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Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C. B. aus D. wird abgelehnt.
G r ü n d e
2Der Vorsitzende entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten als Berichterstatter (vgl. § 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
3Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. § 166 VwGO i. V. m. § 114 ff. ZPO).
4Die Klage ist bereits unzulässig.
5Die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO war im Zeitpunkt der Klageerhebung am 21. Februar 2025 bereits abgelaufen. Angefochten ist der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung Detmold vom 3. Januar 2025. Ausweislich des Akteninhalts ist dieser – mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene (vgl. § 58 Abs. 1 VwGO) – Bescheid den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. Januar 2025 zugestellt worden (vgl. die Zustellungsurkunde vom 7. Januar 2025, Bl. 90 f. des Verwaltungsvorgangs). Die Klagefrist lief damit am 7. Februar 2025, einem Freitag, ab (vgl. § 57 VwGO i. V. m. §§ 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 2 BGB). Der angefochtene Bescheid ist daher bestandskräftig geworden.
6Der Klägerin ist auch nicht gemäß § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist zu gewähren. Nach dieser Vorschrift ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
7Die Klägerin hat jedoch nicht glaubhaft dargelegt, dass sie ohne Verschulden verhindert war, die Klagefrist einzuhalten. Die Versäumung der Frist beruhte zwar nicht auf ihrem eigenen Verschulden, aber auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten, welches sie sich zurechnen lassen muss.
81. Ein Verschulden im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO ist anzunehmen, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Das Verschulden eines Bevollmächtigten, insbesondere eines bevollmächtigten Rechtsanwalts, steht dabei gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden des am Prozess Beteiligten gleich, gilt also als Verschulden des Vertretenen. Dagegen ist das Verschulden einer Hilfsperson des Prozessbevollmächtigten, insbesondere von Büropersonal eines Rechtsanwalts, dem Beteiligten nicht zuzurechnen. Allerdings können Fehler von Hilfspersonen auf Umständen beruhen, die der Verantwortungssphäre des Prozessbevollmächtigten zuzurechnen sind, so dass diesen ggf. unter dem Gesichtspunkt des sog. „Organisationsverschuldens“ ein eigenes Verschulden bezüglich eines Fristversäumnisses treffen kann.
9Vgl. zu diesen Grundsätzen u. a. BVerwG, Urteil vom 8. Mai 1991 ‑ 3 C 68.89 -, juris, Rn. 12, und Beschluss vom 26. Januar 2021 - 2 B 59.20 - juris, Rn. 3, jeweils m. w. N.; OVG Sachs.-Anh., Beschlüsse vom 25. Juli 2022 - 3 L 66/21 -, juris, Rn. 23, und vom 22. Juli 2019 - 3 L 51/19 -, juris, Rn. 9, jeweils m. w. N.; Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 46. EL August 2024, § 60 VwGO Rn. 41 ff.; Peters, in: BeckOK VwGO, Posser/Wolff/Decker, 72. Edition, Stand: 01.01.2025, § 60 Rn. 17 ff.
10Dabei ist allgemein anerkannt, dass sich ein Rechtsanwalt bei der Wahrnehmung prozessualer Fristen und seiner sonstigen verfahrensrechtlichen Aufgaben grundsätzlich der Hilfe von Büroangestellten bedienen darf, dass ihn allerdings ein eigenes Verschulden trifft, wenn er es bei der Organisation des Bürobetriebs und bei der Auswahl und Überwachung der mit diesen Aufgaben betreuten Angestellten an der notwendigen Sorgfalt hat fehlen lassen. Für ein Versehen eines bisher zuverlässigen Büroangestellten im Rahmen eines ordnungsgemäß organisierten Bürobetriebes muss der Rechtsanwalt danach grundsätzlich nicht einstehen.
11Vgl. etwa VGH Bad.‑Württ., Beschluss vom 12. Juni 2007 ‑ A 9 S 315/07 -, juris, Rn. 4 f.; Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 46. EL August 2024, § 60 VwGO Rn. 41 ff.; Peters, in: BeckOK VwGO, Posser/Wolff/Decker, 72. Edition, Stand: 01.01.2025, § 60 Rn. 18 ff., jeweils m. w. N.
12Der eine Wiedereinsetzung beantragende Beteiligte muss schließlich die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Erforderlich ist eine rechtzeitige, substantiierte und schlüssige Darstellung der für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen. Die „Beweislast“ für die Umstände, die dafür sprechen, dass die Fristversäumnis unverschuldet war, liegt bei dem Betroffenen, der die Wiedereinsetzung begehrt. Gelingt die Glaubhaftmachung nicht oder bleibt nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten oder dem Prozessbevollmächtigten verschuldet war, so kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden.
13Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. September 2023 - 1 C 10.23 -, juris, Rn. 12, und vom 23. Februar 2021 - 2 C 11.19 -, juris, Rn. 7; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 21. November 2024 - 9 S 1510/23 -, juris, Rn. 8, und vom 14. Dezember 2023 - 1 S 1173/23 -, juris, Rn. 19; Czybulka/Kluckert, in: Sodann/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 60 Rn. 49.
142. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist vorliegend ein fehlendes Verschulden nicht glaubhaft gemacht.
15Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben insoweit zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ausgeführt:
16„ Gemäß des Qualitätsmanagementsystems (QMS) ist es in der Kanzlei derart geregelt, dass die Büroangestellten, die dem jeweiligen Rechtsanwalt zugeordnet sind, die Frist im Fristenkalender notieren, und zwar mit Vorfristen und Notfristen sowie Fristablauf. Die Überwachung dieser Fristen ist im Büro der Unterzeichnenden so organisiert, dass der zuständige Anwalt letztmalig am Tag des Fristablaufs eine Vorlage der Sache erhält. Dies mit dem Vermerk: Fristablauf heute.
17An dem Tag des Fristablaufs im vorliegenden Fall war die Rechtsanwaltsfachangestellte (Frau A.) alleinige Sachbearbeiterin von Frau Rechtsanwältin B. erkrankt, so dass dies nicht erfolgt ist. Eine Vorlage erfolgte nicht, so dass an dem Tag des Fristablaufs die Unterzeichnende nicht hieran erinnert wurde. Erst im Nachgang fiel der Fristablauf auf.
18Bei der Angestellten, Frau A., handelt es sich um eine geschulte und zuverlässige Bürokraft, die, wie regelmäßige Kontrollen der Unterzeichnenden ergeben haben, den Kalender sorgfältig und fehlerfrei führt.“
19Hieraus ergibt sich zwar kein Verschulden der Rechtsanwaltsfachangestellten A. Denn dass diese infolge Krankheit am Tag des Fristablaufs nicht arbeitsfähig war, ist durch die Abgabe entsprechender eidesstattlicher bzw. anwaltlicher Versicherungen hinreichend glaubhaft gemacht worden. Daher war sie selbstverständlich krankheitsbedingt auch daran gehindert, den Fristablauf zu kontrollieren und die sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte der Klägerin an diesen rechtzeitig zu erinnern.
20Aus der dargelegten Büroorganisation ergibt sich aber ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten, das der Klägerin im Ergebnis zuzurechnen ist. Denn es fehlt offenbar an einer (Vertretungs-)Regelung für den Krankheits- oder sonstigen Vertretungsfall (Urlaub u. Ä.) der für die Fristenkontrolle zuständigen Büroangestellten, die sicherstellt, dass der Fristablauf auch im Vertretungsfall zuverlässig kontrolliert wird. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin trifft die Obliegenheit, durch zweckmäßige organisatorische Vorkehrungen wie insbesondere eine taugliche Vertretungsregelung das Erforderliche zur Verhinderung von Fristversäumnissen zu veranlassen.
21Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. Oktober 2023 - 4 A 10.21 - und - 4 A 11.21 -, jeweils juris, Rn. 3; OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 29. Mai 2017 - 1 L 224/16 -, juris, Rn. 9 (jeweils zur Erkrankung eines Prozessvertreters).
22Hieran fehlt es jedoch vorliegend. Mangels Vertretungsregelung liegt angesichts der konkreten Büroorganisation, letztmalig am Tag des Fristablaufs der zuständigen Rechtsanwältin die Sache mit einem Hinweis auf den Fristablauf vorzulegen, auf der Hand, dass an Krankheits- oder sonstigen Abwesenheitstagen der Büroangestellten auf Fristabläufe an diesen Tagen nicht rechtzeitig hingewiesen werden kann. Das zeigt gerade der vorliegende Fall. Diese Folge steht aber im Widerspruch zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Einhaltung von Fristen. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierbei hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen.
23Vgl. nur OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 25. Juli 2022 - 3 L 66/21 -, juris, Rn. 23.
24Dem wird die Büroorganisation der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorliegend nicht gerecht. Dieses Verschulden ist der Klägerin zuzurechnen. Eine Wiedereinsetzung kommt daher nicht in Betracht.