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Der Beklagte wird unter Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 18. Dezember 2019 verpflichtet, den Gegenstandswert des Besitzeinweisungsverfahrens auf 22.958,88 € (Ziffer 1.), die von der Antragstellerin an die Pächterin zu erstattenden Kosten auf 115,20 € (Ziffer 2.) sowie die zu erstattenden Rechtsanwaltskosten auf 1.242,84 € (Ziffer 3.) festzusetzen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 2/3 und die Klägerin zu 1/3, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss in einem Besitzeinweisungsverfahren nach § 44b EnWG.
3Die Klägerin betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb und hat hierfür mit Vertrag vom 17. Dezember 2011 Flächen gepachtet. Mit Besitzeinweisungsbeschluss vom 19. September 2019 wurde die Beigeladene zum 2.Oktober 2019 vorzeitig in den Besitz von insgesamt 22.825 m² (2,2825 ha) dieser gepachteten Fläche eingewiesen, um dort die Erdgasfernleitung Nr. 98 (A. ) zu verlegen und zu betreiben. Die vorzeitige Besitzeinweisung erfolgte teils auf Dauer, teils für die Dauer der Bauarbeiten.
4Mit Beschluss vom 18. Dezember 2019, zugestellt am 8. Januar 2020, setzte der Beklagte den Gegenstandswert dieses Besitzeinweisungsverfahrens auf 1.141,25 € (Ziffer 1.), die von der Beigeladenen an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 41,70 € (Ziffer 2.) sowie die von der Beigeladenen an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu erstattenden Rechtsanwaltskosten auf 201,71 € (Ziffer 3.) fest.
5Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Gegenstandswert in einem Besitzeinweisungsverfahren entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar grundsätzlich mit 20 % des Grundstückswerts anzusetzen sei. Dies gelte aber nicht, wenn die betroffene Person nur Mieterin oder Pächterin der Flächen sei. Für diesen Fall sehe § 41 GKG eine Bewertung in Höhe des einjährigen Entgelts vor. Ausweislich des Pachtvertrags sei von einer Jahrespacht von 500,- € pro ha auszugehen, so dass sich ein Gegenstandswert von 500,- € x 2,2825 = 1.141,25 € errechne. Die Kostenerstattung an die Pächterin sei auf die Fahrtkosten des Gesellschafters zur mündlichen Verhandlung im Besitzeinweisungsverfahren beschränkt, wobei hier die übliche Kilometerpauschale von 0,30 € pro km anzusetzen sei. Die Fahrtkosten des Sohnes der Gesellschafter zu diesem Termin seien demgegenüber nicht erstattungsfähig. Aus dem Gegenstandswert errechneten sich aus dem RVG zuletzt erstattungsfähige Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 €.
6Die Klägerin hat am 7. Januar 2020 Klage erhoben.
7Sie macht geltend, dass der Streitwert bei einer Besitzeinweisung nach Nr. 48.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Regel mit 30 % des Verkehrswerts der betroffenen Flächen zu bemessen sei. Hieraus ergebe sich unter Differenzierung der dauerhaft und temporär betroffenen Flächen ein Gegenstandswert von insgesamt 42.835,- € (Ziffer 1.). Desweiteren seien nicht nur die Fahrtkosten des Gesellschafters, sondern auch des in der mündlichen Verhandlung als Beistand agierenden Sohnes des Gesellschafters erstattungsfähig. Sowohl der Gesellschafter als auch sein Sohn könnten gemäß § 22 JVEG darüber hinaus auch für den entstandenen Zeitaufwand Erstattung verlangen. Hieraus ergebe sich ein Erstattungsanspruch von insgesamt 188,70 € (Ziffer 2.). Zuletzt errechneten sich aus dem vorstehenden Gegenstandswert von 42.835,- € nach dem RVG erstattungsfähige Rechtsanwaltskosten von 1.706,90 € (Ziffer 3.).
8Der Kläger beantragt schriftlich wörtlich,
9den Kostenfestsetzungsbeschluss des Beklagten vom 18.12.2019 (Az.: 21.14.01-19017) wie folgt abzuändern:
101. Der Gegenstandswert wird auf 42.835,- € festgesetzt.
112. Die Antragstellerin hat an die Pächterin die Kosten in Höhe von 188,70 € zu erstatten.
123. Die Antragstellerin hat die Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.706,90 € an den Verfahrensbevollmächtigten zu erstatten.
13Der Beklagte beantragt schriftlich sinngemäß,
14die Klage abzuweisen.
15Zu Begründung wird auf die Gründe des streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschlusses verwiesen.
16Die Beigeladene hat keinen Klageabweisungsantrag gestellt.
17In der Sache macht sie geltend, dass der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vorliegend nicht anwendbar sei. Sei ein Pächter von der Besitzeinweisung betroffen, entspreche es der Kommentarliteratur sowie der Rechtsprechung, den Gegenstandswert in Anlehnung an § 41 GKG mit einer Jahrespacht zu bemessen.
18Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 23. März 2022, 22. Dezember 2022 und 9. Februar 2023 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung sowie durch den Berichterstatter erklärt.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
21Der Antrag der Klägerin war sachgerecht dahingehend auszulegen (§ 88 VwGO), dass diese die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass eines zu ihren Gunsten abgeänderten Kostenfestsetzungsbeschlusses begehrt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Nur ein dergestalt ausgelegter Antrag erweist sich als statthaft. Zwar kann das Gericht nach § 113 Abs. 2 Satz 1 VwGO bei einer begehrten Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, den Betrag selbst in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Diese Regelung gilt jedoch nur für Anfechtungsklagen, d.h. für die Festsetzung eines niedrigeren Betrags zu Gunsten des Klägers. Insoweit ersetzt sie die Teilkassation eines Verwaltungsakts und dient der Verfahrensökonomie. Eine direkte oder analoge Anwendung auf die Verpflichtungsklage – d.h. eine Erhöhung des festgesetzten Betrags zu Gunsten des Klägers – kommt jedenfalls heute nicht mehr in Betracht.
22Vgl. nur Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 43. Ergänzungslieferung August 2022, § 113 VwGO, Rn. 156; Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 113 VwGO, Rn. 325, jeweils m.w.N.; a.A. wohl noch VG Würzburg, Urteil vom 2. September 2005 – W 4 K 05.550 –, juris, Rn. 25 f.
23Die Klage, über welche der Berichterstatter mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO), hat nur teilweise Erfolg.
24Die Klage, für welche der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet ist,
25vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 9 B 3/14 –, juris,
26ist zulässig.
27Insbesondere wahrt die am 7. Februar 2020 erhobene Klage die Frist des § 74 Abs. 2 VwGO, nachdem der streitgegenständliche Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Dezember 2019 der Klägerin erst am 8. Januar 2020 zugestellt wurde. Weiterhin ist die Klägerin vollumfänglich klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Zwar ist Ziffer 3. des streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschlusses insofern unklar formuliert, als der Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beigeladenen vom Wortlaut her hiernach nicht der Klägerin, sondern unmittelbar ihrem Verfahrens- und jetzigen Prozessbevollmächtigten zustehen könnte. Aus der einschlägigen Anspruchsgrundlage des § 121 BauGB analog ergibt sich jedoch, dass es sich auch insofern um die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten selbst handelt (vgl. § 121 Abs. 2 Satz 1 und 2 BauGB analog). Es ist auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche zukommen.
28Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet.
29Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Gegenstandswert des Besitzeinweisungsverfahrens auf 42.835 € festgesetzt wird, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Demgegenüber hat die Klägerin nach § 121 BauGB analog einen Anspruch darauf, dass der Gegenstandswert auf 22.958,88 € festgesetzt wird.
30Das Baurecht enthält in § 121 BauGB eine Kostenregelung für das Enteignungs- und Besitzeinweisungsverfahren. Danach setzt die Enteignungsbehörde die Kosten im Enteignungsbeschluss oder durch besonderen Beschluss fest (Abs. 4 Satz 2), der auch bestimmt, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war (Abs. 2 Satz 1). Zu diesen Kosten gehören neben den Kosten des Verfahrens auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten (Abs. 2 Satz 1). Dabei sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts bis zur gesetzlichen Höhe (Abs. 2 Satz 3) erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war (Abs. 2 Satz 2). Diese Kosten trägt der Entschädigungsverpflichtete, wenn dem Antrag auf Enteignung stattgegeben wird (Abs. 1 Satz 2). Zur Berechnung dieser Kosten ist auch die Festsetzung eines Gegenstandswerts notwendig.
31Als Ausdruck einer allgemeinen Systementscheidung des Gesetzgebers ist § 121 BauGB als außerhalb der enteignungsrechtlichen Entschädigungsregelungen stehende Kostenvorschrift analog anwendbar, soweit sich im entsprechenden Fachrecht keine speziellere Kostenvorschrift findet.
32Vgl. zu § 18f FStrG BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 9 B 3/14 –, juris, Rn. 6 f. sowie OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. April 2022 – OVG 10 B 9/22 –, juris, Rn. 116.
33In § 45a EnWG sowie dem dort in Bezug genommenen EEG NRW finden sich jedoch nur Regelungen über die Entschädigung, nicht über die Kosten des Enteignungs- bzw. Besitzeinweisungsverfahrens. Dementsprechend stützt sich die dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugrunde liegende behördliche Kostengrundentscheidung in Ziffer 3. des bestandskräftigen Besitzeinweisungsbeschlusses vom 19. September 2019 bereits auf § 121 BauGB analog. Die analoge Anwendung des § 121 BauGB wird von den Beteiligten vor diesem Hintergrund letztlich auch nicht in Frage gestellt.
34Der Gegenstandswert für das Besitzeinweisungsverfahren war vorliegend nicht unter Anlehnung an § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG mit der geschätzten Jahrespacht für die von der Besitzeinweisung betroffenen Flächen zu bemessen. Die Regelung des § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG, der zufolge in (zivil)gerichtlichen Streitigkeiten über das Bestehen oder die Dauer eines Pachtverhältnisses für die Wertberechnung maximal das einjährige Entgelt maßgebend ist, ist vorliegend nicht einschlägig bzw. auch nicht mittelbar heranzuziehen, weil Gegenstand des Verfahrens, dessen Rechtsverfolgungskosten nach § 121 BauGB analog ersetzt werden, nicht das Bestehen eines Pachtverhältnisses, sondern die Besitzeinweisung in ein hieraus folgendes Besitzrecht ist. Im Übrigen bezweckt § 41 GKG eine Begrenzung des Gebührenstreitwerts aus der sozialpolitischen Erwägung der Dämpfung der Kosten für (zivil)gerichtliche Streitigkeiten über das (Fort-)Bestehen eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses, welche hier nicht geboten ist.
35Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. April 2022 – OVG 10 B 9/22 –, juris, Rn. 118 (mit Blick auf einen Wohnraummietvertrag).
36Der sowohl vom Beklagten als auch von der Beigeladenen insofern zitierten gegenläufigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus,
37vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 3 L 255/17 –, juris, Rn. 63,
38ist – unabhängig davon, dass sie die Festsetzung des gerichtlichen Streitwertes in einem bergrechtlichen Besitzeinweisungsverfahren betraf – bereits deswegen nicht zu folgen, als diese keinesfalls eine einhellig gefestigte Rechtsprechung widerspiegelt. So hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in einem bergrechtlichen Besitzeinweisungsverfahren gegen zwei Mieter kürzlich den Streitwert unter Anlehnung an Nr. 11.2, 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit – unabhängig vom geschuldeten Jahresmietzins – auf 15.000,- € festgesetzt.
39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. März 2022 – 21 B 1676/21 –, juris, Rn. 82; ebenso im Ansatz (unter ausdrücklicher Ablehnung der vorgenannten Entscheidung des VG Cottbus) bereits die als Vorinstanz fungierende hiesige Kammer, vgl. VG Aachen, Beschluss vom 7. Oktober 2021 – 6 L 433/21 –, juris, Rn. 205 f.
40Umgekehrt ist es im vorliegenden Fall, in welchem der Klägerin nur ein Besitz- und kein Eigentumsrecht an dem betroffenen Grundstück zukommt auch nicht angemessen, mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bzw. unter Orientierung an den entsprechenden Regelungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit,
41Vgl. Ziffer 48.2 sowie 2.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013,
42den Gegenstandswert wie im Falle der gegenüber dem Eigentümer verfügten Besitzeinweisung mit 20, 30 oder sogar 50 % des Verkehrswerts des Grundstücks zu bemessen, da dieser Verkehrswert der Klägerin als bloßer Pächterin gerade nicht zusteht. Die von den Beteiligten insofern zitierte ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs betrifft soweit ersichtlich dementsprechend auch nur Fälle, in denen der Eigentümer durch eine Besitzeinweisung betroffen ist. Dies wird durch die Lektüre des insofern als Referenzentscheidung bemühten Urteils des Bundesgerichtshofs,
43vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1973 – III ZR 131/71 –, juris, Rn. 51 ff.,
44bestätigt. Die dort aufgestellte Grundregel – 20 % des Verkehrswerts des Grundstücks – wird vom Bundesgerichtshof explizit daraus abgeleitet, dass der vorzeitige Besitzentzug mit einem Bruchteil des Wertes des Enteignungsgegenstands zu bemessen sei, weil das Interesse des Betroffenen in erster Linie dahin gehe, den bestehenden Zustand zu erhalten und es sich rechtlich lediglich um eine teilweise Vorverlegung der Wirkung der Enteignung handele.
45Vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1973 – III ZR 131/71 –, juris, Rn. 53.
46Diese Überlegung ist auf Besitzeinweisungen gegenüber bloßen Besitzberechtigten, welche nicht Adressaten einer ggf. nachfolgenden Enteignung wären, nicht übertragbar.
47Auch im Übrigen ist eine Lektüre dieser Entscheidung deswegen erhellend, als der Bundesgerichtshof dort ausdrücklich ausführt, dass das Interesse des Betroffenen in einem Besitzeinweisungsverfahren regelmäßig mit dem Betrag der Besitzeinweisungsentschädigung zutreffend abgebildet sei, es jedoch für die Praxis oftmals untunlich sei, auf die Entschädigungsentscheidung zu warten, weswegen eine pauschalierende Lösung notwendig sei.
48Vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1973 – III ZR 131/71 –, juris, Rn. 52.
49Jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in welchen die Höhe der Besitzeinweisungsentschädigung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bekannt ist, ist indes kein Grund erkennbar, warum bei der Bestimmung des Gegenstandswerts nicht auf die Besitzeinweisungsentschädigung abgestellt werden sollte. Diese im Wege der Einigung oder hilfsweise durch behördliche Entscheidung gemäß § 45a EnWG bestimmte Summe spiegelt nämlich regelmäßig das Interesse des Pächters am Besitzeinweisungsverfahren am ehesten wider, da mit ihr idealiter der durch die Besitzeinweisung konkret entstandene wirtschaftliche Schaden des Pächters beziffert wird.
50Vgl. ebenso im Ergebnis OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. April 2022 – OVG 10 B 9/22 –, juris, Rn. 120 ff. jedenfalls für die Fälle, in denen der Besitzeinweisung – wie hier – keine Enteignung nachfolgt (für Wohnraummiete).
51Ausweislich der Flurentschädigungsvereinbarung zwischen der Klägerin (bzw. ihrem Gesellschafter) und der Beigeladenen vom 26. Februar 2021 wurde die Besitzeinweisungsentschädigung nach § 45a EnWG hier einvernehmlich auf 22.958,88 € festgesetzt.
52Aus diesem Gegenstandswert errechnen sich – unter Anwendung der vom Beklagten zugrunde gelegten und auch von der Klägerin nicht bestrittenen – Sätzen nach den §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG (jeweils in der bis zum Kostenrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2021 gültigen alten Fassung) zuzüglich der Telekommunikationspauschale nach Nr. 7001, 7002 VV RVG sowie 19 % Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG) – aufgrund der konkludent erklärten Notwendigkeit der Beiziehung im Verwaltungsverfahren erstattungsfähige – Rechtsanwaltsgebühren von 1.242,84 €.
53Mit Blick auf die sonstigen Auslagen der Klägerin gilt zuletzt, dass zuzüglich zu den Fahrtkosten des Gesellschafters der Klägerin von 41,70 € – welche von dieser der Höhe nach zuletzt nicht mehr angegriffen wurden – auch der Verdienstausfall des Gesellschafters der Klägerin analog § 22 Satz 1 JVEG (ebenfalls in der bis zum Kostenrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2021 gültigen alten Fassung) für 3,5 Stunden in Höhe von insgesamt 73,50 € erstattungsfähig ist. Demgegenüber fehlt es für die ebenfalls geltend gemachten Fahrtkosten und den Verdienstausfall des als "Beistand" mit anwesenden Sohnes der Gesellschafter an einer Anspruchsgrundlage. Nach § 121 Abs. 2 Satz 2 und 3 BauGB sind mit Blick auf nicht verfahrensbeteiligte Personen nur Gebühren für einen Rechtsanwalt oder einen sonstigen Bevollmächtigten als notwendige Aufwendungen erstattungsfähig, sofern deren Zuziehung notwendig war, und zwar im Falle eines Bevollmächtigten nur bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen von Rechtsbeiständen. Bei dem als "Beistand" fungierenden Sohn des Gesellschafters handelt es sich indes nicht um einen Bevollmächtigten im vorstehenden Sinne.
54Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrer Klage die Zuerkennung eines Kostenanspruch von insgesamt 1.895,60 € verfolgt hat, was gegenüber dem im streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss ursprünglich festgesetzten Kostenanspruchs von insgesamt 243,41 € einen Mehrbetrag von 1.652,19 € bedeutet. Von diesem Mehrbetrag konnte die Klägerin mit Blick auf den hier zugestandenen Kostenanspruch von insgesamt 1.358,04 € nur 1.114,63 € durchsetzen, was einer Verlustquote von ungefähr 1/3 entspricht. Die Kosten der Beigeladenen waren insofern nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Klageabweisungsantrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
55Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.