Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 02.12.2020 wird aufgehoben.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung einer Billigkeitsleistung.
3Sie ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in E. , die dort ein Kino betreibt. Ihre Gesellschafter, Herr O. und Herr U. , sind zugleich alleinige Gesellschafter der O. & U. Kinobetriebs GmbH (mit Sitz in M. ) und der M2. T1. GmbH (mit Sitz in T1. ). Die O. & U. Kinobetriebs GmbH betreibt ein Kino in M. , die M1. T. GmbH eines in T. .
4Aufgrund der Anfang des Jahres 2020 beginnenden SARS-CoV-2-Pandemie und der Maßnahmen zur Eindämmung derselben waren im gesamten Bundesgebiet Wirtschaftsteilnehmer in weiten Teilen in ihrer Existenz bedroht; staatliche Hilfsprogramme sollten die wirtschaftlichen Folgen der Pandemiebekämpfung abmildern.
5Vor diesem Hintergrund verabschiedete die EU-Kommission im März 2020 den "Befristeten Beihilferahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19" (Mitteilung der Kommission v. 19.3.2020, C(2020) 1863). Dort legte die Kommission unter anderem dar, unter welchen Voraussetzungen sie bestimmte Arten von Beihilfen als nach Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar ansieht und welche Möglichkeiten die Mitgliedstaaten nach den EU-Vorschriften haben, um zu gewährleisten, dass insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (im Folgenden: KMU), die mit plötzlichen Engpässen konfrontiert sind, über Liquidität und Zugang zu Finanzmitteln verfügen. Auf der Grundlage des Befristeten Beihilferahmens meldete die Bundesregierung unter anderem die (später mehrfach geänderte) "Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020" an; auf deren Grundlage konnten beihilfegebende Stellen sogenannte Kleinbeihilfen zu einem bestimmten Höchstbetrag an Unternehmen gewähren.
6Im März 2020 legte der Bund das Hilfsprogramm "Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbständige" auf, das das beklagte Land in Gestalt der "NRW-Soforthilfe 2020" umsetzte. Im Rahmen dieses Programms erhielt die Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 28.03.2020 einen Betrag in Höhe von 25.000 Euro.
7An die Corona-Soforthilfe schloss sich das Programm der Überbrückungshilfen an. Das Eckpunktepapier "Überbrückungshilfen" vom 12.06.2020,
8abrufbar im Internet unterhttps://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/E/eckpunkte-ueberbrueckungshilfe.pdf?__blob=publicationFile,
9des damaligen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) sah vor, kleinen und mittelständischen Unternehmen aus Branchen, die unmittelbar oder mittelbar durch coronabedingte Auflagen oder Schließungen betroffen sind, auch für die Monate Juni bis August 2020 eine Liquiditätshilfe zu gewähren und dadurch zu ihrer Existenzsicherung beizutragen. Antragsberechtigt sollten Unternehmen und Organisationen aus allen Wirtschaftsbereichen sein, soweit sie sich nicht für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds qualifizierten und soweit sie ihre Geschäftstätigkeit in Folge der Coronakrise anhaltend vollständig oder zu wesentlichen Teilen einstellen mussten, sowie Soloselbständige und selbständige Angehörige der Freien Berufe im Haupterwerb.
10Diese Überbrückungshilfe (I) gewährte das beklagte Land aufgrund der Richtlinien des Landes zur Gewährung von Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen ("Überbrückungshilfe NRW", Runderlass des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie vom 24.08.2020, Az. VA2-81.11.14, im Folgenden: Förderrichtlinie). Danach erfolgte die Überbrückungshilfe in Form einer Billigkeitsleistung als freiwillige Zahlung nach Maßgabe von § 53 LHO, der "Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020" und der "Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen über die Gewährung von Soforthilfen des Bundes als Billigkeitsleistung für Corona-Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen" vom 24.06.2020 einschließlich der dazu erlassenen Vollzugshinweise" sowie nach Maßgabe der Förderrichtlinie. Die Hilfe umfasste einen Fixkostenzuschuss bei coronabedingten Umsatzrückgängen für den Zeitraum Juni bis August 2020. Durch Zahlungen als Beitrag zu den betrieblichen Fixkosten sowie eine durch das Land NRW finanzierte Zahlung an Solo-Selbständige, Freiberufler und im Unternehmen tätige Inhaber von Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit höchstens 50 Mitarbeitern sollte deren wirtschaftliche Existenz gesichert werden (Ziffer 1 Abs. 1 S. 4). Gemäß Ziffer 7 Abs. 1 der Förderrichtlinie musste die Antragstellung ausschließlich digital und von einem sogenannten prüfenden Dritten durchgeführt werden. Die Förderrichtlinie enthält ferner folgende Bestimmungen:
112. Definitionen
12(…)
13(2) Als Unternehmen im Sinne von Ziffer 3 Absatz 1 gilt jede rechtlich selbständige Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform, die wirtschaftliche am Markt tätig ist und zumindest einen Beschäftigten hat. Betriebsstätten oder Zweigniederlassungen desselben Unternehmens gelten nicht als rechtlich selbständige Einheit. Diese Ausführungen gelten unbeschadet des für die Einhaltung des Beihilferechts maßgeblichen beihilferechtlichen Unternehmensbegriffs.
14(…)
15(5) Verbundene Unternehmen sind Unternehmen, die zumindest eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:
16a) Ein Unternehmen ist verpflichtet, einen konsolidierten Jahresabschluss zu erstellen;
17b) ein Unternehmen hält die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens;
18c) ein Unternehmen ist berechtigt, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs-, oder Aufsichtsgremiums eines anderen Unternehmens zu bestellen oder abzuberufen;
19d) ein Unternehmen ist gemäß einem mit einem anderen Unternehmen abgeschlossenen Vertrag oder aufgrund einer Klausel in dessen Satzung berechtigt, einen beherrschenden Einfluss auf dieses Unternehmen auszuüben;
20e) ein Unternehmen, das Aktionär oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens ist, übt gemäß einer mit anderen Aktionären oder Gesellschaftern dieses anderen Unternehmens getroffenen Vereinbarung die alleinige Kontrolle über die Mehrheit der Stimmrechte von dessen Aktionären oder Gesellschaftern aus. Die genannten Voraussetzungen für den Status des verbundenen Unternehmens gelten in gleicher Weise bei der Umkehrung der genannten Beziehungen zwischen den betrachteten Unternehmen als erfüllt. Unternehmen, die durch ein oder mehrere andere Unternehmen untereinander in einer der oben genannten Beziehungen stehen, gelten ebenfalls als verbunden. Unternehmen, die durch eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen miteinander in einer der oben genannten Beziehungen stehen, gelten gleichermaßen als verbundene Unternehmen, sofern diese Unternehmen ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind.
213. Antragsberechtigung
22(…)
23(4) Für verbundene Unternehmen im Sinne von Ziffer 2 Absatz 5 darf nur ein Antrag für alle verbundenen Unternehmen insgesamt gestellt werden. Bei Personengesellschaften ist nur einer der Gesellschafter für die Gesellschaft antragsberechtigt. Soloselbständige und selbständige Angehörige der Freien Berufe können nur einen Antrag stellen, unabhängig davon, wie viele Betriebsstätten sie haben.
245. Höhe, Auszahlung und Verwendung der Überbrückungshilfe
25(…)
26(2) Die Überbrückungshilfe kann für maximal drei Monate beantragt werden. Die maximale Höhe der Überbrückungshilfe beträgt 50.000 Euro pro Monat.
27(…)
28(4) Für verbundene Unternehmen im Sinne von Ziffer 2 Absatz 5 kann Überbrückungshilfe insgesamt nur bis zu einer Höhe von 150.000 Euro für drei Monate beantragt werden. (…)
29(…)
309. Verhältnis zu anderen Hilfen
31(1) Das Überbrückungshilfeprogramm schließt zeitlich an das Soforthilfeprogramm der Bunderegierung an. (…) Unternehmen, die die Soforthilfe des Bundes oder der Länder in Anspruch genommen haben, aber weiter von Umsatzausfällen betroffen sind, sind erneut antragsberechtigt.
32(…)
3310. Sonstige Regelungen
34(1) Die Bewilligung durch die zuständige Stelle muss beihilfekonform erfolgen. Das Programm Überbrückungshilfe fällt unter die "Geänderte Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020". Durch die Inanspruchnahme von Überbrückungshilfe und anderen Soforthilfen des Bundes und der Länder sowie weiterer auf der Grundlage der Kleinbeihilfenregelung gewährter Hilfen (z. B. KfW-Schnellkredit) darf der beihilferechtlich nach der Kleinbeihilfenregelung 2020 zulässige Höchstbetrag nicht überschritten werden.
35Die O. & U. Kinobetriebs GmbH und die M1. T. GmbH beantragten im Juli 2020 bei den zuständigen Bezirksregierungen die Überbrückungshilfe. Die Bezirksregierung Düsseldorf bewilligte der M1. T. GmbH mit Bescheid vom 25.08.2020 eine Überbrückungshilfe in Höhe von 150.000 Euro; ebenfalls mit Bescheid vom 25.08.2020 bewilligte die Bezirksregierung Arnsberg der O. & U. GmbH die Überbrückungshilfe in Höhe von 107.688,01 Euro.
36Unter dem 07.08.2020 stellte auch die Klägerin einen Antrag auf Gewährung der Überbrückungshilfe (Fallnummer EAPNWK-30517). Am 27.08.2020 erließ die Bezirksregierung Köln gegenüber der Klägerin einen "Bescheid über Billigkeitsleistung und Bescheinigung als Kleinbeihilfe" und gewährte ihr eine Überbrückungshilfe in Höhe von 135.200,26 Euro für den Zeitraum Juni bis August 2020 (Ziffer 1). Die Bewilligung der Höhe der Überbrückungshilfe erging unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung (Ziffer 2). Unter Ziffer 3 des Bescheides ist ausgeführt, die Überbrückungshilfe werde gemäß der geänderten Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020 gewährt. Gemäß Ziffer 4 sind die Regelungen der Richtlinien des Landes zur Gewährung von Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen (Überbrückungshilfe-NRW 2020 = Förderrichtlinie) Bestandteil des Bescheides. Die Auszahlung erfolgte am 26.09.2020.
37Mit Bescheid vom 02.12.2020 erließ die Bezirksregierung gegenüber der Klägerin einen Rücknahme- und Erstattungsbescheid, mit dem sie den Bescheid vom 27.08.2020 zurücknahm (Ziffer 1) und die Klägerin zur Erstattung des ausgezahlten Förderbetrages aufforderte (Ziffer 2).
38Zur Begründung führte die Behörde aus, die Rücknahme beruhe auf § 48 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 2 VwVfG NRW. Gemäß Ziffer 3 Abs. 4 der Förderrichtlinie dürfe für verbundene Unternehmen nur ein Antrag für alle verbundenen Unternehmen insgesamt gestellt werden. Der Begriff sei in Ziffer 2 Absatz 5 der Richtlinie i. V. m. Anhang I Art. 3 Abs. 3 VO (EU) Nr. 651/2014 bestimmt. Für die Gesellschafter Meinolf U. und Lutz O. seien bereits für die O. & U. Kinobetriebs GmbH im Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung Arnsberg (107.688,01 Euro) und für die M1. T. GmbH im Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung Düsseldorf (150.000 Euro) Anträge auf Überbrückungshilfe gestellt und beschieden worden. Die Geschäftsführer dieser Unternehmen handelten im Namen der Gesellschaften gemeinsam und gälten damit als gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen, die miteinander in einer der unter a) bis e) der Richtlinie genannten Beziehungen stünden. Sie seien in demselben bzw. benachbarten Märkten im Bereich Kino tätig. Argumente der räumlichen Nähe blieben unberücksichtigt. Sie würden als verbundene Unternehmen gelten, so dass eine Überbrückungshilfe nur bis zu einer Höhe von 150.000 Euro für drei Monate beantragt werden könne und dies auch nur durch ein Unternehmen. Da der Klägerin (sic) bereits mit Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 25.08.2020 eine Überbrückungshilfe in Höhe von 150.000 Euro erteilt worden sei, sei der Bescheid vom 27.08.2020 rechtswidrig ergangen werde zurückgenommen. Die Entscheidung sei auch ermessensgerecht. Um bei Nichtvorliegen der Antragsvoraussetzungen die für den - im Gemeinwohl liegenden Förderzweck - eingesetzten Haushaltsmittel wirkungsvoll zu schützen, sei eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit angezeigt. Ein etwaiges schutzwürdiges Vertrauen bestehe nicht, da der Verwaltungsakt durch die unzulässige Mehrfachbeantragung mit Angaben erwirkt worden sei, die in wesentlicher Beziehung unrichtig gewesen seien.
39Die Klägerin hat am 14.12.2020 Klage erhoben.
40Sie trägt vor, es handele sich bei den Gesellschaften nicht um verbundene Unternehmen. Sie würden unternehmensrechtlich und steuerrechtlich vollkommen selbständig bewertet und veranlagt. Die hinter ihr stehenden Gesellschafter seien natürliche Personen, die in unterschiedlicher personeller Zusammenstellung, aber stets zu zweit, als stets gleichberechtigte zu je 50% beteiligte Gesellschafter Kinobetriebe auf vollkommen anderen räumlichen Märkten führten. Sämtliche Betriebe seien selbständige Rechtssubjekte, die eigenständig am Rechts- und Wirtschaftsverkehr teilnähmen und bei denen lediglich (teilweise) die Gesellschafter zufällig personenidentisch seien. Keiner der Gesellschafter sei in der Lage, einen beherrschenden Einfluss auf andere Unternehmen auszuüben. Auch seien die betreffenden Unternehmen nicht auf einem benachbarten Markt tätig. Zudem habe die Klägerin im Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes Vermögensdispositionen getroffen. Sie habe 2020 - einzig infolge der Coronakrise - ein negatives Betriebsergebnis von 840.000 Euro aufgewiesen. Der Verlust habe unter anderem durch KfW-Darlehen aufgefangen werden müssen, die wiederum nur gewährt worden seien, weil sie die Überbrückungshilfe erhalten habe. Die Zuwendung sei in die Bewertung des Kredits eingeflossen. Sie habe allein im Vertrauen auf den Bestand des Bewilligungsbescheides wirtschaftlich handeln und überleben können. Die Gelder seien zu dem in Ziffer 1 Absatz 1 Satz 4 verfolgten Zweck verbraucht worden. Sie habe auch keine unrichtigen Angaben gemacht, zumal es auch nicht um einen eindeutigen Tatsachenvortrag gehe, sondern um ein komplexes Subsumtionsergebnis. Schließlich habe sich die Behörde im Rahmen der Ermessenausübung nicht mit dem konkreten Einzelfall auseinandergesetzt. Der Fall liege insgesamt atypisch. Die Klägerin habe aufgrund der infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen in keiner Weise wertschöpfend tätig sein können. Sie sei entreichert. Sie habe nichts erspart und nichts zurückbehalten. Wegen der Zuwendung habe sie in Gestalt der Aufnahme von Krediten weitere Vermögensdispositionen getroffen, die nicht rückgängig zu machen seien.
41Die Klägerin beantragt,
42den Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 02.12.2020 aufzuheben.
43Das beklagte Land beantragt,
44die Klage abzuweisen.
45Die Billigkeitsleistung ziele auf kleine und mittelständische Unternehmen. Für verbundene Unternehmen dürfe nur ein Antrag gestellt werden. Die Klägerin habe bei Antragstellung bestätigt, dass sie kein verbundenes Unternehmen sei. Im Oktober 2020 habe sich jedoch bei dem Abgleich von Daten herausgestellt, dass die beiden Gesellschafter mehrere Kinos durch jeweils separate GmbH betrieben, nämlich auch in T. und in M. . Herr U. habe außerdem mit seiner Ehegattin verschiedene weitere GmbH, die jeweils ein Kino betrieben, nämlich in T2. , P. und L. -M3. , und an denen sie zu jeweils 50 % beteiligt seien. In deren Eigentum stehe zudem die D. GmbH. Herr O. sei in sämtlichen Kinos, an deren Betreiber-GmbH er nicht beteiligt sei, Disponent. Die von der Kommission genehmigte Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020 sehe Höchstgrenzen für Beihilfen pro Unternehmen vor. Diese gelte für das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit, nicht dagegen für jede einzelne natürliche oder juristische Person. Neben der beihilferechtlichen Definition spiele die tatsächliche Verwaltungspraxis des beklagten Landes bei der Auslegung der einzelnen Merkmale eines verbundenen Unternehmens eine maßgebliche Rolle. Zum einen sei europarechtlich noch nicht jede Konstellation und nicht jedes Tatbestandsmerkmal gerichtlich geklärt. Zum anderen sei es dem beklagten Land nicht verwehrt, die Förderung im Rahmen der ständigen Verwaltungspraxis an zusätzliche, gegebenenfalls sogar strengere Kriterien für die Einstufung als verbundenes Unternehmen zu knüpfen, als es dem Beihilferecht entspreche. Das beklagte Land habe unter Zugrundelegung der ständigen Verwaltungspraxis die Klägerin zutreffend als verbundenes Unternehmen zu der M1. T. und der O. & U. Kinobetriebs GmbH eingestuft. Die betreffenden GmbH seien über ihre Gesellschafter verbunden. Der Vortrag der Klägerin, sie würden sich nicht abstimmen und die jeweilige GmbH vollständig selbständig führen, sei lebensfremd. Ziel der Unternehmensgruppe sei es erkennbar, den Betrieb der Kinos dadurch wirtschaftlicher zu gestalten, dass wesentliche Aufgaben zusammengeführt werden. Anhand der Strukturen sollten Synergien und Erfahrungen genutzt werden. Die Aufteilung auf verschiedene Betreiber-GmbH sei vor allem mit dem üblichen Ziel verbunden, den wirtschaftlichen (Miss-)Erfolg der Kinos voneinander zu trennen. Verluste müssten so nicht innerhalb der verschiedenen Gesellschaften ausgeglichen werden. Diese gesellschaftsrechtlich gängige Aufteilung habe einen haftungsrechtlichen Vorteil gegenüber einer einheitlichen Betreiber-GmbH mit mehreren Betriebsstätten. Unternehmen, die über mehrere Betriebsstätten verfügten, könnten nach der Förderrichtlinie nur einen Antrag stellen. Genau hierin liege der rechtfertigende Grund dafür, dass nur eines von mehreren verbundenen Unternehmen die Überbrückungshilfe erhalte. Nach dem Willen des beklagten Landes sollten eine oder mehrere natürliche Personen keinen Vorteil dadurch haben, dass sie statt mehrerer Betriebsstätten mehrere Betreiber-GmbH gründeten. Jedenfalls beherrschten die Eheleute U. und Herr O. sämtliche Betreiber-GmbH. Über das Verwandtschaftsverhältnis von Anja und Meinolf U. sei das Kriterium der Abstimmung gegeben. Für das Tatbestandsmerkmal der unrichtigen Angaben komme es nicht auf subjektive Kenntnis an. Die Klägerin sei auch nicht entreichert. Sie habe mit dem Zuschuss teilweise ihre Fixkosten beglichen. Also habe sie Schulden getilgt und Ausgaben erspart.
46Unter dem 17.12.2020 hat die Klägerin einen Antrag auf Bewilligung der Überbrückungshilfe II für den Zeitraum September bis Dezember 2020 gestellt. Mit Bescheid vom 28.12.2020 hat die Bezirksregierung der Klägerin diese in Höhe von 198.732 Euro bewilligt. Den Bescheid hat sie mit Bescheid vom 20.01.2021 aufgehoben und die Klägerin zur Erstattung aufgefordert; zur Begründung hat sie ausgeführt, dass bereits der M1. T. GmbH durch die Bezirksregierung Düsseldorf eine Überbrückungshilfe über 200.000 Euro bewilligt worden sei. Der Bescheid vom 20.01.2021 ist Gegenstand des Verfahrens 7 K 327/21.
47Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem sowie dem Verfahren 7 K 327/21 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Bezirksregierung.
48E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
49Die zulässige Klage ist begründet.
50Der Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 02.12.2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
51Der Bescheid vom 02.12.2020 ist zwar formell rechtmäßig (1.); er ist jedoch materiell rechtswidrig (2.).
521. Der Bescheid ist formell rechtmäßig, obgleich vor dessen Erlass keine Anhörung stattgefunden hat. Nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der - wie hier - in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Der Mangel ist vorliegend gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 VwVfG NRW geheilt. Danach ist die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Handlungen nach § 45 Abs. 1 VwVfG NRW können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden, vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG NRW. Voraussetzung für eine Heilung ist dabei, dass die unterbliebene Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Wie in der Situation des Verwaltungsverfahrens soll auch im gerichtlichen Verfahren eine neuerliche und unvoreingenommene Prüfung durch die Behörde erfolgen. Die Funktion der Anhörung besteht also nicht allein darin, dass der Betroffene seine Einwendungen vorbringen kann und diese von der Behörde zur Kenntnis genommen werden, sondern schließt vielmehr ein, dass diese ein etwaiges Vorbringen bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht.
53Vgl. nur Kopp/Ramsauer/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage 2020, § 45 Rn. 26; HK-VerwR/Schwarz, 3. Auflage 2013, § 45 Rn. 29; Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 74, 85.
54Bloße Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stellen daher regelmäßig keine nachträgliche Anhörung im Sinne dieser Regelung dar.
55Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 18.04.2017 – 9 B 54/16 –, juris Rn. 4; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.09.2019 – 13 B 1056/19 –, juris Rn. 16 und Beschluss vom 27.06.2018 – 6 B 359/18 –, Rn. 9 ff.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 17.02.2022 – 14 ME 54/22 –, juris Rn. 15 m. w. N.
56Gemessen daran ist hier von einer Heilung auszugehen, weil das beklagte Land sich im gerichtlichen Verfahren mit den Argumenten der Klägerin, die diese zu Begründung ihrer Klage vorbrachte, ausgiebig auseinandergesetzt hat. Es hat die Entscheidung der Bezirksregierung anhand der Stellungnahme der Klägerin einer erneuten kritischen Würdigung unterzogen und sich nicht allein auf eine Verteidigung seines Bescheides beschränkt.
572. Der Bescheid ist jedoch materiell rechtswidrig.
58a) Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bescheides vom 27.08.2020 (Ziffer 1 des Bescheides vom 02.12.2020) ist § 48 VwVfG NRW. Nach § 48 Abs. 1 VwVfG NRW kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der - wie hier - ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
59Es kann unterstellt werden, dass der Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 27.08.2020 über die Gewährung der Überbrückungshilfe an die Klägerin rechtswidrig ist.
60Vgl. hierzu VG Aachen, Urteil vom 16.01.2023 - 7 K 327/21.
61Denn jedenfalls ist der Bescheid vom 02.12.2020 aufzuheben, da die Bezirksregierung ihre Entscheidung über die Rücknahme nicht ermessensfehlerfrei getroffen hat.
62Die Aufhebung des Verwaltungsaktes steht hier im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Nach § 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG NRW darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann, § 48 Abs. 2 S. 2 VwVfG NRW. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte gemäß § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG NRW nicht berufen, wenn er 1. den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; 2. den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; 3. die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, § 48 Abs. 2 S. 4 VwVfG NRW.
63Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist, vgl. § 114 S. 1 VwGO. Hier ist das beklagte Land zu Unrecht davon ausgegangen, die Klägerin könne sich gemäß § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG NRW nicht auf Vertrauen berufen.
64Zunächst sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat. Dem steht nicht entgegen, dass der Bescheid vom 27.08.2020 unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung erging. Denn das Vertrauen wird durch Hinweise in dem Verwaltungsakt auf Möglichkeiten der Aufhebung, Ersetzung oder Änderung nicht schlechthin ausgeschlossen.
65Vgl. Kopp/Ramsauer/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage 2019, § 48 Rn. 95.
66Für die Frage, ob die Behörde ihr Ermessen gemessen an § 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG NRW korrekt ausgeübt hat, kann zudem dahinstehen, ob die Klägerin ihr Vertrauen gemäß § 48 Abs. 2 S. 2 VwVfG NRW betätigt hat, indem sie die gewährte Leistung verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Denn § 48 Abs. 2 S. 2 VwVfG NRW stellt nur eine Regelvermutung auf, so dass in Ausnahmefällen das Vertrauen auch schutzwürdig sein kann, wenn die Voraussetzungen des Absatz 2 Satz 2 nicht vorliegen.
67Vgl. Kopp/Ramsauer/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage 2019, § 48 Rn. 96.
68Vorliegend genügt es, dass die Klägerin nach ihrem unwidersprochenen Vortrag die Leistung zweckentsprechend, nämlich zur Begleichung ihrer Fixkosten eingesetzt hat.
69Darüber hinaus liegen die Voraussetzungen des - hier allein in Betracht kommenden - § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 VwVfG NRW nicht vor. Die Klägerin hat schon keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben gemacht:
70Unter "Angaben" sind solche tatsächlicher Art zu verstehen.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1991 – 9 C 22.90 –, BVerwGE 88, 312-326, juris Rn. 39.
72Unrichtige Angaben im Sinn des § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Alt. 1 VwVfG NRW macht derjenige, der ausdrücklich oder konkludent Tatsachen behauptet, die mit der Wirklichkeit nicht in Übereinstimmung stehen. Dabei kann es sich auch um innere Tatsachen handeln.
73Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. November 1996 – 25 A 1950/96 –, juris Rn. 21.
74Das Unterlassen von Angaben steht unrichtigen Angaben gleich, wenn eine Mitteilungspflicht besteht.
75Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 – 2 C 13.11 –, BVerwGE 143, 230-240, juris Rn. 17.
76Unerheblich ist, ob den Antragsteller ein Verschulden trifft; es kommt allein auf die objektive Unrichtigkeit der Angaben an.
77Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. August 1986 – 3 C 9.85 –, BVerwGE 74, 357-367, juris Rn. 29, Urteil vom 12. Februar 2020 – 8 C 6.19 –, BVerwGE 167, 344-351, juris Rn. 26.
78§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Alt. 2 VwVfG NRW ist zu bejahen, wenn der Begünstigte entscheidungserhebliche Umstände verschweigt, von deren Nichtvorliegen die bewilligende Behörde erkennbar ausgeht, oder wenn er trotz rechtlicher Verpflichtung oder behördlicher Aufforderung Angaben zu einem bestimmten entscheidungserheblichen Punkt unterlässt.
79Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. November 1996 – 25 A 1950/96 –, juris Rn. 23.
80Die Regelung des § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 VwVfG NRW beruht auf der Erwägung, dass die auf unrichtige oder unvollständige Angaben des Begünstigten zurückzuführende Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts ihre Ursache nicht im Verantwortungsbereich der Behörde, sondern in dem des Begünstigten hat, so dass dessen Vertrauen nicht schutzwürdig ist.
81Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. August 1986 – 3 C 9.85 –, BVerwGE 74, 357-367, juris Rn. 29, Urteil vom 12. Februar 2020 – 8 C 6.19 –, BVerwGE 167, 344-351, juris Rn. 26.
82Der Ausschlusstatbestand des § 48 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 VwVfG NRW ist - in den Grenzen des Rechtsgedankens des § 242 BGB - deshalb auch dann anwendbar, wenn die Behörde eine Mitverantwortung trifft.
83Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2014 – 3 C 23.13 –, juris Rn. 33.
84Gemessen daran ist nicht ersichtlich, dass der Antrag unrichtige Angaben enthielt. Das gilt ungeachtet des Umstandes, dass Herr U. bereits für die beiden anderen GmbH Überbrückungshilfen beantragt hatte. In dem Antragsformular unter den "Allgemeinen Erklärungen des Antragstellers" hatte der Antragsteller zu versichern, dass er die Überbrückungshilfe des Bundes nicht mehrfach beantragt habe und dies auch zukünftig nicht tun werde; er entbinde die Steuerverwaltung vom Steuergeheimnis. Der Begriff "Antragsteller" wird weder in der Förderrichtlinie definiert noch wird er in dem Formular einheitlich verwandt; an verschiedenen Stellen ist mit dem Begriff jedoch eindeutig das antragstellende Unternehmen, nicht dessen Vertreter gemeint: "Bei dem Antragsteller handelt es sich nicht um ein öffentliches Unternehmen", "Der Antragsteller versichert, dass er nicht bereits am 31. Dezember 2019 in Schwierigkeiten war", "Hat der Antragsteller Leistungen aus einem Zuschussprogramm des Landes erhalten?". Zudem sind als "Angaben zum Antragsteller" Name, Rechtsform, Handelsregisternummer, Adresse inländischer Sitz etc. vorgesehen. Antragsteller war vor diesem Hintergrund die Klägerin. Da für die Klägerin erstmals ein Antrag auf die Überbrückungshilfe gestellt wurde, war die Erklärung in dem Antrag, dass die Überbrückungshilfe nicht mehrfach beantragt worden sei, sachlich richtig.
85Zudem hat die Klägerin - anders als das beklagte Land meint - in dem Antrag nicht angegeben, kein verbundenes Unternehmen zu sein. In dem Antragsvordruck auf Gewährung der Überbrückungshilfe heißt es in der Bestätigung des prüfenden Dritten:
86"Ich habe die Angaben des Antragstellers geprüft, ein verbundenes Unternehmen zu sein bzw. nicht zu sein, sowie die Angabe, sich als verbundenes Unternehmen nicht für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds zu qualifizieren, und bestätige deren Plausibilität."
87Dieser Formulierung ist ausgehend vom Rechtsgedanken der §§ 133, 157 BGB schon objektiv nicht die Erklärung zu entnehmen, die Klägerin sei kein verbundenes Unternehmen. Vielmehr wird durch den Bevollmächtigten die Prüfung der Plausibilität einer dahingehenden Annahme des antragstellenden Unternehmens bestätigt. Eine verbindliche Erklärung zu der Frage der Verbundenheit wird weder von dem antragstellenden Unternehmen noch dem prüfenden Dritten verlangt.
88Dies kann jedoch auch dahinstehen. Denn bei der Aussage, die Klägerin sei kein verbundenes Unternehmen, würde es sich um eine rechtliche Bewertung handeln und somit nicht um eine (tatsächliche) Angabe im Sinne von § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 VwVfG NRW. Dass in diesem Fall das Vertrauen der Klägerin nicht hintenan stehen kann, leuchtet schon deshalb ein, weil es nicht in der Verantwortung eines Antragstellers liegt, die (rechtlichen) Voraussetzungen der Förderung selbst zu prüfen und sich darüber verbindlich zu erklären. Auslegung und Vollzug der Förderrichtlinie sind vielmehr Sache der Behörde. Also muss sie es gegen sich gelten lassen, wenn sie aufgrund einer rechtlichen Bewertung des Antragstellers endgültig über die Gewährung der Leistung entscheidet, statt die erforderlichen tatsächlichen Umstände zu ermitteln (vgl. § 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW).
89Vor diesem Hintergrund konnte der Vertreter des beklagten Landes auch nicht mit seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung durchdringen, die Unrichtigkeit der Angaben der Klägerin ergebe sich offenkundig bereits daraus, dass das Onlineportal einen gesonderten Antrag bzw. ein bestimmtes Untermenü bei "Unternehmensverbänden" vorsehe, das der prüfende Dritte nicht genutzt habe. Denn mit der Frage, ob ein "Unternehmensverbund" gegeben ist, wird zum einen ein neuer Begriff eingeführt und zum anderen wird - zumal vom juristischem Laien - eine Subsumtion unter einen unbestimmten Rechtsbegriff bzw. eine Einschätzung der Förderpraxis der Behörde verlangt, die der Antragsteller nicht vornehmen kann.
90Dafür, dass die Klägerin unvollständige Angaben gemacht hat, ist nichts ersichtlich.
91In der Folge hat das beklagte Land das Bestandsinteresse der Klägerin nicht ausreichend gegen sein Rücknahmeinteresse abgewogen. Die Bezirksregierung hat maßgeblich darauf abgestellt, dass das Vertrauen der Klägerin nach § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG NRW nicht schutzwürdig sei. Auch im Klageverfahren hat das beklagte Land vorgetragen, dass nur dann, wenn das Vertrauen des Begünstigten nicht nach § 48 Abs. 2 S. 3 VwGO ausgeschlossen sei, der Weg für die Abwägung des schutzwürdigen Vertrauens eröffnet sei (vgl. den Schriftsatz vom 24.03.2021, Ziffern 4.2, 4.3.1, 5.2). Wäre es dagegen zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin keine unrichtigen Angaben gemacht hat, hätte es den verschiedenen Belangen, die in die Abwägung nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW einzustellen sind, ein anderes Gewicht beimessen müssen.
92Darauf, dass das beklagte Land darüber hinaus irrtümlich davon ausging, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG NRW das Ermessen nach § 48 Abs. 2 S. 4 VwVfG NRW gelenkt sei, kam es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.
93Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2021 - 8 C 25.19 -, juris Rn. 11, Urteil vom 16. Juni 2015 – 10 C 15.14 –, BVerwGE 152, 211, juris Rn. 29.
94b) Ziffer 2 des Bescheides ist nach alledem ebenfalls rechtswidrig. Aufgrund der rückwirkenden Aufhebung des Bescheides vom 02.12.2020 fehlt es an den Voraussetzungen für die Erstattungsforderung nach § 49a Abs. 1 VwVfG NRW.
95Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.