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Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28. Oktober 2024 wird aufgehoben.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte.
VERWALTUNGSGERICHT Aachen
3Im Namen des Volkes
4Urteil
510 K 2864/24.A
6In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
7des Herrn
8Klägers,
9Prozessbevollmächtigter:
10gegen
11die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat, dieses vertreten durch den Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Außenstelle Düsseldorf, Erkrather Straße 345-349, 40231 Düsseldorf, Gz.:
12Beklagte,
13wegen Asylrechts (Syrien) - Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und Abschiebungsandrohung nach Griechenland
14hat
15die 10. Kammer des
16Verwaltungsgerichts Aachen
17im schriftlichen Verfahren
18am 15. Januar 2025
19durch
20für R e c h t erkannt:
21Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28. Oktober 2024 wird aufgehoben.
22Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte.
23Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
24T a t b e s t a n d
25Der am N01 in Aleppo/Syrien geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und islamischen Glaubens. Er reiste eigenen Angaben zufolge im August/September 2024 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 17. September 2024 einen Asylantrag bei der Beklagten. Nach den Erkenntnissen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) wurde dem Kläger in Griechenland am 14. Juni 2024 internationaler Schutz gewährt.
26Im Rahmen seiner persönlichen Anhörungen beim Bundesamt am 17. und 19. März 2024 gab der Kläger unter anderem an, er habe in seinem Heimatland die Schule bis zur vierten Klasse besucht und danach als Schumacher gearbeitet. Er sei ledig und habe keine Kinder. Sein Heimatland habe er im September 2023 verlassen und sich ab Dezember 2023 in Griechenland aufgehalten. Dort habe er im Januar 2024 unter Zwang Fingerabdrücke abgeben und einen Asylantrag stellen müssen. Er habe dort in einem Camp leben müssen. Nachdem ihm Schutz gewährt worden sei, habe er das Camp verlassen müssen und danach auf der Straße gelebt. Er habe keine Arbeit gehabt.
27Mit Bescheid vom 28. Oktober 2024, dem Kläger zugestellt am 1. November 2024, lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2.), und forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Griechenland oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziffer 3. Sätze 1 bis 3). Nach Syrien dürfe der Kläger nicht abgeschoben werden (Ziffer 3. Satz 4). Schließlich wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4.).
28Der Kläger hat am 6. November 2024 Klage erhoben, zu deren Begründung er sich im Wesentlichen darauf beruft, ihm drohe in Griechenland die ernsthafte Gefahr einer erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK.
29Er beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
30den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28. Oktober 2024 aufzuheben,
31hilfsweise,
32die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28. Oktober 2024 zu verpflichten festzustellen, dass für den Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Griechenlands vorliegen.
33Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
34die Klage abzuweisen.
35Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags bezieht sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids.
36Die Kammer hat einem Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (10 L 945/24.A) mit Beschluss vom 15. November 2024 stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
37Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer erklärt. Sie sind überdies auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Urteil im schriftlichen Verfahren hingewiesen worden.
38Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Bundesamts Bezug genommen.
39E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
40Die Klage, über die der Vorsitzende im Einverständnis der Beteiligten als Berichterstatter anstelle der Kammer ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden kann (vgl. §§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO, 77 Abs. 2 Satz 1 AsylG), hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
41A. Die Klage ist zulässig.
42Sie ist als Anfechtungsklage statthaft. Denn im Fall eines Bescheids, mit dem das Bundesamt einen Asylantrag - wie hier - nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt hat, ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO die statthafte Klageart. Eine gerichtliche Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung hat zur Folge, dass das Bundesamt das Verfahren fortführen und eine Sachentscheidung treffen muss.
43Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. November 2017 - 1 C 39.16 -, juris, Rn. 16, und vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16 -, juris, Rn. 15 ff.
44Hiermit wird dem Rechtsschutzbegehren des Klägers vollumfänglich entsprochen.
45Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage im Übrigen bestehen nicht. Insbesondere wurde die nach § 74 Abs. 1 2. Halbsatz AsylG i. V. m. §§ 36 Abs. 3 Sätze 1 und 10, 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG geltende Wochenfrist gewahrt.
46B. Die Klage ist auch begründet.
47Der Bescheid des Bundesamts vom 28. Oktober 2024 erweist sich im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
48I. Die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1. des angefochtenen Bescheids kann nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützt werden.
49Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat.
50Zwar ergibt sich aus dem in der Bundesamtsakte befindlichen EURODAC-Ergebnis zweifelsfrei, dass dem in Griechenland gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung internationalen Schutzes durch die griechische Asylbehörde am 14. Juni 2024 entsprochen worden ist. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem Vortrag des Klägers und wird von ihm nicht in Abrede gestellt.
51Gleichwohl ist § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vorliegend nicht anzuwenden.
521. Nach der Rechtsprechung des EuGH darf ein Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a) der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (sog. Verfahrensrichtlinie), der durch § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in deutsches Recht umgesetzt worden ist, nicht als unzulässig abgelehnt werden, wenn die international schutzberechtigte antragstellende Person in dem Mitgliedstaat, der ihr diesen Schutz gewährt hat, der ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die sie dort erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. des gleich lautenden Art. 3 EMRK zu erfahren.
53Vgl. insoweit EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 und C-541/17 (Hamed) -, juris, Rn. 43, sowie Urteile vom 19. März 2019 - C-297/17 u. a. (Ibrahim) -, juris, Rn. 83 bis 94, und vom 19. März 2019 - C-163/17 (Jawo) -, juris, Rn. 81 bis 97.
54Nach dieser Rechtsprechung ist ein Verstoß gegen Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK anzunehmen, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre.
55Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 (Jawo) -, juris, Rn. 92, Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 (Hamed) und C-541/17 (Omar) -, juris, Rn. 39.
56Diese hohe Erheblichkeitsschwelle ist selbst in einer durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situation nicht erreicht, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden ist und einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann.
57Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 (Jawo) -, juris, Rn. 93, Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 (Hamed) und C-541/17 (Omar) -, juris, Rn. 39.
58Dass international Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der ihnen diesen Schutz gewährt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, kann nur dann zu der Feststellung führen, dass sie dort tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wären, eine gegen Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung zu erfahren, wenn dieser Umstand zur Folge hat, dass sie sich aufgrund ihrer besonderen Verletzbarkeit unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in der Situation extremer materieller Not befänden. Jedenfalls kann der bloße Umstand, dass in dem Mitgliedstaat, in dem der neue Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist, die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind als in dem bereits internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaat, nicht die Schlussfolgerung stützen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Überstellung in den zuletzt genannten Mitgliedstaat tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung zu erfahren.
59Vgl. EuGH, Urteile vom 19. März 2019 - C-297/17 u. a. (Ibrahim) -, juris, Rn. 93 f., und vom 19. März 2019 - C-163/17 (Jawo) -, juris, Rn. 97.
60Das Fehlen familiärer Solidarität ist keine ausreichende Grundlage für die Feststellung einer Situation extremer materieller Not. Auch Mängel bei der Durchführung von Programmen zur Integration von Schutzberechtigten reichen für einen Verstoß gegen Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK nicht aus.
61Vgl. EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 - C-540 und C-541/17 (Hamed) -, juris, Rn. 39, und Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 (Jawo) -, juris, Rn. 93 f. und 96 f.
62Ein Verstoß liegt ausgehend hiervon erst dann vor, wenn die elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigt werden können, insbesondere eine Unterkunft zu finden, sich zu ernähren und zu waschen („Bett, Brot, Seife“).
63Vgl. etwa OVG NRW, u. a. Beschluss vom 16. Dezember 2019 - 11 A 228/15.A -, juris, Rn. 29 ff., 44 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27. Mai 2019 - A 4 S 1329/19 -, juris, Rn. 5.
64Der Verstoß muss zudem unabhängig vom Willen der betroffenen Person drohen. Er liegt daher nicht vor, wenn die betroffene Person nicht den Versuch unternimmt, sich unter Zuhilfenahme gegebener, wenn auch bescheidener Möglichkeiten und gegebenenfalls unter Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes eine Existenz im Abschiebezielstaat aufzubauen, wobei sich Schutzberechtigte auf den für Staatsangehörige des schutzgewährenden Staats vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen müssen (sog. Grundsatz der Inländergleichbehandlung).
65Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Dezember 2019 - 11 A 228/15.A -, juris, Rn. 47 ff.; Schl.-H. OVG, Urteil vom 6. September 2019 - 4 LB 17/18 -, juris, Rn. 71, 174 f.
662. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Griechenland zur Überzeugung der Kammer die ernsthafte Gefahr einer gegen Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verstoßenden erniedrigenden Behandlung. Die Kammer ist davon überzeugt (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass der Kläger unter Berücksichtigung der Umstände seines persönlichen Einzelfalls mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen bei einer Rückkehr nach Griechenland in eine Situation extremer materieller Not geraten wird und seine elementarsten Bedürfnisse, insbesondere eine menschenwürdige Unterkunft zu finden, für einen längeren Zeitraum nicht wird befriedigen können.
67a. Das OVG NRW hat mit rechtskräftigen Urteilen vom 21. Januar 2021 aufgrund der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse ausgeführt, dass Asylanträge von in Griechenland anerkannten Schutzberechtigten grundsätzlich nicht als unzulässig abgelehnt werden dürfen, weil international Schutzberechtigte nach ihrer Rückkehr nach Griechenland regelmäßig schon keinen Zugang zu einer menschenwürdigen Unterkunft erhalten, sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aus eigenen durch Erwerbstätigkeit zu erzielenden Mitteln mit den für ein Überleben notwendigen Gütern versorgen können, sie keinen Zugang zu staatlichen Sozialleistungen haben, mit deren Hilfe sie dort ihr Existenzminimum sichern können, und auch die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen sie in Griechenland nicht in die Lage versetzen, dort ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen.
68Vgl. grundlegend OVG NRW, Urteile vom 21. Januar 2021 - 11 A 1564/20.A - und - 11 A 2982/20.A -, juris; ebenso OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 23. November 2021 - OVG 3 B 54.19 -, juris; OVG Bremen, Urteil vom 16. November 2021 - 1 LB 371/21 -, juris; Nds. OVG, Urteil vom 19. April 2021 - 10 LB 244/20 -, juris; vgl. zudem bereits VG Aachen, Urteil vom 16. März 2020 - 10 K 157/19.A -, juris.
69An dieser Einschätzung hat das OVG NRW in der Folgezeit festgehalten.
70Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2022 - 11 A 314/22.A -, juris, Rn. 46 ff.; ebenso Saarl. OVG, Urteile vom 15. November 2022 - 2 A 81/22, 2 A 82/22, 2 A 83/22 und 2 A 86/22 -, juris, Rn. 20 ff., 34 ff.; Sächs. OVG, Urteil vom 27. April 2022 - 5 A 492/21.A -, juris, Rn. 42 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. Januar 2022 - A 4 S 2443/21 -, juris, Rn. 22 ff., jeweils m. w. N.
71b. Den dortigen umfassenden Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht weiterhin vollumfänglich an. Aus der aktuellen Erkenntnislage folgt keine Verbesserung der Verhältnisse für nach Griechenland zurückkehrende Personen mit internationalem Schutzstatus.
72Vgl. VG Aachen, Urteile u. a. vom 16. Dezember 2022 - 10 K 2266/21.A -, juris, Rn. 101 ff., und vom 12. Dezember 2024 - 10 K 1614/23.A -, juris, Rn. 39 ff.
73aa. Nach den aktuellen Erkenntnissen besteht für in Griechenland anerkannte Schutzberechtigte allgemein eine ernsthafte Gefahr, dass sie bei einer Rückkehr nach Griechenland keine menschenwürdige Unterkunft erhalten und über einen längeren Zeitraum obdachlos sein werden.
74Aus dem Ausland zurückkehrende international Schutzberechtigte sind weiterhin nach ihrer Ankunft am Flughafen grundsätzlich sich selbst überlassen und für ihre Unterkunft selbst verantwortlich. Eine staatliche Unterstützung in Form einer Zuweisung der Bereitstellung von Wohnraum oder Hilfsangeboten bei der privaten Anmietung von Wohnraum gibt es in Griechenland nicht.
75Vgl. Asylum Information Database (AIDA) Country Report Greece, Update 2023, S. 272; Refugee Support Aegean (RSA) Report „Beneficiaries of international protection in Greece - Access to documents and socio-economic rights“, März 2024, S. 4; Stiftung Pro Asyl / RSA, Zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, Stellungnahme vom April 2021, S. 5; OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2022 - 11 A 314/22.A -, juris, Rn. 48 f.; Saarl. OVG, Urteil vom 15. November 2022 - 2 A 82/22 -, juris, Rn. 22; Sächs. OVG, Urteil vom 27. April 2022 - 5 A 492/21 A -, juris, Rn. 45 f.; VG Aachen, Urteile vom 6. Mai 2020 - 10 K 1722/18.A -, juris, Rn. 64, und vom 12. Dezember 2024 - 10 K 1614/23.A -, juris, Rn. 41.
76Zurückgeführte international Schutzberechtigte können regelmäßig nicht in den Flüchtlingseinrichtungen unterkommen, da diese im Grundsatz ausschließlich Asylsuchenden zur Verfügung stehen. Vielmehr werden die Asylsuchenden nach Schutzzuerkennung weiterhin aufgefordert, ihre Unterkunft spätestens nach 30 Tagen zu verlassen.
77Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformation der Staatendokumentation, Griechenland (Version 7), Datum der Veröffentlichung: 13. Juni 2024, S. 26; Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Griechenland als „sicherer Drittstaat“, vom 11. August 2023, S. 7; Schweizerische Eidgenossenschaft, Staatssekretariat für Migration (SEM), Notiz Griechenland: „Unterbringungsmöglichkeiten für Personen mit internationalem Schutzstatus“, vom 24. Oktober 2022, S. 5; AIDA Country Report Greece, Update 2023, S. 26; OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2022 - 11 A 314/22.A -, juris, Rn. 53; Saarl. OVG, Urteil vom 15. November 2022 - 2 A 81/22 -, juris, Rn. 23.
78Eine Ausnahme kann insofern gelten, wenn die griechischen Behörden im Einzelfall eine explizite Unterbringungszusage für die zurückkehrende schutzberechtigte Person gemacht haben. In diesem Fall wurden zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte in der Vergangenheit im Flüchtlingslager Eleonas in Athen untergebracht.
79Vgl. Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an das Verwaltungsgericht Leipzig vom 28. Januar 2020 („Situation von zurückkehrenden anerkannten Schutzberechtigten nach Griechenland“), S. 1 f., Sächs. OVG, Urteil vom 27. April 2022 - 5 A 492/21.A -, juris, Rn. 48.
80Im Fall des Klägers wurde eine solche Unterbringungszusage nicht erteilt. Dem in dem streitgegenständlichen Bescheid genannten Schreiben des griechischen Ministeriums für Migrationspolitik vom 8. Januar 2018 kann eine entsprechende Unterbringungszusage nicht entnommen werden. Dieses Schreiben informiert lediglich darüber, dass die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Anerkennungsrichtlinie) rechtzeitig im Jahr 2013 umgesetzt worden sei und international Schutzberechtigten alle Rechte gewährt würden, die in der Richtlinie festgelegt seien.
81Vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2020 - 11 A 2480/21.A -, juris, Rn. 30; Sächs. OVG, Urteil vom 27. April 2022 - 5 A 492/21.A -, juris, Rn. 49; Nds. OVG, Beschluss vom 10. Juni 2020 - 10 LA 111/20 -, juris, Rn. 15; Bay. VGH, Beschluss vom 25. Juni 2019 - 20 ZB 19.31553 -, juris, Rn. 33; VG Aachen, Urteile vom 6. Mai 2020 - 10 K 1722/18.A -, juris, Rn. 179 ff., und vom 12. Dezember 2024 - 10 K 1614/23.A -, juris, Rn. 47.
82Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass den aus dem Ausland zurückkehrenden anerkannten Schutzberechtigten in naher Zukunft - etwa wegen freigewordener Plätze - ein Verbleiben in den Flüchtlingsunterkünften ermöglicht werden könnte. Zwar ist die Zahl der neuankommenden Asylsuchenden im Zusammenhang mit den Restriktionen der Corona-Pandemie nach 2019 zunächst stark zurückgegangen und ließ die griechische Regierung das Hilfsprogramm „ESTIA“ (Emergency Support To Integration and Accomodation) für die Unterbringung von Asylsuchenden Ende 2022 auslaufen, u. a. mit der Begründung, es gebe genug freie Plätze in den Flüchtlingsunterkünften.
83Vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Griechenland (Version 7), Datum der Veröffentlichung: 13. Juni 2024, S. 27; Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums ankerkannte Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 1; Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), „Geflüchtete verlieren in Griechenland ihre Wohnungen“, vom 4. Januar 2023, im Internet aufrufbar unter https://www.rnd.de/ politik/griechenland-fluechtlinge-verlieren-ihre-wohnungen-W34VTQFGFZALBOVJIV6PPSFTEM.html, zuletzt aufgerufen am 15. Januar 2025.
84Nach dem Ende der Corona-Pandemie ist jedoch die Zahl der neuankommenden Asylsuchenden seit dem Jahr 2022 wieder erheblich angestiegen (Gesamtankünfte im Jahr 2022: 18.780, im Jahr 2023: 48.721 und im Jahr 2024: 62.022).
85Vgl. die Zahlen des UNHCR, im Internet aufrufbar unter https://data2.unhcr.org/en/situations/mediterranea n/location/5179, zuletzt aufgerufen am 15. Januar 2025; SFH, Factsheet Griechenland - Update 2023, Stand: 11. August 2023, S. 1; vgl. auch das Interview mit dem griechischen Asylminister Karidis vom 21. September 2023 in den ZDF-Nachrichten, im Internet aufrufbar unter https://www.zdf.de/nachrichten /politik/griechenland-flucht-migration-100.html, zuletzt aufgerufen am 15. Januar 2025; RND, „Griechenland fürchtet deutlich mehr Flüchtlinge aus der Türkei“, vom 26. September 2023, im Internet aufrufbar unter https://www.rnd.de/politik/griechenland-fuerchtet-deut lich-mehr-fluechtlinge-aus-der-tuerkei-4TESJ4LR3BF 5BA5DOIKNOSUALI.html, zuletzt aufgerufen am 15. Januar 2025.
86Insoweit berichtet auch die deutsche Botschaft in Athen, dass sich trotz der seit März 2020 deutlich verringerten Zahl der Flüchtlinge die Situation der international Schutzberechtigten seit 2015 nicht wesentlich verbessert hat.
87Vgl. Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 1.
88Zurückkehrende international Schutzberechtigte müssen demnach versuchen, auf dem freien Wohnungsmarkt eigenständig Wohnraum zu finden.
89Die private Anmietung von Wohnraum ist für international Schutzberechtigte dabei, insbesondere wenn diese nach einem längeren Aufenthalt im Ausland nach Griechenland zurückkehren, schwierig. International Schutzberechtigte können aufgrund des Mangels an erschwinglichen Immobilien und der hohen Wohnraumnachfrage besonders in der Region Attika um Athen - Abschiebungen bzw. Überstellungen nach Griechenland erfolgen in aller Regel nach Athen, und die nach Griechenland zurückkehrenden international Schutzberechtigten finden sich hauptsächlich in Athen oder in der Region Attika um Athen wieder - häufig keine Mietwohnungen finden. Die Mietpreise im Zentrum Athens sind in den vergangenen Jahren um 20 bis 30 % gestiegen, in den Vororten von Attika um 10 bis 15 %.
90Vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Griechenland (Version 7), Datum der Veröffentlichung: 13. Juni 2024, S. 26; Stiftung Pro Asyl / RSA, Zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, Stellungnahme, April 2021, S. 9; Saarl. OVG, Urteil vom 15. November 2022 - 2 A 82/22 -, juris, Rn. 25.
91Und selbst wenn sie eine erschwingliche freistehende Wohnung finden, wird das Anmieten der Wohnung durch Sprachbarrieren und das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte und Studierende und gelegentlich zusätzlich durch Vorurteile erschwert.
92Vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Griechenland (Version 7), Datum der Veröffentlichung: 13. Juni 2024, S. 26; Stiftung Pro Asyl / RSA, Zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, Stellungnahme, April 2021, S. 9; Saarl. OVG, Urteil vom 15. November 2022 - 2 A 82/22 -, juris, Rn. 25.
93Vermietungen werden in der Praxis zudem regelmäßig nur an Personen vorgenommen, die eine feste Anstellung haben.
94Vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Griechenland (Version 7), Datum der Veröffentlichung: 13. Juni 2024, S. 26.
95Zurückgeführte international Schutzberechtigte können in der Regel auch nicht über (staatliche) Unterkunftsprogramme eine Unterkunft erhalten.
96Sie haben regelmäßig keinen Zugang zu dem vom Ministerium für Migration und Asyl finanzierten und von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) betriebenen Unterstützungsprogramm „Hellenic Integration Support for Beneficiaries of International Protection“ (HELIOS II), dessen Zielgruppe international Schutzberechtigte mit einer Anerkennung ab dem 1. Januar 2018 sind und dessen Laufzeit zuletzt bis zum 30. November 2024 verlängert wurde, wobei neue Anträge nur bis zum 31. August 2024 eingereicht werden konnten.
97Vgl. hierzu die Internetseite von IOM, „HELIOS Project Extension“, im Internet aufrufbar unter https://greece.iom.int/hellenic-integration-support-beneficiaries-international-protection-and-temporary-protection-helios, zuletzt aufgerufen am 15. Januar 2025.
98Das HELIOS II-Programm beinhaltete neben Integrationskursen und einzelnen Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration auch Unterstützung bei der Anmietung von Wohnraum durch Einzelberatungen oder Dolmetscherdienste und Mietzuschüsse. Für die Fördermaßnahmen konnten sich grundsätzlich nur Personen bewerben, die zum Zeitpunkt der Zustellung ihres Anerkennungsbescheides offiziell in einer Unterkunft des griechischen Empfangssystems oder in Unterkünften von Schutzprogrammen von Behörden oder Nichtregierungsorganisationen für vulnerable Personen wohnten.
99Vgl. HELIOS, „Project Regulations Handbook“, Januar 2022, S. 3 ff., im Internet aufrufbar unter https://greece.iom.int/sites/g/files/tmzbdl1086/files/do cuments/project-regulations-handbook_english_feb 22.pdf, zuletzt aufgerufen am 15. Januar 2025; SFH, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, vom 11. August 2023, S. 8; SEM, Notiz Griechenland: „Unterbringungsmöglichkeiten für Personen mit internationalem Schutzstatus“, vom 24. Oktober 2022, S. 9.
100Die Anmeldung für das HELIOS II-Programm musste nach den vorliegenden Erkenntnissen ferner innerhalb eines Jahres nach Zustellung des Anerkennungsbescheids erfolgen, sodass zurückgeführte anerkannte Schutzberechtigte in aller Regel vom HELIOS II-Programm ausgeschlossen waren, weil ihre Rückkehr aus dem Ausland in der Regel nicht innerhalb eines Jahres nach Zustellung des griechischen Anerkennungsbescheids erfolgte.
101Vgl. HELIOS, „Project Regulations Handbook“, Januar 2022, S. 3, im Internet aufrufbar unter https://greece.iom.int/sites/g/files/tmzbdl1086/files/documents/ project-regulations-handbook_english_feb22.pdf, zuletzt aufgerufen am 15. Januar 2025; SFH, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, vom 11. August 2023, S. 8; Stiftung Pro Asyl / RSA, Zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, Stellungnahme, April 2021, S. 8; Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 2, 5; BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Griechenland (Version 5), Datum der Veröffentlichung: 16. Januar 2023, S. 24; SEM, Notiz Griechenland – „Unterbringungsmöglichkeiten für Personen mit internationalem Schutzstatus“, vom 24. Oktober 2022, S. 5 f., 9; Saarl. OVG, Urteil vom 15. November 2022 - 2 A 81/22 -, juris, Rn. 24.
102Darüber hinaus wurden Mietzuschüsse erst ausgezahlt, wenn bereits ein abgeschlossener Mietvertrag vorlag, was in der Regel voraussetzte, dass die Betroffenen in der Lage waren, ein bis zwei Monatsmieten im Voraus zu entrichten. Mangelnde finanzielle Ressourcen und die strengen Voraussetzungen für eine Teilnahme am HELIOS II-Programm erschwerten den Zugang vieler international Schutzberechtigter.
103Vgl. AIDA Country Report Greece, Update 2023, S. 271.
104Das - zumal vorwiegend an Asylsuchende gerichtete - Unterkunftsprogramm ESTIA II wurde - wie bereits oben ausgeführt - am 31. Dezember 2022 eingestellt. Ein im September 2020 gestartetes Pilotprojekt der IOM namens „FILOXENIA-INTEGRATION“ lief im Februar 2021 aus. Das ebenfalls von IOM betriebene Projekt „Harmonizing Protection Practices in Greece“ (HARP) lief Ende Dezember 2022 aus.
105Vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Griechenland (Version 7), Datum der Veröffentlichung: 13. Juni 2024, S. 28.
106Soweit international Schutzberechtigte einen Platz in einer Unterbringungseinrichtung für Obdachlose beantragen können, sind diese nur begrenzt vorhanden und es gilt als äußerst schwierig, dort unterzukommen, da die Einrichtungen chronisch überfüllt sind und Wartelisten führen.
107Vgl. AIDA Country Report Greece, Update 2023, S. 271; SFH, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, vom 11. August 2023, S. 7; Stiftung Pro Asyl / RSA, Zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, Stellungnahme, April 2021, S. 10; BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Griechenland (Version 7), Datum der Veröffentlichung: 13. Juni 2024, S. 27; OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2022 - 11 A 314/22.A -, juris, Rn. 61.
108Die bestehende Notfallunterstützung erreicht zudem vor allem griechische Staatsangehörige, während Migrantinnen und Migranten nur unzureichende Unterstützung erhalten.
109Vgl. Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 9.
110Der Zugang zu den Obdachlosenunterkünften ist häufig durch eine Reihe von Kriterien eingeschränkt. So nehmen die meisten Unterkünfte aufgrund eines Mangels an Dolmetscherinnen und Dolmetschern nur griechisch- oder englischsprachige Personen auf. Die staatlichen Unterkünfte verlangen zudem die Vorlage weiterer Unterlagen (z. B. einer Steueridentifikationsnummer - AFM - oder einer Sozialversicherungsnummer - AMKA -), eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung sowie medizinische Gutachten.
111Vgl. AIDA Country Report Greece, Update 2023, S. 271; RSA, Report „Beneficiaries of international protection in Greece - Access to documents and socio-economic rights“, März 2023, S. 25; Stiftung Pro Asyl / RSA, Zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, Stellungnahme, April 2021, S. 11; Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 10; OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2022 - 11 A 314/22.A -, juris, Rn. 63.
112Die Ausstellung dieser Unterlagen - wie z. B. der AFM - ist in der Praxis für zurückkehrende anerkannte Schutzberechtige, vor allem dann, wenn diese über keine gültige Aufenthaltserlaubnis (ADET) verfügen, mit erheblichen Verzögerungen und Schwierigkeiten verbunden.
113Vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Griechenland (Version 7), Datum der Veröffentlichung: 13. Juni 2024, S. 25; RSA, Report „Beneficiaries of international protection in Greece - Access to documents and socio-economic rights“, März 2024, S. 5 ff., 16 ff.
114Die Hilfsangebote von Nichtregierungsorganisationen, die ihre Hilfe nicht eingestellt haben,
115vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2022 - 11 A 314/22.A -, juris, Rn. 67,
116wie u. a. der Organisation Médicins du Monde, der Afghan Migrants & Refugees Community, des National Centre for Social Solidarity (EKKA) oder der Organisation Safe Place International,
117vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Griechenland (Version 7), Datum der Veröffentlichung: 13. Juni 2024, S. 29,
118reichen insgesamt nicht aus, die hohe Nachfrage nach Wohnraum abzudecken.
119Vgl. SFH, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, vom 11. August 2023, S. 8.
120Auf Grund der vorliegenden Erkenntnisse ist das Gericht weiterhin davon überzeugt, dass in Griechenland zahlreiche international Schutzberechtigte entweder obdachlos sind oder in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen zur Untermiete leben.
121Vgl. dazu eingehend bereits: OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2022 - 11 A 314/22.A -, juris, Rn. 69 ff., m. w. N.; VG Aachen, Urteile vom 6. Mai 2020 - 10 K 1722/18.A -, juris, Rn. 110 ff., vom 16. Dezember 2022 - 10 K 2266/21.A -, juris, Rn. 103, und vom 12. Dezember 2024 - 10 K 1614/23.A -, juris, Rn. 87.
122Soweit die deutsche Botschaft in Athen darauf hinweist, dass zuverlässige Daten zur Obdachlosigkeit in Griechenland nicht vorhanden seien, Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen jedoch „kein augenscheinliches Massenphänomen“ darstelle,
123vgl. Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 9,
124ergibt sich hieraus nichts Abweichendes. Diese Angabe bezieht sich zunächst allein auf die Situation in der Hauptstadt Athen, wobei es schon schwierig sein dürfte, die Situation der Obdachlosigkeit in einer Großstadt verlässlich aufgrund persönlicher Beobachtungen einzuschätzen.
125Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2022 - 11 A 314/22.A -, juris, Rn. 85 ff.
126Dass Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen in Athen kein augenscheinliches Massenphänomen darstellt, mag nach der Erkenntnislage (auch) auf die Bildung von eigenen Strukturen und Vernetzungen innerhalb der jeweiligen Nationalitäten zurückzuführen sein, über die auf „informelle Möglichkeiten“ der Unterkunft - etwa in verlassenen bzw. besetzten Gebäuden - zurückgegriffen werden kann.
127Vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Griechenland (Version 7), Datum der Veröffentlichung: 13. Juni 2024, S. 27; vgl. dazu bereits VG Aachen, Urteile vom 13. Juli 2020 - 10 K 870/20.A -, juris, Rn. 116 ff., und vom 6. Mai 2020 - 10 K 1722/18.A -, juris, Rn. 116 ff., jeweils m. w. N.
128Auf derartige „informelle Möglichkeiten“ der Unterkunft können rückgeführte Schutzberechtigte nicht verwiesen werden, denn der Aufenthalt in solchen Gebäuden wäre zum einen illegal und zum anderen wegen der dort zumeist herrschenden menschenunwürdigen Zustände unzumutbar.
129Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2022 - 11 A 314/22.A -, juris, Rn. 88; VG Köln, Beschluss vom 1. Oktober 2024 - 18 L 1669/24.A -, unveröffentlicht; vgl. dazu bereits VG Aachen, Urteile vom 13. Juli 2020 - 10 K 870/20.A, juris, Rn. 118 ff., und vom 6. Mai 2020 - 10 K 1722/18.A -, juris, Rn. 118 ff., jeweils m. w. N.
130Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass aus dem Ausland zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte durch die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in Griechenland in angemessener Zeit Schutz vor der drohenden länger andauernden Obdachlosigkeit erhalten können.
131Vgl. RSA, Report „Beneficiaries of international protection in Greece - Access to documents and socio-economic rights“, März 2023, S. 28; vgl. dazu bereits VG Aachen, Urteil vom 16. März 2020 - 10 K 157/19.A -, juris, Rn. 158 ff., m. w. N.
132bb. Im Falle einer Rückkehr nach Griechenland sind anerkannt Schutzberechtigte mit hoher Wahrscheinlichkeit ferner nicht in der Lage, sich aus eigenen durch Erwerbstätigkeit zu erzielenden Mitteln mit den für ein Überleben notwendigen Gütern zu versorgen und können insoweit voraussichtlich auch der Gefahr, keine menschenwürdige Unterkunft zu erhalten und über einen längeren Zeitraum obdachlos zu sein, nicht durch die Aufnahme bezahlter Arbeit entgegenwirken.
133Die Sprachbarriere und die generell hohe Arbeitslosigkeit in Griechenland erschweren den Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote betrug in Griechenland im Oktober 2024 9,8 %. Griechenland weist damit noch immer die zweithöchste Arbeitslosenquote in der EU auf, auch wenn sich die griechische Wirtschaft von den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie im Jahr 2020 zwischenzeitlich erholt hat.
134Vgl. hierzu die Darstellung von Statista, Stand: Oktober 2024, im Internet aufrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/160142/umfrage/arbeitslosenquote-in-den-eu-laendern/, zuletzt aufgerufen am 15. Januar 2025; Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 7; BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Griechenland (Version 5), Datum der Veröffentlichung: 16. Januar 2023, S. 22; AIDA, Country Report: Greece, Update 2022, S. 246 f.; vgl. auch Saarl. OVG, Urteil vom 15. November 2022 - 2 A 82/22 -, juris, Rn. 30; OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2022 - 11 A 314/22.A -, juris, Rn. 90 ff.
135Angesichts dieser Arbeitsmarktlage und ohne griechische Sprachkenntnisse ist es für anerkannt Schutzberechtigte auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass ihnen grundsätzlich eine erhebliche Eigeninitiative hinsichtlich der Sicherung ihres Existenzminiums abverlangt werden kann, nur schwer möglich und beinahe aussichtslos, eine legale bezahlte Arbeit zu finden, um den Lebensunterhalt oder die Kosten für die Anmietung von Wohnraum aus eigener Kraft bezahlen zu können.
136Vgl. AA, Auskunft an das VG Berlin vom 4. Dezember 2019 („Zugang zum Arbeitsmarkt für Dublin-Überstellte und anerkannte Schutzberechtigte“ u. a.), Seite 7; vgl. dazu bereits VG Aachen, Urteile vom 13. Juli 2020 - 10 K 870/20.A -, juris, Rn. 133, und vom 6. Mai 2020 - 10 K 1722/18.A -, juris, Rn. 133, m. w. N.
137Auf illegale und unversicherte Arbeit in der sog. Schattenwirtschaft, in der die ständige Gefahr der Ausbeutung besteht, müssen sich anerkannt Schutzberechtigte nicht verweisen lassen.
138Vgl. u. a. OVG NRW, Urteil vom 21. Januar 2021 - 11 A 2982/20.A -, juris, Rn. 80 ff., 88, m. w. N.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23. August 2024 - 18a L 1299/24.A -, juris, Rn. 24; VG Aachen, Urteile vom 13. Juli 2020 - 10 K 870/20.A -, juris, Rn. 140, vom 6. Mai 2020 - 10 K 1722/18.A -, juris, Rn. 140, und zuletzt vom 12. Dezember 2024 - 10 K 1614/24.A -, juris, Rn. 104, jeweils m. w. N.
139Soweit zuletzt vereinzelt verwaltungsgerichtliche Entscheidungen ergangen sind, ausweislich derer zurückkehrende international Schutzberechtigte zumindest im Fall junger, gesunder und arbeitsfähiger Männer in der Lage sein werden, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, indem sie gegebenenfalls auf Tätigkeiten in der Schattenwirtschaft verwiesen werden,
140vgl. Hess. VGH, Urteil vom 6. August 2024 - 2 A 1131/24.A -, juris, Rn. 157 ff.; VG Hamburg, Urteile vom 28. Juni 2024 - 12 A 4023/22 -, juris, Rn. 73 ff., und vom 15. August 2024 - 12 A 3228/24 -, juris, Rn. 80 ff.,
141folgt die Kammer dem nicht.
142Zwar entspricht es der Rechtsprechung des BVerwG, dass das wirtschaftliche Existenzminimum immer dann gesichert ist, wenn erwerbsfähige Personen durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können, wobei zu den im vorstehenden Sinne zumutbaren Arbeiten auch Tätigkeiten zählen, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise während der Touristensaison, ausgeübt werden können, selbst wenn diese im Bereich der sogenannten „Schatten- oder Nischenwirtschaft“ angesiedelt sind.
143Vgl. BVerwG Beschlüsse vom 19. Januar 2022 - 1 B 83.21 -, juris, Rn. 25, und vom 17. Mai 2006 - 1 B 100.05 -, juris, Rn. 11, jeweils m. w. N.
144Dass hiervon auch die Aufnahme illegaler Tätigkeiten, etwa in Form von Schwarzarbeit, erfasst sein soll, hat das BVerwG aber nicht entschieden, sondern vielmehr widerholt ausgeführt, dass der Schutzsuchende nicht auf „kriminelle Arbeit“ verwiesen werden könne.
145Vgl. BVerwG Beschlüsse vom 17. Mai 2006 - 1 B 100.05 -, juris, Rn. 11, und vom 9. Januar 1998 - 9 B 1130.97 -, juris, Rn. 5, jeweils m. w. N.; vgl. insoweit auch OVG NRW, Urteil vom 21. Januar 2021 - 11 A 2982/20.A -, juris, Rn. 80.
146Hierzu zählt aber auch Schwarzarbeit, die zumeist dadurch gekennzeichnet ist, dass steuer- und/oder beitragspflichtige Tätigkeiten nicht den zuständigen öffentlichen Stellen gemeldet werden, wodurch diesen die entsprechenden Abgaben in verbotswidriger Weise vorenthalten werden.
147Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Januar 2021 - 11 A 2982/20.A -, juris, Rn. 82.
148Ausdrücklich offen gelassen hat das BVerwG in diesem Zusammenhang die Beantwortung der Frage, ob insoweit ein weitergehender, abstrakt genereller (unionsrechtlicher) Klärungsbedarf zu den Maßstäben der Statthaftigkeit einer Verweisung auf die Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Schattenwirtschaft besteht - etwa dahin, ob danach zu differenzieren ist, in welcher Weise der Staat gegen Schwarzarbeit vorgeht, auf wen eine etwaige Strafandrohung abzielt und wie sich der tatsächliche Bedarf an ausländischen Arbeitskräften in bestimmten Sektoren der Volkswirtschaft und die tatsächliche Praxis der Strafverfolgung darstellten.
149Vgl. BVerwG Beschluss vom 17. Mai 2006 - 1 B 100.05 -, juris, Rn. 30.
150Ausgehend hiervon ist zur Überzeugung der Kammer jedenfalls die Aufnahme einer illegalen Tätigkeit in der sog. Schattenwirtschaft, soweit sie - wie dies etwa für Schwarzarbeit gilt - in Griechenland verboten ist, Schutzsuchenden nicht zumutbar. Bereits das der Europäischen Union innewohnende Prinzip gemeinsam geteilter Werte, hier konkret der Rechtsstaatlichkeit, verbietet es einem Mitgliedstaat, Asylsuchende wie Schutzberechtigte darauf zu verweisen, in einem anderen Mitgliedstaat die dortige Rechtsordnung zu missachten.
151Vgl. OVG NRW, Urteile vom 21. Januar 2021 - 11 A 2982/20.A -, juris, Rn. 84 ff., 88, und vom 20. Juli 2021 - 11 A 1689/20.A -, juris, Rn. 137; VG München, Urteil vom 29. August 2024 - M 17 K 23.30508 -, juris, Rn. 38; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23. August 2024 - 18a L 1299/24.A -, juris, Rn. 26; VG Berlin, Beschluss vom 30. September 2024 - 34 L 210/24.A -, juris, Rn. 22, jeweils m. w. N.
152Hinzu kommt, dass auch die Aufnahme legaler, aber wenig attraktiver und einer Vorbildung nicht entsprechender Arbeit, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entspricht und die ggf. auch nur zeitweise ausgeübt werden kann, nach der Erkenntnislage für rückkehrende Schutzberechtigte häufig mit durchgreifenden bürokratischen Hindernissen verbunden ist. Für den regulären Zugang zum Arbeitsmarkt wird in Griechenland regelmäßig ein fester Wohnsitz und unter anderem eine AMKA benötigt, deren Ausstellung häufig mit den bereits aufgezeigten Schwierigkeiten verbunden ist.
153Vgl. SFH, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, vom 11. August 2023, S. 8; Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 2; BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Griechenland (Version 5), Datum der Veröffentlichung: 16. Januar 2023, S. 21, 30 f.; RSA, Report „Beneficiaries of international protection in Greece - Access to documents and socio-economic rights“, März 2023, S. 18 f; AIDA, Country Report: Greece, Update, S. 247; Saarl. OVG, Urteil vom 15. November 2022 - 2 A 82/22 -, juris, Rn. 30.
154Dass es rückkehrenden Schutzberechtigten regelhaft möglich ist, gleichwohl Zugang zu legaler und jedenfalls das wirtschaftliche Existenzminimum sichernder Arbeit zu finden, ist der Erkenntnislage bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung zur Überzeugung der Kammer nicht zu entnehmen.
155cc. Aus dem Ausland zurückkehrende anerkannt schutzberechtigte Personen können nach ihrer Rückkehr nach Griechenland auch nicht durch staatliche Sozialleistungen ihren Lebensunterhalt sichern.
156Personen mit internationalem Schutzstatus haben in Griechenland zwar unter den gleichen Bedingungen Zugang zu Sozialleistungen wie griechische Bürger. Die, abgesehen von den Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung, niedrigschwelligste Sozialleistung ist das Garantierte Mindesteinkommen (EEE). Das EEE ist seit März 2020 die neue Bezeichnung des 2017 in Griechenland eingeführten Sozialen Solidaritätseinkommens (KEA) und beruht auf drei Säulen: der finanziellen Einkommensunterstützung, den sozialen Dienstleistungen (wie z. B. eine kostenlose medizinische Versorgung für Nichtversicherte und die Abgabe von Lebensmitteln und materiellen Gütern) und der beruflichen Integration. Voraussetzung für den Bezug des EEE ist aber unter anderem ein legaler Aufenthalt in Griechenland von einem Jahr und die Vorlage einer gültigen Aufenthaltserlaubnis, einer AFM, einer AMKA und einer Arbeitslosenkarte oder eines Belegs über die monatlichen Einkünfte sowie das Bestehen einer Kontoverbindung einer Bank in Griechenland.
157Vgl. SEM, Notiz Griechenland: Garantiertes Mindesteinkommen vom 31. Oktober 2022, S. 1 ff.
158Wie bereits ausgeführt ist die Ausstellung dieser Unterlagen - wie z. B. der AFM und der AMKA - in der Praxis mit erheblichen Schwierigkeiten und Verzögerungen verbunden. Dies berücksichtigend sind aus dem Ausland zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte regelmäßig von einem Bezug des EEE ausgeschlossen.
159Vgl. RSA, Report „Beneficiaries of international protection in Greece - Access to documents and socio-economic rights“, März 2023, S. 21 f.
160dd. Die Kammer sieht im entscheidungserheblichen Zeitpunkt auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse keine Veranlassung dafür, die vorgenannten Schwierigkeiten grundsätzlich nur für vulnerable Personen anzunehmen, im Falle junger, gesunder und arbeitsfähiger alleinstehender Männer hingegen grundsätzlich zu verneinen.
161Vgl. ebenfalls in diesem Sinne: VG Köln, Beschluss vom 1. Oktober 2024 - 18 L 1669/24.A -, unveröffentlicht; VG München, Urteil vom 29. August 2024 - M 17 K 23.30508 -, juris, Rn. 42; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23. August 2024 - 18a L 1299/24.A -, juris, Rn. 26; VG Berlin, Beschluss vom 30. September 2024 - 34 L 210/24.A -, juris, Rn. 22 ff.
162Zwar mag es zutreffen, dass die Gruppe der jungen, gesunden und arbeitsfähigen alleinstehenden Männer anpassungs- und durchsetzungsfähiger und insgesamt flexibler ist. Allerdings lässt sich den ausgewerteten Erkenntnissen entnehmen, dass die Probleme bei der Anmietung einer Wohnung oder dem Zugang zum Arbeitsmarkt struktureller Natur sind und damit alle Gruppen anerkannt Schutzberechtigter gleichermaßen treffen. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass Ressentiments und Vorurteile in der Bevölkerung gerade gegenüber jungen, alleinstehenden Männern im Vergleich zu Familien mit Kindern oder alleinstehenden Frauen sogar größer sind und dies negative Auswirkungen auf ihre Chancen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt hat.
163Die Kammer folgt daher nicht der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass im Allgemeinen für männliche anerkannte Schutzberechtigte, die allein nach Griechenland zurückkehren und jung, gesund und arbeitsfähig sind, eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK nicht beachtlich wahrscheinlich ist.
164Vgl. dazu: Hess. VGH, Urteil vom 6. August 2024 - 2 A 1131/24.A -, juris, Rn. 157 ff.; VG Hamburg, Urteile vom 28. Juni 2024 - 12 A 4023/22 -, juris, Rn. 73 ff., und vom 15. August 2024 - 12 A 3228/24 -, juris, Rn. 80 ff.
165Die Kammer sieht sich insoweit auch nicht durch die vom Hessischen VGH in der zitierten Entscheidung zu dieser Frage zugelassene und zwischenzeitlich beim BVerwG anhängig gemachte Tatsachenrevision (Az. 1 C 18.24) an einer Entscheidung gehindert. Denn die anhängige Tatsachenrevision entfaltet keine „Sperrwirkung“ für das vorliegende Verfahren. Die einzelfallabhängige Bewertung, ob dem Kläger in Griechenland eine menschenrechtswidrige Behandlung droht, obliegt vielmehr weiter allein der erkennenden Kammer, die sie auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse in Wahrnehmung ihrer in Art. 97 Abs. 1 GG garantierten richterlichen Unabhängigkeit nach ihrer freien Überzeugung vorzunehmen hat (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
166Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 12. Dezember 2024 - 2 BvR 1341/24 -, juris, Rn. 13 ff., 15.
167Aus diesem Grund hat die Kammer auch von einer Aussetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO abgesehen.
168Vgl. insoweit auch VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juli 2023 - 12 K 2675/23.A -, juris, Rn. 24 ff. (zur Tatsachenrevision - 1 C 10.23 - betreffend den Abschiebezielstaat Italien); VG Wiesbaden, Beschluss vom 30. Oktober 2024 - 7 K 1564/24.WI.A -, juris, Rn. 2 ff; VG Gießen, u. a. Beschluss vom 5. Dezember 2024 - 1 L 4492/24.GI.A -, juris, Rn. 28 ff., 31 (zur Aussetzung im Eilverfahren).
169c. Dies zugrunde gelegt ist auch im Einzelfall des Klägers davon auszugehen, dass ihm bei einer Rückführung nach Griechenland angesichts der dort schwierigen Aufnahmebedingungen unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine länger andauernde Obdachlosigkeit droht.
170Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Fall seiner Rückkehr nach Griechenland trotz der beschriebenen systemischen Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten der Aufnahmebedingungen seine grundlegenden Lebensbedürfnisse aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise doch wird befriedigen können, ergeben sich aus dem Akteninhalt nicht und sind auch nicht anderweitig ersichtlich.
171Dass der Kläger, wie das Bundesamt zur Begründung seines Bescheids ausgeführt hat, im Verwaltungsverfahren nicht zum Vorliegen einer besonderen Verletzbarkeit seiner Person vorgetragen haben soll, ist insofern unerheblich. Denn dass ein Antragsteller „gerade aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit in eine Situation extremer materieller Not“ zu geraten droht, ist nach der aufgezeigten Rechtsprechung sowohl des OVG NRW als auch der Kammer gerade nicht erforderlich. Vielmehr ist regelmäßig, also gerade ohne das Hinzutreten etwaiger Besonderheiten des Einzelfalls, davon auszugehen, dass in Griechenland anerkannten international Schutzberechtigten für den Fall ihrer Rückkehr dort die ernsthafte Gefahr einer erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK droht.
172Dass der Kläger gleichwohl aufgrund seiner persönlichen Umstände in der Lage sein wird, trotz der beschriebenen unzuträglichen Lebenssituation bei einer Rückkehr nach Griechenland eine menschenwürdige Unterkunft zu erlangen, ergibt sich aus dem Akteninhalt nicht. Seinem Vorbringen im Rahmen der Anhörungen beim Bundesamt lassen sich keine Anhaltspunkte für eine (noch) bestehende soziale Vernetzung in Griechenland (etwa ein landsmannschaftliches bzw. familiäres Netzwerk) entnehmen, die eine Unterbringung bei Freunden, Verwandten etc. erwarten lässt. Nach den angesichts der Erkenntnislage glaubhaften Angaben des Klägers hatte er nach der Schutzgewährung keine Unterstützung mehr in Griechenland erhalten und seine Unterkunft verlassen müssen. Danach hat er auf der Straße gelebt und keine Arbeit gehabt. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger noch eigene finanzielle Mittel in einer Höhe zur Verfügung stehen, die ihm die private Anmietung einer Wohnung in Griechenland ermöglichen würde. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger auf Grund einer besonderen beruflichen oder sprachlichen Qualifikation über Voraussetzungen verfügt, die ihn im Vergleich zum Großteil der zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigten grundsätzlich privilegieren könnte. Es ist ihm nach der Schutzzuerkennung nicht gelungen, einen Arbeitsplatz zu finden. Seine Chancen bei einer Rückkehr nach Griechenland, einen - legalen - Arbeitsplatz zu finden, sind auch bei entsprechenden (Integrations-)Bemühungen und entsprechender Eigeninitiative, angesichts der geringen Schulbildung sowie mangelnden Sprachkenntnissen als gering anzusehen.
173Der insoweit vorgebrachte Einwand des Bundesamts, der Kläger habe nach seinen eigenen Angaben keinerlei Anstrengungen unternommen, um staatliche oder zivilgesellschaftliche Unterstützung bzw. Hilfe in Griechenland zu erlangen, gibt schließlich keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Nicht nur hat der Kläger im Rahmen seiner Anhörung eine solche Aussage gar nicht getätigt, sondern lediglich - da er zu derartigen Bemühungen gar nicht befragt worden ist - schlicht keinerlei diesbezügliche Erklärung abgegeben. Auch sind Anhaltpunkte dafür, dass gerade er es in dieser Hinsicht leichter als andere in Griechenland anerkannte international Schutzberechtigte (gehabt) haben sollte, nicht ersichtlich. Im Hinblick auf die vorliegend vorzunehmende Prognoseentscheidung der zu erwartenden Lebensbedingungen im Fall einer unterstellten Rückkehr des Klägers nach Griechenland kommt etwaigen früheren Bemühungen bzw. ihrem Fehlen zudem von vorneherein keine entscheidende Bedeutung zu.
174II. Ist danach Ziffer 1. des angefochtenen Bescheids aufzuheben, so muss Gleiches auch für die Ziffern 2. bis 4. des streitgegenständlichen Bescheids gelten.
1751. Die unter Ziffer 2. des Bundesamtsbescheids getroffene Feststellung des Fehlens von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist bei Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung jedenfalls verfrüht ergangen. Denn das Bundesamt ist nunmehr zunächst verpflichtet, den Antrag des Klägers materiell zu prüfen. Eine Entscheidung über Abschiebungsverbote kann sachgemäß erst nach Abschluss des Asylverfahrens erfolgen und insoweit nur in Bezug auf den (Herkunfts)Staat, in den abgeschoben werden soll.
176Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16 -, juris, Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 20. Juli 2021 - 11 A 1689/20.A -, juris, Rn. 152.
1772. Die unter Ziffer 3. des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Androhung der Abschiebung nach Griechenland ist ebenfalls aufzuheben. Gemäß § 35 AsylG droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war, wenn ein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 4 AsylG vorliegt. Ein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegt - wie ausgeführt - nicht vor, § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist nicht einschlägig.
178Die Feststellung in Ziffer 3. Satz 4 des Bescheids, wonach der Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden darf (vgl. § 60 Abs. 10 Satz 1 AufenthG), ist ebenfalls aufzuheben. Eine derartige negative Staatenbezeichnung kann bei der Aufhebung der Abschiebungsandrohung nicht selbstständig fortbestehen.
179Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 2024 - 1 C 8.23 -, juris, Rn. 7, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 21. November 2024 - 11 A 1108/17.A -, juris, Rn. 59.
1803. Die Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG in Ziffer 4. des angefochtenen Bescheids ist nach alledem gegenstandslos geworden und ebenfalls aufzuheben (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG).
181III. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag war vorliegend nicht (mehr) geboten, weil der Kläger bereits mit seinem Hauptantrag obsiegt.
182C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG. Die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.