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Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 17. November 2017 verpflichtet, den Antrag der Kläger vom 3. November 2017 auf zusätzliche straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zur weiteren Verkehrsberuhigung in dem verkehrsberuhigten Bereich Burgstraße / Vogelsangstraße in Stolberg unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
T a t b e s t a n d
2Die Kläger sind Eigentümer des Wohnhausgrundstücks Burgstraße 00 in Stolberg und begehren zusätzliche verkehrsrechtliche Maßnahmen zur weiteren Verkehrsberuhigung in der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen Burgstraße in Stolberg.
3Die Burgstraße ist Teil des ca. 560 m langen verkehrsberuhigten Straßenzugs Burgstraße / Vogelsangstraße im historischen Stadtkern der Stadt Stolberg. Sie war ursprünglich Teil einer Kreisstraße (K 6), die als Verbindungsstraße zwischen Stolberg und Eschweiler (Stadtteil Hastenrath) bzw. zu den Stadtteilen Donnerberg und Werth diente und erheblichen Durchgangsverkehr aufwies. Nachdem der historische Stadtkern im Jahr 1980 als Sanierungsgebiet festgelegt worden war, wurde der Straßenzug Aachener Straße (ab Zweifaller Straße) / Burgstraße / Vogelsangstraße im Bebauungsplan Nr. 64/2 bzw. 64/4 als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen. Ausweislich Ziff. 3.1.5 der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 64/2 von 1981 erfolgte die Festsetzung als "Verkehrsfläche - verkehrsberuhigter Bereich", der lediglich dem Anlieger- und Anlieferverkehr vorbehalten sein sollte. Entlang der Burgstraße wurde das Gebiet als Kerngebiet (MK) festgesetzt. Im Rahmen der Altstadtsanierung wurde die Burgstraße ca. 2 ½ Jahre gesperrt und verkehrsberuhigt umgebaut. Sie wurde in der Folgezeit zur Gemeindestraße herabgestuft. Nach dem Umbau erfolgte die verkehrsrechtliche Kennzeichnung als verkehrsberuhigter Bereich. Die Burgstraße wurde Ende 1983 bzw. Anfang 1984 wieder für den Verkehr geöffnet und im Jahr 1984 nahm auch die dort verkehrende Buslinie wieder den Verkehr auf. Ferner wurde in den 1980er Jahren der Burgholzer Graben als Umgehungsstraße bzw. neue K 6 (n) ausgebaut und ca. 1985 fertig gestellt. Der Burgholzer Graben verbindet die Zweifaller Straße (L 238) und die Hastenrather Straße in Höhe Höhenstraße.
4Die ca. 5 bis 6 m breite Burgstraße ist niveaugleich ohne separate Gehwege und mit grobem sog. Altstadtpflaster ausgebaut. Der befahrbare Bereich wird durch Pflanztröge und Baumbeete auf beiden Seiten verengt und beträgt in der Regel ca. 4,20 m. Die Burgstraße ist in beide Richtungen befahrbar, wobei im Begegnungsfall stellenweise gewartet werden muss, um den Gegenverkehr passieren zu lassen. An verschiedenen Stellen befinden sich zur Verkehrsberuhigung Aufpflasterungen bzw. Schwellen auf der Straße. Die 2- bis 3-stöckigen Häuser grenzen teilweise direkt an die Straße. Als Parkflächen sind lediglich einige markierte Flächen ausgewiesen. In dem verkehrsberuhigten Bereich sind einige Gaststätten sowie Kleingewerbe/Einzelhandel angesiedelt.
5Der verkehrsberuhigte Bereich ist mit den Verkehrszeichen 325.1/325.2 in Höhe Steinweg Nr. 2 sowie in Höhe der Vogelsangstraße Nr. 113 ausgewiesen. Die Zufahrt in den verkehrsberuhigten Bereich Burgstraße / Vogelsangstraße erfolgt allein aus Richtung Steinweg in die Burgstraße und aus Richtung Donnerberg über die Hastenrather Straße in die Vogelsangstraße, da die ebenfalls in die Vogelsangstraße bzw. Hastenrather Straße einmündende Saarstraße durch Poller in Höhe eines Kindergartens "abgebunden" ist.
6Für den verkehrsberuhigten Bereich ist mittels des Verkehrszeichens 250 ein "Verbot für Fahrzeuge aller Art" angeordnet. Die entsprechenden Verkehrszeichen befinden sich zum einen in Höhe des Steinwegs Nr. 10 linksseitig in Fahrtrichtung Burgstraße - vor der Vichtbrücke - mit dem Zusatzschild "Anlieger bis Alter Markt frei" und zum anderen in Höhe Hastenrather Straße Nr. 156 (Ecke Am Lindchen) beidseitig in Fahrtrichtung Vogelsangstraße und zwar rechtsseitig mit dem Zusatzschild "Anlieger bis Lichtzeichenanlage Vogelsangstraße Nr. 4 frei" und linksseitig mit dem Zusatzschild "Anlieger frei". Ferner besteht in dem verkehrsberuhigten Bereich ein durch das Verkehrszeichen 253 angeordnetes "Verbot für Kraftfahrzeuge über 3,5 t". Die entsprechenden Verkehrszeichen stehen in Höhe Steinweg Nr. 4 in Fahrtrichtung Burgstraße rechtsseitig mit dem Zusatzschild "Lieferzeit werktags 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr" sowie auf der Hastenrather Straße in Höhe Nr. 156 (Ecke Am Lindchen) mit dem Zusatzzeichen "800 m" und in Höhe Nr. 2 (kurz vor der Einmündung Saarstraße) mit dem Zusatzzeichen "100 m" jeweils in Fahrtrichtung Vogelsangstraße.
7In Höhe Vogelsangstraße Nr. 4 und 11 wurden Anfang 2018 zwei Lichtzeichen- und Kennzeichenerkennungsanlagen (eine in Richtung Burgstraße und eine in Richtung Vogelsangstraße) jeweils zusammen mit dem Zeichen 250 und den Zusatzzeichen "Berechtigte mit Genehmigung frei" und "bei Rot Fahrrad frei" eingerichtet. Die Lichzeichenanlage ist grundsätzlich auf "Dauerrot" geschaltet und schaltet lediglich bei einer Durchfahrtsberechtigung auf "Grün". Bei Missachtung des Durchfahrtsverbots wird das Fahrzeug erfasst ("geblitzt").
8Vor dem Hintergrund dieser Durchfahrtsbeschränkung für Fahrzeuge ohne Durchfahrtsberechtigung ist das Verkehrszeichen 357-50 ("Sackgasse - für Radverkehr und Fußgänger durchlässige Sackgasse") zum einen auf dem Steinweg in Höhe Nr. 6 in Fahrtrichtung Burgstraße mit den Zusatzzeichen "Keine Wendemöglichkeit" und "300 m" und zum anderen in Höhe Hastenrather Straße Nr. 156 (Ecke Am Lindchen) in Fahrtrichtung Vogelsangstraße rechtsseitig mit den Zusatzzeichen "Keine Wendemöglichkeit" und "1,2 km" aufgestellt. Das Verkehrszeichen 357-50 befindet sich schließlich erneut zu Beginn der Vogelsangstraße etwa in Höhe Nr. 145 bzw. Hastenrather Straße Nr. 1 (Einmündung Saarstraße) in Fahrtrichtung Vogelsangstraße mit dem Zusatzzeichen "400 m".
9Die Burgstraße wird mit sog. Solobussen (Länge: 12 m) der Buslinie 72 (Stolberg Mühlener Bahnhof - Stolberg Altstadt - Donnerberg) montags bis freitags tagsüber in einem Zeittakt von ca. 30 bzw. 60 Minuten und zusätzlich mit Verstärkerfahrten (V) im Schülerverkehr an den Schultagen befahren. In dem verkehrsberuhigten Bereich befindet sich die Haltestelle "Vogelsang" auf der Vogelsangstraße. Die weitere Bushaltestelle "Stolberg-Altstadt" liegt in Fahrtrichtung Burgstraße in Höhe Steinweg Nr. 4. Dort ist eine Busspur zusammen mit dem blauen Verkehrszeichen 245 ("Bussonderfahrstreifen") eingerichtet. Der übrige Verkehr wird links an der Busspur in Richtung Burgstraße vorbeigeführt. Zur Regelung des Begegnungsverkehrs mit den Bussen in der Burgstraße besteht wegen der dortigen Engstellen eine spezielle Signalschaltung und sind weitere Lichtzeichenanlagen zu Beginn der Burgstraße in Höhe Nr. 7 bzw. 8 vorhanden. Die Signalschaltung wird jeweils bei Einfahrt eines Busses in die Burgstraße vom Steinweg oder von der Vogelsangstraße kommend ausgelöst und die jeweilige Lichtzeichenanlage für den Gegenverkehr - zu Beginn der Burgstraße oder in Höhe Vogelsangstraße Nr. 4 - wird auf "Rot" geschaltet, bis der Bus durchgefahren ist.
10Die Kläger wandten sich bereits im Jahr 1983 zusammen mit anderen Anwohnern in einem Eilverfahren vor dem erkennenden Gericht erfolglos (Az.: 5 L 1137/83) gegen die damals anstehende Wiedereröffnung der Burgstraße für den öffentlichen Verkehr, da sie trotz des verkehrsberuhigten Ausbaus weiter erheblichen Durchgangsverkehr und damit einhergehende Gefährdungen und Belastungen befürchteten. Die Verkehrssituation in der Burgstraße / Vogelsangstraße führte auch in den 1980er und 1990er Jahren weiterhin zu Beschwerden und Anträgen der Anwohner gegenüber der Beklagten mit dem Ziel weiterer verkehrsberuhigender Maßnahmen. Demgegenüber verwies die Beklagte auf der Grundlage der von ihr damals eingeholten Begutachtung und Verkehrszählung auf einen Rückgang der Verkehrsbelastung und einen andauernden Gewöhnungsprozess der Verkehrsteilnehmer an die neue Umgehungsstraße K 6 (n).
11Im Jahr 2012 richteten sich die Kläger erneut wegen des von ihnen festgestellten hohen Verkehrsaufkommens in der Burgstraße mit dem Begehren zusätzlicher Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung an die Beklagte, das Polizeipräsidium Aachen und die Aachener Straßenbahn und Energieversorgungs-AG (ASEAG). Die Beklagte lehnte weiterhin weitere Maßnahmen mit dem Hinweis darauf ab, dass die baulichen Voraussetzungen für einen verkehrsberuhigten Bereich nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) erfüllt seien und aufgrund der umfangreichen verkehrsberuhigten Gestaltung weitere bauliche bzw. gestalterische Maßnahmen kaum sinnvoll seien. Der für die Fahrzeuge des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) benötigte Verkehrsraum sei bereits auf ein minimales Maß beschränkt und könne nicht weiter verringert werden. Die von der StVO geforderten Voraussetzungen seien wegen der örtlichen Gegebenheiten bzw. der Lage des Straßenzugs im städtischen Straßennetz schwer zu erfüllen. Die Verbindungsfunktion der Straße habe trotz der Umgestaltung und trotz der Führung der K 6 über den Burgholzer Graben nicht vollständig aufgehoben werden können. Allerdings sei das absolute Verkehrsaufkommen gering. Die Einhaltung der vorgeschriebenen Schrittgeschwindigkeit und die Unterbindung des Durchgangsverkehrs könne nur durch konsequente Verkehrsüberwachung der Verkehrspolizei sichergestellt werden, sei aber wegen der dortigen Personalsituation nicht möglich. Eine weitergehende Sperrung mittels technischer Lösungen (versenkbare Poller oder Schranken mit Fernbedienung etc.) wären überzogen und wirtschaftlich unverhältnismäßig. Das Polizeipräsidium Aachen verwies auf eine völlig unauffällige Unfallsituation und die Zuständigkeit der Städteregion Aachen für die Geschwindigkeitsüberwachung. Es sei jedoch zweifelhaft, ob die Voraussetzungen "sehr geringer Verkehr" für die Ausweisung als verkehrsberuhigter Bereich angesichts des Verkehrsaufkommens überhaupt gegeben seien. Die ASEAG lehnte eine von den Anwohnern gewünschte Änderung der Linienführung der Linie 72 ab, da ansonsten die Stolberger Altstadt sowie die Burg- und Vogelsangstraße, insbesondere auch die Hastenrather Straße, keine ausreichende Anbindung mehr hätten. Die Kläger wandten sich ferner im Februar 2013 unter Hinweis auf das Verkehrsaufkommen und die bereits wegen der Talbodenlage der Burgstraße bestehende Immissionsbelastung an die Bezirksregierung Köln. Die in diesem Zusammenhang durchgeführte Schadstoffberechnung durch die Beklagte ergab auch nach den damaligen Angaben des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbaucherschutz NRW (LANUV NRW) keine Grenzwertüberschreitungen bei den berechneten Schadstoffen.
12Die Kläger erhoben im August 2013 zur Verfolgung ihres Begehrens Klage vor dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen 2 K 2305/13. Während des Klageverfahrens führte die XY-Gesellschaft (XY) der RWTH Aachen im September 2015 eine Verkehrserhebung in der Burgstraße durch und ermittelte eine durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) von 2.200 Kfz/24 h. Die Verkehrsbelastung sei für eine reine Anliegerstraße deutlich zu hoch und entspreche eher einer schwach befahrenen Landesstraße außerorts als einer innerstädtischen Anliegerstraße mit verkehrsberuhigtem Bereich. Darüber hinaus lägen die gefahrenen Geschwindigkeiten deutlich oberhalb der Schrittgeschwindigkeit. Die Beklagte führte in der Folgezeit zunächst eine Bürgerbefragung (Dezember 2015 bis Januar 2016) zur künftigen Verkehrsführung in dem verkehrsberuhigten Straßenzug durch und erteilte im August 2016 der XY der RWTH Aachen den Auftrag, eine Verkehrsanalyse für den Bereich Burgstraße / Vogelsangstraße zur Ermittlung der vorhandenen Verkehrsbelastungen durch den Durchgangsverkehr durchzuführen und ein geeignetes Maßnahmenkonzept zur Reduzierung des Durchgangsverkehrs vorzuschlagen. In dem damaligen Klageverfahren verpflichtete sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2016, den Antrag der Kläger nach Abschluss der beschlossenen Vorgehensweise der Beklagten neu zu bescheiden. Der damalige Rechtsstreit wurde durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten in der Hauptsache beendet.
13Die XY legte im Oktober 2016 ihre Analyse der Verkehrssituation nach einer Erhebung des Verkehrsaufkommens und einer einwöchigen Geschwindigkeitsmessung im September 2016 sowie einer Kennzeichenerfassung an einem Werktag und am Wochenende an drei Querschnitten vor. Für den Querschnitt A (Burgstraße / Vogelsangstraße) wurde eine DTV von 2.522 Kfz/24h für die Wochentage und von 2.044 Kfz/h für das Wochenende ermittelt. Die höchsten Belastungen wurden für den Bereich Burgstraße festgestellt, die 60 % höher als bei dem Querschnitt C (Vogelsang / Hastenrather Straße) lagen. Die Werte seien für eine kommunale Straße zwar keine besondere Belastung, aber unter Berücksichtigung der bestehenden Durchfahrtsbeschränkung würden diese Werte für eine Nutzung als Durchfahrtsstraße durch unberechtigte Nutzer sprechen. Die gemessenen Geschwindigkeiten lagen im Bereich der Burgstraße zwischen 17 und 20 km/h über der dort zulässigen Schrittgeschwindigkeit. Es wurden in beide Fahrtrichtungen regelmäßig Geschwindigkeiten von über 40 km/h gemessen. An mehreren Tagen überschritten knapp 30 % der Fahrzeuge die zulässige Geschwindigkeit um mehr als 20 km/h. Aus der Kennzeichenerfassung konnte festgestellt werden, dass der Anteil der reinen Durchfahrten zwischen 20 % und 26 % lag. Es wurde weiter festgestellt, dass etwa 25 % aller Einfahrten in den Untersuchungsbereich, d. h. etwa jede 4. Fahrt, nicht zulässig waren und vermutet, dass auch diese Fahrten regelmäßig mit überhöhter Geschwindigkeit erfolgten. Es wurden zudem verschiedene Zugangskontrollen dargestellt (Poller, Schranken, Lichtsignalanlagen) und zwei Maßnahmemöglichkeiten zur Abhilfe vorgeschlagen: Lichtsignalanlagen an beiden Einfahrten oder eine Lichtsignalanlage in der Mitte des Bereichs.
14Nach einer öffentlichen Präsentation der Untersuchungsergebnisse der XY im November 2016 führte die XY mit Schreiben vom 27. Dezember 2016 auf Nachfragen u. a. zur "Spürbarkeit" einer Entlastungswirkung von ca. 25 % aus, dass sich die Luftschadstoff- und Lärmbelastung und der Belegungsgrad der Straße durch den motorisierten Verkehr näherungsweise proportional zur Verkehrsstärke verhalten würden. Danach sei davon auszugehen, dass die Belastung der Luft durch den motorisierten Verkehr um 25 % sinken werde und die Straße ungestörter von Fußgängern oder Radfahrern genutzt werden könne. Bei einer Vermeidung der unberechtigten Durchfahrten würde die Verkehrsstärke (ausgehend von 100 Kfz/h in den Spitzenstunden je Richtung) auf 75 Kfz/h je Richtung und im Mittel der Tagesstunden auf 49 Kfz/h je Richtung sinken und dies stelle eine spürbare Verbesserung dar. Die Lärmbelastung würde ausgehend von den bereits im Februar 2016 erhobenen Werten und bei einer Reduktion um 25 % des Verkehrsaufkommens ebenfalls zu reduzierten Werten führen.
15Nach Durchführung einer Bürgerinformation im April 2017 beschloss der zuständige Ausschuss der Beklagten im Juni 2017 die Einrichtung einer Lichtzeichenanlage zur Kontrolle des Durchfahrtsverbots mittels Kennzeichenerkennung in Höhe Vogelsangstraße 4 entsprechend der Verwaltungsvorlage vom 19. Mai 2017. Als Durchfahrtsberechtigte wurden die Anlieger der Straßen Alter Markt, Am Goldberg, Am Steinberg, Burgstraße, Eselsgasse, Finkenberggasse, Grabenstraße, Grüberstraße, Hastenrather Straße, In der Schart, Jeremias-Hoesch-Straße, Johann-von-Asten- Straße, Klatterstraße bis Nr. 14, Leonhardt-Schleicher-Straße, Luciaweg, Nesselrodeweg, Mattheis-Peltzer-Straße, Saarstraße, Simon-Lynen-Straße und Vogelsangstraße sowie der ÖPNV-Verkehr und die nach § 35 Abs. 1 StVO mit Sonderrechten ausgewiesenen Kreise aufgeführt. Die Missachtung des Durchfahrtsverbots werde künftig nicht als Rotlichtverstoß, sondern als Verstoß gegen das Durchfahrtsverbot mit einem Verwarngeld i. H. v. 15 - 20 € sanktioniert. Zuständig für die Sanktonierung der Durchfahrtsverstöße sei grundsätzlich die Städteregion Aachen. Die Umsetzung des Beschlusses wurde Anfang Juli 2017 in Auftrag gegeben und die Lichtzeichenanlage/Durchfahrtskontrolle im Frühjahr 2018 in Betrieb genommen.
16Der Kläger wandten sich bereits am 3. November 2017 an die Beklagte mit dem Begehren, bis Ende November 2017 Maßnahmen zur weiteren Verkehrsberuhigung zu ergreifen. Die Beklagte habe ihr Auswahlermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Die vorgestellten Maßnahmen würden bei weitem nicht den gewünschten Erfolg erzielen. Bei der Bürgerbefragung sei ein Bereich weit über das Altstadtgebiet hinausgehend befragt worden. Diese Gebietsauswahl verzerre die Ergebnisse. Auch seien die Ergebnisse nach dubiosen Kriterien bewertet worden. Die Verkehrssituation in der Burgstraße entspreche nicht der für einen verkehrsberuhigten Bereich vorgesehene Verkehrssituation. Ein tatsächlicher Erfolg werde nicht eintreten, sodass die Ermessensausübung fehlerhaft sei. Auch seien die Gespräche mit der ASEAG zur Buslinie 72 erfolglos geblieben. Es sei gängige Praxis, dass die Linienführung bei Bauarbeiten, Stadtfesten oder dem Weihnachtsmarkt durch die Burgstraße ausgesetzt werde. Es sei nicht ersichtlich, warum dies nicht als dauerhafte Lösung praktiziert werden könne. Eine Abwägung aller relevanten öffentlichen und privaten Belange sei nicht erfolgt. Die aus der Lärm- und Schadstoffbelastung folgenden Gesundheitsgefahren für die Anlieger seien nicht ausreichend bei der Entscheidung berücksichtigt worden, ebenso wenig der Wertverlust für die Eigentümer der Häuser in der Altstadt.
17Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 17. November 2017 auf die erfolgten Beschlüsse des zuständigen Ausschusses. Die Durchfahrtskontrolle mittels Lichtzeichenanlage sei geeignet, den nicht erlaubten Verkehr aus der Burgstraße fernzuhalten und somit eine Verkehrsberuhigung zu erreichen. Der von den Klägern nicht gewünschte Busverkehr sei zur Aufrechterhaltung des ÖPNV erforderlich. Bei den von ihnen aufgeführten Sperrungen handele es sich um zeitlich eng begrenzte Ausnahmesituationen, die generell keinerlei Aussagekraft hinsichtlich der Erforderlichkeit der Versorgung mit dem ÖPNV hätten. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember würden sog. Midibusse eingesetzt, die ebenfalls eine Verbesserung der jetzigen Situation bewirken würden. Es habe durch den zuständigen Ausschuss eine umfassende Abwägung unter Einbeziehung einer Anwohnerbefragung, der Berücksichtigung der Ergebnisse des eingeholten Konzepts und der unterschiedlichen Belange der Bevölkerung in dem betroffenen Bereich stattgefunden. Es sei ein intensiver Prozess der Entscheidungsfindung erfolgt und sie habe ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Mit der Reduzierung der Verkehrsbelastung durch den Einbau der Durchfahrtskontrolle werde ebenfalls eine Reduzierung einer Lärm- und Schadstoffbelastung einhergehen. Der Kläger habe lediglich einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, jedoch keinen Anspruch auf Erlass einer bestimmten verkehrsrechtlichen Anordnung.
18Die Kläger haben am 15. Januar 2018 Klage erhoben und am 17. Januar 2018 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt (Az.: 2 L 89/18). Sie führen aus, dass der Straßenzug weiterhin einen erheblichen Anreiz zur Durchfahrt zu den westlichen Stadtteilen und umgekehrt zur Innenstadt biete. Die Voraussetzungen für einen verkehrsberuhigten Bereich seien nicht gegeben. Vielmehr werde durch die beidseitigen Entwässerungsrinnen und aufgestellten Pflanztröge sowie die Pflasterung eine Gassenbildung hervorgerufen und diese Fahrgassenfunktion provoziere eine schnellere Fahrweise. Die von der Beklagten ausgewählte Maßnahme sei unzureichend und könne die Ausgangssituation einer massiven Verkehrsbelastung nicht ändern. Eine tatsächliche Verkehrsberuhigung bzw. effektive Reduzierung des Verkehrsaufkommens werde nicht erreicht. Bereits nach dem Gutachten der XY sei nur eine Reduzierung um 25 % prognostiziert worden. Nach den von ihnen selbst 2018 und 2019 vorgenommenen Zählungen sei seit 2013 keine Verbesserung der Verkehrssituation eingetreten. So hätten sie in den Spitzenstunden am Nachmittag bzw. frühen Abend oder morgens zwischen 80 und 122 Kfz pro Stunde gezählt. Bei einer Hochrechnung seien dies mehr als 2.000 Fahrzeuge am Tag. Die Durchfahrtskontrolle mittels Lichtzeichenanlage sei insoweit wirkungslos. Die Sanktionierung bei einer unzulässigen Durchfahrt erfolge zudem nur mit einem niedrigen Verwarngeld von 15 - 20 €. Außerdem könne die Anlage durch geschicktes Fahren ausgetrickst werden. Ferner sei der Kreis der Durchfahrtsberechtigten nicht richtig ermittelt worden. Das Gebiet der einbezogenen Straßen sei zu groß. Es dürften vielmehr nur "echte" Anlieger zur Einfahrt in den verkehrsberuhigten Bereich berechtigt sein. Die Beklagte gehe insoweit von einem unzutreffenden Anliegerbegriff aus. So diene die Burgstraße laut Bebauungsplan der Erschließung der Altstadt, nicht aber der Inanspruchnahme durch den Verkehr des Neubaugebietes Hastenrather Straße / Am Lindchen. Die dortigen Anwohner würden nicht zu dem betroffenen Personenkreis "Altstadt" gehören. Bereits die Bürgerbefragung sei zu weit gefasst gewesen und habe zu verzerrenden Ergebnissen geführt. Auch sei die Zahl der als durchfahrtsberechtig registrierten Fahrzeuge nach den Angaben der Beklagten unklar.
19Die Beklagte habe auch keinen ausreichenden Einfluss auf den Linien- bzw. Busverkehr genommen. Die Linie 72 fahre werktäglich mit 43 Bussen (ohne Schulbusse) durch die Straße. Die Linienführung sei seit Jahren unverändert und eine Änderung werde seitens der ASEAG seit Jahren mit den gleichen Argumenten abgelehnt. Die Zeittakte seien zudem auch ein Grund dafür, dass auch die Busse die im verkehrsberuhigten Bereich erlaubte Schrittgeschwindigkeit überschreiten würden. Die eingesetzten Solobusse seien ungeeignet für diesen Bereich. Eine auf ihre Veranlassung im Jahr 2016 erfolgte Fahrgastzählung habe ergeben, dass die Busse nicht ausgelastet seien. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die in der Praxis bei Bauarbeiten, Festen und Weihnachten praktizierte Umleitung der Linie nicht dauerhaft eingeführt werden könne. Fahrgäste müssten auch nicht im Falle einer Umleitung längere (Gefäll-)Strecken zu Fuß zurücklegen. Der Kläger habe zudem bei einem ihn selbst betreffenden Rettungseinsatz erlebt, dass der Rettungswagen durch den Busverkehr behindert worden sei. Die Beklagte habe auch keine weiteren Maßnahmen zur Reduzierung der Geschwindigkeit und zur Geschwindigkeitsüberwachung veranlasst.
20Schließlich seien auch die Lärm- und Schadstoffbelastung durch die Verkehrsbelastung bei der Ermessensausübung der Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Lärmbelastung überschreite die maßgeblichen Richtwerte, wobei auch das Kopfsteinpflaster zu berücksichtigen sei. Entsprechende Lärmgutachten habe die Beklagte nicht eingeholt. Auch die Feinstaubbelastung sei nicht ermittelt und EU-Vorgaben ebenfalls nicht beachtet worden. Ferner verstoße die Verkehrssituation gegen § 10 StVO, da sich an der Ecke Burgstraße / Zweifaller Straße das Zeichen 205 ("Vorfahrt gewähren") befinde, obwohl bei der Ausfahrt aus einem verkehrsberuhigten Bereich keine Vorfahrt bestehe. Auch sei fraglich, ob die gewählte Lichtzeichenanlage § 37 oder § 43 StVO entspreche. Das Ermessen der Beklagten sei auf eine tatsächliche Verkehrsberuhigung bzw. weitere Nachbesserung reduziert. Sinnvoll sei etwa die Einrichtung einer Sackgasse mit versenkbaren Pollern, wie dies von Anfang an geplant gewesen und mit der "Ausgleichsabgabe" nach der Sanierung durch die Anwohner der Altstadt finanziert worden sei, sowie die Herausnahme des Linienbusverkehrs.
21In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ihre zunächst auch auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung über bauliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung gerichtete Klage zurückgenommen.
22Die Kläger beantragen nunmehr noch,
23die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheids vom 17. November 2017 zu verpflichten, über den Antrag der Kläger vom 3. November 2017 auf zusätzliche straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zur weiteren Verkehrsberuhigung in dem verkehrsberuhigten Bereich Burgstraße / Vogelsangstraße in Stolberg unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
24Die Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Sie habe wirksame Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung in der Burgstraße ergriffen, ein weitergehender Anspruch stehe den Klägern nicht zu. Die bereits getroffene Maßnahme sei nach umfassenden Abwägungen im zuständigen Ausschuss erfolgt. Dabei seien die unterschiedlichen Belange der Bewohner in dem betroffenen Bereich abgewogen worden. Mit der Reduzierung der Verkehrsbelastung durch die Durchfahrtskontrolle werde ebenfalls eine Reduzierung von Lärm- und Schadstoffbelastungen einhergehen.
27Die Geschwindigkeitüberwachung und auch die Ahndung der Verstöße gegen das Durchfahrtsverbot lägen in der Zuständigkeit der Städteregion Aachen. Unfälle oder Gefahrensituationen im Zusammenhang mit der Lichtzeichenanlage seien ihr nicht bekannt. Die Zahl der Durchfahrtsberechtigten belaufe sich mit Stand Oktober 2020 auf 1.127 und mit Stand August 2023 auf 1.272 Anwohner, 578 Busse (ÖPNV) und 38 Lkw (Entsorgungsfirmen). Soweit die Kläger die Berechtigung der zur Durchfahrt zugelassenen Fahrzeuge bestritten, sei dies nachvollziehbar, liege aber allein in der Entscheidungskompetenz der Beklagten. Das gesamte Gebiet mit den Durchfahrtsberechtigten sei im Übrigen durch den zuständigen Ausschuss festgelegt worden.
28Das Ziel, die Durchfahrt von Fahrzeugen, die den Straßenzug als Abkürzung nutzten, zu reduzieren, sei erreicht worden. So habe eine von der Städteregion Aachen vom vom 19. April bis zum 3. Mai 2023 in Höhe der Vogelsangstraße Nr. 13/15 durchgeführte Verkehrserhebung im Rahmen einer Geschwindigkeitsmessung eine Gesamtzahl der Durchfahrten in Richtung Burgstraße von 6.949 und in Richtung Hastenrather Straße von 6.411 Fahrzeugen ergeben. Auf den Tag bezogen seien dies 463 bzw. 427 Durchfahrten. Die zugleich vom 20. bis zum 30. April 2023 erfolgte Geschwindigkeitsmessung in Höhe der Burgstraße Nr. 9 habe ein Verkehrsaufkommen von 3.637 Durchfahrten in Fahrtrichtung Vogelsangstraße und von 2.718 Fahrzeugen in Richtung Aachener Straße, insgesamt also 6.355 Fahrzeuge ergeben. Der Anteil der Geschwindigkeitsüberschreitungen habe bei 35,8 % bzw. 26,0 % gelegen.
29Die ASEAG habe ihr im August 2023 mitgeteilt, dass bei Wegfall der Linie 72 die Bedienung der Haltestellen "Altstadt (Burgstraße)", "Vogelsang", "Brandweiher" und "Hastenrather Straße" nicht mehr erfolgen könne. Die Altstadt wäre dann nur noch über die Haltestellen "Altstadt (Zweifaller Straße)" und "Am Lindchen" erreichbar. Der obere Bereich der Vogelsangstraße (ab Nr. 73), der untere Bereich der Hastenrather Straße (bis Nr. 27), Teile der Saarstraße (bis Nr. 14) sowie die südliche Straßenseite "Am Goldberg" wären gemäß den Kriterien des Nahverkehrsplans dann nicht mehr hinreichend erschlossen. Damit wäre die Erschließungsqualität nach dem Mindeststandard nicht mehr erreicht. Hinsichtlich der Erreichbarkeit der verbleibenden Haltestellen müssten Fahrgäste teilweise auf dem Hin- oder Rückweg längere Gefällstrecken zu Fuß zurücklegen. Eingesetzt würden Solobusse, wobei jeweils die Gesamtheit des Linienwegs betrachtet werden müsse. Die Linie 72 diene neben der Erschließung der Altstadt auch der Anbindung weiterer Teile des Stadtteils Donnerberg an die Stolberger Stadtmitte und den Verknüpfungspunkt Mühlener Bahnhof und sei zudem je nach Tageszeit betrieblich mit anderen Linien verknüpft. Dadurch ergäben sich für Kunden umsteigefreie Direktverbindungen auch über die eigentliche Linie hinaus. Nicht zuletzt aus diesem Grunde scheide der Einsatz von Kleinbussen oder gar Linientaxen auf der Linie 72 aus, zumal dann Verknüpfungen und Umläufe aufgebrochen werden müssten und zusätzliche Leerfahrten entstünden. Würde die Linienführung durch die Burgstraße wegfallen, wären hiervon an einem durchschnittlichen Werktag rund 130 - 140 Fahrgäste (= Einsteiger) betroffen, welche einen teils deutlich längeren Fußweg zur nächsten Haltestelle zurücklegen müssten.
30Das Gericht hat zur Ermittlung des aktuellen Verkehrsaufkommens in der Burgstraße Beweis erhoben durch Vornahme einer aktuellen Verkehrszählung durch die Verkehrsconsult GmbH DTV im Oktober 2023. Nach dem Ergebnis der Verkehrszählung ergab sich eine DTV von 957 Kfz/24h, eine durchschnittliche Verkehrsstärke an Werktagen (DTVw) von 1.022 Kfz/24h, eine Verkehrsstärke in der Spitzenstunde von 112 Kfz/h und eine mittlere Verkehrsstärke in den Tagesstunden (6.00 bis 22:00 Uhr) von 55 Kfz/h. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die vorgelegte Auswertung und Berechnung von November 2023.
31Die Kläger haben dazu Stellung genommen und ausgeführt, dass diese Zahlen fast identisch mit den von ihnen erhobenen Zahlen seien und die hohe Verkehrsbelastung widerspiegeln würden. Deutlich werde die nicht mehr tolerierbare Verkehrsbelastung gerade auch durch Busse und Lkw mit entsprechend hohen Auswirkungen auf die Lärm- und Schadstoffimmissionen und die Verkehrssicherheit. Von einem verkehrsberuhigten Bereich mit überwiegender Aufenthaltsfunktion und sehr geringem Verkehr könne angesichts der Fahrzeugzahl in den Spitzenstunden keine Rede sein. Die Zahlen in den verkehrsreichen Stunden werktags würden in der Regel ca. 80 Fahrzeuge und mehr betragen, das heiße etwa 1,3 - 1,8 Fahrzeuge pro Minute. Nach der Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte werde der Verkehr dann als sehr gering bezeichnet, wenn ein Fahrzeug alle 4 - 6 Minuten den verkehrsberuhigten Bereich passiere, teils werde sogar eine verbindliche Richtzahl von 20 Kfz/h genannt. Diese Zahlen würden in der Burgstraße erheblich überstiegen.
32Das Gericht hat den von den Klägern gestellten Eilantrag in dem Verfahren 2 L 89/18 mit Beschluss vom 29. Juni 2018 abgelehnt und das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit Beschluss vom 27. August 2019 (Az.: 8 B 1089/18) die dagegen erhobene Beschwerde zurückgewiesen.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 2 K 2305/13 und 2 L 89/18 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
35Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, ist das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
36Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
37A. Die erhobene Verpflichtungsklage ist zulässig.
38Sie ist als Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 VwGO statthaft. Denn die Kläger begehren die Neubescheidung ihres - erneuten - Antrags vom 3. November 2017 auf zusätzliche straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zur weiteren Verkehrsberuhigung nach § 45 StVO. Das Gericht versteht insoweit das Schreiben der Beklagten vom 17. November 2017 als einen diesen Antrag der Kläger ablehnenden Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW). Nicht maßgeblich ist insoweit, dass das Schreiben der Beklagten nicht ausdrücklich einen Bescheidtenor aufweist und auch keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Denn die Beklagte setzt sich mit dem konkreten Antrag der Kläger auseinander und ihren Ausführungen lässt sich eindeutig entnehmen, dass sie einen Anspruch der Kläger verneint und weitere Maßnahme zur Verkehrsberuhigung ablehnt.
39Die Kläger sind als Anlieger zudem klagebefugt nach § 42 Abs. 2 VwGO, da sie eine Verletzung von geschützten Rechtspositionen, wie ihrer körperlichen Unversehrtheit, ihrer Gesundheit und ihres Eigentumsrechts, durch die Verkehrsbelastung in der Burgstraße geltend machen. Ein diesbezügliches subjektives öffentliches Recht kann den Klägern aus § 45 Abs. 1 i. V. m. Abs. 1b Satz 1 Nr. 4 und 5 und Abs. 9 StVO zustehen, wonach die Straßenverkehrsbehörden auch in verkehrsberuhigten Bereichen die notwendigen Anordnungen zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung sowie zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen treffen. Zwar dienen die Bestimmungen des § 45 StVO grundsätzlich nur dem Schutz der Allgemeinheit und sind nicht auf die Wahrung der Interessen Einzelner ausgerichtet. Sie dienen aber auch den privaten Interessen eines Straßenanliegers, denn es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass der Einzelne ausnahmsweise einen - auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten - Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten haben kann, wenn die Verletzung seiner geschützten Individualinteressen in Betracht kommt. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung umfasst insoweit auch die Grundrechte wie die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes - GG -) und das Eigentum, dem auch der Anliegergebrauch unterfällt (Art. 14 Abs. 1 GG).
40Vgl. bereits Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 22. Januar 1971 - 7 C 48.69 -, juris Rn. 14 ff, vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, juris Rn. 10, vom 3. Juli 1986 - 7 B 141.85 -, juris Rn. 3, und vom 24. Januar 2019 - 3 C 7.17 -, juris Rn. 12, sowie Beschluss vom 21. Juli 1997 - 3 B 129.97 -, juris Rn. 2; OVG NRW, Urteil vom 21. Januar 2003 - 8 A 4230/01 -, juris Rn. 4 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28. April 2002 - 5 S 1121/00 -, juris Rn. 19; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 1137, m. w. N. zur Rspr.
41Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, da es eines Vorverfahrens nach § 68 Abs. 2 VwGO gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 des Justizgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (JustG NRW) i. V. m. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht bedurfte und mangels Rechsbehelfsbelehrung die Klage fristgerecht binnen eines Jahres nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids erhoben werden durfte, § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
42B. Die Klage ist auch begründet.
43Die Kläger haben einen Anspruch gegen die Beklagte auf Neubescheidung ihres Antrags auf zusätzliche straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung in dem verkehrsberuhigten Bereich Burgstraße / Vogelsangstraße, § 113 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 VwGO. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 17. November 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
44I. Die ermessenseröffnenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1 i. V. m. Abs. 1b Satz 1 Nr. 4 i. V. m. Nr. 3 und Abs. 9 Satz 1 und 3 StVO liegen vor.
451. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Sie treffen nach § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 4 und 3 StVO auch die notwendigen Anordnungen zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in verkehrsberuhigten Bereichen. § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 4 StVO bietet insoweit die Rechtsgrundlage für notwendige Maßnahmen im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO für die Sonderbereiche Fußgängerbereich und verkehrsberuhigter Bereich.
46Vgl. etwa OVG Rh.-Pf., Urteil vom 24. Mai 2012 - 7 A 10976/11 -, juris Rn. 27, 33; VG Koblenz, Urteil vom 9. Mai 2011 - 4 K 932/10.KO -, juris Rn. 28; VG Köln, Urteil vom 14. März 2014 - 18 K 2097/12 -, juris Rn. 17; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage 2023, § 45 Rn. 36a; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 1227, 1229.
47Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs - wie vorliegend begehrt - dürfen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt (vgl. § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO). Die Vorschriften des § 49 Abs. 9 Satz 1 und Satz 3 StVO modifizieren und konkretisieren die Ermächtigungsgrundlage des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO, da sie nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erhöhte Anforderungen an dessen Tatbestandsvoraussetzungen stellen und nicht die Ermessensausübung betreffen.
48Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 18. November 2010 - 3 C 42.09 -, juris Rn. 17, m. w. N., vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 19, und vom 5. April 2001 - 3 C 23/00 -, juris Rn. 21; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, § 22 Rn. 1054 ff.; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage 2023, § 45 StVO Rn. 28, 28a.
49Die Anwendung des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO ist vorliegend auch nicht gemäß Satz 4 Nr. 5 StVO ausgenommen, da es sich bei dem hier streitgegenständlichen verkehrsberuhigten Bereich nicht um einen verkehrsberuhigten Geschäftsbereich im Sinne von § 45 Abs. 1d StVO handelt.
50Eine Ermessensentscheidung ist der Straßenverkehrsbehörde danach erst dann eröffnet, wenn eine qualifizierte konkrete Gefahrenlage für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs vorliegt. Diese muss - erstens - auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen sein und - zweitens - das allgemeine Verkehrsrisiko für eine Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigen. Die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung umfassen - wie bereits oben dargelegt - auch die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und Eigentum (Art. 14 GG) und im Vorfeld dazu auch den Schutz vor Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß übersteigen.
51Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, juris Rn. 10; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 1143.
52Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO können insbesondere in der Streckenführung, dem Ausbauzustand der Strecke, witterungsbedingten Einflüssen (z. B. Nebel, Schnee- und Eisglätte), der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 - 3 C 42.09 -, juris Rn. 26, m. w. N., sowie Beschluss vom 3. Januar 2018 - 3 B 58.16 -, juris Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 27.
54Das Vorliegen einer Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO bestimmt sich nicht allein nach einem Aspekt, sondern wird von einer Gemengelage verschiedener Faktoren beeinflusst.
55Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 2013 - 3 B 59.12 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 27.
56Ihre Annahme setzt nicht voraus, dass sich ein Schadenfall bereits realisiert hat. In den regelmäßig vorliegenden Fällen, in denen es bei der Verkehrsbeschränkung bzw. dem Verkehrsverbot um die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben und bedeutende Sachwerte geht, wird auch eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO nicht gefordert. Entscheidend ist vielmehr, ob die konkrete Situation an einer bestimmten Stelle oder Strecke der Straße eine das allgemeine Risiko erheblich übersteigende Gefahrenlage im Hinblick auf die durch § 45 StVO geschützten Rechtsgüter darstellt und die Befürchtung naheliegt, dass ohne eine gefahrmindernde Tätigkeit der Straßenverkehrsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dort Schadensfälle eintreten werden.
57Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 22, und vom 23. September 2010 - 3 C 37.09 -, juris Rn. 27; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 27.
58Die Beantwortung der Frage, ob eine solche qualifizierte Gefahrenlage besteht, bedarf einer Prognose, für deren Tatsachenbasis der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz maßgeblich ist.
59Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 23, und vom 23. September 2010 - 3 C 37.09 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 27.
602. Ausgehend hiervon hat das Gericht nach den aus dem vorliegenden und dem vorherigen Klageverfahren sowie den dazugehörigen Verwaltungsvorgängen gewonnenen Erkenntnissen die Überzeugung erlangt (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass auf Grund der aktuellen örtlichen Verhältnisse der in einem verkehrsberuhigten Bereich vorgesehene Aufenthalt von Fußgängern und spielenden Kindern derzeit jedenfalls werktags tagsüber in dem streitgegenständlichen Straßenzug faktisch nicht ohne eine das allgemeine Verkehrsrisiko für eine Beeinträchtigung erheblich übersteigende Gefahr für ihre körperliche Unversehrtheit möglich ist.
61a. Der streitgegenständliche Straßenzug ist durch besondere örtliche Verhältnisse gekennzeichnet. Diese ergeben sich vorliegend aus seiner Kennzeichnung als verkehrsberuhigter Bereich, seinem Ausbau und den konkreten örtlichen Gegebenheiten sowie dem derzeitigen Verkehrsaufkommen.
62aa. Die durch Verkehrszeichen 325.1/2 als verkehrsberuhigt gekennzeichneten Bereiche müssen nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) zu § 42 StVO/Zeichen 325.1/2 durch ihre besondere Gestaltung den Eindruck vermitteln, dass die Aufenthaltsfunktion überwiegt und der Fahrzeugverkehr eine untergeordnete Bedeutung hat. Die Straßen oder Bereiche dürfen nur von sehr geringem Verkehr frequentiert werden und sie müssen über eine überwiegende Aufenthaltsfunktion verfügen. In der Regel wird ein niveaugleicher Ausbau für die ganze Straßenbreite erforderlich sein. Nach der Erläuterung zu Verkehrszeichen 325.1 in der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO müssen in einem verkehrsberuhigten Bereich Fahrzeugführer mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Fahrzeugführer dürfen Fußgänger weder gefährden noch behindern; wenn nötig müssen Fahrzeugführer warten. Fußgänger dürfen wiederum den Fahrverkehr nicht unnötig behindern. Fußgänger dürfen zudem die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen; Kinderspiele sind überall erlaubt.
63Nach der Begründung des Verordnungsgebers zu Zeichen 325,
64abgedruckt in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage 2023, zu § 42 StVO Rn. 147,
65wird durch die Vorschrift die Differenzierung der einzelnen Straßenteile nach Benutzungsarten aufgehoben und bedarf es dazu erheblicher baulicher Veränderungen auch im Interesse der Verkehrssicherheit. Alle Fahrzeugarten sind gehalten, Schrittgeschwindigkeit zu fahren, wobei es sich um eine sehr langsame Geschwindigkeit handelt, die wesentlich unter 20 km/h liegen muss. Ferner wird ein Vorrang der Fußgänger normiert.
66bb. Die örtlichen Gegebenheiten sind in dem streitgegenständlichen Straßenzug durch teilweise sehr beengte Verhältnisse gekennzeichnet. Der ca. 5 m bis 6 m breite Straßenzug ist niveaugleich ohne separate Gehwege ausgebaut und der befahrbare Bereich beträgt in der Regel 4,20 m, da er durch weitere Straßenmöblierung eingegrenzt ist. Da der Straßenzug in beide Richtungen befahrbar ist, muss im Begegnungsfall der Verkehr stellenweise ausweichen bzw. warten, um den Gegenverkehr passieren zu lassen. Darüber hinaus wird der Straßenzug regelmäßig auch mit in der Regel 12 m langen Bussen befahren. Die für den Fahrzeug- und Fußgängerverkehr gemeinsam zur Verfügung stehende Verkehrsfläche ist streckenweise sehr beengt und die Burgstraße auf Grund einer leichten Verschwenkung auch in ihrer Übersichtlichkeit eingeschränkt. Darüber hinaus grenzen die Hauseingänge teilweise unmittelbar an die Straße bzw. Fahrbahn.
67cc. Auf Grund der von dem Gericht veranlassten Verkehrserhebung aus November 2023 wurde eine durchschnittliche Verkehrsstärke an Werktagen (DTVw) von 1.022 Kfz/24h mit einer Verkehrsstärke in den Spitzenstunden von 112 Kfz/h ermittelt.
68b. Diese besonderen örtlichen Verhältnisse führen zu einer qualifizierten Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO. Vor allem ist das derzeitige Verkehrsaufkommen unter Berücksichtigung der beengten örtlichen Verhältnisse - immer noch - so hoch, dass für Fußgänger und spielende Kinder, deren Aufenhalt im verkehrsberuhigten Straßenbereich vorgesehen ist, eine das allgemeine Risiko erheblich übersteigende Gefährdung für Leib und Leben besteht.
69aa. Konkrete Vorgaben zur zulässigen Verkehrsdichte bzw. -belastung in einem verkehrsberuhigten Bereich bestehen - bis auf die bereits oben aufgeführte Anforderung nach der VwV-StVO, dass diese nur "sehr gering" sein darf - insoweit nicht. Wegen der Aufgabe des Separationsprinzips kommt allerdings bereits die Anordnung eines verkehrsberuhigten Bereichs dann nicht in Betracht, wenn die Straße einen regen Durchgangs- oder Zielverkehr aufweist.
70Vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. Januar 2009 - 5 S 149/08 -, juris Rn. 46; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 1223.
71Eine generelle Zugrundelegung der in den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) als verträglich angegebenen Verkehrsstärke von bis zu 150 Kfz/h für "Wohnwege", deren Straßenraum meist auch schmal ist und dessen Nutzung sich die Verkehrsteilnehmer ebenfalls teilen,
72vgl. RASt 06, S. 36 ff.
73ist für die Beurteilung einer Gefahrenlage in einem verkehrsberuhigten Bereich nicht angezeigt, da es sich bei dem Begriff des Wohnwegs nicht um einen straßenverkehrsrechtlichen Begriff handelt. Die Vorgaben der Richtlinie sind auf die Planung und den Entwurf von Stadtstraßen ausgerichtet und die Angaben zur Verkehrsstärke dienen dem jeweiligen Straßenausbau. Sie orientieren sich nicht an den oben dargelegten Vorgaben der StVO sowie der dazu ergangenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift. Ob ein Wohnweg als verkehrsberuhigter Bereich anzusehen ist, hängt vielmehr von der verkehrsrechtlichen Kennzeichnung ab. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob auf Grund einer konkreten Verkehrsdichte eine Gefahrlage besteht, sind insoweit die Umstände des konkreten Einzelfalls.
74In der Rechtsprechung wird eine Gefahrenlage in einem verkehrsberuhigten Bereich teilweise bereits bei einer Verkehrsdichte zu den Hauptverkehrszeiten morgens und spätnachmittags von mehr als 20 Kfz/h angenommen.
75Vgl. insoweit etwa VG Koblenz, Urteil vom 9. Mai 2011 - 4 K 932/10.KO -, juris Rn. 30 f.
76Das OVG Rheinland-Pfalz,
77vgl. Urteil vom 24. Mai 2012 - 7 A 10976/11 -, juris Rn. 36, nachgehend: BVerwG, Beschluss vom 23. April 2013 - 3 B 59.12 -, juris,
78hat demgegenüber eine qualifizierte Gefahrenlage bei einer durchschnittlichen Verkehrsdichte an Werktagen von 758 Kfz/24 und 52 - 69 Fahrzeugen pro Stunde am Nachmittag verneint und das Verwaltungsgericht Köln eine Verkehrsbelastung von bis zu 30 Kfz/h mit einer werktäglichen DTV von 300 - 350 Kfz/24h als gering angesehen.
79Vgl. Urteil vom 14. März 2014 - 18 K 2097/12 -, juris Rn. 37.
80bb. Zwar ist vorliegend erkennbar, dass sich das Verkehrsaufkommen im Vergleich zu der durch die XY im Jahr 2016 festgestellten DTVw von 2.522 Kfz/24h nach der im Jahr 2018 durch die Beklagte errichteten Durchfahrtskontrolle mittels einer Lichtsignalanlage um fast 60 % reduziert hat und die mittlere Verkehrsstärke in den Tagesstunden (6.00 Uhr bis 22.00 Uhr) aktuell bei 55 Kfz/h liegt. Auch liegt damit die erreichte Reduzierung der Verkehrsbelastung über der von der XY im Jahr 2016 prognostizierten Verminderung der Verkehrsbelastung von 25 % und es ist ersichtlich, dass ein großer Teil des zuvor den verkehrsberuhigten Bereich belastenden Durchgangsverkehrs unterbunden werden konnte.
81Dennoch ist die vorliegende werktägliche Verkehrsdichte für den streitgegenständlichen verkehrsberuhigten Bereich nach wie vor als zu hoch anzusehen, denn sie ermöglicht werktags über den Tag nicht die gefahrlose Wahrnehmung der mit einem verkehrsberuhigten Bereich verbundenen Aufenthaltsfunktion von Fußgängern oder gar spielenden Kindern. Insoweit lässt sich auf Grund der Ergebnisse der Verkehrszählung festzustellen, dass zum einen lediglich an Sonntagen das Verkehrsaufkommen bei 662 Kfz/24h bzw. unter 60 Kfz/h und werktäglich lediglich in der Zeit bis 7.00 Uhr und ab 20.00 Uhr unter 50 Kfz/h liegt. Demgegenüber liegt das werktägliche Verkehrsaufkommen insbesondere während der Nachmittagsstunden meist in einem Bereich zwischen 70 - 90 Kfz/h und teilweise sogar über 100 Kfz/h, wie die in der Verkehrserhebung festgehaltene Spitzenstunde am Montag, 23. Oktober 2023, zwischen 15.45 Uhr und 16.45 Uhr mit 112 Kfz/h. Dies bedeutet für die Nachmittagsstunden, dass an einem Fußgänger, der an einem Ort in dem Bereich verweilt, in der Spitzenstunde alle 32 Sekunden ein Fahrzeug vorbeifährt. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass in dem Straßenzug auch Schwerlastverkehr (mit einer DTVw von 58 GV/24h) stattfindet, der hauptsächlich aus dem Busverkehr und in geringem Umfang aus Lieferverkehr besteht. Wegen der auf Grund der Engstellen eingerichteten Lichtzeichenanlage kommt es regelmäßig auch zu Wartezeiten für die entgegenkommenden Fahrzeuge, die zu Ampelstaus führen mit der Folge, dass die Fahrzeuge nach Abwarten der Rotphase häufig in einer Kolonne hintereinander weiterfahren.
82Zur Überzeugung der Kammer ist zu diesen Tageszeiten der in dem verkehrsberuhigten Bereich vorgesehene überwiegende Aufenthalt von Fußgängern und insbesondere spielenden Kindern im Straßenbereich auch bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit nicht mehr ohne eine das allgemeine Risiko erheblich übersteigende Gefährdung möglich. Die für diesen Bereich geltende Schrittgeschwindigkeit ist - wie bereits ausgeführt - eine sehr langsame Geschwindigkeit, die in etwa der eines normal gehenden Fußgängers entspricht. Es kann dahinstehen, ob dies eine Geschwindigkeit von maximal 7, 10 oder 15 km/h bedeutet. Sie muss jedenfalls deutlich unter 20 km/h liegen.
83Vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage 2023, § 42 StVO Rn. 147 und 181, m. w. N.
84Bei einer solch langsamen Geschwindigkeit des gesamten Fahrzeugverkehrs, also nicht nur von Pkw, sondern auch von Mopeds, Mofas und Fahrrädern, besteht zwar grundsätzlich eine erheblich geringere Gefahr für Personen, die sich in einem verkehrsberuhigten Bereich auf der Straße aufhalten, als auf sonstigen Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften, auf denen eine Geschwindigkeit von bis zu 50 km/h zulässig ist (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Dies gilt auch für spielende Kinder, zumal für Fahrzeugführer in verkehrsberuhigten Bereichen die besondere Sorgfaltspflicht besteht, sich auf plötzlich auftauchende Kinder einzustellen.
85Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 24. Mai 2012 - 7 A 10976/11 -, juris Rn. 40.
86Bei der vorliegend gegebenen werktäglichen Verkehrsdichte zu den Spitzenstunden am Nachmittag ist jedoch ein gefahrloser Aufenthalt und vor allem ein gefahrloses Spielen durch Kinder, die in der Regel während der Schulzeiten die Nachmittagsstunden als Spielzeit nutzen, nicht möglich. Vielmehr können sich Fußgänger wegen der kurz nacheinander durchfahrenden Fahrzeuge bzw. der in kurzer Zeit erfolgenden Überholvorgänge durch Fahrzeuge nur dann noch gefahrlos in dem Bereich aufhalten, wenn sie sich nahe entlang der Häuser bewegen bzw. anhalten, um etwa einen Bus oder mehrere Fahrzeuge vorbeifahren oder im Fall von aufeinandertreffendem Gegenverkehr diese passieren zu lassen. Spielende oder in dem Bereich umherlaufende Kinder sind während dieser Zeit wegen der überwiegenden Belegung der Straße mit Kraftfahrzeugen einer besonderen Unfallgefahr ausgesetzt. Eine derartige Nutzung des verkehrsberuhigten Bereichs ist dadurch zu den Spitzenstunden faktisch ausgeschlossen. Dem steht auch nicht die in der damaligen ergänzenden Stellungnahme der XY vom 27. Dezember 2016 prognostizierte spürbare Verbesserung für Fußgänger hinsichtlich der Belegung der Straße entgegen. Wie bereits ausgeführt, hat die von der Beklagten eingerichtete Durchfahrtskontrolle tatsächlich bereits eine deutliche Verbesserung zur damaligen Verkehrsbelastung erreicht. Dennoch ist die Belegung des Straßenzugs mit in den Spitzenstunden über 100 Kfz/h am Nachmittag in einem verkehrsberuhigten Bereich als zu hoch anzusehen, da insbesondere ein gefahrloses Spielen von Kindern auf der Straße nicht mehr möglich ist.
87cc. Soweit die Kläger darüber hinaus darauf hinweisen, dass die vorgegebene Schrittgeschwindigkeit häufig nicht eingehalten werde und auch die von der Städteregion Aachen im April 2023 durchgeführte Geschwindigkeitsmessung ergeben hat, dass die Geschwindigkeitsüberschreitungsquote bei 35,8 % bzw. 26 % lag, erhöhen diese Überschreitungen zwar zusätzlich die Gefahrensituation für die Fußgänger. Verkehrsrechtswidriges Verhalten der Verkehrsteilnehmer beruht jedoch regelmäßig nicht auf örtlichen Besonderheiten.
88Vgl. etwa Bay. VGH, Beschluss vom 18. März 2022 - 11 ZB 21.585 -, juris, 24, 25; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage 2023, § 45 StVO Rn. 28a.
89Der durch das verkehrsrechtswidrige Verhalten der Fahrzeugführer begründeten Gefahrensituation ist insoweit nicht mit einer Anordnung weiterer verkehrsrechtlicher Maßnahmen - wie etwa einer Sackgasse mit versenkbaren Pollern, einer Einbahnstraße, etc. - zu begegnen, da dies keinen Einfluss auf die Geschwindigkeitsüberschreitung hätte. Soweit die zulässige Höchstgeschwindigkeit bzw. gebotene Schrittgeschwindigkeit nicht eingehalten wird, ist vielmehr durch häufigere Geschwindigkeitskontrollen auf eine Einhaltung hinzuwirken. Dies stellt allerdings keine verkehrsrechtliche Anordnung dar und obliegt zudem der Städteregion Aachen.
90Vgl. insoweit auch OVG Rh.-Pf., Urteil vom 24. Mai 2012 - 7 A 10976/11 -, juris Rn. 43.
91II. Den Klägern steht nach allem ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten zu.
92Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 45 Abs. 1 i. V. m. Abs. 1b Satz 1 Nr. 4 i. V. m. Nr. 3 und Abs. 9 Satz 1 und 3 StVO gegeben, verbleibt der Behörde für ihre Entscheidung, ob und wie sie eingreifen will, ein Ermessensspielraum, der nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Dabei sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässig nachgeschobene Ermessenserwägungen im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO vom Gericht zu berücksichtigen.
931. Es spricht allerdings bereits Überwiegendes dafür, dass die Beklagte hinsichtlich der beantragten zusätzlichen Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung schon gar kein Ermessen ausgeübt hat und insoweit von einem Ermessensausfall auszugehen ist. Denn sie hat ausweislich des ablehnenden Bescheids und ihres bisherigen Vorbringens weitere Maßnahmen wegen der 2018 eingerichteten Durchfahrtskontrolle und der damit erreichten Verkehrsreduzierung abgelehnt und insoweit bereits eine qualifizierte Gefahrenlage und damit das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die beantragte Verkehrsregelung gerade verneint.
94Soweit sie darauf verweist, dass sie bereits vor Einrichtung der Durchfahrtskontrolle im Jahr 2018 im Rahmen des damaligen Verwaltungsverfahrens umfänglich ihr Ermessen ausgeübt habe, ist dies erkennbar nicht ausreichend. Denn dies stellt jedenfalls schon deshalb keine fehlerfreie Ermessensausübung dar, weil diese Ermessenserwägungen sich nicht auf den streitgegenständlichen Antrag der Kläger bezogen und ihnen zudem eine andere Ausgangslage zugrunde lag, sie daher die derzeitigen tatsächlichen Gegebenheiten überhaupt nicht berücksichtigt haben können. Die Beklagte ist vielmehr unter Berücksichtigung der nach den obigen Ausführungen - weiterhin - bestehenden qualifizierten Gefahrenlage in dem verkehrsberuhigten Bereich gehalten, das ihr zustehende Ermessen mit Blick auf zusätzliche Maßnahmen zur weiteren Verkehrsberuhigung - erneut - auszuüben.
952. Bei der Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens nach § 40 VwVfG NRW hat die Beklagte im Rahmen des Zwecks der Ermächtigungsgrundlage eine Gesamtbilanz der Folgen unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls vorzunehmen. Bei der Ermessensentscheidung über eine verkehrsrechtliche Anordnung zur weiteren Verkehrsberuhigung hat sie daher hinsichtlich der Frage, ob sie einschreitet und bejahendenfalls mit welcher Maßnahme, neben den Interessen der Betroffenen sowohl die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer sowie die Verkehrsbedeutung der betroffenen Straße, als auch die Interessen der Anlieger anderer Straßen, die etwa durch die Maßnahmen betroffen sein können, zu würdigen, und zwar vor dem Hintergrund der hier erfolgten Ausweisung als verkehrsberuhigter Bereich. Zu prüfen ist auch, ob die Verhältnisse nur um den Preis gebessert werden können, dass an anderer Stelle neue Unzuträglichkeiten auftreten. Das Interesse eines betroffenen Anliegers darf sie bei Wahrung allgemeiner Verkehrsrücksichten und sonstiger entgegenstehender Belange um so eher zurückstellen, je geringer der Grad der Beeinträchtigung bzw. der Gefährdung ist. Umgekehrt müssen bei erheblichen Beeinträchtigungen bzw. Gefährdungen die entgegenstehenden Interessen von einigem Gewicht sein.
96Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, juris Rn. 15; OVG NRW, Urteil vom 9. Oktober 2012 - 8 A 652/09 -, juris Rn. 58, und Beschluss vom 6. Juni 2019 - 8 B 821/18 -, juris Rn. 23 f.; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, Rn. 1059 ff., 1064.
97Hinsichtlich der Auswahl der Mittel, mit denen eine konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, muss im Übrigen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden. Bei der Frage, welche von mehreren in Betracht zu ziehenden Maßnahmen den bestmöglichen Erfolg verspricht, steht der Beklagten als Straßenverkehrsbehörde aufgrund ihres Sachverstandes und ihres Erfahrungswissens eine Einschätzungsprärogative zu.
98Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 - 3 C 32.09 -, juris Rn. 35 f. m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 29.
993. Bei der erneuten Ermessensentscheidung wird aus Sicht des Gerichts hinsichtlich der allgemeinen Verkehrsinteressen und der Verkehrsbedeutung u. a. zu berücksichtigen sein, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Bereich um einen im Stadtzentrum bzw. der Altstadt von Stolberg gelegenen Straßenzug handelt, der nicht in einem reinen bzw. allgemeinen Wohngebiet liegt. Nach den Ausweisungen im Bebauungsplan handelt es um ein Kerngebiet (MK), welches nach § 7 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft und der Kultur dient. Dementsprechend befinden sich auch Einzelhandelsbetriebe und Gaststätten in dem Bereich und bereits dieser Umstand führt zu einem gewissen Verkehrsaufkommen, etwa durch die Belieferung der Betriebe. Darüber hinaus sind auch weiterhin die bestehenden Interessen des ÖPNV, die von der ASEAG noch einmal im August 2023 dargelegt wurden, einschließlich des Schülerverkehrs insgesamt zu erfassen, in die Entscheidung einzustellen und zu gewichten.
100Ferner hat der Straßenzug auf Grund seiner innerstädtischen Lage auch Zugangs- bzw. Zufahrtsbedeutung für die Anlieger bzw. Anwohner der angrenzenden Straßen. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch solche Verkehrsteilnehmer als "Anlieger" einer für den Verkehr gesperrten Straße in Betracht kommen können, welche sie befahren (müssen), um direkt (unmittelbar) zu der Straße zu gelangen, an der sie anliegen oder in welchem der Verkehr mit einem Anlieger erfolgen soll. Nicht dazu gehören jedoch diejenigen, deren Durchfahrt mit dem Zweck verbunden ist, über weitere Straßen die eigene Anliegerstraße zu erreichen.
101Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2000 - 3 C 14.99 -, juris Rn. 22; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, Rn. 1066.
102In diesem Zusammenhang ist allerdings aus Sicht der Kammer bei der Gewichtung der unterschiedlichen "Anliegerinteressen" auch die jeweilige Betroffenheit durch die festgestellte Gefahrenlage für Leib und Leben zu berücksichtigen. Unmittelbar durch die weiterhin bestehende Verkehrsbelastung und die damit verbundene Gefährdung betroffen sind die Anlieger/Anwohner des verkehrsberuhigten Straßenzugs. Diesbezüglich wurde bereits in der von der Beklagten eingeholten Verkehrserhebung durch die XY im Jahr 2016 zudem für die Burgstraße eine 60 % höhere Verkehrsbelastung als für die übrigen Bereiche festgestellt. Soweit die Beklagte in ihre damalige Entscheidung betreffend die Anordnung der Durchfahrtskontrolle auch das Interesse der Anlieger umliegender Straßen, den Straßenzug weiterhin als Durchfahrtsmöglichkeit nutzen zu können, jedenfalls bei der Erfassung des Kreises der Durchfahrtsberechtigten einbezogen hat, ist dies im Hinblick auf die bestehende höhere Verkehrsbelastung für die Anlieger/Anwohner des verkehrsberuhigten Bereichs - insbesondere der Burgstraße - bei der Ermessensentscheidung erneut zu gewichten. Dabei ist auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass etwa für die Anlieger/Anwohner der Hastenrather Straße und der dort umliegenden Straßen auch eine Erreichbarkeit über den Burgholzer Graben (K 6) zur Verfügung steht.
103C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Kammer berücksichtigt dabei, dass die Kläger die Klage hinsichtlich der ursprünglich begehrten baulichen Maßnahmen zurückgenommen haben und die Beklagte hinsichtlich der aufrechterhaltenen Klage vollständig unterliegt. Die tenorierte Kostenquotelung entspricht dem jeweiligen Maß von Obsiegen und Unterliegen.
104Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).