhalten eines Polizeibeamten nicht vereinbar. Von einem Polizeibeamten müsse erwartet werden, dass er unvoreingenommen und neutral allen Personen jeglicher Bevölkerungsgruppe gegenübertrete.
264.) Die verschiedenen Aussagen seiner Kommilitonen würden zudem den Eindruck untermauern, dass er eine frauenfeindliche Haltung habe. Jeder Polizist sei auf das uneingeschränkte Vertrauen und den entsprechenden Respekt des nächsten Kollegen angewiesen. Die Polizeiarbeit sei von Zusammenarbeit und Teamfähigkeit geprägt. Ein frauenfeindliches Verhalten, wie er es an den Tag lege, laufe dem Ganzen zuwider. Ein frauenfeindliches Verhalten gegenüber Frauen außerhalb des Polizeidienstes widerspreche zudem der Achtung und dem Vertrauen, die der Beruf des Polizeivollzugsbeamten erfordere.
275.) Der Kläger habe zudem in verschiedenen Situationen respektloses Verhalten gegenüber Dozenten gezeigt. Seine Einlassung stehe in völligem Widerspruch zu den Aussagen seiner Kollegen. Es sei ausgeschlossen, dass hier Vorgänge miteinander vermischt worden seien, da seine Kollegen derart peinlich von seinem Verhalten berührt gewesen seien, dass ihnen der Vorfall besonders gut in Erinnerung geblieben sei. Für die Dauer der Lehrveranstaltungen gelte der Dozent als sein Vorgesetzter. Respekt aber auch die Wahrung und Achtung vorgegebener Hierarchien sei für die Polizeiarbeit essenziell. Durch sein Verhalten habe er gezeigt, dass er diese Strukturen nicht wahren könne. Von einem Kommissaranwärter, der ein solches Verständnis bereits in der Ausbildung nicht verinnerlicht habe, sei nicht zu erwarten, dass er dieses später im Dienst umsetzen werde. Es sei daher zu befürchten, dass er die erforderliche Loyalität und Fähigkeit zur Zusammenarbeit nicht vorweisen könne.
286.) Die Vorwürfe in Bezug auf seine Einstellung zu Waffen und Gewaltanwendung würden sich nicht lediglich auf einen Vorfall beziehen, sondern beschrieben einen grundlegenden Eindruck. Seine Aussage stehe gegen eine Vielzahl von Aussagen von Kollegen. Es bestehe kein Anlass, an diesen Aussagen zu zweifeln. Dadurch habe sich der Eindruck bestätigt, dass er aufgrund einer übertriebenen und unverhältnismäßigen Einstellung zu Gewaltanwendung und Waffeneinsatz nicht die charakterliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst aufweise.
29Jeder der Verhaltensweisen sei für sich allein bereits geeignet, das Bild der Polizei in der Öffentlichkeit zu belasten. Hierdurch würden nicht nur die Belange des Polizeipräsidiums Aachen tangiert werden, es liege insgesamt eine schwerwiegende Ansehensschädigung der gesamten Polizei des Landes NRW und der Polizei als Institution vor, die nicht geduldet werden könne. Ihm werde eine Vielzahl schwerwiegender Fehlverhaltensweisen vorgeworfen, die jede für sich genommen, aber umso mehr in Kumulation deutlich machen würden, dass seine Eignung für den Polizeivollzugsdienst nicht gegeben sei. Sein Verhalten biete nicht die Gewähr dafür, dass er sich über die gesamte Dienstzeit hinweg an Recht und Gesetz halte, seinen Beamtenpflichten nachkommen sowie sich in das Gefüge der Polizei einbinden werde. Daher sei eine umgehende Beendigung der Ausbildung erforderlich. Im Rahmen der Ermessensabwägung sei auch berücksichtigt worden, dass er in seiner Entwicklung als Heranwachsender möglicherweise noch nicht vollends ausgereift sei. Aber die aufgezeigten Mängel seien derart gravierend, dass eine andere Entscheidung nicht in Betracht komme. Seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf sei verhältnismäßig und stehe nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck. Mit seiner Entfernung werde der Schutz der Polizei als staatliche Institution, die Aufrechterhaltung von Funktion und Integrität des öffentlichen Dienstes sowie der Schutz der Bevölkerung vor charakterlich ungeeigneten Polizisten bzw. Kommissaranwärtern gewährleistet. Die Polizei trage im staatlichen Handeln eine enorme Verantwortung, der ihre Bediensteten gerecht werden müssten. Die Konsequenzen, einen nicht geeigneten Kommissaranwärter in der täglichen Polizeiarbeit und dem täglichen Kontakt zu den Bürgern zu belassen, seien nicht tragbar. Eine mildere Maßnahme, die dem oben genannten Zweck förderlich wäre, sei nicht ersichtlich. Die Entlassung sei auch angemessen; die Allgemeinheit habe ein Anrecht darauf, sich auf die generelle Unvoreingenommenheit der Polizeibehörde und die gerechte Amtsführung ihrer Beamten zu verlassen. Das rechtstreue, respektvolle und pflichtgemäße Verhalten eines jeden Polizeibeamten sei Grundvoraussetzung für diesen Anspruch. Demgegenüber stehe der Anspruch des Klägers auf Beendigung der Berufsausbildung sowie sein Anspruch auf Zugang zum öffentlichen Amt. Eine Abwägung ergebe, dass das öffentliche Interesse überwiege. In den alltäglichen Einsatzsituationen der Polizei müsse sich der Dienstherr aber auch jeder Kollege sowie nicht zuletzt auch jeder Bürger darauf verlassen können, dass der Beamte entsprechend den polizeilichen Anforderungen handele und die grundlegenden am Grundgesetz ausgerichteten Werte verinnerlicht habe und berücksichtige. Diesem Anspruch könne der Kläger durch seine charakterliche Ungeeignetheit nicht gerecht werden. Hierbei sei auch seine Persönlichkeit in den Blick zu nehmen; für ihn spreche, dass er strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sei. Sein Verhalten zeige aber, dass seine Persönlichkeit erhebliche Defizite an seinem Werteverständnis aufweise. Unter Beachtung der Schwere der charakterlichen Ungeeignetheit des Klägers und der Vielzahl der Vorwürfe gegen ihn, sei es geboten die Ableistung des Vorbereitungsdienstes zu verwehren. Dies sei schon im Hinblick auf die Länge des verbleibenden Vorbereitungsdienstes geboten. Darüber hinaus solle der Allgemeinheit die Fortsetzung der Zahlung der Bezüge eines Kommissaranwärters erspart bleiben, der durch sein Verhalten erkennbar gegen allgemeingültige Werte und Normen zwischenmenschlichen Verhaltens verstoßen habe. Durch diese Entscheidung werde ihm zugleich aber auch die Möglichkeit einer beruflichen Neuorientierung eingeräumt.
30Der Kläger hat am 4. April 2022 Klage erhoben.
31Er trägt vor, der Beklagte sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, der darauf zurückzuführen sei, dass von einigen Kommissaranwärtern falsche oder aus dem Kontext gerissene Aussagen vorgebracht worden oder durcheinander gebracht worden seien.
321.) Seine Müdigkeit im Einzelfall sei auch angesichts des Lernpensums, das die Polizeianwärter zu bewältigen hätten, kein Zeichen fehlender charakterlicher Eignung. Dies gelte ebenso für das Aufsuchen der Toilette.
332.) Sein Fahrstil sei zudem nicht rücksichtlos. Auch wenn er schnell fahre, geschehe dies vorsichtig. Ein konkretes Fehlverhalten sei ihm nicht anzulasten. Auch sei er sonst nicht verkehrsordnungswidrig besonders in Erscheinung getreten. Soweit weiterhin über eine Nachfrage berichtet werde, ob er es melden müsse, wenn gegen ihn ein Fahrverbot verhängt werde, so begründe eine einzelne Verkehrsordnungswidrigkeit ebenfalls keine fehlende charakterliche Eignung.
343.) Auch zeige er keine ausländerfeindliche Haltung. Eine Äußerung dahingehend, dass Sexualdelikte ausschließlich von Afghanen begangen würden, habe er nicht gemacht. Er habe lediglich erwähnt, dass es statistisch gesehen in manchen Bereichen einen prozentual verglichen mit der Gesamtbevölkerung hohen Anteil an Ausländern gebe und bei den Sexualdelikten einen überproportionalen Anteil an afghanisch-stämmigen Tätern. Die Begriffe „Scheiß-Ausländer“ oder „Kanake“ habe er nicht gebraucht. Die Aussage des Kommissaranwärters, der im Unterricht gehört haben will, wie er eine Angabe über erhöhte Gewaltanwendung bei Ausländern gemacht habe, sei nicht glaubhaft, da dieser zu weit vom ihm entfernt gesessen habe. Die Behauptung, er habe in Italien „Flüchtlinge“ oder „Schwarze“ „verkloppt“, sei Unsinn und aus dem Zusammenhang gerissen. Mit der Hautfarbe oder einer Flüchtlingseigenschaft habe der Vorfall keinerlei Zusammenhang gehabt. Eine ausgeprägte eigene Meinung oder eine besondere Beteiligung an einer Diskussion mit weiteren Kommissaranwärtern zu dem Thema „racial profiling“ habe er nicht gehabt.
354.) Er habe die Beleidigung „feministische Fotzen“ einmal genutzt. Zu diesem Zeitpunkt habe sich ein gewisser Frust bei ihm angestaut, weil zwei Kolleginnen bei einer Übung jede seiner Entscheidungen kritisiert hätten. Die Beleidigung habe er aber mit den Worten „ich bin wohl der Wichser hier“ zurückgenommen. Auf die Aussage eines Dozenten, dass er zwei hübsche Töchter habe, habe er nur „Telefonnummer?“ gesagt, nicht zusätzlich „sind die geil?“. Auch habe er nicht zu einer anderen Kommissaranwärterin gesagt, dass diese einen „fetten Arsch“ habe. Dies habe er über sich selbst gesagt, mit dem Hinweis, dass es schwer sei eine Jeans zu finden.
365.) Er habe überdies dem Dozenten, den er gefragt habe, ob er den Unterricht früher beenden könne, nicht zusätzlich auf die Schulter geklopft.
376.) Zuletzt sei er auch nicht waffenaffin und gewaltbereit.
38Der Kläger hat verschiedene Stellungnahmen von Personen aus seinem privaten Umfeld bzgl. seines Verhaltens gegenüber Frauen und Ausländern vorgelegt. Für weitere Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
39Der Kläger beantragt,
40den Bescheid des Beklagten vom 25. Februar 2022 aufzuheben.
41Der Beklagte beantragt,
42die Klage abzuweisen.
43Er verweist zur Begründung auf seine ausführlichen Angaben im angefochtenen Bescheid und ergänzt, auch wenn der Kläger durch sein Fahrverhalten nicht zwingend gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen verstoßen habe, stelle er eine Gefahr im öffentlichen Straßenverkehr dar. Er verkenne weiterhin, dass seine Fahrweise bei dem Vorfall auf der Autobahn, bei dem er abrupt von hoher Geschwindigkeit habe abbremsen müssen, erheblich dazu beigetragen habe, dass die Situation ein derartig hohes Gefahrenpotential gehabt habe.
44Soweit der Kläger behaupte, die frauenfeindlichen und ausländerfeindlichen Äußerungen nicht getätigt zu haben, sei auf die Aussagen seiner Kommilitonen und Dozenten zu verweisen. Auch wenn der Kläger nun die Vorwürfe bestreite oder in einer harmloseren Version darstelle, seien die Geschehnisse so gewichtig gewesen, dass Dozenten und Kommilitonen die Vorgänge verschriftlichten und sich an die Ausbildungsleitung wandten. Im Zuge einer Durchsuchungsmaßnahme an der Meldeadresse des Klägers seien am 15. August 2022 folgende Gegenstände aufgefunden und in der Folge beschlagnahmt worden: 2 Magazine, 2 Magazine mit Munition im Halter, eine Pistole - P 30 mit Magazin im Holster, eine Pistole - V0764, eine Pistole - Pole.Craft im Holster, eine Pistole P 99, eine „Maschinenpistole" Softair BEGADI Cal. 6 mm, 9 Patronen. Das Führen der „MP“ Softair BEGAI Cal. 6mm sei gemäß § 42a Abs.1 Nr. 12 WaffG verboten. Auch zum Umgang und Führen der P 30 Pistole, der Walther P99 und der Schreckschuss-/Reizstoff Pistole bedürfe es gem. § 2 Abs. 2 WaffG der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Auch wenn der Erwerb und Besitz der weiteren Waffen keiner Erlaubnis unterliegen würde, deute der umfangreiche Besitz diverser Schusswaffen inklusive dazugehöriger Munition in besonderem Maße auf eine stark ausgeprägte Affinität zu Schusswaffen hin, die durch den klägerischen Vortrag keinesfalls widerlegt werden könne. Die Tatsache, dass eine derartige Sammlung im „Kinderzimmer" eines Kommissaranwärters aufgefunden worden sei, begründe auf erschreckende Art und Weise (erneut aber auch bestätigend) erhebliche Zweifel an dessen charakterlichen Eignung.
45Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
46Entscheidungsgründe
47Die zulässige Klage ist unbegründet.
48Der Entlassungsbescheid vom 25. Februar 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Die auf § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG gestützte Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist rechtlich nicht zu beanstanden.
49Die Entlassungsverfügung vom 25. Februar 2022 genügt den formellen Voraussetzungen. Insbesondere hat der Beklagte den Kläger vor Erlass der Verfügung ordnungsgemäß angehört (§ 28 VwVfG NRW). Ferner wurden sowohl der Personalrat unter dem 22. Februar 2022 gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 LPVG NRW als auch die Gleichstellungsbeauftragte unter dem 18. Februar 2022 gemäß §§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 18 Abs. 1, 2 LGG NRW ordnungsgemäß beteiligt.
50Die materiellen Voraussetzungen für die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung am 25. Februar 2022 ebenfalls vor. Ein Beamter auf Widerruf kann nach § 23 Abs. 4 BeamtStG grundsätzlich bei Vorliegen eines sachlichen Grundes jederzeit entlassen werden. Nach Satz 2 der genannten Bestimmung „soll“ die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden.
51Vorliegend ist ein die Entlassung tragender sachlicher Grund gegeben.
52Der Beklagte rechtfertigt die Entlassung mit der fehlenden charakterlichen Eignung des Klägers. Diese Bewertung im Rahmen des dem Dienstherrn zustehenden Beurteilungsspielraums ist rechtlich nicht zu beanstanden und hält einer gerichtlichen Überprüfung stand. Der Beklagte stützt sich im Rahmen der Begründung auf sechs Komplexe, welche jeweils isoliert betrachtet die fehlende charakterliche Eignung des Klägers rechtfertigen würden. Dies ist zumindest in Bezug auf die Vorwürfe, der Kläger habe eine frauenfeindliche und rassistische Haltung gezeigt, nicht zu beanstanden und kann hinsichtlich der weiteren Vorwürfe dahinstehen.
53Die charakterliche Eignung ist ein Unterfall der persönlichen Eignung. Hierfür ist die Einschätzung entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen Die Zweifel können sich sowohl aus dem dienstlichen als auch aus dem außerdienstlichen Verhalten ergeben.
54Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2016 – 2 B 17.16 –, juris, Rn. 26, und vom 25. November 2015 – 2 B 38/15 –, juris, Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2019 – 6 B 1551/18 –, juris, Rn. 5.
55Die Einschätzung der charakterlichen Eignung ist dem Dienstherrn vorbehalten. Ihm ist bei der Prognoseentscheidung über die Eignung eines Beamten ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen, der nur eingeschränkt gerichtlich darauf überprüfbar ist, ob der unbestimmte Rechtsbegriff der mangelnden Eignung und gesetzliche Grenzen des Beurteilungsspielraums erkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde liegt oder ob allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt wurden.
56Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 –, juris, Rn. 38 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2017 – 6 B 977/17 – juris, Rn. 4.
57Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe lag ein sachlicher Grund für die Entlassung des Klägers vor. Der Beklagte ist weder von einem unzureichend oder unzutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen, noch hat er mit der Annahme von begründeten Zweifeln an der persönlichen Eignung des Klägers für ein Amt als Polizeivollzugsbeamter die Grenzen seines Beurteilungs- und Ermessensspielraums überschritten.
58Die in der Entlassungsverfügung aufgeführten Vorkommnisse in Bezug auf die frauenfeindliche Haltung des Klägers tragen die Einschätzung des Beklagten, dass er nicht über die charakterliche Eignung verfügt, die von einem Polizeivollzugsbeamten zu erwarten ist. Beurteilungsfehler sind nicht ersichtlich.
59Zunächst ist der Beklagte von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Die Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der in der Entlassungsverfügung im Einzelnen geschilderten Vorfälle bzw. des Verhaltens des Klägers ist nicht zu beanstanden.
60Der Vorwurf, dass sich der Kläger gegenüber Frauen mehrfach abwertend verhalten und verschiedene frauenfeindliche Kommentare geäußert habe, basiert auf einer gesicherten Erkenntnislage. Der ermittelte Sachverhalt weist keine Defizite auf; auch zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass sich der Kläger frauenfeindlich verhalten hat.
61Nach den Ermittlungen des Beklagten ergibt sich folgendes Bild:
62Mehrere Kommilitonen haben übereinstimmend angegeben, dass der Kläger immer wieder herablassende Kommentare gegenüber Frauen geäußert habe. Auch die respektlose Äußerung des Klägers einem Dozenten gegenüber über dessen Töchter („sind die geil? Kann ich Nummer haben?“) wird von mehreren Kommilitonen bestätigt. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den schriftlichen Stellungnahmen und Vernehmungen, die durch den Beklagten im Rahmen des Entlassungsverfahrens durchgeführt und protokolliert worden sind.
63Anhaltspunkte dafür, dass die Personen den Kläger übereinstimmend fälschlicherweise beschuldigen wollten, liegen offenkundig nicht vor und wurden auch vom Kläger nicht vorgetragen. Sein Vorbringen, er sei von den Kommilitonen missverstanden worden, ist nicht geeignet, Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen zu wecken. Dass der Kläger von einer Vielzahl von Personen regelmäßig falsch verstanden worden sei oder diese nicht richtig zugehört hätten, ist – bei der Vielzahl der Vorwürfe – lebensfremd und bedarf keiner weiteren Ausführungen. Es ist offenkundig eine Schutzbehauptung.
64Der Vorwurf, der Kläger habe zwei Kommilitoninnen (nicht in deren Beisein) als „feministische Fotzen“ bezeichnet, wird von diesem bestätigt.
65Soweit der Kläger darauf verweist, die beiden Kommilitoninnen hätten bei einer Übung jede seiner Entscheidungen kritisiert, wodurch sich bei ihm ein gewisser Frust angestaut habe, dem er Luft gemacht habe, kann ihn dies nicht entlasten. Vielmehr werden die Zweifel an seiner charakterlichen Eignung hierdurch noch bestärkt. Souveränität, Belastbarkeit und die Fähigkeit, einen kühlen Kopf zu bewahren, auch in stressigen, anspruchsvollen und unvorhersehbaren Situationen, sind unverzichtbare Eigenschaften eines Polizeivollzugsbeamten, um den herausfordernden Alltag in diesem Beruf zu meistern. Wenn der Kläger schon in einer Übungssituation derartigen Frust entwickelt, dass er zwei Kolleginnen auf diese eklatant frauenfeindliche und herabwürdigende Weise beleidigt, mangelt es ihm eindeutig an diesen Eigenschaften. Der Kläger gebrauchte eine offensichtlich misogyne Beleidigung; er verband den Begriff Feminismus, also die Bestrebung der Gleichstellung aller Menschen, mit einem entwürdigenden, sexualisierten Schimpfwort, welches sich speziell gegen Frauen richtet, und als vulgäre Beleidigung die weiblichen Geschlechtsorgane bezeichnet. Dies zeichnet ein deutliches Bild über die Einstellung des Klägers gegenüber Frauen ab. Hierdurch entstehen darüber hinaus erhebliche Zweifel an seiner Teamfähigkeit und Kommunikationsstärke. Dies sind unverzichtbare Eigenschaften, die unerlässlich für die Zusammenarbeit mit Kollegen und dem Kontakt mit Bürgern sind.
66Sofern der Kläger vorträgt, die Äußerung sei in einem „geschützten Bereich“ (einer Männerumkleide) getätigt worden, greift dies offensichtlich nicht durch. Selbst wenn der Ton, wie vom Kläger beschrieben, „unter Männern“ harscher sein sollte, erschließt sich nicht, inwieweit beleidigende und herabwürdigende Äußerungen gegenüber Frauen hier tolerierbar oder gar schützenswert sein sollten.
67Der Kläger hat durch sein sexistisches Verhalten der beamtenrechtlichen Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG schwerwiegend und in einer Weise zuwidergehandelt, die es dem Beklagten im Rahmen seines Beurteilungsspielraums erlaubt, dessen Entlassung zu verfügen. Die Einschätzung des Beklagten bzgl. des frauenverachtenden Verhaltens des Klägers rechtfertigt für sich genommen die Eignungszweifel des Klägers, die der Beklagte als sachlichen Grund für die Entlassung rechtsfehlerfrei heranziehen durfte.
68Ausgehend von der dem Dienstherrn zustehenden Einschätzungsprärogative ist auch die durch den Kläger gezeigte ausländerfeindliche Haltung ein die Entlassung rechtfertigender charakterlicher Mangel. Der Sachverhalt, den der Beklagte seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat, ist in dem Entlassungsbescheid im Einzelnen dargelegt. Danach leitet er seine Einschätzung der mangelnden charakterlichen Eignung daraus her, dass der Kläger sich in verschiedenen Situationen ausländerfeindlich geäußert und durch verschiedene Kommentare eine verachtende Einstellung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund gezeigt hat.
69Sofern der Kläger leugnet, „Scheiß-Ausländer“ oder „Kanake“ gesagt zu haben und weiter angibt, sich lediglich neutral an Diskussionen zu statistischen Besonderheiten und polizeilichem Vorgehen (Gewaltbereitschaft gegenüber Ausländern, racial profiling) beteiligt zu haben, so kann er hiermit nicht gehört werden. Seine Aussage ist als Schutzbehauptung zu werten.
70Aus den schriftlichen Stellungnahmen und Vernehmungen seiner Kommilitonen und Dozenten ergibt sich ein einheitliches Gesamtbild über das ausländerfeindliche Verhalten des Klägers. Damit liegt eine tragfähige Tatsachengrundlage für die Entlassung vor, da der Sachverhalt von allen einvernommenen Zeugen in den wesentlichen Grundzügen übereinstimmend geschildert wurde. Der Beklagte hat im Rahmen der Zeugenbefragungen den Sachverhalt vollständig ermittelt. Insbesondere durfte der Beklagte diese Aussagen als glaubhaft ansehen, weil die Zeugen Erinnerungslücken einräumten, ohne überschießende Belastungstendenz Geschehnisse schilderten, sich teilweise positiv über den Kläger äußerten und sich an unterschiedliche Situationen, in denen sich der Kläger ausländerfeindlich äußerte, erinnerten. Dabei wurde auch teilweise seine Körperhaltung und Mimik geschildert, was für eine lebensnahe, selbst erlebte Schilderung spricht.
71In seinem Bescheid hat sich der Beklagte mit den Einlassungen des Klägers durch seinen Bevollmächtigten auseinandergesetzt. Die Durchführung weiterer Ermittlungen war nicht angezeigt.
72Etwas anderes ergibt sich auch im gerichtlichen Verfahren nicht mit Blick auf die durch den Kläger benannten Zeugen und die vorgelegten Stellungnahmen. Wie diese etwas Gegenteiliges belegen sollen, indem sie aussagen, dass der Kläger etwas nicht gesagt habe – oder sie es zumindest nicht gehört haben –, erschließt sich nicht. Die Tatsache, dass der Kläger auch zu Personen mit Migrationshintergrund Kontakte pflegt (belegt durch Stellungnahmen von verschiedenen Personen aus seinem privaten Umfeld), widerlegt nicht die genannten Vorwürfe. Fremdenfeindlichkeit hat viele Facetten; eine vorurteilsbehaftete Einstellung gegenüber Ausländern, wie sie der Kläger gezeigt hat, impliziert nicht zwangsläufig, dass er jeglichen Kontakt zu Menschen anderer Herkunft ablehnt. Ob er nun eine rassistische Grundeinstellung hat oder durch die belegten Äußerungen nur der Anschein ausländerfeindlicher Tendenzen entstanden ist, ist irrelevant. Denn der Beklagte hat auch ein legitimes Interesse daran, dass bereits der Anschein rassistischer Neigungen in der Landespolizei vermieden wird.
73Auch bei Anwärtern für den Polizeivollzugsdienst ist ein absolut korrektes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung und im Umgang miteinander unabdingbar, vor allem unter Beachtung des Ansehens der Polizei in der Öffentlichkeit.
74Vgl. BayVGH, Beschluss vom 12. Oktober 2017 – 6 CS 17.1722 –, juris, Rn. 14.
75Der Dienstherr darf und muss von einem Polizeibeamten erwarten, dass er stets deeskalierend und besonnen auftritt und sich auch im innerdienstlichen Bereich nicht fremdenfeindlich oder rassistisch äußert.
76Vgl. VG Ansbach, Urteil vom 22. März 2017 – 11 K 16.90 –, juris, Rn. 25.
77Im Entlassungsbescheid wird in Bezug auf diese Vorkommnisse daher zutreffend darauf hingewiesen, dass ein achtungsvolles Verhalten gegenüber Menschen aller Kulturen zur Wohlverhaltenspflicht eines Polizeivollzugsbeamten gehören und sie unvoreingenommen und neutral jeder Bevölkerungsgruppe gegenüber handeln müssen.
78Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den vorstehenden Komplex bereits isoliert betrachtet als Grund für Zweifel an der charakterlichen Geeignetheit des Klägers heranzieht.
79Vor dem Hintergrund, dass bereits die beiden dargelegten Komplexe jeweils für sich allein betrachtet Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers rechtfertigen, kann dahinstehen, ob – wie der Entlassungsbescheid weiter ausführt – das rücksichtslose Fahrverhalten des Klägers, offenkundiges Desinteresse an den Lehrinhalten und dessen Einstellung zu Waffen einen Eignungsmangel begründen, und ob ihm das vom Beklagten monierte respektlose Verhalten gegenüber Dozenten vorgehalten werden kann.
80Der Beklagte hat auch das ihm nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG eingeräumte Ermessen fehlerfrei unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgeübt. Für Ermessensfehler gibt es keine Anhaltspunkte.
81Das dem Dienstherrn eingeräumte Ermessen ist im Falle eines Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst erheblich eingeschränkt. Gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG soll dem Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Eine Entlassung nach § 23 Abs. 4 BeamtStG kommt damit nur in begründeten Ausnahmefällen in Betracht.
82Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2009 – 6 B 320/09 –, juris, Rn. 7.
83§ 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 GG zu qualifizieren ist, sondern auch dort, wo – wie hier – ein Vorbereitungsdienst für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht.
84Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Februar 2019 – 6 B 1551/18 –, juris, Rn. 17, und vom 16. August 2016, – 6 B 656/16 –, juris, Rn. 4 ff. m w. N.
85§ 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG steht jedoch im Streitfall der Entlassung des Klägers vor Ende des Vorbereitungsdienstes nicht entgegen.
86Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung (vgl. § 9 BeamtStG) den Anforderungen der Laufbahn – hier des (gehobenen) Polizeivollzugsdienstes – nicht gerecht wird. Insofern genügen berechtigte Zweifel an der persönlichen Eignung des Widerrufsbeamten.
87Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2010 – 2 B 47.09 –, juris, Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2017 – 6 B 977/17 –, a.a.O., Rn. 4; Bayerischer VGH, Beschluss vom 13. November 2014 – 3 CS 14.1864 –, juris, Rn. 22.
88Bei einem Vorbereitungsdienst, der – wie hier – keine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG darstellt, sondern mit dem der Staat für seinen eigenen Bedarf ausbildet, darf der Dienstherr daher die persönliche Eignung an den Maßstäben messen, die er für die Übertragung eines Amtes auf Lebenszeit zugrunde legt.
89Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2019 – 6 B 1551/18 –, a.a.O., Rn. 22; OVG NRW, Urteil vom 3. September 2009 – 6 A 3083/06 –, juris, Rn. 121; OVG Bremen, Beschluss vom 13. Juli 2018 – 2 B 174/18 –, juris, Rn. 22.
90Hiervon ausgehend ist im Streitfall die Entlassung auch vor Ende des Vorbereitungsdienstes möglich; der Beklagte hat zutreffend einen entsprechenden Ausnahmefall angenommen. Der Beklagte hegt – wie dargelegt – berechtigterweise Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers, die seiner Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe bzw. auf Lebenszeit entgegenstehen würden. Dann ist es gerechtfertigt, dem Beamten die Möglichkeit der Ableistung des Vorbereitungsdienstes im Sinne des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG zu verwehren. Dies eröffnet ihm zugleich die Möglichkeit einer beruflichen Neuorientierung.
91Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.