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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
2Der 1956 geborene Kläger stand seit 1973 als Polizeibeamter im Dienst des beklagten Landes und wurde mit Ablauf des 30. Juni 2021 in den Ruhestand versetzt. Er begehrt die Anerkennung seiner Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit.
3Am 3. August 2020 erstattete die den Kläger behandelnde Ärztin eine Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit bei dem Polizeiärztlichen Dienst und diagnostizierte „Plattenepithelcarzinome Kopfhaut 08/18 und 07/16 und Unterarm li. 03/2019 und Carcinoma in situ Kopfhaut und Gesicht rezidivierend“. Das Amt bat den Kläger unter dem 14. September 2021 um Mitteilung, inwiefern er in der Ausübung seines Dienstes besonders der Gefahr einer Erkrankung an Plattenepithelkarzinomen ausgesetzt gewesen sei und warum es ihm nicht möglich gewesen sei, sich entsprechend vor Sonnenstrahlung zu schützen. Der Kläger entgegnete am 29. Dezember 2021, ein Schutz vor Sonneneinstrahlung sei in Ausübung des Dienstes nicht möglich gewesen, da durch den Dienstherrn weder entsprechende Schutzkleidung noch Sonnenschutzmittel zur Verfügung gestellt worden seien.
4Seine Ärztin ergänzte unter dem 25. August 2022, dass bei ihm 2018 am Kopf und 2019 am linken Unterarm Karzinome diagnostiziert und operativ entfernt worden seien. Zudem habe der Kläger rezidivierend Carcinomata in situ am Kopf, dem Gesicht und den Armen, also an den lichtbelasteten Stellen. Laut ihren Informationen durch den Kläger habe keine Aufklärung bzgl. der Notwendigkeit von Lichtschutz durch die Dienststelle vorgelegen und es sei auch kein Lichtschutz gestellt worden.
5Der Kläger verwies mit Schreiben vom 23. September 2022 auf die Angaben seiner Ärztin und führte weiter aus, dass er während seiner gesamten Dienstzeit mit Außendiensttätigkeiten betraut gewesen sei. Nach der Ausbildung sei er von 1976 bis 1994 nahezu ausschließlich als Posten- und Streifenbeamter verwendet worden. Auch in den Folgejahren als Kommissar im Ermittlungsdienst hätte er regelmäßig im Außendienst gearbeitet und sei einer hohen Gesamt-UV-Belastung ausgesetzt gewesen. Seitens des Dienstherrn habe es keine Aufklärung gegeben oder eine Dienstanweisung zur Notwendigkeit von Sonnenschutz und zum Tragen von Kopfbedeckungen. Während der gesamten Dienstzeit habe keine Unterweisung zum Umgang mit UV-Strahlung, Sonnenschutzmitteln oder Sonnenschutzkleidung stattgefunden.
6Mit Bescheid vom 9. Dezember 2022 lehnte das Amt den Antrag auf Anerkennung der klägerischen Erkrankungen als Berufskrankheit ab. Zwar könne eine Erkrankung an Carcinomata in situ grundsätzlich unter Nr. 5102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) als Erkrankung an Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen fallen; einschränkende Voraussetzung, die vorliegend nicht erfüllt sei, sei jedoch die Verursachung durch Ruß, Teer oder ähnliche Stoffe. Ebenso könnten Plattenepithelkarzinome durch natürliche UV-Strahlung nach Nr. 5103 als Berufskrankheit anerkannt werden. Dafür müsste der betroffene Beamte der Gefahr der Erkrankung aber besonders ausgesetzt sein, also eine dienstliche Tätigkeit ausüben, die erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung infolge des Dienstes mit sich bringt. Daran fehle es bei Polizeibeamten im Außendienst, so dass es wahrscheinlich an der individuellen körperlichen Veranlagung des Klägers liege, derart zu erkranken. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass er sich die Erkrankung außerhalb des Dienstes zugezogen habe.
7Mit anwaltlich begründetem Widerspruch vom 27. Dezember 2022 erläuterte der Kläger, dass er seit 2018 an Hautkrebs erkrankt sei und diese Erkrankung als Berufskrankheit anzuerkennen sei. Ursächlich sei die dienstliche Tätigkeit im Polizeivollzugsdienst. Während der annähernd 46-jährigen Dienstzeit habe er weit über die Hälfte im Außendienst gearbeitet, sowohl im Posten- und Streifendienst als auch bei der Kriminalpolizei. In den ersten Dienstjahren sei das Tragen einer Kopfbekleidung nicht angeordnet gewesen, zudem habe er seine Tätigkeit in späteren Jahren in Zivil ausgeübt. Schließlich habe es Anweisungen gegeben, im Sommer ein Hemd mit kurzem Arm zu tragen. Eine besondere Aufklang über die Gefahren durch UV-Strahlung habe es nicht gegeben, ebenso keine Schutzkleidung. Familiär sei er nicht vorbelastet, habe aber seit seinem 24. Lebensjahr kein Haupthaar mehr. Privat habe er die Sonne gemieden, sportlich habe er sich als Hallenhandballer betätigt, und bei Urlauben habe er sich nie ungeschützt der Sonne ausgesetzt.
8Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2023 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Die Tätigkeit von Polizeivollzugsbeamten im Außendienst berge erfahrungsgemäß keine hohe Wahrscheinlichkeit, an Hautkrebs zu erkranken. Es fehle der erforderliche Nachweis einer Vielzahl an Referenzfällen, obwohl in Deutschland täglich eine große Anzahl an Polizeibeamten im Außendienst tätig sei.
9Der Kläger hat am 25. Oktober 2023 Klage erhoben und ausgeführt, im Juli 2016 habe man bei ihm Hautkrebs diagnostiziert und diesen operativ entfernt. Er habe seine Urlaube seit dem Jahr 2000 nur noch in Deutschland verbracht, und zuvor jeweils einmal an der belgischen, niederländischen und französischen Küste. Er habe einen Anspruch auf Anerkennung seiner Erkrankung als Berufskrankheit, denn maßgeblich sei, dass er neben der privaten natürlichen UV-Exposition zusätzlich eine mindestens 40-prozentige berufliche UV-Exposition zu verzeichnen habe. Damit könne man ihn mit einem Fährmann vergleichen, bei dem nach einem Urteil des LSG Niedersachsen vom 18. Dezember 2019 (L 3 U 1/17) die Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit anerkannt worden sei.
10Der Kläger beantragt,
11das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Dezember 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2023 zu verpflichten, seine Erkrankungen an Plattenepithelkarzinomen sowie an Carcinomata in situ entsprechend seinem Antrag vom 3. August 2022 als Berufskrankheit anzuerkennen.
12Das beklagte Land beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Unter Verweis auf die ablehnenden Bescheides ergänzt es, dass nach Nr. 5102 der Anlage 1 zur BKV Hautkrebs in Form der Carcinomata in situ durch Ruß, Rohparaffin, Teer oder ähnliche Stoffe verursacht werden müsse, und die Sonnenstrahlung kein ähnlicher Stoff sei. Dies habe das OVG NRW bereits mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 (1 A 1901/14) im Falle eines an Hautkrebs erkrankten Postbeamten entschieden. Bei der weiteren Erkrankung an Plattenepithelkarzinomen sei eine Anerkennung als Berufskrankheit nach Nr. 5103 der Anlage 1 zur BKV zwar möglich. Hierfür müssten aber die Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 Satz 1 LBeamtVG vorliegen. Danach müsse der Beamte nach Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt sein. Die sei bei Polizeibeamten nicht der Fall. Die beschriebene Anerkennung einer Krebserkrankung als Berufskrankheit sei bei einem Fährmann erfolgt, der durch seine Tätigkeit auf dem Wasser besonderen Einflussfaktoren wie der spiegelnden Wasseroberfläche über 17 Jahre ausgesetzt gewesen sei.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
17Die zulässige Klage ist unbegründet.
18Der Bescheid vom 9. Dezember 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung seiner Erkrankungen als Berufserkrankung, vgl. § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO.
19Erkrankt ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit, so gilt dies nach § 36 Abs. 3 Satz 1 LBeamtVG als Dienstunfall, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Gemäß § 36 Abs. 3 Satz 3 LBeamtVG ergeben sich die in Betracht kommenden Krankheiten aus der Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 in der jeweils geltenden Fassung.
20Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber der häufig schwierigen Beweislage des Beamten sowie dem Umstand Rechnung getragen, dass sich Ort und Zeitpunkt der Erkrankung grundsätzlich nicht mit der erforderlichen Genauigkeit bestimmen lassen. Demnach gelten diejenigen Krankheiten, die in der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung aufgeführt sind, fiktiv als Dienstunfälle, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind, es sei denn, es kann festgestellt werden, dass der Beamte sich die Krankheit nicht infolge der beruflichen Tätigkeit zugezogen hat.
21Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2006 - 2 B 46.05 -, juris, Rn. 6; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 1986 - 4 S 2468/85 -, ZBR 1986, 277; OVG NRW, Beschluss vom 13. Oktober 2010 - 1 A 3299/08 -, juris.
22Nach Nr. 5102 der Anlage 1 der BKV stellen Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen - die Carcinomata in situ - nur dann eine Berufskrankheit dar, wenn sie durch Ruß, Rohparaffin, Teer oder ähnliche Stoffe verursacht wurden.
23Dass Hautkrebs nur dann eine Berufskrankheit iSd. Verordnung darstellt, wenn zusätzlich eine der in Nr. 5102 genannten Krankheitsursachen gegeben ist, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Berufskrankheiten-Verordnung allgemein und hier speziell der Nr. 5102. Dieser Sinn und Zweck besteht darin, nur die gleichsam berufstypischen Erkrankungen zu erfassen, nicht aber jedwede Allgemeinerkrankung. Hautkrebs als solcher stellt aber eine Allgemeinerkrankung im vorgenannten Sinne dar. Denn eine Erkrankung an dieser Krankheit kann auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden (insbesondere: genetische Faktoren, starke Belastung mit UV-Strahlung).
24Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 1 A 1901/14 -, juris Rn. 6.
25Danach liegen die Voraussetzungen von Nr. 5102 - wie das beklagte Land bereits zutreffend ausgeführt hat - bei dem Kläger nicht vor, weil es nicht um Verursachungen durch Ruß, Teer, Rohparaffin oder ähnliche Stoffe geht.
26Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass seine Erkrankung an Plattenepithelkarzinomen durch natürliche UV-Strahlung als Berufskrankheit anerkannt wird. Zwar erfüllt der Kläger mit seiner Erkrankung die Nr. 5103 der Anlage 1 zur BKV, die Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 Satz 1 LBeamtVG liegen aber nicht vor.
27Der Wortlaut der Vorschrift verlangt, dass der Beamte nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt ist. Das Erkrankungsrisiko des Beamten muss im entscheidenden Maße wesentlich höher sein als das der allgemeinen Bevölkerung.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Oktober 2010 - 1 A 3299/08 -, juris, Rn. 38, m.w.N.
29Ein Beamter ist nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an einer bestimmten Krankheit "besonders ausgesetzt", wenn die konkrete dienstliche Tätigkeit des Beamten ihrer Art nach erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit gerade dieser Erkrankung in sich birgt. Anhaltspunkte dafür bietet die aus einer Vielzahl von Fällen gewonnene Erfahrung, dass Beamte, die die fragliche Tätigkeit ausüben, unter den gegebenen Umständen dem besonderen Risiko ausgesetzt sind, sich eine bestimmte Krankheit zuzuziehen. Die besondere Gefährdung muss also unabhängig von der individuellen Veranlagung des einzelnen Beamten für die konkret auszuführenden dienstlichen Verrichtungen unter den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen typisch und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sein. Die Feststellung der erhöhten Wahrscheinlichkeit setzt den Nachweis einer Vielzahl von Referenzfällen entsprechender Erkrankungen bei der jeweiligen beruflichen Tätigkeit voraus.
30Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juni 2015 - 23 K 2446/14 -, juris Rn. 49, m.w.N., zur Schwerhörigkeit eines Feuerwehrbeamten.
31Davon kann bei Polizeibeamten im Außendienst - in Uniform oder in Zivil - nicht die Rede sein. Anders als der vom LSG Niedersachsen entschiedene Fall des Fährmanns auf dem Wasser bewegen sich Polizisten im Außendienst in unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten und ermitteln nicht nur bei strahlendem Sonnenschein im Freibad oder am See. Zudem gibt es keine Referenzfälle von Polizeibeamten, die aufgrund einer langjährigen Tätigkeit im Außendienst an Hautkrebs erkranken, obwohl das Thema Hautkrebs durch intensive UV-Strahlung seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit bekannt ist und entsprechend medial begleitet wird. So heißt es beispielsweise auf der Internetseite des Bundesamtes für Strahlenschutz, abgerufen am 8. April 2024:
32„In den letzten Jahrzehnten haben sich die durch UV-Strahlung verursachten Hautkrebserkrankungsfälle stetig erhöht. Die Inzidenz, also die Zahl der Neuerkrankungen, die in einem Jahr pro 100.000 Menschen auftreten, hat sich laut der onkologischen S3-Leitlinie "Prävention von Hautkrebs" für den hellen Hautkrebs in Deutschland in den letzten 30 Jahren vervier- (Männer) bis verfünffacht (Frauen). Laut dem Robert-Koch-Institut hat sich die Inzidenz für das maligne Melanom seit den 1970-er Jahren mehr als verfünffacht. Derzeit erkranken laut Statistik jährlich zwischen 280.000 bis 300.000 Menschen an Hautkrebs und rund 4000 Menschen versterben jährlich daran.“
33Es gehört auch zum Allgemeinwissen, dass man sich vor zu viel Sonne schützen soll, so dass sich der Kläger nicht auf eine fehlende Information durch seinen Dienstherrn vor den Gefahren der UV-Strahlung oder das Unterbleiben der Zurverfügungstellung von Sonnenschutzcreme oder (bei Zivilbeamten) der Kopfbedeckung berufen kann. Eine Pflicht, vor Gefahren des Alltags zu warnen, lässt sich dem besonderen Dienst- und Treuverhältnis nicht entnehmen. Angesichts seiner Besoldung bestand auch keine finanzielle Hürde, Sonnencreme aus eigenen Mitteln zu erwerben und zu gebrauchen sowie im zivilen Einsatz eine selbst erworbene Kopfbedeckung zu tragen.
34Schließlich hat der Kläger in der Widerspruchsbegründung ausgeführt, dass er sich im privaten Umfeld nie ungeschützt der Sonne ausgesetzt habe, so dass man davon ausgehen kann, dass ihm selbst das Hautkrebsrisiko bekannt war.
35Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.