Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
(Kein) Anspruch auf Ledigenzuschlag wegen potentiellen Waisenrentenanspruchs des Kindes
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger begehrt von dem beklagten Versorgungswerk einen Zuschlag zur Altersrente (sogenannter Ledigenzuschlag).
3Der am 00. November 0000 geborene Kläger ist seit 2. März 2000 Pflichtmitglied des beklagten Versorgungswerks. Unter dem 10. April 2023 stellte er einen Antrag auf Gewährung von Altersrente und beantragte ergänzend die Gewährung eines Zuschlags von 20 % gemäß § 17 Abs. 5 der Satzung des Versorgungswerks (VS), weil keine sonstigen rentenbezugsberechtigten Personen vorhanden seien. Er führte aus, dass seine am 00. Mai 0000 geborene Tochter R. an der Universität C. kurz vor dem Abschluss ihres Studiums im Fach Soziale Arbeit stehe und bat um Mitteilung, ob der Antrag so genehmigt werden könne. Unter dem 22. April 2023 übersandte der Kläger das Abschlusszeugnis seiner Tochter im Studienfach Soziale Arbeit, Bachelor of Arts vom 21. April 2023 mit der Gesamtnot gut (1,9) und mit Schreiben vom 23. April 2023 teilte er mit, dass seine Tochter auf keinen Fall beabsichtige, dem Studiengang noch ein Masterstudium nachfolgen zu lassen. Dies sei bei ihrem Studiengang auch eher unüblich. Sie habe sich bereits auf mehrere Stellen beworben und stehe vor dem Abschluss eines Arbeitsvertrages. Es sei ihnen beiden bewusst, dass keine Ansprüche auf Waisenrente bestünden. Dies sei aber auch nicht notwendig, da seine Tochter beabsichtige, mit dem Bachelor-Abschluss auf eigenen Beinen zu stehen. Ausweislich eines Telefonvermerks vom 24. April 2023 wurde dem Kläger mündlich mitgeteilt, dass der Zuschlag nicht gewährt werden könne.
4Mit Bescheid vom 28. April 2023 setzte der Beklagte die Altersrente des Klägers beginnend ab 1. Mai 2023 in Höhe von monatlich 1.850,19 € fest und führte in den Gründen u.a. aus: Der Zuschlag gemäß § 17 Abs. 5 VS könne nicht gewährt werden, da der Anspruch der Tochter R. auf Waisenrente gemäß § 23 Abs. 1 VS noch nicht erloschen sei. Dies sei erst der Fall, wenn die Tochter das 27. Lebensjahr vollendet oder den Masterstudiengang absolviert habe.
5Der Kläger hat am 22. Mai 2023 Klage erhoben. Er trägt vor: Er habe Anspruch auf die Gewährung eines Zuschlags von 20 % zur festgesetzten Altersrente. Seine Tochter R. habe zwar das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet, ihre Ausbildung sei aber mit dem Bachelor-Abschluss beendet. Somit komme ein Anspruch auf Waisenrente gemäß § 23 Abs. 1 VS nicht mehr in Betracht. Der Masterstudiengang, von dem der streitgegenständliche Bescheid ausgehe, existiere im Studiengang „Soziale Arbeit“ nicht. Im Gegensatz zu Studiengängen, die regelmäßig erst mit einem Master-Abschluss beendet seien (und ggf. erst dieser berufsqualifizierend sei), sei dies beim Studiengang „Soziale Arbeit“ nicht der Fall. Der Studiengang „ende“ berufsqualifizierend gem. § 19 Abs. 2 Hochschulgesetz mit dem Bachelor-Abschluss; die Absolventinnen und Absolventen würden nach dem Abschluss regelmäßig ihre berufliche Tätigkeit aufnehmen. In der vorgelegten Abhandlung seien die unmittelbar nach dem Abschluss bestehenden beruflichen Perspektiven in verschiedenen Ausprägungen dargestellt. Soweit überhaupt vereinzelt auch ein Master-Studiengang „Soziale Arbeit“ angeboten werde, werde betont, dass in einem Master-Studiengang „einschlägige Theorie- und Forschungsbezüge“ ausgebaut würden bzw. der Master-Studiengang eher „forschungsorientiert“ sei. Dies gehe – beispielhaft – aus der vorgelegten Darstellung der Universität C. hervor. Insgesamt könne man sagen, dass nicht nur die formalen Voraussetzungen, sondern auch die praktische Vorbereitung auf die Berufsausübung von „Sozialer Arbeit“ durch einen Bachelor-Studiengang erfüllt würden. Soweit es hier auch Master-Studiengänge (aber nicht „den Master-Studiengang“) gebe, richteten diese sich an Studierende, die eher wissenschafts- und forschungsorientiert, gegebenenfalls verbunden mit Lehrtätigkeiten, aber weniger berufspraktisch arbeiten wollten. Einen „Automatismus“ oder jedenfalls einen nach Art des Studiengangs üblichen Ausbildungsweg, wonach dem Bachelor-Abschluss „der Master-Studiengang“, wie beklagtenseits unterstellt, regelhaft folgen würde, gebe es hier schon abstrakt nicht. Für die Tochter R. sei auch konkret erklärt worden, dass sie keinen entsprechenden weiterführenden Studiengang, sondern eine berufliche Stellung anstrebe. Tatsächlich habe sie zum 10. Juli 2023 einen praktischen Betreuungsberuf in sozialer Arbeit ergiffen. Die zum Teil bereits anderweitig ergangene Rechtsprechung, dass allein eine entsprechende Erklärung der potenziell Rentenberechtigten, entsprechende Leistungen nicht in Anspruch nehmen zu wollen bzw. nicht zu können, für die Gewährung des sog. Ledigenzuschlages nicht ausreiche, sei bekannt. Es liege jedoch hier keiner der Fälle vor, in denen allein durch eine solche – in ihrer Wirkung ggf. zweifelhafte – rechtsgeschäftliche Verzichtserklärung der Anspruch nach § 23 Abs. 1 VS ausgeschlossen werden solle, sondern die Ausschlusskriterien i S. v. § 17 Abs. 5 i. V. m. § 23 Abs. 1 VS lägen hier schon objektiv nicht vor. Liege keine Berufsausbildung vor, bei der ein weiterer Teilakt (hier das beklagtenseits unterstellte Bachelor-Studium) objektiv nötig oder jedenfalls üblicherweise zur Erlangung einer entsprechenden Berufsreife absolviert werde, liefe die Auffassung des Beklagten – konsequent zu Ende gedacht – darauf hinaus, dass ein Zuschlag i. S. v. § 17 Abs. 5 VS überhaupt nicht gewährt werden könne, solange noch Kinder vorhanden seien, die das 27. Lebensjahr nicht vollendet hätten. Erweise sich ein weiterer Ausbildungsabschluss nicht als integrativer oder jedenfalls üblicher Teil der Ausbildung, sei es absolut gesehen nie auszuschließen, dass das jeweilige Kind aus eigenem Antrieb weitere Qualifikationen erwerbe, die für den Beruf hilfreich seien, ohne dazu aber nötig zu sein. Solche Qualifikationen könnten z.B. selbst dann von dem entsprechenden Kind in Betracht gezogen werden, wenn es sich nach dem berufsqualifizierenden Abschluss zwar zunächst in eine Berufstätigkeit begebe, aber dort etwa nach einiger Zeit (aber vor Vollendung des 27. Lebensjahres) zu der Auffassung komme, dass eine weitere Ausbildung bzw. Zusatzqualifikation zumindest aus subjektiver Sicht förderlich oder jedenfalls interessant wäre. Schließlich seien auch Fälle nicht auszuschließen, in denen wiederum vor dem 27. Lebensjahr trotz eindeutig „abgeschlossener“ Berufsausbildung und sogar praktischer Tätigkeit in dem entsprechenden Beruf auf einmal die persönlichen Interessen und Neigungen einen neuen Impuls erfahren würden und eine erneute, andere Ausbildung begonnen werde. Dabei sei sicher die Grenze dessen, was noch als „Ergänzung“ der konkret in Rede stehenden Berufsausbildung bzw. einer anderen „neuen“ Berufsausbildung zugehörig anzusehen sei, abstrakt kaum eindeutig zu ziehen. Das Bundessozialgericht habe in diesem Zusammenhang entschieden, dass – bezogen auf die Unfallversicherung – vor Erreichen der Altersgrenze nicht nur Ergänzungsausbildungen, sondern auch „Zweitausbildungen“ aufgrund eines neu gefassten Berufswunsches, zur weiteren bzw. erneuten Leistungsberechtigung führten. Wenn aber – wie vorliegend – ein weiterer Ausbildungsabschnitt nicht zwingender oder zumindest nach objektiven Maßstäben der Verkehrsanschauung üblicher Teil einer insgesamt berufsqualifizierenden Ausbildung sei, würde die Annahme der bloßen Möglichkeit – wie es der Beklagte offensichtlich tue –, dass das Kind vor dem 27. Lebensjahr ergänzend oder wieder eine weitere Berufsausbildung aufnehmen würde, de facto zu einem völligen Leerlaufen der Zuschlagsberechtigung nach § 17 Abs. 5 VS führen. Denn absolut zuverlässig wäre (vor Erreichen der ohnehin geltenden Altersgrenze) nie auszuschließen, dass das entsprechende Kind eine ergänzende oder auch andere Ausbildung (wieder) aufnehmen würde. Dies gelte umso mehr unter den aktuellen Verhältnissen, in denen oftmals Ausbildungen unterbrochen, Berufswünsche geändert oder andere Bildungswege von jungen Menschen gewollt würden bzw. die frühere starre Trennung zwischen Berufsausbildung und anschließendem Eintritt in das Berufsleben zunehmend durch den Gedanken des „ständigen Lernens“ ersetzt werde. Eine solche Auslegung der genannten Vorschriften der Satzung sei widersinnig; sie benachteilige auch Eltern vor dem Hintergrund des Art. 6 GG ungebührlich, selbst wenn durchaus nachvollzogen werden könne, dass versicherungsmathematisch die auch nur potenzielle Belastung der Versichertengemeinschaft durch eine mögliche Waisenrente ein zu berücksichtigender Faktor sein könne.
6Dieser Befund werde auch durch die Regelungen des § 23 Abs. 3 der Satzung gestützt. Danach erlösche der Anspruch auf Waisenrente vor Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Ausbildung für einen anerkannten Beruf abgeschlossen sei. Des Weiteren werde dort – zutreffend – entsprechend der Verkehrsanschauung danach differenziert, ob es sich um einen mehrstufigen Studiengang mit lediglich integrativen Stufen einer einheitlichen Berufsausbildung oder um eine sogenannte Zweitausbildung handele, welche den Anspruch auf Waisenrente nicht erneut entstehen lasse. Auch vor diesem Wertungshintergrund könne allein die abstrakte Möglichkeit, dass aufbauend auf den Bachelorstudiengang „Soziale Arbeit“ ein späterer Master-Studiengang nicht ausgeschlossen werden könne, den Anspruch auf den Zuschlag nicht entfallen lassen.
7Schließlich sei auch auf den gleichsam spiegelverkehrten Fall der steuerlichen Berücksichtigung von Kindern hinzuweisen. Der BFH habe hierzu entschieden, dass es bei mehraktigen Ausbildungsmaßnahmen darauf ankomme, ob aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar (sei), dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersterlangten Abschluss beendet habe. Gerade dies sei hier aber der Fall. Insbesondere liege auch kein sog. konsekutives Master-Studium i. S. v. § 19 Abs. 4 des Hochschulrahmengesetzes vor. Betreffe die steuerrechtliche bzw. kindergeldrechtliche Einordnung zwar ein anderes, wenn auch benachbartes Rechtsgebiet, so unterstütze doch auch diese Wertung die hier zu entscheidende Frage. Nur dann, wenn das – vom Beklagten hypothetisch in den Raum gestellte – Master-Studium tatsächlich nach der Verkehrsanschauung notwendiger oder zumindest üblicher Teil einer einheitlichen Berufsausbildung der Tochter R. wäre, könnte sich hieraus die Versagung des Zuschlages nach § 17 Abs. 5 VS rechtfertigen lassen. Da hier aber sowohl nach der allgemeinen Verkehrsanschauung wie auch den konkreten Umständen ein gedachtes Master-Studium nicht die entsprechende Qualität habe (und wahrscheinlich der Beklagte, würde die Tochter R. dieses später gleichwohl ergreifen oder eine anderweitige zusätzliche oder ergänzende Ausbildung, unter Verweis auf § 23 Abs. 3 der Satzung auch gerade eine Waisenrente versagen würde), sei der Zuschlag nach § 17 Abs. 5 VS zu gewähren.
8Maßgeblich für die Satzungsregelung sei die versicherungsmathematische Frage, ob der entsprechende Zuschlag (der als solcher nicht durch sozial- oder unterhaltsrechtliche Aspekte determiniert werde, sondern durch ein abstrakt in Betracht kommendes und mathematisch berechenbares Leistungsrisiko, welches die Gemeinschaft der Mitglieder des Versorgungswerkes wirtschaftlich zu tragen habe) hier gegeben oder in Fortfall geraten sei. Die Satzung differenziere allein danach, ob nach der Verkehrsanschauung ein mehrstufiger und der Sache nach ein einheitlicher Studiengang vorliege, oder eine – hier potenzielle – Zweitausbildung. Vorliegend wäre ein gedachtes Master-Studium gerade nicht lediglich die integrale Fortsetzung der mit dem Bachelor-Studium abgeschlossenen – praxisorientierten – Ausbildung mit entsprechender Berufsqualifikation, sondern vielmehr ein Wechsel von der berufspraktischen Ausrichtung der bisherigen Ausbildung (und auch tatsächlich aufgenommenen Tätigkeit) im Rahmen der sozialen Arbeit hin zu einer wissenschaftlichen oder lehrenden Tätigkeit in diesem Bereich. Umgekehrt fordere zwar der (gedachte) Master-Studiengang „Bildung und soziale Arbeit“ einen vorherigen Bachelor-Abschluss, welcher sich aber gerade nicht ausschließlich auf ein entsprechendes Studium in sozialer Arbeit beziehen müsse. Neben einem Bachelor-Abschluss in sozialer Arbeit sei z.B. auch ein pädagogischer Abschluss oder der akademische Grad eines Diplom-Sozialarbeiters/Diplom-Sozialarbeiterin bzw. Diplom-Sozialpädagogen/Diplom-Sozialpädagogin hinreichend.
9Der Kläger beantragt,
10den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 28. April 2023 die Altersrente ab dem 1. Mai 2023 unter Berücksichtigung eines Zuschlages von 20 % gem. § 17 Abs. 5 der Satzung des Beklagten neu festzusetzen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er trägt vor: Für die Gewährung des Ledigenzuschlages nach § 17 Abs. 5 VS sei kein Raum. Die Tochter des Klägers, die am 21. April 2023 mit der Gesamtnote „Gut“ (1,9) den Abschluss Bachelor of Arts im Studienfach Soziale Arbeit erworben habe, sei damit grundsätzlich berechtigt sich für den Abschluss Master of Arts zu bewerben. Ein insoweit aufbauender Studiengang könne sich unmittelbar an den Bachelorabschluss anschließen, müsse dies jedoch keinesfalls zwingend. Nach § 23 Abs. 1 VS erhielten nach dem Tod des Mitgliedes seine Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Waisenrente. Über diesen Zeitpunkt hinaus werde diese Rente längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres für das Kind gewährt, das sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befinde. Nach Abs. 3 der Vorschrift erlösche der Anspruch auf Waisenrente wegen Berufsausbildung vor Vollendung des 27. Lebensjahres, sobald die Ausbildung für einen anerkannten Beruf abgeschlossen sei oder feststehe, dass sie nicht mehr abgeschlossen werden könne. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt, den Beginn der vom Kläger bezogenen Regelaltersrente (01.05.2023), habe mit Blick auf das Alter seiner Tochter nicht festgestanden, dass der Anspruch auf Waisenrente nach § 23 Abs. 3 Satz 1 VS erloschen sei. Die Tochter des Klägers könne (und allein dies sei entscheidend) nach wie vor und dies auch noch vor Vollendung ihres 27. Lebensjahres am 00. Mai 0000 mit einem Masterstudiengang, der auf ihren Bachelorstudiengang aufbaue, beginnen. Im Falle des Versterbens des Klägers im verbleibenden zeitlichen Rahmen von knapp drei Jahren wäre seine Tochter waisenrentenberechtigt. Nicht entscheidend sei, ob nach den Vorstellungen der Tochter des Klägers oder aber nach den Vorstellungen des Klägers selbst ein entsprechend aufbauender Studiengang geboten oder aber sinnvoll erscheine. Entscheidend sei ausschließlich, dass die Tochter des Klägers das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und insoweit ein aufbauender Studiengang bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres grundsätzlich möglich sei. Es komme insoweit allein auf die abstrakte Möglichkeit der Inanspruchnahme von Hinterbliebenenleistungen an. Insoweit sei die Auffassung des Klägers, es sei eher eine versicherungsmathematische Frage, ob der entsprechende Zuschlag gegeben oder in Fortfall geraten sei, nicht korrekt. Das Satzungskonstrukt stelle den Zuschlag nicht als Regelfall, sondern als Ausnahme bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen dar. Darüber hinaus ergebe sich gerade aus § 23 Abs. 3 VS, dass, wenn die im Mai 0000 geborene Tochter des Klägers vor Vollendung ihres 27. Lebensjahres einen Masterstudiengang (hier Master of Arts) aufnehme, es sich gerade nicht um eine Zweitausbildung handle. Ein Masterstudium setze grundsätzlich nicht nur die Hochschulreife, sondern auch ein abgeschlossenes Bachelorstudium voraus. Insoweit sei die Konstellation mit einer Meisterausbildung vergleichbar, zu der ohne Erwerb des Gesellenbriefes der fraglichen Ausbildungsrichtung kein Zugang bestehe. Bestehe aber zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung die abstrakte Möglichkeit einer Hinterbliebenenleistung, sei der Anspruch auf Gewährung des Ledigenzuschlages nach § 17 Abs. 5 VS nicht entstanden. Die Beweislast für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zur Gewährung des Ledigenzuschlages liege beim Kläger, da es sich um eine Leistungsvoraussetzung handle. Es sei nicht Aufgabe des Beklagten, den sogenannten Negativnachweis zu führen. Insoweit müsse es dabei bleiben, dass bei Beginn der Altersrente des Klägers das Risiko für die Solidargemeinschaft bestanden habe, zur Zahlung einer Hinterbliebenenrente herangezogen zu werden. Nach der zum Beurteilungszeitpunkt maßgeblichen ex-ante Sicht handle es sich um ein nach der Lebenserfahrung im Raum stehendes Risiko einer zukünftigen Verpflichtung zur Gewährung einer Waisenrente. Allein dies sei entscheidend.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
16Die zulässige Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) auf Festsetzung einer höheren Altersrente hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Zuschlags in Höhe von 20 Prozent zu der mit Bescheid vom 28. April 2023 festgesetzten Altersrente (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
17Gemäß § 17 Abs. 5 Satz 1 der Satzung des S. vom 16. Juli 1985, zuletzt geändert durch die 34. Satzungsänderung vom 14. August 2023 (im Folgenden: VS) erhält das versorgungsberechtigte Mitglied auf Antrag einen Zuschlag in Höhe von 20 vom Hundert zu der festgesetzten Altersrente, beginnend mit dem Monat, in dem der Antrag beim Versorgungswerk eingeht, wenn nach schriftlicher Erklärung des Mitgliedes bei Beginn der Altersrente keine sonstigen rentenbezugsberechtigten Personen vorhanden sind und das Mitglied keine Berufsunfähigkeitsrente bezog oder bezieht.
18Bedenken gegen die Wirksamkeit der Satzungregelung bestehen nicht. Dem beklagten Versorgungswerk steht ein weites Ermessen bei der Ausgestaltung der Satzungsbestimmungen zu; dies gilt insbesondere für den hier streitgegenständlichen sogenannten Ledigenzuschlag, der pauschal in Höhe von 20 % der Altersrente gewährt wird und bei dem es sich um ein zusätzliches Element der Altersrente, das nicht auf einer dem einzelnen Mitglied individuell zurechenbaren Leistung beruht, handelt.
19Den erforderlichen Antrag hat der Kläger (zeitgleich mit dem Rentenantrag) unter dem 10. April 2023 gestellt. Berufsunfähigkeitsrente bezog und bezieht der Kläger nicht. Die schriftliche Erklärung, dass bei Beginn der Altersrente keine sonstigen rentenbezugsberechtigten Personen vorhanden sind, hat der Kläger zwar im Formularantrag vom 10. April 2023 abgegeben, allerdings – wie sich aus seinem dem Antrag beigefügten Anschreiben vom 15. April 2023 ergibt – unter dem Vorbehalt der telefonisch mit dem Beklagten vorab besprochenen Frage, ob mit Blick auf den Ausbildungsstand der Tochter R. der Zuschlag gewährt werden kann und unter Vorlage einer Leistungsübersicht der Universität C., nach der das Studium der Tochter im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht beendet war.
20Die Anspruchsvoraussetzungen des § 17 Abs. 5 Satz 1 VS liegen nicht vor, weil die am 00. Mai 0000 geborene Tochter des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns der Altersrente des Klägers am 1. Mai 2023 einen potentiellen Anspruch auf Waisenrente gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 VS hatte. Es ist damit – bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns der Altersrente - eine im Sinne der Satzung (hinzuzulesen: im Falle des Vorversterbens des Mitglieds) rentenbezugsberechtigte Person vorhanden.
21Ein Verzicht auf die Geltendmachung eines etwaigen Waisenrentenanspruchs führt – unabhängig davon, dass der Beklagte Teil der sogenannten Ersten Säule des Alterssicherungssystems ist, ihm die gesetzliche Pflichtaltersversorgung seiner Mitglieder sowie ihrer Hinterbliebenen obliegt und die Satzung keinen Verzicht regelt, was für die Unwirksamkeit eines solchen spricht – jedenfalls deshalb nicht zum Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung, weil der Wortlaut des § 17 Abs. 5 Satz 1 VS eindeutig allein auf das Vorhandensein von „rentenbezugsberechtigten Personen“ abstellt. Der Anspruch auf den Zuschlag ist damit unabhängig davon, ob die Tochter R. beabsichtigt, ihr (antragsabhängiges) Recht geltend zu machen.
22Vgl. zur Unwirksamkeit eines Verzichts: OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. April 2016 – 8 LA 70/15 -, juris Rn 9ff; VG Hannover, Urteil vom 6. Februar 2015 – 5 A 9956/14 -, beck-online m.w.N.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 4. Mai 2009 – 8 LA 63/09 -, juris Rn 4.
23Gemäß § 23 Abs. 1 VS erhalten Waisenrente nach dem Tode des Mitgliedes seine Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Über diesen Zeitpunkt hinaus wird die Waisenrente längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres für dasjenige Kind gewährt, das sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet oder das bei Vollendung des 18. Lebensjahres infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, so lange dieser Zustand andauert. Gemäß § 23 Abs. 3 VS erlischt der Anspruch auf Waisenrente wegen Berufsausbildung gemäß Absatz 1 vor Vollendung des 27. Lebensjahres, sobald die Ausbildung für einen anerkannten Beruf abgeschlossen ist oder feststeht, dass sie nicht mehr abgeschlossen werden kann. Die Aufnahme einer weiteren oder anderen Ausbildung, bei der es sich nach der Verkehrsanschauung nicht um eine auf der vorausgegangenen begonnenen oder beendeten Ausbildung aufbauenden Vorbereitung für die nächsthöhere Stufe ein- und desselben anerkannten Ausbildungsberufes handelt (Zweitausbildung), läßt den Anspruch auf Waisenrente nicht erneut entstehen.
24Die am 00. Mai 0000 geborene Tochter des Klägers war im maßgeblichen Zeitpunkt des Rentenbeginns des Klägers am 1. Mai 2023 dreiundzwanzig Jahre alt. Den Bachelorstudiengang Soziale Arbeit der Universität C. schloss sie mit dem Bachelor of Arts (B.A.) und der Gesamtnote gut (1,9) am 21. April 2023 (Prüfungsdatum) ab. Ausweislich der auf der Website der Universität C. verfügbaren Informationen berechtigt ein Bachelor Soziale Arbeit, mindestens mit der Note „gut“ (2,5) zum Masterstudium Bildung und Soziale Arbeit. Zahlreiche weitere Hochschulen bieten ebenfalls entweder einen klassischen Master Soziale Arbeit oder sogenannte Schwerpunkt-Master an. Die Website https://www.gesundheit-studieren.com listet beispielsweise zahlreiche Hochschulen, die einen Master Soziale Arbeit anbieten.
25Da die Tochter des Klägers mit dem Masterstudium Soziale Arbeit im maßgeblichen Zeitpunkt des Rentenbeginns am 1. Mai 2023 eine weitere Ausbildung hätte absolvieren können und es sich dabei um eine nach der Verkehrsanschauung auf die vorausgegangene beendete Ausbildung (Bachelor Soziale Arbeit) notwendig aufbauende Vorbereitung für die nächsthöhere Stufe ein- und desselben anerkannten Ausbildungsberufes handelt (keine Zweitausbildung), ist sie eine waisenrentenbezugsberechtigte Person im Sinne der Satzung. Denn gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 VS erlischt der Waisenrentenanspruch im Falle der Aufnahme einer weiteren Ausbidlung vor Vollendung des 27. Lebensjahres nur dann, wenn es sich um eine Zweitausbildung im Sinne der Satzung handelt. Diese wird satzungsrechtlich definiert als Ausbildung, bei der es sich nach der Verkehrsanschauung nicht um eine auf der vorausgegangenen begonnenen oder beendeten Ausbildung aufbauenden Vorbereitung für die nächsthöhere Stufe ein- und desselben anerkannten Ausbildungsberufes handelt. Nach dieser satzungsrechtlichen Definition des Begriffs der Zweitausbildung – Bedenken, dass die Definition nicht von der Satzungsautonomie gedeckt ist, sind weder vorgetragen noch ersichtlich - sind für die Frage, ob eine Zweitausbildung vorliegt, weder die in der Finanzgerichtsbarkeit mit Blick auf steuerrechtliche Aspekte, noch die in der ordentlichen Gerichtsbarkeit zum Unterhaltsrecht entwickelten Grundsätze zur Abgrenzung einer Erst- und Zweitausbildung von Belang.
26Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. April 2023 – 17 E 192/23 – und vom 27. Oktober 2022 – 17 A 3055/20 -, jeweils zum Leistungsanspruch auf Gewährung einer Halbwaisenrente.
27Auch das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist insoweit nicht heranzuziehen, denn dieses regelt in § 7 Abs. 1a BAföG ausdrücklich, dass ein Masterstudium im Anschluss an ein Bachelorstudium gefördert werden kann, wobei der Master als Zugangsvoraussetzung den Abschluss (irgend)eines Bachelorabschlusses voraussetzen, aber kein fachlicher Zusammenhang zwischen Bachelor und Master bestehen muss; weiter muss der Master selbst berufsqualifizierend sein und sich in einem vorbestimmten Zeitrahmen bewegen (2 - 4 Semester Vollzeitstudium).
28Maßgebend nach der Satzung ist dagegen allein, ob es sich um eine nach der Verkehrsanschauung auf die vorausgegangene beendete Ausbildung (hier: Bachelor Soziale Arbeit) notwendig aufbauende Vorbereitung für die nächsthöhere Stufe (1.) ein- und desselben anerkannten Ausbildungsberufes (2.) handelt. Genau dies ist hier aber der Fall.
29(1.) Entgegen dem Vortrag des Klägers handelt es sich beim Masterstudiengang Soziale Arbeit um einen sogenannten konsekutiven Studiengang im Sinne des § 19 Abs. 4 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) und damit um eine nach der Verkehrsanschauung auf die vorausgegangene beendete Ausbildung (Bachelor Soziale Arbeit) notwendig aufbauende weitere Ausbildung.
30Ein konsekutiver Master-Studiengang baut auf einem speziellen (tatsächlich abgeschlossenen) Bachelor-Studiengang auf, dem er zeitlich nachfolgt. Er kann den Bachelor-Studiengang (in derselben Fachrichtung) fortführen und vertiefen. Er kann aber auch den Bachelor-Studiengang (im Interesse einer Stärkung der Interdisziplinarität) fächerübergreifend erweitern. Im Gegensatz dazu setzen weiterbildende Master-Studiengänge nach einem berufsqualifizierenden Hochschulabschluss qualifizierte berufspraktische Erfahrungen voraus, die in der Regel nicht unter einem Jahr liegen. Die Inhalte des weiterbildenden und nicht notwendig fachidentischen Master-Studiengangs sollen an Erfahrungen während einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit anknüpfen.
31Vgl. Liceni-Kierstein, Bachelor- und Masterstudium – einheitlicher Ausbildungsgang oder Doppelstudium?, FamRZ 2011, 526, 527, juris.
32Ob und unter welchen Voraussetzungen (auch) ein weiterbildender Master-Studiengang nach der Verkehrsanschauung noch als Erstausbildung im Sinne der Satzung zu qualifizieren wäre, bedarf keiner Entscheidung. Denn der Masterstudiengang Soziale Arbeit setzt einen ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschluss der Sozialen Arbeit oder eines vergleichbaren Studiengangs voraus und baut auf diesem auf. Die Hochschule RheinMain bezeichnet den Master of Arts Soziale Arbeit auf ihrer Website explizit als konsekutiven, zulassungsbeschränkten Masterstudiengang. Während der Bachelor Soziale Arbeit Grundkenntnisse in Bereichen wie Erziehungswissenschaften, Pädagogik, angewandte Psychologie, Soziologie und Sozialpolitik vermittelt,
33vgl. uni-siegen.de, Bachelorstudiengänge, Soziale Arbeit
34werden im klassischen Masterstudiengang Soziale Arbeit insbesondere Themen wie Instrumente zur Finanzierung sozialer Dienstleistungen, strategische Organisationsentwicklung, Rechtsgrundlage sozialer Dienstleistungen und Zivilrecht, soziale Sicherung im internationalen Vergleich, Sozialraumplanung in der Stadtentwicklung behandelt. Der an der Universität C. angebotene (klassische) Masterstudiengang wird auf deren Website wie folgt beschrieben:
35„Aufbauend auf einer breiten sozialpädagogischen Fundierung des Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit soll in dem Masterstudiengang die erziehungswissenschaftliche und sozialpädagogische Perspektive des Studiums weiter vertieft und durch starke Theorie- wie Forschungsbezüge ausgebaut werden. Ziel ist der Erwerb von fundierten fachwissenschaftlichen Kenntnissen und Kompetenzen für professionelle Tätigkeiten im Bereich Leitung, Planung, Entwicklung und Evaluation innerhalb pädagogischer bzw. sozialpädagogischer Arbeitsfelder. Im Unterschied zu spezialisierenden Masterstudiengängen verfolgt das Siegener Studienmodell die Linie einer breiten fachwissenschaftlichen und forschungspraktischen Perspektive, die für eine Vielzahl von beruflichen Tätigkeiten Möglichkeiten eröffnet (z.B. Stabsstellen als Jugendhilfeplaner, freiberufliche Tätigkeit im Weiterbildungsmanagement bzw. in der Bildungsplanung oder Mitarbeit in spezialisierten Beratungsdiensten).“
36(2.) Es handelt sich nach der Verkehrsanschauung um die Vorbereitung für die nächsthöhere Stufe „ein- und desselben anerkannten Ausbildungsberufes“ i.S.d. Satzung. Dass dieser satzungsrechtliche Begriff nicht nur anerkannte Ausbildungsberufe im Sinne des § 4 des Berufsbildungsgesetzes erfasst,
37vgl. hierzu auch das vom Bundesinstitut für Berufsausbildung herausgegebene, jährlich erscheinende Verzeichnis der – aktuell 328 – anerkannten Ausbildungsberufe in Industrie und Handwerk, im öffentlichen Dienst, in der Hauswirtschaft, der Landwirtschaft, der Seeschifffahrt und in den freien Berufen,
38sondern auch (gegebenenfalls aufeinander aufbauende) Studiengänge, die zu einem nach der allgemeinen Verkehrsauffassung anerkannten Beruf führen, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 23 Abs. 3 VS, die einen Waisenrentenanspruch grundsätzlich bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres sichern will, solange sich das Kind noch in Ausbildung – welcher Art auch immer - befindet. Dieser Anspruch soll nur ausnahmsweise entfallen, wenn es sich um eine – satzungsrechtlich definierte - Zweitausbildung handelt. Auch die Regelung in § 23 Abs. 3 Satz 3 VW, wonach der einmalige Wechsel des „Ausbildungsberufes“ grundsätzlich unschädlich ist, weist darauf hin, dass mit dem Begriff des Ausbildungsberufes auch Studiengänge erfasst werden sollen.
39Der Bachelorstudiengang Soziale Arbeit führt grundsätzlich zum Beruf des Sozialpädagogen, denn mit dem Bachelorabschluss ist regelmäßig (bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen) die staatliche Anerkennung als Sozialpädagoge verbunden (vgl. § 1 Sozialberufe-Anerkennungsgesetz – SobAG). Der Kläger weist auch zu Recht darauf hin, dass der Bachelorabschluss Soziale Arbeit (noch) als Regelabschluss in der Sozialen Arbeit angesehen wird. Dies ändert aber nichts daran, dass der darauf aufbauende Masterabschluss auf die nächsthöhere Stufe des Sozialpädagogen vorbereitet, indem er die Grundlage für die Wahrnehmung anspruchsvollerer oder leitender Positionen im sozialen Bereich schafft. Auch übt nach der Verkehrsanschauung ein Sozialpädagoge, der aufgrund des erworbenen Masters eine leitende Position beispielsweise als Geschäftsführer einer sozialen Einrichtung innehat, weiter den Beruf des Sozialpädagogen aus.
40Damit stand der Tochter des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns der Altersrente des Klägers – potentiell – ein Waisenrentenanspruch zu, der den Anspruch des Klägers auf den begehrten Ledigenzuschlag entfallen lässt.
41Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
42Die Berufung wird gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.