Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die 1965 geborene Klägerin ist die Witwe des 1948 geborenen und am 24. September 2019 verstorbenen T. C. (im Folgenden: der Verstorbene). Er war vom 1. Juli 1974 bis zum 30. September 1991 als Beamter bei der Beklagten tätig und ist danach wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getreten.
Die Klägerin und der Verstorbene lernten sich 2006 kennen und wurden ein Paar. Ab Ende 2007 lebten die beiden zusammen im Haus des Verstorbenen. Im Jahr 2014 wurde beim Verstorbenen eine Krebserkrankung diagnostiziert. Die durchgeführte Therapie führte im Jahr 2015 zur vollständigen Remission.
Im Jahr 2017 erwarben die Klägerin und der Verstorbene eine Wohnung, das Eigenkapital für die Finanzierung der Wohnung trug die Klägerin.
Im Juni 2018 wurde beim Verstorbenen erneut eine Krebserkrankung festgestellt. Es wurde u.a. eine Chemotherapie durchgeführt. Am 13. Juni 2019 wurde ein Progress des Lymphoms festgestellt und die bisherige Therapie mangels Erfolg abgebrochen. Vom 7. bis zum 16. Juli 2019 fand wegen der Verschlechterung seines Zustands ein stationärer Aufenthalt statt; er verließ die Klinik im stabilen Allgemeinzustand.
Am selben Tag, den 16. Juli 2019, meldeten die Klägerin und der Verstorbene die Eheschließung an, die am XX. Juli 2019 erfolgte. Zuvor hatte der Verstorbene die Klägerin mit notariellem Testament vom 19. September 2018 zur Alleinerbin eingesetzt. Er verfügte über Grundstückseigentum.
Am 24. Juli 2019 begann der Verstorbene eine sogenannte Salvage-Chemotherapie. Am 21. August 2019 wurde eine weitere Therapieumstellung (ein individueller Heilversuch mit einem noch nicht zugelassenen Medikament) besprochen und am 29. August 2019 beantragt. In dem Antrag ist ausgeführt, dass es sich bei der Erkrankung des Klägers um eine regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit handele. Das beim Verstorbenen vorliegende Lymphome weise eine signifikant schlechtere Prognose auf. Mittelfristig sei das Ziel, eine kontrollierte Lymphomerkrankung zu erreichen. Er befand sich in dem Zeitraum wiederholt wegen der Verschlechterung seines Allgemeinzustandes (u.a. vom 27. Juli bis zum 6. August, vom 2. bis zum 5. September 2019 und vom 11. bis zum 24. September 2019) in stationärer Behandlung. Am 24. September 2019 verstarb er an einem Kreislauf- und Lungenversagen.
Ab dem 10. Dezember 2019 (bis zum 8. März 2021) bezog die Klägerin Krankengeld.
Das Bundesamt für Post und Telekommunikation (Bundesanstalt) teilte der Klägerin auf ihren Antrag hin unter dem 31. März 2020 mit, dass bereits auf Grund der Dauer der Ehe von einer Versorgungsehe auszugehen sei. Die Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung seien ausgeschlossen. Sie erhalte Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27. April 2020 führte die Klägerin u.a. aus, dass sie und der Verstorbene seit 2006 ein Paar gewesen seien. Der Verstorbene sei zu dem Zeitpunkt verheiratet gewesen. Im Jahr 2017 habe der Verstorbene das Scheidungsverfahren eingeleitet, welches 2018 abgeschlossen worden sei. Die Scheidung sei von der Ex-Ehefrau verzögert worden, zudem habe der Verstorbene das Verhältnis zu seinen Kindern aus dieser Ehe nicht belasten wollen. Bereits vor der Einleitung des Scheidungsverfahrens hätten ernsthafte Hochzeitspläne bestanden. Sie hätten bereits im Jahr 2014 in einem schamanischen Ritual geheiratet. Während der ersten Krebserkrankung im Jahr 2014 habe die Klägerin Sonderurlaub genommen, um den Verstorbenen zu unterstützen. Sie habe in der Zeit von ihren Rücklagen gelebt und eine freiwillige Krankenversicherung gezahlt. Im Jahr 2018 sei der Kläger erneut erkrankt, sodass die geplante Eheschließung erst im Juli 2019 habe erfolgen können. Man habe begründete Hoffnungen gehabt, dass die Therapie dem Verstorbenen helfe.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2020 lehnte die Bundesanstalt die Gewährung eines Witwengeldes unter Wiederholung des bisherigen Vortrages ab. Der Sachvortrag und die eingereichten Unterlagen, die am 2. Juni 2020 eingegangen seien, würden die gesetzliche Vermutung nicht widerlegen. Der Bescheid wurde an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin versendet und enthält den auf den 6. Juli 2020 datierten Poststempel der Kanzlei.
Am 6. August 2020 legte die Klägerin Widerspruch ein und führte aus, dass der Bescheid am 6. Juli 2020 zugegangen sei. Unter dem 24. August 2020, bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des Poststempels am 31. August 2020 eingegangen, teilte die Bundesanstalt mit, dass der Widerspruch zeitnah bearbeitet werde.
Mit Urteil vom 27. April 2023 verurteilte das Sozialgericht Aachen (S 2 R 147/21) die Deutsche Rentenversicherung dazu, der Klägerin Witwenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Ausweislich der in dem Verfahren eingeholten Stellungnahmen sei der Verstorbene darüber informiert gewesen, dass sowohl ein mögliches Nicht-Ansprechen der Therapie als auch das Eintreten von Komplikationen bei der Tumortherapie zu einer lebensbedrohlichen Situation führen könnten. Es habe eine realistische Chance des Ansprechens auf die Salvage-Chemotherapie bestanden, die Hälfte der Patienten hätte in eine lang anhaltende Remission überführt werden können. Die Klägerin wies die Bundesanstalt auf die Entscheidung des Sozialgerichtes hin und bat um Bescheidung ihres Widerspruchs.
Den Widerspruch wies die Bundesanstalt mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2023 zurück. Sie führte aus, dass der Widerspruch am 6. August 2020 gegen den Bescheid vom 30. Juni 2020, der nach der Zugangsfiktion am 3. August 2020 zugegangen sein müsste, nicht fristgemäß erhoben worden sei.
Die Klägerin hat am 13. September 2023 Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor, dass der Widerspruch fristgemäß erhoben worden sei. Der Bescheid sei erst am 6. Juli 2020 in der Kanzlei eingegangen. Es bestehe ein Anspruch auf Witwengeld zumindest auf Unterhaltsbeitrag. Es habe keine Versorgungsehe vorgelegen. Sie hätten vor der Kenntnis der Erkrankung des Verstorbenen einen Heiratswillen gehabt, der wegen der bestehenden Ehe des Verstorbene und seiner Verpflichtungen gegenüber den Töchtern nicht habe umgesetzt werden können. Die Eheschließung sei erfolgt, als es dem Verstorbenen bessergegangen sei. Zudem habe eine Hoffnung darauf bestanden, dass die eingeschlagene Therapie ihm helfen würde. Die Klägerin sei zu keinem Zeitpunkt auf die finanzielle Unterstützung des Verstorbenen angewiesen gewesen; sie habe eigenes Geld verdient. Während des im Jahr 2014 genommenen Sonderurlaubes habe sie ihren Lebensunterhalt selbständig abdecken können. Sie habe auch teilweise die Kosten des Verstorbenen für die gemeinsame Lebensführung übernommen und das Eigenkapital für die Finanzierung der Eigentumswohnung geleistet. Zudem hat sie auf diverse eidesstattliche Versicherungen von Freunden über das Verhältnis zu dem Verstorbenen verwiesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2023 zu verpflichten, ihr Witwengeld bzw. einen Unterhaltsbeitrag nach dem Beamtenversorgungsgesetz für den verstorbenen T. C. (geboren am 21. Oktober 1948) zu gewähren,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären und ihre außergerichtlichen Kosten für die anwaltliche Vertretung im Vorverfahren zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf ihre bisherigen Ausführungen und ergänzt, dass der Bescheid am 30. Juni 2023 vom Sachbearbeiter finalisiert worden sei. Ein Dienstleister übernehme den Ausdruck und das Versenden. Dies erfolge üblicherweise am selben Tag. Der Bescheid gelte am 3. Juli 2020 als zugegangen, der am 6. August 2020 erhobene Widerspruch sei verfristet. Dem Anspruch auf Witwengeld stehe die Eheschließung mit einem Ruhestandsbeamten entgegen. Ein Anspruch auf Unterhaltsbeitrages sei zu versagen, da eine Versorgungsehe vorgelegen habe. Zudem habe die Klägerin wegen der Krankheit Kenntnis darüber gehabt, dass die Ehe nicht lange bestehen werde. Der Unterhaltsbeitrag sei nur nachrangig zu leisten und entfalle eine Auffüllfunktion; es sei nicht erkennbar, dass ihr Lebensunterhalt nicht anderweitig gesichert sei. Die Klägerin habe zu ihrem Einkommen keine weiteren Angaben getätigt.
Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der beigezogenen Gerichtsakte des Sozialgerichtes Aachen in dem Verfahren - S 2 R 147/21 - Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Antrag hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 30. Juni 2020 in der Fassung dessen Widerspruchsbescheides vom 28. August 2023 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Sie hat weder einen Anspruch auf Gewährung von Witwengeld noch auf Unterhaltsbeitrag für nicht witwengeldberechtigte Witwen.
Der Einwand der Beklagten, dass die Klage mangels fristgemäßen Widerspruchs bereits unzulässig sei, greift nicht durch. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten ist nicht davon auszugehen, dass der Bescheid vom 30. Juni 2020 bereits vor dem 6. Juli 2020 bekannt gegeben wurde. Die Klägerin hat ausreichend dargelegt, dass der Bescheid ausweislich des Posteingangsstempels erst am 6. Juli 2020 in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten eingegangen und mithin ihr zurechenbar bekannt gemacht wurde. Die Beklagte hat einen früheren Zugang nicht nachweisen können. So fehlt in den Verwaltungsvorgängen bereits ein Ab-Vermerk. Ferner sprechen auch die Postlaufzeiten des unter dem 24. August 2020 abgesendeten und am 30. August 20 bei der Prozessbevollmächtigten eingegangenen Schreibens gegen eine Postlaufzeit von drei (bzw. vier) Tagen.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Witwengeld nach § 19 BeamtVG zu.
Hiernach erhält die Witwe eines Ruhestandsbeamten Witwengeld. Dies gilt nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG allerdings nicht, wenn (Nr. 1) die Ehe mit dem Verstorbenen nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen, oder
(Nr. 2.) die Ehe erst nach dem Eintritt des Beamten in den Ruhestand geschlossen worden ist und der Ruhestandsbeamte zur Zeit der Eheschließung die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und 2 BBG bereits erreicht hatte.
Ob der Ausschlussgrund der Versorgungsehe – wie von der Beklagten angenommen – vorliegt, kann offengelassen werden. Ein Anspruch auf Witwengeld besteht bereits nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG nicht. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am XX. Juli 2019 befand sich der Verstorbene bereits seit dem 30. September 1991 wegen Dienstunfähigkeit im Ruhestand und der am XXX1948 geborene Verstorbene hatte die Regelaltersgrenze von 65 Lebensjahren und 2 Monaten (vgl. § 51 Abs. 2 BBG) bereits am XXX 2013 – mithin fast 5 Jahre und 7 Monate zuvor - erreicht.
Ein Anspruch auf Unterhaltsbeitrag für nicht witwengeldberechtigte Witwen besteht ebenfalls nicht.
Nach § 22 Abs. 1 BeamtVG ist in den Fällen des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG ein Unterhaltsbeitrag in Höhe des Witwengeldes zu gewähren, sofern die besonderen Umstände des Falles keine volle oder teilweise Versagung rechtfertigen, ein Unterhaltsbeitrag in Höhe des Witwengeldes zu gewähren. Einkünfte sind in angemessenem Umfang anzurechnen. Verzichtet die Versorgungsberechtigte auf Einkünfte oder wird ihr an deren Stelle eine Kapitalleistung gezahlt, ist der Betrag anzurechnen, der ansonsten zu zahlen wäre; § 55 Absatz 1 Satz 8 und 9 BeamtVG gilt entsprechend.
Dieser Anspruch der sogenannten "nachgeheirateten" Witwe auf einen Unterhaltsbeitrag ist schwächer als der Anspruch einer Witwe, die einen Beamten oder Ruhestandsbeamten vor der Vollendung der Regelaltersgrenze geheiratet hat. Bei dem Unterhaltsbeitrag für die nachgeheiratete Witwe handelt es sich nicht um eine Sozialleistung sondern um eine von dem Dienstherrn des verstorbenen Beamten aufgrund seiner nachwirkenden Fürsorge gewährte Leistung. Nicht nur das Witwengeld sondern auch der Unterhaltsbeitrag finden ihre Grundlage im Beamtenverhältnis des verstorbenen Beamten und müssen daher immer im Zusammenhang mit seiner Dienstleistung und Dienstverpflichtung gesehen werden. Die Regelung soll den Beamten von der Sorge um das wirtschaftliche Wohl seiner Angehörigen für die Zeit nach seinem Tode freistellen und so die von ihm geforderte gewissenhafte Hingabe im Dienst und eine loyale Pflichterfüllung sichern. Der Unterhaltsbeitrag dient dabei dem Ausgleich von Härten und hat lediglich eine Auffüllfunktion, so dass er versagt werden kann, wenn und soweit der Lebensunterhalt anderweitig gesichert ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1984 - 6 C 148/81 -, juris Rn. 19.
Der Unterhaltsbeitrag steht der nachgeheirateten Witwe nicht in jedem Fall und nicht uneingeschränkt zu. Zum einen sind Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen in angemessenem Umfang anzurechnen, zum anderen ist bei Vorliegen besonderer Umstände der Unterhaltsbeitrag voll oder teilweise zu versagen. Ob besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen, ist nach dem Sinn der Vorschrift zu ermitteln. Diese soll dem Dienstherrn die Versorgung der "nachgeheirateten" Witwe völlig oder teilweise ersparen, soweit ihm diese Versorgung nicht zuzumuten oder soweit sie aus fürsorgerischen Gründen nicht geboten ist. Bei der Frage, ob besondere Umstände die volle Versagung des Unterhaltsbeitrages rechtfertigen, handelt es sich um eine die Voraussetzungen des Anspruchs betreffende Rechtsfrage. Bei Vorliegen besonderer Umstände wird es nicht in das Ermessen der Beklagten gestellt, ob und in welcher Höhe sie einen Unterhaltsbeitrag gewährt, sondern der Anspruch der Witwe besteht nur, sofern die Umstände des Falles nicht die volle oder teilweise Versagung rechtfertigen. Das Beamtenversorgungsrecht ist, jedenfalls soweit es um die grundsätzliche Zuerkennung des Anspruchs geht, weitgehend strenges Recht.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Oktober 1993 - 12 A 269/92 -, juris Rn. 29 und Beschluss vom 29. Juli 2010 - 1 A 1871/08 -, juris.
Hiervon ausgehend hat die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung eines Unterhaltsbeitrages.
Ob im vorliegenden Fall die Annahme der Beklagten, dass der Unterhaltsbeitrag wegen des Bestehens einer Versorgerehe ausgeschlossen sei, gerechtfertigt ist, kann im Ergebnis offen bleiben. Tatsächlich spricht viel dafür, dass die Versorgung der Klägerin (insbesondere nach ihrem eigenen Vortrag) nicht das entscheidende Motiv der Eheschließung war. Es liegen gleichwohl besondere Umstände vor, die eine volle Versagung rechtfertigen. Besondere Umstände im Sinne des Gesetzes sind der Altersunterschied, die - zu erwartende - kurze Dauer der Ehe und die zum Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen und der zuvor geführten Beziehung bestehende finanzielle Unabhängigkeit der Klägerin. Diese Umstände rechtfertigen jedenfalls in einer Gesamtschau die volle Versagung des Unterhaltsbeitrages. Wie bereits ausgeführt, liegt der Sinn der Vorschrift darin, dem Dienstherrn die Versorgung der nachgeheirateten Witwe völlig oder teilweise zu ersparen, soweit ihm diese Versorgung nicht zuzumuten oder soweit sie aus fürsorgerischen Gründen nicht geboten ist. Regelmäßig muss der Dienstherr mit der Entstehung hoher neuer Versorgungsansprüche nach Eintritt des Beamten in den Ruhestand (hier nach 28 Jahren) und Vollendung des Regeleintrittsalters (her nach ca. 5 Jahren und 7 Monaten) nicht mehr rechnen, insbesondere nicht mit Versorgungsansprüchen, die wegen des verhältnismäßig niedrigen Lebensalters der nachgeheirateten Ehefrau voraussichtlich lange Jahre bestehen. Denn 28 Jahre nach Eintritt in den Ruhestand kann eine gewissenhafte Hingabe im Dienst und eine loyale Pflichterfüllung offensichtlich nicht erreicht werden. Fürsorgerische Gründe rechtfertigen keine andere Entscheidung. Der verstorbene Ruhestandsbeamte brauchte sich zum Zeitpunkt seines Todes um die Versorgung der 17 Jahre jüngeren und zu seinem Tod gesunden und arbeitsfähigen Klägerin, die nach eigenen Angaben berufstätig war, ihn teilweise mitfinanzierte und auch die Finanzierung der gemeinsam gekauften Wohnung übernahm, keine Sorgen zu machen, da sie durch ihre eigene Berufstätigkeit abgesichert war. Eine unzumutbare Belastung für die Klägerin durch die Versagung des Unterhaltsbeitrages ist nicht ersichtlich. Sie hat zwar den Verstorbenen, soweit nicht die Beklagte die Pflege durch die Gewährung der Beihilfeleistungen gesichert hat, betreut und versorgt und sich im Jahr 2014 unentgeltlich freistellen lassen. Soweit diese persönliche Leistung überhaupt materiell bewertet werden kann, trägt dem bereits die Erbeinsetzung mit dem notariellen Vertrag aus dem Jahr 2018 Rechnung; der Verstorbene war Eigentümer mehrerer Grundstücke. Im Übrigen hat sich an der wirtschaftlichen Lage der Klägerin durch die kurze Ehedauer nichts geändert. Sie und der Verstorbene hatten zu dem Zeitpunkt bereits längere Zeit zusammengelebt. Die Klägerin war berufstätig und übernahm nach eigenen Angaben teilweise die Kosten der gemeinsamen Lebensführung. Dass die Klägerin nach dem Tod des Klägers (ab Dezember 2019) im Alter von 54 Jahren erkrankte und deswegen ihren Beruf nicht mehr ausübte, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko. Auf Grund ihrer bis dahin erfolgten Berufstätigkeit hat sie zumindest einen eigenen Rentenanspruch erworben und die Möglichkeit gehabt, sich durch den Abschluss von Versicherungen abzusichern. Nach ihrem wiederholten Vortrag war sie zu keiner Zeit auf eine finanzielle Versorgung angewiesen. Ihre finanzielle Absicherung sei kein Motiv für die Eheschließung gewesen. Hinzukommt, dass die kurze Ehedauer (auch bei realer Hoffnungen) zu erwarten war. Am XX. Juni 2019 und mithin vor der Eheschließung wurde nach einjähriger Therapie ein Progress des Lymphoms festgestellt, es erfolgte der Abbruch der bisherigen Therapie und zum 23. Juli 2019 begann eine sogenannte Salvage-Therapie. In der Onkologie werden Therapien als Salvage-Therapie bezeichnet, wenn die Standardtherapie nicht mehr oder kaum anschlägt und/oder es wegen der Toxizität kaum noch Behandlungsoptionen gibt,
vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Salvage-Therapie.
Den ärztlichen Berichten ist eindeutig zu entnehmen, dass die Krebserkrankung fortschritt und beim Lymphom des Verstorbenen eine signifikant schlechtere Prognose vorlag. Daher sei erst eine Salvage-Therapie und nach Scheitern dieser eine individuelle Heilungstherapien eingeschlagen worden. Dem Verstorbenen war zum Zeitpunkt der Eheschließung seine lebensbedrohliche Situation bekannt, auch wenn er eine Hoffnung auf eine Besserung in Form der mittelfristigen Kontrolle der Krebserkrankung hatte, so waren die Gefahren seiner Erkrankung und der Therapie ihm bekannt. Die begrenzten (auch wenn realistischen) Erfolgschancen und die mit der Therapie verbundenen Risiken waren – bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung – auch der Klägerin bekannt. Hieran ändert das Einleiten und die Finanzierung dieser Behandlungen nichts.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Mangels positiver Kostengrundentscheidung bedarf es keines Ausspruchs über die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
VERWALTUNGSGERICHT Aachen
3Im Namen des Volkes
4Urteil
51 K 2122/23
6In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
7wegen Besoldung und Versorgung (Witwengeld und Unterhaltsbeitrag für nicht witwengeldberechtigte Witwen)
8hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen
9aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Januar 2025
10durch
11für Recht erkannt:
12Die Klage wird abgewiesen.
13Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
14Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
15Tatbestand:
16Die 1965 geborene Klägerin ist die Witwe des 1948 geborenen und am 24. September 2019 verstorbenen T. C. (im Folgenden: der Verstorbene). Er war vom 1. Juli 1974 bis zum 30. September 1991 als Beamter bei der Beklagten tätig und ist danach wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getreten.
17Die Klägerin und der Verstorbene lernten sich 2006 kennen und wurden ein Paar. Ab Ende 2007 lebten die beiden zusammen im Haus des Verstorbenen. Im Jahr 2014 wurde beim Verstorbenen eine Krebserkrankung diagnostiziert. Die durchgeführte Therapie führte im Jahr 2015 zur vollständigen Remission.
18Im Jahr 2017 erwarben die Klägerin und der Verstorbene eine Wohnung, das Eigenkapital für die Finanzierung der Wohnung trug die Klägerin.
19Im Juni 2018 wurde beim Verstorbenen erneut eine Krebserkrankung festgestellt. Es wurde u.a. eine Chemotherapie durchgeführt. Am 13. Juni 2019 wurde ein Progress des Lymphoms festgestellt und die bisherige Therapie mangels Erfolg abgebrochen. Vom 7. bis zum 16. Juli 2019 fand wegen der Verschlechterung seines Zustands ein stationärer Aufenthalt statt; er verließ die Klinik im stabilen Allgemeinzustand.
20Am selben Tag, den 16. Juli 2019, meldeten die Klägerin und der Verstorbene die Eheschließung an, die am XX. Juli 2019 erfolgte. Zuvor hatte der Verstorbene die Klägerin mit notariellem Testament vom 19. September 2018 zur Alleinerbin eingesetzt. Er verfügte über Grundstückseigentum.
21Am 24. Juli 2019 begann der Verstorbene eine sogenannte Salvage-Chemotherapie. Am 21. August 2019 wurde eine weitere Therapieumstellung (ein individueller Heilversuch mit einem noch nicht zugelassenen Medikament) besprochen und am 29. August 2019 beantragt. In dem Antrag ist ausgeführt, dass es sich bei der Erkrankung des Klägers um eine regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit handele. Das beim Verstorbenen vorliegende Lymphome weise eine signifikant schlechtere Prognose auf. Mittelfristig sei das Ziel, eine kontrollierte Lymphomerkrankung zu erreichen. Er befand sich in dem Zeitraum wiederholt wegen der Verschlechterung seines Allgemeinzustandes (u.a. vom 27. Juli bis zum 6. August, vom 2. bis zum 5. September 2019 und vom 11. bis zum 24. September 2019) in stationärer Behandlung. Am 24. September 2019 verstarb er an einem Kreislauf- und Lungenversagen.
22Ab dem 10. Dezember 2019 (bis zum 8. März 2021) bezog die Klägerin Krankengeld.
23Das Bundesamt für Post und Telekommunikation (Bundesanstalt) teilte der Klägerin auf ihren Antrag hin unter dem 31. März 2020 mit, dass bereits auf Grund der Dauer der Ehe von einer Versorgungsehe auszugehen sei. Die Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung seien ausgeschlossen. Sie erhalte Gelegenheit zur Stellungnahme.
24Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27. April 2020 führte die Klägerin u.a. aus, dass sie und der Verstorbene seit 2006 ein Paar gewesen seien. Der Verstorbene sei zu dem Zeitpunkt verheiratet gewesen. Im Jahr 2017 habe der Verstorbene das Scheidungsverfahren eingeleitet, welches 2018 abgeschlossen worden sei. Die Scheidung sei von der Ex-Ehefrau verzögert worden, zudem habe der Verstorbene das Verhältnis zu seinen Kindern aus dieser Ehe nicht belasten wollen. Bereits vor der Einleitung des Scheidungsverfahrens hätten ernsthafte Hochzeitspläne bestanden. Sie hätten bereits im Jahr 2014 in einem schamanischen Ritual geheiratet. Während der ersten Krebserkrankung im Jahr 2014 habe die Klägerin Sonderurlaub genommen, um den Verstorbenen zu unterstützen. Sie habe in der Zeit von ihren Rücklagen gelebt und eine freiwillige Krankenversicherung gezahlt. Im Jahr 2018 sei der Kläger erneut erkrankt, sodass die geplante Eheschließung erst im Juli 2019 habe erfolgen können. Man habe begründete Hoffnungen gehabt, dass die Therapie dem Verstorbenen helfe.
25Mit Bescheid vom 30. Juni 2020 lehnte die Bundesanstalt die Gewährung eines Witwengeldes unter Wiederholung des bisherigen Vortrages ab. Der Sachvortrag und die eingereichten Unterlagen, die am 2. Juni 2020 eingegangen seien, würden die gesetzliche Vermutung nicht widerlegen. Der Bescheid wurde an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin versendet und enthält den auf den 6. Juli 2020 datierten Poststempel der Kanzlei.
26Am 6. August 2020 legte die Klägerin Widerspruch ein und führte aus, dass der Bescheid am 6. Juli 2020 zugegangen sei. Unter dem 24. August 2020, bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des Poststempels am 31. August 2020 eingegangen, teilte die Bundesanstalt mit, dass der Widerspruch zeitnah bearbeitet werde.
27Mit Urteil vom 27. April 2023 verurteilte das Sozialgericht Aachen (S 2 R 147/21) die Deutsche Rentenversicherung dazu, der Klägerin Witwenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Ausweislich der in dem Verfahren eingeholten Stellungnahmen sei der Verstorbene darüber informiert gewesen, dass sowohl ein mögliches Nicht-Ansprechen der Therapie als auch das Eintreten von Komplikationen bei der Tumortherapie zu einer lebensbedrohlichen Situation führen könnten. Es habe eine realistische Chance des Ansprechens auf die Salvage-Chemotherapie bestanden, die Hälfte der Patienten hätte in eine lang anhaltende Remission überführt werden können. Die Klägerin wies die Bundesanstalt auf die Entscheidung des Sozialgerichtes hin und bat um Bescheidung ihres Widerspruchs.
28Den Widerspruch wies die Bundesanstalt mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2023 zurück. Sie führte aus, dass der Widerspruch am 6. August 2020 gegen den Bescheid vom 30. Juni 2020, der nach der Zugangsfiktion am 3. August 2020 zugegangen sein müsste, nicht fristgemäß erhoben worden sei.
29Die Klägerin hat am 13. September 2023 Klage erhoben.
30Zur Begründung trägt sie vor, dass der Widerspruch fristgemäß erhoben worden sei. Der Bescheid sei erst am 6. Juli 2020 in der Kanzlei eingegangen. Es bestehe ein Anspruch auf Witwengeld zumindest auf Unterhaltsbeitrag. Es habe keine Versorgungsehe vorgelegen. Sie hätten vor der Kenntnis der Erkrankung des Verstorbenen einen Heiratswillen gehabt, der wegen der bestehenden Ehe des Verstorbene und seiner Verpflichtungen gegenüber den Töchtern nicht habe umgesetzt werden können. Die Eheschließung sei erfolgt, als es dem Verstorbenen bessergegangen sei. Zudem habe eine Hoffnung darauf bestanden, dass die eingeschlagene Therapie ihm helfen würde. Die Klägerin sei zu keinem Zeitpunkt auf die finanzielle Unterstützung des Verstorbenen angewiesen gewesen; sie habe eigenes Geld verdient. Während des im Jahr 2014 genommenen Sonderurlaubes habe sie ihren Lebensunterhalt selbständig abdecken können. Sie habe auch teilweise die Kosten des Verstorbenen für die gemeinsame Lebensführung übernommen und das Eigenkapital für die Finanzierung der Eigentumswohnung geleistet. Zudem hat sie auf diverse eidesstattliche Versicherungen von Freunden über das Verhältnis zu dem Verstorbenen verwiesen.
31Die Klägerin beantragt sinngemäß,
32die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2023 zu verpflichten, ihr Witwengeld bzw. einen Unterhaltsbeitrag nach dem Beamtenversorgungsgesetz für den verstorbenen T. C. (geboren am 21. Oktober 1948) zu gewähren,
33die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären und ihre außergerichtlichen Kosten für die anwaltliche Vertretung im Vorverfahren zu erstatten.
34Die Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf ihre bisherigen Ausführungen und ergänzt, dass der Bescheid am 30. Juni 2023 vom Sachbearbeiter finalisiert worden sei. Ein Dienstleister übernehme den Ausdruck und das Versenden. Dies erfolge üblicherweise am selben Tag. Der Bescheid gelte am 3. Juli 2020 als zugegangen, der am 6. August 2020 erhobene Widerspruch sei verfristet. Dem Anspruch auf Witwengeld stehe die Eheschließung mit einem Ruhestandsbeamten entgegen. Ein Anspruch auf Unterhaltsbeitrages sei zu versagen, da eine Versorgungsehe vorgelegen habe. Zudem habe die Klägerin wegen der Krankheit Kenntnis darüber gehabt, dass die Ehe nicht lange bestehen werde. Der Unterhaltsbeitrag sei nur nachrangig zu leisten und entfalle eine Auffüllfunktion; es sei nicht erkennbar, dass ihr Lebensunterhalt nicht anderweitig gesichert sei. Die Klägerin habe zu ihrem Einkommen keine weiteren Angaben getätigt.
37Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der beigezogenen Gerichtsakte des Sozialgerichtes Aachen in dem Verfahren - S 2 R 147/21 - Bezug genommen.
38Entscheidungsgründe:
39Der Antrag hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 30. Juni 2020 in der Fassung dessen Widerspruchsbescheides vom 28. August 2023 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Sie hat weder einen Anspruch auf Gewährung von Witwengeld noch auf Unterhaltsbeitrag für nicht witwengeldberechtigte Witwen.
40Der Einwand der Beklagten, dass die Klage mangels fristgemäßen Widerspruchs bereits unzulässig sei, greift nicht durch. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten ist nicht davon auszugehen, dass der Bescheid vom 30. Juni 2020 bereits vor dem 6. Juli 2020 bekannt gegeben wurde. Die Klägerin hat ausreichend dargelegt, dass der Bescheid ausweislich des Posteingangsstempels erst am 6. Juli 2020 in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten eingegangen und mithin ihr zurechenbar bekannt gemacht wurde. Die Beklagte hat einen früheren Zugang nicht nachweisen können. So fehlt in den Verwaltungsvorgängen bereits ein Ab-Vermerk. Ferner sprechen auch die Postlaufzeiten des unter dem 24. August 2020 abgesendeten und am 30. August 20 bei der Prozessbevollmächtigten eingegangenen Schreibens gegen eine Postlaufzeit von drei (bzw. vier) Tagen.
41Der Klägerin steht kein Anspruch auf Witwengeld nach § 19 BeamtVG zu.
42Hiernach erhält die Witwe eines Ruhestandsbeamten Witwengeld. Dies gilt nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG allerdings nicht, wenn (Nr. 1) die Ehe mit dem Verstorbenen nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen, oder
43(Nr. 2.) die Ehe erst nach dem Eintritt des Beamten in den Ruhestand geschlossen worden ist und der Ruhestandsbeamte zur Zeit der Eheschließung die Regelaltersgrenze nach § 51 Abs. 1 und 2 BBG bereits erreicht hatte.
44Ob der Ausschlussgrund der Versorgungsehe – wie von der Beklagten angenommen – vorliegt, kann offengelassen werden. Ein Anspruch auf Witwengeld besteht bereits nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG nicht. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am XX. Juli 2019 befand sich der Verstorbene bereits seit dem 30. September 1991 wegen Dienstunfähigkeit im Ruhestand und der am XXX1948 geborene Verstorbene hatte die Regelaltersgrenze von 65 Lebensjahren und 2 Monaten (vgl. § 51 Abs. 2 BBG) bereits am XXX 2013 – mithin fast 5 Jahre und 7 Monate zuvor - erreicht.
45Ein Anspruch auf Unterhaltsbeitrag für nicht witwengeldberechtigte Witwen besteht ebenfalls nicht.
46Nach § 22 Abs. 1 BeamtVG ist in den Fällen des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG ein Unterhaltsbeitrag in Höhe des Witwengeldes zu gewähren, sofern die besonderen Umstände des Falles keine volle oder teilweise Versagung rechtfertigen, ein Unterhaltsbeitrag in Höhe des Witwengeldes zu gewähren. Einkünfte sind in angemessenem Umfang anzurechnen. Verzichtet die Versorgungsberechtigte auf Einkünfte oder wird ihr an deren Stelle eine Kapitalleistung gezahlt, ist der Betrag anzurechnen, der ansonsten zu zahlen wäre; § 55 Absatz 1 Satz 8 und 9 BeamtVG gilt entsprechend.
47Dieser Anspruch der sogenannten "nachgeheirateten" Witwe auf einen Unterhaltsbeitrag ist schwächer als der Anspruch einer Witwe, die einen Beamten oder Ruhestandsbeamten vor der Vollendung der Regelaltersgrenze geheiratet hat. Bei dem Unterhaltsbeitrag für die nachgeheiratete Witwe handelt es sich nicht um eine Sozialleistung sondern um eine von dem Dienstherrn des verstorbenen Beamten aufgrund seiner nachwirkenden Fürsorge gewährte Leistung. Nicht nur das Witwengeld sondern auch der Unterhaltsbeitrag finden ihre Grundlage im Beamtenverhältnis des verstorbenen Beamten und müssen daher immer im Zusammenhang mit seiner Dienstleistung und Dienstverpflichtung gesehen werden. Die Regelung soll den Beamten von der Sorge um das wirtschaftliche Wohl seiner Angehörigen für die Zeit nach seinem Tode freistellen und so die von ihm geforderte gewissenhafte Hingabe im Dienst und eine loyale Pflichterfüllung sichern. Der Unterhaltsbeitrag dient dabei dem Ausgleich von Härten und hat lediglich eine Auffüllfunktion, so dass er versagt werden kann, wenn und soweit der Lebensunterhalt anderweitig gesichert ist.
48Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1984 - 6 C 148/81 -, juris Rn. 19.
49Der Unterhaltsbeitrag steht der nachgeheirateten Witwe nicht in jedem Fall und nicht uneingeschränkt zu. Zum einen sind Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen in angemessenem Umfang anzurechnen, zum anderen ist bei Vorliegen besonderer Umstände der Unterhaltsbeitrag voll oder teilweise zu versagen. Ob besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen, ist nach dem Sinn der Vorschrift zu ermitteln. Diese soll dem Dienstherrn die Versorgung der "nachgeheirateten" Witwe völlig oder teilweise ersparen, soweit ihm diese Versorgung nicht zuzumuten oder soweit sie aus fürsorgerischen Gründen nicht geboten ist. Bei der Frage, ob besondere Umstände die volle Versagung des Unterhaltsbeitrages rechtfertigen, handelt es sich um eine die Voraussetzungen des Anspruchs betreffende Rechtsfrage. Bei Vorliegen besonderer Umstände wird es nicht in das Ermessen der Beklagten gestellt, ob und in welcher Höhe sie einen Unterhaltsbeitrag gewährt, sondern der Anspruch der Witwe besteht nur, sofern die Umstände des Falles nicht die volle oder teilweise Versagung rechtfertigen. Das Beamtenversorgungsrecht ist, jedenfalls soweit es um die grundsätzliche Zuerkennung des Anspruchs geht, weitgehend strenges Recht.
50Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Oktober 1993 - 12 A 269/92 -, juris Rn. 29 und Beschluss vom 29. Juli 2010 - 1 A 1871/08 -, juris.
51Hiervon ausgehend hat die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung eines Unterhaltsbeitrages.
52Ob im vorliegenden Fall die Annahme der Beklagten, dass der Unterhaltsbeitrag wegen des Bestehens einer Versorgerehe ausgeschlossen sei, gerechtfertigt ist, kann im Ergebnis offen bleiben. Tatsächlich spricht viel dafür, dass die Versorgung der Klägerin (insbesondere nach ihrem eigenen Vortrag) nicht das entscheidende Motiv der Eheschließung war. Es liegen gleichwohl besondere Umstände vor, die eine volle Versagung rechtfertigen. Besondere Umstände im Sinne des Gesetzes sind der Altersunterschied, die - zu erwartende - kurze Dauer der Ehe und die zum Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen und der zuvor geführten Beziehung bestehende finanzielle Unabhängigkeit der Klägerin. Diese Umstände rechtfertigen jedenfalls in einer Gesamtschau die volle Versagung des Unterhaltsbeitrages. Wie bereits ausgeführt, liegt der Sinn der Vorschrift darin, dem Dienstherrn die Versorgung der nachgeheirateten Witwe völlig oder teilweise zu ersparen, soweit ihm diese Versorgung nicht zuzumuten oder soweit sie aus fürsorgerischen Gründen nicht geboten ist. Regelmäßig muss der Dienstherr mit der Entstehung hoher neuer Versorgungsansprüche nach Eintritt des Beamten in den Ruhestand (hier nach 28 Jahren) und Vollendung des Regeleintrittsalters (her nach ca. 5 Jahren und 7 Monaten) nicht mehr rechnen, insbesondere nicht mit Versorgungsansprüchen, die wegen des verhältnismäßig niedrigen Lebensalters der nachgeheirateten Ehefrau voraussichtlich lange Jahre bestehen. Denn 28 Jahre nach Eintritt in den Ruhestand kann eine gewissenhafte Hingabe im Dienst und eine loyale Pflichterfüllung offensichtlich nicht erreicht werden. Fürsorgerische Gründe rechtfertigen keine andere Entscheidung. Der verstorbene Ruhestandsbeamte brauchte sich zum Zeitpunkt seines Todes um die Versorgung der 17 Jahre jüngeren und zu seinem Tod gesunden und arbeitsfähigen Klägerin, die nach eigenen Angaben berufstätig war, ihn teilweise mitfinanzierte und auch die Finanzierung der gemeinsam gekauften Wohnung übernahm, keine Sorgen zu machen, da sie durch ihre eigene Berufstätigkeit abgesichert war. Eine unzumutbare Belastung für die Klägerin durch die Versagung des Unterhaltsbeitrages ist nicht ersichtlich. Sie hat zwar den Verstorbenen, soweit nicht die Beklagte die Pflege durch die Gewährung der Beihilfeleistungen gesichert hat, betreut und versorgt und sich im Jahr 2014 unentgeltlich freistellen lassen. Soweit diese persönliche Leistung überhaupt materiell bewertet werden kann, trägt dem bereits die Erbeinsetzung mit dem notariellen Vertrag aus dem Jahr 2018 Rechnung; der Verstorbene war Eigentümer mehrerer Grundstücke. Im Übrigen hat sich an der wirtschaftlichen Lage der Klägerin durch die kurze Ehedauer nichts geändert. Sie und der Verstorbene hatten zu dem Zeitpunkt bereits längere Zeit zusammengelebt. Die Klägerin war berufstätig und übernahm nach eigenen Angaben teilweise die Kosten der gemeinsamen Lebensführung. Dass die Klägerin nach dem Tod des Klägers (ab Dezember 2019) im Alter von 54 Jahren erkrankte und deswegen ihren Beruf nicht mehr ausübte, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko. Auf Grund ihrer bis dahin erfolgten Berufstätigkeit hat sie zumindest einen eigenen Rentenanspruch erworben und die Möglichkeit gehabt, sich durch den Abschluss von Versicherungen abzusichern. Nach ihrem wiederholten Vortrag war sie zu keiner Zeit auf eine finanzielle Versorgung angewiesen. Ihre finanzielle Absicherung sei kein Motiv für die Eheschließung gewesen. Hinzukommt, dass die kurze Ehedauer (auch bei realer Hoffnungen) zu erwarten war. Am XX. Juni 2019 und mithin vor der Eheschließung wurde nach einjähriger Therapie ein Progress des Lymphoms festgestellt, es erfolgte der Abbruch der bisherigen Therapie und zum 23. Juli 2019 begann eine sogenannte Salvage-Therapie. In der Onkologie werden Therapien als Salvage-Therapie bezeichnet, wenn die Standardtherapie nicht mehr oder kaum anschlägt und/oder es wegen der Toxizität kaum noch Behandlungsoptionen gibt,
53vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Salvage-Therapie.
54Den ärztlichen Berichten ist eindeutig zu entnehmen, dass die Krebserkrankung fortschritt und beim Lymphom des Verstorbenen eine signifikant schlechtere Prognose vorlag. Daher sei erst eine Salvage-Therapie und nach Scheitern dieser eine individuelle Heilungstherapien eingeschlagen worden. Dem Verstorbenen war zum Zeitpunkt der Eheschließung seine lebensbedrohliche Situation bekannt, auch wenn er eine Hoffnung auf eine Besserung in Form der mittelfristigen Kontrolle der Krebserkrankung hatte, so waren die Gefahren seiner Erkrankung und der Therapie ihm bekannt. Die begrenzten (auch wenn realistischen) Erfolgschancen und die mit der Therapie verbundenen Risiken waren – bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung – auch der Klägerin bekannt. Hieran ändert das Einleiten und die Finanzierung dieser Behandlungen nichts.
55Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Mangels positiver Kostengrundentscheidung bedarf es keines Ausspruchs über die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
56Rechtsmittelbelehrung
57Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Aachen schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
58Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
59Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
60Dr. Jung
61Beschluss
62Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 47 Abs. 1, 3, 51 Abs. 1 und 3 GKG auf die Wertstufe
63bis 13.000,- Euro
64festgesetzt und entspricht dem Jahresbetrag des Witwengeldes bzw. Unterhaltsbeitrages.
65Rechtsmittelbelehrung
66Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Aachen schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.
67Dr. Jung