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Die die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d:
2Die Kläger wenden sich gegen die Festsetzung einer Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2021 durch die Beklagte.
3Sie haben auf einem Campinglatz im Stadtgebiet der Beklagten dauerhaft einen Stellplatz für einen Wohnwagen gemietet.
4Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 5. Februar 2021 setzte die Beklagte gegenüber den Klägern für das Jahr 2021 eine Zweitwohnungssteuer in Höhe von 84,30 € fest.
5Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 1. März 2021 Widerspruch und machten zur Begründung geltend, die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer sei aus europarechtlichen Gründen unzulässig.
6Die streitgegenständliche Steuer habe den Charakter einer Umsatzsteuer. Gemäß Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie, im Folgenden: RL 2006/112/EG) dürften Umsatzsteuern nur dann erhoben werden, wenn sie zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie (bzw. der Vorgängerrichtlinie) bereits zulässig gewesen seien oder wenn sich aus der Richtlinie oder einer Einzelermächtigung eine entsprechende Ausnahme ergebe.
7Die Zweitwohnungssteuer sei ausweislich der Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten (im Folgenden: ZwStS) am 14. Dezember 2018 und somit nach Inkrafttreten der vorbezeichneten Richtlinien verabschiedet worden. Ein Ausnahmetatbestand oder eine Einzelermächtigung zum Erheben dieser Umsatzsteuer in Form der Zweitwohnungssteuer sei nicht ersichtlich.
8Die Zweitwohnungssteuer verstoße gegen Europarecht, wenn sie den Charakter einer Umsatzsteuer habe. Dafür seien folgende Kriterien kennzeichnend: 1. allgemeine Geltung der Mehrwertsteuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehende Geschäfte; 2. Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhalte; 3. Erhebung der Steuer auf jeder Produktionsstufe; 4. Abzug der Steuer, welche die vorhergehende Stufe belastet habe, sodass letztlich die Steuer nur vom Verbraucher getragen werde. Um den Charakter einer Umsatzsteuer zu haben, müsse eine Abgabe nicht in allen Punkten der Mehrwertsteuer gleichen, vielmehr genüge, wenn sie deren wesentliche Merkmale aufweise. Insbesondere seien Kriterien, die sich theoretisch gar nicht in der zu prüfenden Abgabe widerspiegelten, für die Beurteilung nicht relevant.
9Das 1. Kriterium sei hier erfüllt. Die Zweitwohnungsteuer werde von jeder natürlichen Person erhoben, die eine Zweitwohnung im Stadtgebiet der Beklagten nutze. Die Satzung gelte somit uneingeschränkt weltweit. Eine Einschränkung erfolge ausschließlich durch das Besteuerungsobjekt und die kommunalabgabenrechtlichen Grenzen des Besteuerungsrechts. Ein Verweis auf das Besteuerungsobjekt könne jedoch nicht zur Verwerfung des 1. Kriteriums führen, da damit die Regelung in Art. 401 RL 2006/112/EG durch eine Atomisierung der Besteuerungssubjekte durch die Einzelstaaten oder deren Subkörperschaften umgangen werden könne. Auch das 2. Kriterium der proportionalen Bemessung der Steuern auf die Dienstleistung sei erfüllt, da 10 % der Bemessungsgrundlage oder der Ersatzbemessungsgrundlage besteuert würden. Da es sich bei der Zweitwohnungssteuer um eine Dienstleistungssteuer handele, entfalle ein Produktionsprozess, sodass das 3. Kriterium für die Prüfung der Charakteristik der Zweitwohnungssteuer nicht geeignet. sei. Hinsichtlich des 4. Kriteriums sei darauf abzustellen, wer die Steuern zu tragen habe, da im Bereich der Zweitwohnungssteuer keine Vorstufen anfielen. Durch die streitige Satzung sei stets der Endverbraucher, also der Nutzer der Wohnung, belastet. Dies sei für den Endverbraucher auch transparent. Die Zweitwohnungssteuer der Beklagten beeinträchtige den Binnenmarkt, da sie umsatzbasiert Dienstleistungen besteuere, die in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fielen. Auf die Intensität der Beeinträchtigung komme es nicht an. Ein gewerblicher Stellplatzbetreiber im Stadtgebiet der Beklagten habe es nach den Grundsätzen der Marktwirtschaft infolge der durch die Zweitwohnungssteuer belasteten Endkosten des Verbrauchers schwerer seine Stellplätze zu vermieten, als ohne die Zweitwohnungssteuer in der umsatzproportionalen Form der Beklagten.
10Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2021, dem Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 23. April 2021, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, die Veranlagung der Kläger sei auf der Grundlage der vom Stadtrat der Beklagten beschlossenen Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der derzeit gültigen Fassung erfolgt. Die Kläger seien gemäß § 2 Sätze 2 und 3 der Zweitwohnungssteuersatzung vom 28. April 2017 (ZwStS) in Verbindung mit der 1. Änderungssatzung vom 14. Dezember 2018 sowie der 2. Änderungssatzung vom 31. Januar 2020 steuerpflichtig. Gemäß § 4 Abs. 2 Ziff. 1 der ZwStS seien für die Ermittlung der zu berücksichtigenden Nettokaltmiete für eingeschlossene Nebenkosten 10 v.H. als pauschale Kürzung vorzunehmen. Danach sei aufgrund der von den Klägern in der am 25. September 2017 eingereichten Steuererklärung zur Zweitwohnungssteuer (Camping) angegebenen Stellplatzmiete einschließlich der Nebenkosten in Höhe von 936,71 € eine Nettokaltmete in Höhe von 843,04 € als Grundlage zur Berechnung der Zweitwohnungssteuer festgelegt worden.
11Die Kläger haben am 19. Mai 2021 Klage erhoben.
12Zur Klagebegründung wiederholen und vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Darüber hinaus machen sie geltend, die Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten sei verfassungswidrig, da sie gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG verstoße. Die Besteuerungswerte seien nicht bestimmbar, soweit § 4 Abs. 3 der ZwStS auf eine Schätzung nach § 162 AO abstelle. Eine derartige Schätzung sei erst vorzunehmen, falls durch eine fehlende Mitwirkung oder eine Unmöglichkeit die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt werden könnten. Des Weiteren rügen sie, die Beklagte habe sich ausweislich des Widerspruchsbescheids nicht mit ihrem Widerspruchsvorbringen befasst. Daher habe die Beklagte in jedem Fall die Kosten des Verfahrens zu tragen.
13Die Kläger beantragen,
14den Bescheid der Beklagten vom 5. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2021 aufzuheben,
15die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren festzustellen,
16hilfsweise, die Berufung zuzulassen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Insbesondere stehe die Erhebung der Zweitwohnungssteuer nicht im Widerspruch zu Art. 401 RL 2006/112/EG. Die Zweitwohnungssteuer habe nicht den Charakter der Umsatzsteuer im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie. Sie sei eine örtliche Aufwandsteuer und im Gegensatz zur Umsatzsteuer eine direkte Steuer; Steuerschuldner und wirtschaftlich Belasteter seien identisch. Die Erhebung der Steuer sei nur an die Inhaberschaft der Zweitwohnung geknüpft. Dagegen sei die Umsatzsteuer eine Verkehrssteuer, welche für die Teilnahme am Rechts- und Wirtschaftsverkehr erhoben werde. Sie knüpfe grundsätzlich an Leistungsaustausch aufgrund zivilrechtlicher Rechtsgeschäfte an. Die Umsatzsteuer sei eine indirekte Steuer. Der Steuerpflichtige sei der Unternehmer, der eine Leistung erbringe, während der wirtschaftlich Belastete in der Regel der Endverbraucher sei.
20Soweit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) das Vorliegen des Charakters einer Umsatzsteuer im Sinne von Art. 401 RL 2006/112/EG davon abhängig gemacht werde, ob die jeweilige Abgabe das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtige, indem sie den Waren- und Dienstleistungsverkehr belaste und dabei kommerzielle Umsätze so belaste, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend sei, sei dies bei der von der Beklagten erhobenen Zweitwohnungssteuer nicht einmal ansatzweise der Fall. So lägen auch nicht die vom EuGH herausgearbeiteten vier Merkmale vor, welche vorliegen müssten, um der Steuer den Charakter der Umsatzsteuer zu geben. Es bleibe lediglich die Anknüpfung des Steuermaßstabs an die tatsächliche Miete der Wohnung, also an den Wert der Gegenleistung. Dies reiche nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch nicht aus, um der streitgegenständlichen Zweitwohnungssteuer den Charakter einer Umsatzsteuer zu geben.
21Die Kammer hat den Rechtstreit mit Beschluss vom 2. Januar 2023 auf den Einzelrichter übertragen. Mit Beschluss vom 19. April 2024 hat der Einzelrichter den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten auf die Kammer zurückübertragen.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
24Die Klage hat keinen Erfolg.
25Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
26Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu Zweitwohnungssteuer ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) in Verbindung mit §§ 2, 3, 4 und 5 der Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten. Hiernach erhebt die Beklagte eine Zweitwohnungssteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet (§ 2 Abs. 1 ZwStS). Eine Zweitwohnung ist jede Wohnung, die jemand neben seiner Hauptwohnung für seinen persönlichen Lebensbedarf oder den persönlichen Lebensbedarf seiner Familienmitglieder innehat (§ 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS). Als Wohnung im Sinne der Satzung gelten auch alle Mobilheime, Wohnmobile, Wohn- und Campingwagen, die zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs auf einem eigenen oder fremden Grundstück abgestellt werden (§ 2 Abs. 3 ZwStS). Die Steuer wird nach dem jährlichen Mietaufwand berechnet (§ 4 Abs. 1 ZwStS); die Ermittlung erfolgt anhand der im Besteuerungszeitraum geschuldeten Nettokaltmiete (§ 4 Abs. 2 ZwStS); in Fällen, in denen die Wohnung vom Eigentümer oder Verfügungsberechtigten selbst genutzt wird oder ungenutzt bleibt, ist der jährliche Mietaufwand gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 zu schätzen (§ 162 AO). Bei Mobilheimen, Wohnmobilen, Wohn- und Campingwagen gilt als Nettokaltmiete die vereinbarte Nettostandplatzmiete (§ 4 Abs. 4 ZwStS). Die Steuer beträgt 10 % dieser Bemessungsgrundlage (§ 5 ZwStS).
27Zweifel an der Wirksamkeit dieser Rechtsgrundlage bestehen nicht. Die Satzungsbestimmungen verstoßen insbesondere nicht gegen höherrangiges Recht.
28Die Steuer auf das Innehaben eines zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs abgestellten Mobilheims, Wohnmobils, Wohn- oder Campingwagens ist als Aufwandsteuer nach § 3 KAG und Art. 105 Abs. 2a GG eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt. Der Aufwand als ein äußerlich erkennbarer Zustand, für den finanzielle Mittel verwendet werden, ist typischerweise Ausdruck der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dabei kommt es nicht darauf an, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert wird. Erfasst wird der besondere, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehende Aufwand für die persönliche Lebensführung, ohne dass dieser luxuriös sein muss.
29Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 11. Juli 2007 - 9 LB 5/07 -, juris, Rn. 33, m.w.N.; Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 25. Januar 2006 - 2 KN 1/05 -, juris, Rn. 5.
30Durch die in § 2 Abs. 3 ZwStS enthaltene Formulierung "als Wohnung im Sinne dieser Satzung gelten auch Mobilheime, Wohnmobile, Wohn- und Campingwagen" wird deutlich, dass es sich bei der Besteuerung des Innehabens von echten Zweitwohnungen einerseits und zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs abgestellten Mobilheimen u.ä. andererseits um zwei gesonderte Steuergegenstände handelt. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die Mobilheime, Wohnmobile, Wohn- oder Campingwagen den Wohnungsbegriff einer Zweitwohnung erfüllen.
31Vgl. OVG NRW Beschluss vom 20. März 2007 - 14 A 4089/05 -, juris, Rn. 7; Nds. OVG, Urteil vom 11. Juli 2007 - 9 LB 5/07 -, juris, Rn. 36; Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 25. Januar 2006 - 2 KN 1/05 -, juris, Rn. 14.
32Von diesen Grundsätzen ausgehend ist in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte anerkannt, dass das Innehaben eines ortsfest abgestellten Mobilheims, Wohnmobils, Wohn- oder Campingwagens mit einem über die Deckung des gewöhnlichen Lebensbedarfs hinausgehenden besonderen Aufwand verbunden ist, in dem sich die finanzielle Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners äußert. Deshalb liegt ein besteuerbarer besonderer Aufwand vor.
33Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. September 2001 - 14 A 2775/01 -, juris, Rn. 8, und vom 10. Juni 2005 - 14 A 1981/04 -, juris, Rn. 14; Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 25. Januar 2006 - 2 KN 1/05 -, juris, Rn. 6; Nds. OVG, Urteil vom 11. Juli 2007 - 9 LB 5/07 -, juris, Rn. 35.
34In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass die Zweitwohnungssteuer als örtliche Aufwandsteuer einer bundesrechtlich geregelten Steuer nicht gleichartig im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG ist.
35Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Oktober 2005 - 1 BvR 1232/00 -, juris, Rn.90, und vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 -, juris, Rn. 82 ff.
36Die Zweitwohnungssteuer ist auch der unionsrechtlich durch die Mehrwertsteuersystemrichtlinie harmonisierten Umsatzsteuer nicht gleichartig. Nach der Rechtsprechung des EuGH zur binnenmarktrelevanten Mehrwertsteuer besteht gemäß Art. 401 RL 2006/112/EG ein Charakteridentitätsverbot, das der Mehrwertsteuer ähnliche Steuern der Mitgliedstaaten ausschließt, nicht aber lokale Aufwandsteuern wie vorliegend die Zweitwohnungsteuer.
37Vgl. zu Übernachtungssteuern: BVerfG, Beschluss vom 22. März 2022 ‑ 1 BvR 2868/15 u.a. -, juris, Rn.110, unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 24. Oktober 2013, Metropol Spielstätten, C-440/12, Rn. 28 ff.
38Nach dieser Vorschrift hindert die Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist. Die Zweitwohnungssteuer hat in diesem Sinne nicht den Charakter einer Umsatzsteuer.
39Ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie hat, hängt nach der Rechtsprechung des EuGH vor allem davon ab, ob sie das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt, indem sie den Waren- und Dienstleistungsverkehr belastet und dabei kommerzielle Umsätze so belastet, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist.
40Vgl. EuGH, Urteil vom 7. August 2018, Viking Motors u. a., C-475/17, juris, Rn. 36.
41Steuern, Abgaben und Gebühren, welche die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, sind auf jeden Fall als Maßnahmen anzusehen, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer der Mehrwertsteuer vergleichbaren Art und Weise belasten, auch wenn sie sich nicht in allen Punkten mit der Mehrwertsteuer decken, während Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht der Beibehaltung oder Einführung einer Steuer entgegensteht, die eines der wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer nicht aufweist
42Vgl. EuGH, Urteil vom 7. August 2018, Viking Motors u. a., C-475/17, juris, Rn. 37f.
43Aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben sich vier wesentliche Merkmale der Mehrwertsteuer: (1.) allgemeine Geltung der Mehrwertsteuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte; (2.) Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält; (3.) Erhebung dieser Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze; (4.) Abzug der auf den vorhergehenden Produktions- und Vertriebsstufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Mehrwertsteuer, so dass sich diese Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird. Jeder Vergleich der Merkmale einer Steuer mit den Merkmalen der Mehrwertsteuer ist im Licht des mit dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem verfolgten Ziels der Schaffung eines gemeinsamen Markts vorzunehmen und dabei ist besonderes Augenmerk auf das Erfordernis zu legen, dass die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems jederzeit gewährleistet sein muss.
44Vgl. EuGH, Urteil vom 7. August 2018, Viking Motors u. a., C-475/17, juris, Rn. 39, 40.
45Es liegt auf der Hand, dass die Zweitwohnungssteuer sich im dritten und vierten der aufgezeigten Merkmale von der Mehrwertsteuer im unionsrechtlichen Sinne unterscheidet, da sie - anders als die Umsatzsteuer - als direkte Steuer ausgestaltet ist und auch kein Vorsteuerabzug erfolgt.
46Sie erfüllt darüber hinaus aber auch nicht das erste wesentliche Merkmal der Mehrwertsteuer, nämlich die allgemeine Geltung für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte (vgl. Art. 1 Abs. 2 Uabs. 1 RL 2006/112/EG). Sie gilt nicht losgelöst von der Art der Lieferung oder sonstigen Leistung, sondern erfasst ausschließlich den Aufwand für das Innehaben einer Zweitwohnung, die nicht weniger als zwei Monate für den persönlichen Lebensbedarf vorgehalten wird, (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 4 ZwStS) bzw. das Abstellen von Mobilheimen, Wohnmobilen, Wohn- und Campingwagen zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs auf einem eigenen oder fremden Grundstück für mindestens den vorgenannten Zeitraum (§ 2 Abs. 3 ZwStS).
47Die Zweitwohnungssteuer fällt damit nicht unter das Verbot nach Art. 401 RL 2006/112/EG, da sie nicht alle wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt.
48Die Erhebung der Zweitwohnungssteuer verstößt auch im Übrigen nicht gegen Unionsrecht.
49Vgl. zur Frage der Verletzung der Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit sowie bezüglich der Europäischen Sozialcharta: BVerwG, Beschlüsse vom 5. März 1996 - 8 B 2.96 und 3.96 -, Rn. 15 ff.; zur Freizügigkeit: BayVGH, Beschluss vom 27. März 2013 - 4 ZB 12.1477 -, Rn. 10 ff.
50Die Satzung ist auch hinreichend bestimmt. Sie verstößt nicht, wie die Kläger meinen, gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG, weil die die Besteuerungswerte nicht bestimmbar seien, soweit § 4 Abs. 3 der ZwStS auf eine Schätzung nach § 162 AO abstelle. Die Bemessung der Zweitwohnungsteuer bei selbstgenutzten Eigentumswohnungen anhand einer Schätzung der Jahresnettokaltmiete gemäß § 4 Abs. 3 ZwStS ist nach ständiger Rechtsprechung zulässig. Es liegt im Ermessen der rechtsetzenden Gemeinde, auf welche Weise sie bei selbstgenutzten Eigentumswohnungen den jährlichen Mietaufwand ermittelt. Da für diese Wohnungen tatsächlich keine Mietausgaben anfallen und damit ein konkreter Anhaltspunkt für den jährlichen Mietaufwand nicht besteht, stellt die Schätzung der Nettokaltmiete in ortsüblicher Höhe eine geradezu zwingende Ermittlungsmethode dar. Im Übrigen hat der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf ein bestimmtes, aus seiner Sicht optimales Verfahren zur Feststellung des Mietwerts der Wohnung, sondern nur darauf, dass diese Bemessungsgrundlage für die Zweitwohnungsteuer in sachgerechter Weise ermittelt wird.
51Vgl. VG München, Urteil vom 24. November 2022 - M 10 K 20.6523 -, juris, Rn. 33 ff. m.w.N.
52Die Regelung in § 4 Abs. 3 ZwStS betrifft zudem nicht die Fälle, in denen eine Miete für die Benutzung der Wohnung (§ 4 Abs. 2 ZwStS) bzw. wie im Fall der Kläger eine Standplatzmiete (§ 4 Abs. 4 ZwStS) zu zahlen ist. Da diese Bestimmungen nach dem objektiven Sinn der Satzung eine selbständige Bedeutung haben,
53vgl. grundsätzlich zur Teilnichtigkeit selbständiger Regelungsgegenstände BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 -, juris, Rn. 101, m.w.N.,
54würden die von den Klägern mit Blick auf die Regelung in § 4 Abs. 3 der ZwStS geäußerten Bedenken allenfalls zu einer Teilnichtigkeit der Zweitwohnungssteuersatzung führen und berühren daher nicht die Gültigkeit der Satzung im Übrigen und damit auch nicht die hier einschlägigen Grundlagen für die Heranziehung der Kläger.
55Der angefochtene Bescheid der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist auch ansonsten rechtmäßig. Die Kläger sind gemäß § 2 Abs. 1 und 3 ZwStS steuerpflichtig, da sie einen Wohnwagen zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs länger als zwei Monate auf einem Grundstück im Stadtgebiet der Beklagten abgestellt haben.
56Auch der Höhe nach ist die festgesetzte Zweitwohnungssteuer nicht zu beanstanden. Nach § 4 Abs. 1 und 4 ZwStS bemisst sich die Steuer nach der vereinbarten Nettostandplatzmiete.
57Dem Satzungsgeber kommt bei der Festlegung des Steuermaßstabs ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt aber stets eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage. Der Normgeber hat für die Wahl der Bemessungsgrundlage und die Ausgestaltung der Regeln ihrer Ermittlung einen großen Spielraum, solange diese nur prinzipiell dazu geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen. Bei der Wahl des geeigneten Maßstabs darf sich der Gesetzgeber auch von Praktikabilitätserwägungen leiten lassen, die je nach Zahl der zu erfassenden Bewertungsvorgänge an Bedeutung gewinnen und so auch in größerem Umfang Typisierungen und Pauschalierungen rechtfertigen können, dabei aber deren verfassungsrechtliche Grenzen wahren müssen. Bei einer Aufwandsteuer ist erforderlich, dass der gewählte Maßstab einen zumindest lockeren Bezug zu dem Aufwand des Steuerpflichtigen aufweist.
58Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2021 - 9 C 2.20 -. juris, Rn. 9 f., m.w.N.
59Der auf die Jahresnettokaltmiete abstellende Mietaufwand als Maßstab für die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in § 4 Abs. 1 ZwStS ist eine von der Rechtsprechung anerkannte Bemessungsgrundlage. Hierbei besteht ein sachlicher Bezug zum Aufwand des Steuerpflichtigen, den er für seine Zweitwohnung für die persönliche Lebensführung tätigt.
60Vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2021 - 9 C 2.20 -, juris, Rn. 10; siehe auch BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2003 - 9 C 3.02 - juris, Rn. 23; BayVGH, Urteil vom 4. April 2006 - 4 N 04.2798 - juris, Rn. 70.
61Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Bemessungsgrundlage im angefochtenen Zweitwohnungssteuerbescheid. Anhaltspunkte dafür, dass sich die für die Steuererhebung relevanten Tatbstände seit 2017 geändert hätten, liegen nicht vor; seitens der Kläger ist auch keine entsprechende Anzeige nach § 7 Abs. 2 ZwStS erfolgt.
62Anhaltspunkte dafür, dass der Steuersatz von 10 % (§ 5 ZwStS) rechtlich zu beanstanden sein könnte, sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Zweitwohnungssteuersätze in einem Bereich bis zu einschließlich 20 % des jährlichen Mietaufwands keine erdrosselnde Wirkung haben und damit keinen rechtlichen Bedenken unterliegen.
63Vgl. VG München, Urteil vom 24. November 2022 - M 10 K 20.6523 -, juris, Rn. 47, m.w.N.
64Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Eine abweichende Entscheidung ist nicht, wie die Kläger meinen, wegen eines Begründungsmangels im Widerspruchsbescheid gemäß § 155 Abs. 4 VwGO geboten, da die Kläger ihr Begehren weiterverfolgen, obwohl die Beklagte sich im Klageverfahren mit den wesentlichen Elementen ihrer Widerspruchbegründung auseinandergesetzt hat.
65Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
66Die Berufung war nicht - wie vom Prozessbevollmächtigten der Kläger beantragt - zuzulassen.
67Gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO lässt das Verwaltungsgericht die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen, das heißt, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).
68Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Die aufgeworfene Rechtsfrage muss sich über den Einzelfall hinaus stellen, wenige Anwendungsfälle reichen in der Regel nicht aus.
69Vgl. Stuhlfauth in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Auflage 2021, § 124a, Rn. 41, 43.
70Vorliegend hat die Klägerin nicht dargetan, dass die Klärung einer konkreten Rechtsfrage Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen hat oder dem Rechtsstreit Auswirkungen auf die Allgemeinheit zukommt. Zudem bedarf die aufgeworfene Frage der unionsrechtlichen Vereinbarkeit der Erhebung von Zweitwohnungssteuern keiner berufungsgerichtlichen Klärung, da sie sich nach den vorstehenden Ausführungen anhand der bereits ergangenen Rechtsprechung klären lässt.
71Eine Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.