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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger begehrt die Aufhebung einer an den Beigeladenen erteilten Genehmigung zur Durchführung des Gelegenheitsverkehrs mit einer Taxe nach § 47 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) und die Erteilung dieser Genehmigung an ihn.
3Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist schwerbehindert und zwar ausweislich des unbefristet gültigen Schwerbehindertenausweises mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 und einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G).
4Die Beklagte erteilte dem Kläger erstmalig am 25. April 2014 für das Gebiet der Stadt Aachen eine Genehmigung für den Verkehr mit einer Taxe mit der Ordnungsnummer 12 und dem amtlichen Kennzeichen XX-XX-00, die derzeit bis zum 30. April 2024 gültig ist.
5Am 30. November 2016 beantragte der Kläger als sog. Altunternehmer unter Vorlage seines Schwerbehindertenausweises eine weitere Taxikonzession für das Gebiet der Stadt Aachen. Die Beklagte bestätigte am gleichen Tag den Eingang seines Antrags und die Aufnahme in die Vormerkliste für Altunternehmer unter Position Nr. 13. Sie wies zugleich darauf hin, dass der Kläger als Schwerbehinderter dem Erlass des Verkehrsministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. Dezember 1994 (Az. II C 4-33-32) unterfalle und bei der Vergabe weiterer Taxigenehmigungen ohne Berücksichtigung der Positionsnummer als bevorrechtigt gelte.
6Mit anwaltlichen Schreiben von März und Juni 2018 nahm der Kläger unter Hinweis auf die steigende Mietwagen-Konkurrenz auf seinen Antrag Bezug und bat um Mitteilung der Anzahl der vergebenen Taxi- und Mietwagenkonzessionen. Die Beklagte übersandte dem Kläger ein aus dem Jahr 2006 stammendes Gutachten zur Funktionsfähigkeit des Taxengewerbes im Gebiet der Stadt Aachen von der Marketing-Forschungsfirma A. und B. aus C. Mit E-Mail vom 10. Juli 2018 wies sie darauf hin, dass nach diesem Gutachten die Stadt Aachen bis 2020 mit sinkenden Bevölkerungszahlen zu rechnen habe und aus diesem Grund bereits im Jahr 2006 die Anzahl der genehmigten Taxen von 180 auf 175 habe reduziert werden sollen. Die Reduzierung der Taxikonzessionen habe sich aber als schwierig erwiesen, da die Übertragung der Genehmigungen bevorzugt 1:1 durch Verkauf/Ankauf von Taxiunternehmen erfolge. Die ersatzlose Rückgabe von Genehmigungen bzw. ein Widerruf oder Erlöschen von Genehmigungen sei äußerst selten, sodass die Reduzierung der Taxikonzessionen weiterhin angestrebt werde. Die proportional zur sinkenden Bevölkerungszahl betriebswirtschaftlich vertretbare Obergrenze von Taxigenehmigungen in der Stadt Aachen liege aktuell bei 166 Taxen. Dem Begehren des Klägers nach einer zusätzlichen Taxigenehmigung könne nicht entsprochen werden, da derzeit noch 171 Taxigenehmigungen vergeben seien. Die Situation im Mietwagenbereich stelle sich anders dar, da es weder eine Deckelung der Genehmigungsanzahl gebe noch eine Tarifbindung oder Beförderungspflicht. Insoweit könne bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen die Erteilung einer Genehmigung in Aussicht gestellt werden.
7Nachdem der Kläger unter Hinweis auf das Alter des übersandten Gutachtens und die gestiegene Bevölkerungszahl in Aachen an seinem Antrag auf Erteilung einer Taxigenehmigung festhielt und um Bescheidung bat, teilte die Beklagte mit Schreiben vom 23. November 2018 mit, dass angesichts des Alters des letzten Gutachtens für das Jahr 2019 die Erstellung eines weiteren Gutachtens geplant sei. Für die Übergangszeit sei eine Erhöhung des Taxikontingents derzeit jedoch nicht zu begründen, da ein Mangel an Taxen für das Stadtgebiet Aachen keinesfalls erkennbar sei. Die Vergabe einer Mietwagenkonzession sei jedoch weiterhin möglich, da diese Konzessionen nicht kontingentiert seien. Gegen diese Ablehnung hat der Kläger im Februar 2019 eine auf Erteilung einer Taxigenehmigung gerichtete Klage erhoben, die vor dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen 10 K 404/19 geführt wird.
8Im Herbst 2019 entschied die Beklagte, auf Grund der demografischen Entwicklung in der Stadt Aachen die Zahl der zum damaligen Zeitpunkt erteilten Taxikonzessionen von 172 wieder auf die bisher zugrunde gelegte Konzessionszahl von 175 Genehmigungen aufzustocken und drei Genehmigungen nach dem Stand der Neu- und Altbewerberliste im Verhältnis 2:1 zu vergeben. Die Beklagte führte den Kläger zu diesem Zeitpunkt auf Position Nr. 11 der Altunternehmerliste. In der Folgezeit erteilte sie zwei Bewerbern von der Neubewerberliste sowie von der Altunternehmerliste - nach Durchführung des Anhörungsverfahrens nach § 14 PBefG - unter dem 21. Januar 2020 dem Beigeladenen eine bis zum 20. Januar 2022 gültige Taxikonzession (Ordnungsnummer 27). Dem 19xx geborenen Beigeladenen war erstmalig im Oktober 1990 eine Taxigenehmigung für eine Taxe mit dem Kennzeichen XX-XX 01 erteilt worden. Der Beigeladene hatte - soweit aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlich - bereits Anfang der 1990-iger Jahre einen Antrag auf Erteilung einer weiteren Taxigenehmigung gestellt. Er wurde seitdem auf der Vormerkliste für Altunternehmer und seit März 2019 auf Position Nr. 1 geführt.
9Die Beklagte beauftragte im November 2019 die Fa. A. und B. mit der Erstellung eines neuen Gutachtens gemäß § 13 Abs. 4 PBefG über die Funktionsfähigkeit des Taxengewerbes im Gebiet der Beklagten, welches im September 2021 fertiggestellt wurde. Der Gutachter kam nach einer Erhebung betriebswirtschaftlicher Daten in der Zeit von April bis Oktober 2020 für einen Berichtszeitraum von 2017 bis 2019 u. a. zu dem Ergebnis, dass im Taxengewerbe eine Zeit „vor Corona“ und eine Zeit „seit Corona“ entstanden sei. Sei es bis zur Pandemie um die Funktionsfähigkeit gegangen, so gehe es nunmehr um die Existenzfähigkeit des Taxengewerbes. Die Pandemie habe das örtliche Taxengewerbe mit besonderer Wucht getroffen. Für die Zeit „vor Corona" wäre eine Aufstockung der bislang 175 Taxen um 6 bis 8 Genehmigungen vertretbar gewesen. In der aktuellen Corona-Krise sei das Aachener Taxengewerbe nunmehr in seiner Existenz gefährdet, sodass jede zusätzliche Genehmigung mit Sicherheit zu einer weiteren Aushöhlung der wirtschaftlichen Existenzfähigkeit des Taxengewerbes führe. Das Gutachten empfiehlt, zunächst keine neuen Genehmigungen zu erteilen und Genehmigungen einzubehalten, sofern diese an die Beklagte zurückfallen. Nach einer angemessenen Frist von ca. 3 bis 4 Jahren solle die Entwicklung des örtlichen Taximarkts erneut untersucht werden, um die bis dahin erzielten Veränderungen zu evaluieren und nötige Nachbesserungsschritte einzuleiten.
10Der Kläger hat am 7. Oktober 2019 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass er seit November 2016 die Erteilung einer weiteren Taxigenehmigung begehre und auf die Warteliste aufgenommen worden sei. Ihm sei von der Beklagten mit Schreiben vom 30. November 2016 mitgeteilt worden, dass er als schwerbehinderter Bewerber bei der Vergabe weiterer Taxigenehmigungen als bevorrechtigt gelte. Eine telefonische Rückfrage habe damals zudem ergeben, dass er an Position Nr. 1 der Warteliste für Altunternehmer stehe und im Falle einer Vergabe von Genehmigungen als erster zum Zuge komme. In der Folgezeit sei ihm sodann 2018 mitgeteilt worden, dass auf Grund des Gutachtens von 2006 keine weiteren Taxigenehmigungen erteilt würden. Bei der im November 2019 erfolgten Vergabe der drei weiteren Taxikonzessionen sei er zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Die Erteilung der Taxigenehmigung an den Beigeladenen sei rechtswidrig. Auf Grund seiner Schwerbehinderung sei er vorrangig zu berücksichtigen gewesen. Die Beklagte habe ihre Verwaltungspraxis hinsichtlich der Vormerklisten erheblich zu seinen Lasten geändert. Ihrer bisherigen Verwaltungspraxis lasse sich entnehmen, dass auch im Rahmen der Altunternehmerliste schwerbehinderte Bewerber bevorzugt worden seien. Der Beigeladene sei nicht schwerbehindert und habe deshalb nicht vor ihm berücksichtigt werden dürfen.
11Auch nach Erstellung des neuen Gutachtens von 2021 stehe ihm ein Anspruch auf Erteilung einer Taxikonzession zu, da das Gutachten keine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Taxengewerbes belege. Daher sei davon auszugehen, dass eine hinreichende Zahl von freien Genehmigungen zur Verfügung stehe. Diesbezüglich beziehe er sich auf sein Vorbringen in dem Verfahren 10 K 404/19.
12Der Kläger beantragt,
13die dem Beigeladenen mit Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2020 erteilte Genehmigung zur Durchführung des Gelegenheitsverkehrs mit einer Taxe aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger diese Genehmigung für den Bereich der Stadt Aachen gemäß § 47 PBefG zu erteilen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Klage sei zwar zulässig, da es der Durchführung eines Vorverfahrens nicht bedürfe, der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf eine weitere Taxigenehmigung. Dem Kläger habe im Jahr 2019 im Rahmen der beschlossenen Aufstockung der Zahl der Genehmigungen auf 175 Taxigenehmigungen kein Anspruch zugestanden. Bei der Erteilung der drei zu vergebenen Taxigenehmigungen seien zwei Neubewerber und ein Altbewerber berücksichtigt worden. Von der Neubewerberliste seien zwei schwerbehinderte Bewerber unter Berücksichtigung des sog. Schwerbehinderten-Erlasses von 1994 bevorzugt berücksichtigt worden und von der Altbewerberliste der Bewerber mit der Position Nr. 1. Der Kläger habe zum damaligen Zeitpunkt die Position Nr. 11 der Altbewerberliste eingenommen und auch nicht aufgrund seiner Schwerbehinderung vorgezogen werden können. Der sog. Schwerbehinderten-Erlass diene der Eingliederung von schwerbehinderten Menschen in das Berufsleben und dies sei bei Altbewerbern, die schon eine Genehmigung erlangt hätten, nicht mehr erforderlich. Aus diesem Grund komme eine Anwendung des Erlasses - entgegen dem Hinweis im Schreiben vom 30. November 2016 - im Rahmen der Altbewerberliste nicht in Betracht. Denn die Bevorzugung schwerbehinderter Bewerber stelle immer eine Durchbrechung des Prioritätsgrundsatzes bei der Führung der Bewerberlisten dar und sei nur begrenzt und überschaubar gerechtfertigt. Mit dem Schreiben vom 30. November 2016 habe sie dem Kläger auch keine Zusicherung erteilt. Vielmehr handele es sich um einen - wenn auch falschen - allgemeinen Hinweis auf die Handhabung von Anträgen schwerbehinderter Bewerber. In ihrer Verwaltungspraxis sei die Bevorzugung schwerbehinderter Neubewerber vor Anwendung der Regel zur Konzessionsverteilung zwischen Neu- und Altbewerbern im Verhältnis 2:1 seit dem 1. Januar 2010 - dem Zeitpunkt der Integration des Zweckverbands - bis zum 1. August 2018 erfolgt.
17Die Erteilung einer weiteren Taxigenehmigung komme ebenfalls nach den Feststellungen des Gutachtens zur Funktionsfähigkeit des Taxengewerbes aus dem Jahr 2021 nicht in Betracht. Danach sei das Aachener Taxengewerbe durch die Corona-Pandemie sogar in seiner Existenz gefährdet und jede zusätzliche Genehmigung führte mit Sicherheit zu einer weiteren Aushöhlung der wirtschaftlichen Existenzfähigkeit des Taxengewerbes. Aufgrund der notwendigen pauschalen Bewertung des vorgelegten Gutachtens, welches während der Pandemie gefertigt worden sei, seien weitere Taxigenehmigungen zu versagen. Eine spezifische Bewertung des Taxengewerbes könne ferner erst nach Erstellung eines Folgegutachtens, das die Auswirkungen der Pandemie berücksichtige, erfolgen. Insoweit beziehe sie sich auf ihre Ausführungen in dem Verfahren 10 K 404/19.
18Auf Nachfrage des Gerichts hat die Beklagte zuletzt am 17. März 2023 mitgeteilt, dass derzeit 172 Taxigenehmigungen vorhanden seien, die Vormerkliste für Neubewerber 36 Bewerber und diejenige für Altunternehmer 21 Bewerber umfasse. Der Kläger nehme auf der Vormerkliste für Altbewerber die Position Nr. 9 ein.
19Das Gericht hat in dem Verfahren 10 K 404/19 am 23. September 2019 einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll Bezug genommen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens 10 K 404/19 sowie auf die zu diesen Verfahren übersandten Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
22Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.
23A) Die Klage ist zulässig.
24I. Sie ist nach dem ausdrücklichen Antrag als sog. Drittanfechtungsklage und nach dem erkennbaren Begehren des Klägers verbunden mit einer Verpflichtungsklage zulässig, § 42 Abs. 1 Alt. 1 und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Denn das Begehren des Klägers ist neben der Aufhebung der erteilten Genehmigung an den Beigeladenen auch darauf gerichtet, dass ihm - an Stelle des Beigeladenen - die damals ausgegebene Konzession erteilt wird.
25Vgl. zu Konkurrentenklagen im Personenbeförderungsrecht etwa: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 24. Oktober 2013 - 3 C 26.12 -, juris, Rn. 13, und vom 6. April 2000 - 3 C 6.99 -, juris, Rn. 15; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 30. März 2022 - 13 A 4149/18 -, juris, Rn. 52 ff., und vom 10. Dezember 2019 - 13 A 254/17 -, juris, Rn. 33.
26II. Der Kläger, der nicht Adresstat des angefochtenen Genehmigungsbescheids ist, ist auch klagebefugt, weil er als Mitbewerber eine mögliche Verletzung eigener Rechte geltend machen kann (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO).
27Die Vergabe von Taxikonzessionen an einen Konkurrenten betrifft den Mitwerber um diese Konzession in seinen Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO und ist deshalb für den übergangenen Mitbewerber grundsätzlich anfechtbar. Dieses Recht folgt insoweit aus der Stellung des Mitbewerbers auf der Vormerkliste und gilt auch für Altunternehmer. Die Vormerkliste beruht auf § 13 Abs. 5 Satz 2 PBefG, wonach innerhalb der Gruppen der Neubewerber und Altunternehmer die Antragsteller nach der zeitlichen Reihenfolge des Eingangs der Anträge berücksichtigt werden sollen. Die Vorschrift hat nicht nur verfahrensrechtliche Bedeutung, sondern dient mit der Festlegung des Prioritätsprinzips insbesondere dem Schutz der Listenbewerber. So braucht ein Bewerber grundsätzlich nicht seine Streichung von der Vormerkliste oder die Besserstellung eines nach ihm beantragenden Mitbewerbers im Rang ohne sachliche Rechtfertigung hinzunehmen. Er ist in seinen Rechten aus der Rangstelle auch und erst recht beeinträchtigt, wenn andere bei der Vergabe von Konzessionen ungerechtfertigt bevorzugt werden. Das versteht sich für diejenigen von selbst, die nach der Vormerkliste die zunächst zu Berücksichtigenden sind, gilt aber ebenso für die Bewerber, die auf einem derzeit noch aussichtslosen Rang stehen. Der Rang auf der Vormerkliste erhält seine inhaltliche Bestimmung vor allen Dingen durch die Aussicht (Anwartschaft), das Grundrecht aus Art. 12 des Grundgesetzes (GG) möglichst bald verwirklichen zu können, welches nicht nur für Neubewerber gilt, sondern auch für Altunternehmer, die ihren Betrieb vergrößern wollen. Das Recht aus der Rangstelle umfasst insoweit auch den Anspruch auf einen dieses Recht nicht verletzenden Abbau der Vormerkliste.
28Vgl. dazu eingehend: OVG NRW, Beschluss vom 11. Juni 1990 - 13 B 1283/90 -, juris, Rn. 2 ff., m. w. N. zur höchstrichterlichen Rechtsprechung und Hinweis auf das Urteil vom 9. Mai 1989 - 13 A 994/88 -, juris, nur LS (s. a. DÖV 1989, 1045); sowie zur Anfechtbarkeit einer Genehmigungsfiktion nach § 15 PBefG durch Konkurrenten: BVerwG, Urteil vom 8. November 2018 - 3 C 26.16 -, juris, Rn. 30, 31, und OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2020 - 13 B 1432/19 -, juris, Rn. 19.
29III. Die Klage ist auch ohne Durchführung des gemäß § 68 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 55 Satz 1 PBefG erforderlichen Vorverfahrens zulässig.
301. Ein Vorverfahren war vorliegend allerdings - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht schon nach § 110 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen (JustG NRW) entbehrlich, da mit § 55 Satz 1 PBefG durch Bundesrecht für Rechtsstreitigkeiten nach dem Personenbeförderungsgesetz die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens vorgeschrieben ist, § 110 Abs. 2 Nr. 1 JustG NRW. Gemäß § 55 Satz 1 PBefG bedarf es eines Vorverfahrens auch, wenn ein Verwaltungsakt angefochten wird, den eine oberste Landesverkehrsbehörde oder das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erlassen hat. In der bisher in der Rechtsprechung umstrittenen Frage, ob der Gesetzgeber mit dem Wort „auch“, die Durchführung eines Vorverfahrens nicht nur für die in der Vorschrift genannten Stellen, sondern auch in allen übrigen Fällen von Verwaltungsakten nach dem PBefG vorgeschrieben hat,
31vgl. in diesem Sinne: Bay. VGH, Urteil vom 9. Februar 2012 - 11 B 10.2791 -, juris, Rn. 49, und Beschluss vom 22. Dezember 2009 - 11 CS 09.2081 -, juris, Rn. 25 ff.; VG Köln, Urteil vom 9. März 2018 - 18 K 7560/16 -, juris, Rn. 26 f., und Beschluss vom 18. Januar 2022 - 18 K 60/22 -, juris, Rn. 12 f.; VG Gießen, Urteil vom 13. November 2007 - 6 E 44/07 -, juris, Rn. 24; Fielitz/Grätz, Personenbeförderungsgesetz, Stand: 84. Ergänzungslieferung Dezember 2022, § 55 PBefG Rn. 2 f.,
32oder lediglich auf die allgemeinen Regelungen in § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO zur Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens bei obersten Bundesbehörden und obersten Landesbehörden Bezug genommen hat,
33vgl. OVG NRW, Urteile vom 6. Oktober 2020 - 13 A 1682/18 -, - 13 A 1681/18 - und - 13 A 1680/18 -, jeweils juris, Rn. 27 ff.; Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Stand: Dezember 2021, § 55 PBefG Rn. 62 f,
34hat sich das Bundesverwaltungsgericht der ersten Meinung angeschlossen, wonach § 55 Satz 1 PBefG zur Durchführung eines Vorverfahrens bei Anfechtung aller Verwaltungsakte nach dem PBefG verpflichtet, ohne dass eine Befugnis des Landesgesetzgebers zu einer abweichenden Regelung besteht.
35Vgl. eingehend: BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2021 - 8 C 32.20 -, juris, Rn. 9 ff. (Revision zu o. g. Urteil des OVG NRW vom 6. Oktober 2020).
36Darüber hinaus greift die Ausnahmeregelung des § 110 Abs. 1 Sätze 1 und 2 JustG NRW vorliegend auch gemäß § 110 Abs. 3 Satz 1 JustG NRW nicht ein, da sich der Kläger als am Verwaltungsverfahren nicht beteiligter Dritter gegen den Erlass eines den Beigeladenen begünstigenden Verwaltungsakts wendet.
372. Die hier unterbliebene Durchführung eines Widerspruchsverfahrens war jedoch ausnahmsweise entbehrlich. Eine Entbehrlichkeit wird nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung angenommen, wenn die Widerspruchsbehörde - wie vorliegend - irrtümlich der Ansicht ist, ein Vorverfahren sei nicht erforderlich.
38Vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1971 - V C 70.70 -, juris, Rz. 7; Geis in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflg. 2018, § 68 Rn. 175.
39Darüber hinaus ist nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Entbehrlichkeit des Vorverfahrens anzunehmen, wenn dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen wurde oder dessen Zweck ohnehin nicht mehr erreicht werden kann. Das ist der Fall, wenn sich - wie hier - die für den Erlass eines Widerspruchsbescheides sachlich zuständige Behörde (hier: die Beklagte gemäß § 111 Satz 1 JustG NRW) auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2021 - 8 C 32.20 -, juris, Rn. 12 mit Hinweis auf die Urteile vom 15. September 2010 - 8 C 21.09 -, juris, Rn. 24 ff., und vom 20. April 1994 - 11 C 2.93 -, juris, Rn. 18, jeweils m. w. N.
41Dem steht angesichts der vorliegenden Drittanfechtungskonstellation auch nicht eine fehlende Sachentscheidungsbefugnis der Beklagten entgegen, da der Kläger an dem Verwaltungsverfahren nicht beteiligt war und ihm gegenüber eine Widerspruchsfrist (vgl. § 70 VwGO) mangels Rechtsbehelfsbelehrung nicht zu laufen begonnen hatte.
42Vgl. zur fehlenden Sachentscheidungsbefugnis der Behörde bei einem nach Ablauf der Widerspruchsfrist eingelegten Drittwiderspruch: BVerwG, Beschluss vom 11. März 2010 - 7 B 36.09 -, juris, Rn. 21 ff., und Urteil vom 4. August 1982 - 4 C 42.79 -, juris, Rn. 12 ff.
43III. Die Klage ist auch fristgerecht erhoben worden, da mangels Bekanntgabe des Genehmigungsbescheides an den Kläger als Mitbewerber keine Rechtsbehelfsfrist ihm gegenüber in Gang gesetzt wurde und eine Verwirkung des Klagerechts angesichts der - zunächst vorbeugenden - Klageerhebung durch den Kläger bereits nach Kenntnis der Einleitung des Vergabeverfahrens durch die Beklagte nicht vorliegt.
44B) Die Klage ist jedoch unbegründet.
45Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erteilung der begehrten - an den Beigeladenen vergebenen - weiteren Genehmigung für den Gelegenheitsverkehr mit einer Taxe zu, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO. Die Erteilung der Genehmigung an den Beigeladenen ist rechtmäßig.
46Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei personenbeförderungsrechtlichen Konkurrentenklagen sowohl für das Verpflichtungsbegehren als auch für die Anfechtung der einem Konkurrenten erteilten Genehmigung der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 3 C 26.12 -, juris, Rn. 13, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 18. Januar 2017 - 13 A 208/16 -, juris, Rn. 12.
48Zwischen den Beteiligten ist allein das Vorliegen eines - objektiven - Versagungsgrunds nach § 13 Abs. 4 Satz 1 PBefG streitig. Anhaltspunkte dafür, dass die subjektiven Genehmigungsvoraussetzungen nach § 13 Abs. 1 PBefG durch den Kläger nicht erfüllt werden, sind derzeit nicht gegeben und werden von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.
49Nach der hier maßgeblichen Vorschrift des § 13 Abs. 5 Sätze 1 und 2 PBefG sind bei der Erteilung der Genehmigungen für den Taxenverkehr Neubewerber und vorhandene Unternehmer angemessen zu berücksichtigen. Innerhalb der Gruppen sollen die Antragsteller nach der zeitlichen Reihenfolge des Eingangs der Anträge berücksichtigt werden. Die von der Beklagten geführten Vormerklisten beruhen auf dem in dieser Vorschrift ausgedrückten Prioritätsprinzip. Der Gesetzgeber hat mit der Bestimmung des Prioritätsprinzips, welches mit den Vormerklisten verfolgt wird, ausdrücklich ein Auswahlkriterium im Hinblick auf den regelmäßig bestehenden Bewerberüberhang normiert, das dem Gerechtigkeitsgedanken dient, und zwar nicht nur bezüglich des öffentlichen Interesses an einem geordneten Vergabeverfahren, sondern auch bezüglich des Interesses der einzelnen Listenbewerber an einer gerechten und möglichst berechenbaren Berücksichtigung ihrer Bewerbung. Zugleich belässt die Vorschrift Raum für Differenzierungen insofern, als es sich um eine „Sollvorschrift“ handelt und die Sätze 3 und 4 selbst bestimmte Durchbrechungen des Prioritätsgrundsatzes anordnen. Die Vorschrift des § 13 Abs. 5 PBefG hat insoweit auch Bedeutung für die materielle Stellung des jeweiligen Bewerbers, denn sie gewährleistet bei einem Bewerberüberhang im Regelfall eine Gleichbehandlung der verschiedenen Bewerber. Eine ausnahmsweise Durchbrechung des Prioritätsgrundsatzes bedarf besonderer Rechtfertigung. Auch Gerichte dürfen den materiell-rechtlichen Vorbehalt, unter dem der grundrechtlich geschützte prinzipielle Zulassungsanspruch eines Bewerbers steht, nicht gänzlich übergehen und den Ausnahmefall zum Regelfall machen.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. September 1989 - 7 C 44 und 45.88 u. a. -, juris, Rn. 10 f.; OVG NRW, Beschluss vom 11. Juni 1990 - 13 B 1283/90 -, juris, Rn. 4 f.
51I. Die Beklagte hat der Vorschrift entsprechend den Beigeladenen bei der Auswahl zwischen den Bewerbern auf der Altunternehmerliste zu Recht vor dem Kläger berücksichtigt, da der Beigeladene auf der Altunternehmerliste mit der Position Nr. 1 geführt wurde. Dem Kläger steht auf Grund seiner damaligen Rangstellung auf der Vormerkliste für Altunternehmer mit Position Nr. 11 kein vorrangiger Rechtsanspruch zu.
52Die von der Beklagten geübte Verwaltungspraxis, Taxikonzessionen bei bestehenden Vormerklisten für Neubewerber und Altunternehmer im Verhältnis 2:1 zu vergeben, ist nicht zu beanstanden. Dies entspricht der Ziffer 5.3 eines bis April 2019 gültigen Runderlasses „Richtlinien zur Durchführung des Taxen- und Mietwagenverkehrs nach Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes“ vom 20. November 1987 (- II C 6 - 33 - 32 -, MBl.NRW.1988 S. 7) und ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung angemessen i. S. d. § 13 Abs. 5 PBefG und verfassungsgemäß.
53Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19. September 1989 - 7 CB 32.89 -, juris, Rn. 5 ff.
54II. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Durchbrechung des Prioritätsprinzips bzw. auf eine vorrangige Erteilung der Genehmigung.
55Einen derartigen Anspruch kann der Kläger nicht auf Grund seiner Schwerbehinderung unter Heranziehung von § 212 des Sozialgesetzbuches 9. Buch (SGB IX) i. V. m. dem geltenden Erlass zur Erteilung von Genehmigungen für den Verkehr mit Kraftdroschken an gesetzlich bevorzugte Personen vom 22. Dezember 1994 (Runderlass - II C - 33-32; MBl.NRW. 1995 S. 236) geltend machen. Denn daraus folgt weder eine günstigere Rangstellung etwa auf Grund einer grundsätzlichen Bevorzugung bei der Erteilung einer Taxigenehmigung noch eine günstigere Position innerhalb der Vormerkliste für Altunternehmer. Nach § 212 SGB IX (Nachfolgevorschrift zu § 51 SchwebG) soll in Fällen, in denen zur Ausübung einer unabhängigen Tätigkeit eine Zulassung erforderlich ist, schwerbehinderten Menschen, die eine Zulassung beantragen, bei fachlicher Eignung und Erfüllung der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen die Zulassung bevorzugt erteilt werden. Liegen die jeweiligen spezialgesetzlichen Eignungs- und Genehmigungsvoraussetzungen vor, hat die Genehmigungsbehörde das in der Vorschrift vorgesehene gebundene Ermessen auszuüben, welches in Nordrhein-Westfalen durch den Erlass auf den Bereich der Erteilung von Taxengenehmigungen übertragen bzw. konkretisiert worden ist. Dieser regelt eine bevorzugte Genehmigungserteilung bei Vorliegen der subjektiven Genehmigungsvoraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 PBefG. Insoweit handelt es sich um eine gesetzlich vorgesehene Durchbrechung des Prioritätsgrundsatzes aus § 13 Abs. 5 Satz 2 PBefG.
56Der Kläger kann jedoch keine Bevorzugung auf dieser Grundlage beanspruchen, da er bereits Inhaber einer Taxigenehmigung ist und nicht den Zugang zu diesem Gewerbe, sondern die Erweiterung seines Unternehmens anstrebt. Er wurde bereits mit der Erteilung seiner ersten Genehmigung zur Ausübung des Taxengewerbes zugelassen. Die oben genannten Regelungen erfassen jedoch lediglich diejenigen schwerbehinderten Bewerber, die den - erstmaligen - Zugang zu einer kontingentierten selbständigen Berufstätigkeit anstreben, der ihnen erleichtert werden soll. Sinn und Zweck der gesetzlich vorgesehenen Bevorzugung schwerbehinderter Bewerber ist die erleichterte Eingliederung in das Berufsleben bzw. eine Hilfe zur Erleichterung des Zugangs zu einer unabhängigen Berufstätigkeit. Eine Bevorzugung ist jedoch dann nicht mehr erforderlich, wenn eine soziale und wirtschaftliche Eingliederung des schwerbehinderten Menschen bereits erfolgt ist bzw. der Betreffende bereits den Zugang zu der selbständigen Tätigkeit erlangt hat.
57Vgl. auch schon: VG Aachen, Urteil vom 29. September 2009 - 2 K 1447/07 -, juris, Rn. 20.
58Dem entsprechend sieht auch der Erlass vor, dass eine Bevorzugung nicht mehr in Betracht kommt, wenn der schwerbehinderte Bewerber bereits einer beruflichen Tätigkeit nachgeht (lit. b) oder aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist (lit. c). Denn einer bevorzugten Genehmigungserteilung an schwerbehinderte Altunternehmer stehen insoweit unter dem Blickwinkel der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG die rechtlich geschützten Interessen der anderen vorrangigen Bewerber entgegen, und zwar nicht nur der Neubewerber, die noch eine Existenzgründung anstreben, sondern auch der anderen vorgemerkten Altunternehmer. Dies folgt insbesondere aus dem bereits oben genannten Prioritätsprinzip nach § 13 Abs. 5 Satz 2 PBefG. Denn der Rang auf der Vormerkliste vermittelt dem jeweiligen Bewerber eine Aussicht bzw. Anwartschaft, das Grundrecht aus Art. 12 GG bald verwirklichen zu können und gilt nicht nur für Neubewerber, sondern auch für Altunternehmer, die ihren Betrieb vergrößern wollen.
59Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 11. Juni 1990 - 13 B 1283/90 -, juris, Rn. 2 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 5. Juli 2017 - 9 S 8/16 -, juris, Rn. 56 f.
60Soweit jedoch ein schwerbehinderter Bewerber schon einen Zugang zu einer beruflichen selbständigen Tätigkeit erlangt hat, bietet § 212 SGB IX i. V. m. dem oben genannten Erlass keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine weitere Durchbrechung des Prioritätsgrundsatzes.
61III. Der Kläger kann eine günstigere Rangstellung oder vorrangige Berücksichtigung auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 30. November 2016 herleiten. Es handelt sich insoweit weder um eine rechtsverbindliche Zusicherung i. S. v. § 38 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), ihm in Zukunft eine Genehmigung bevorzugt zu erteilen, noch um eine rechtsverbindliche Einräumung einer bestimmten Position auf der Vormerkliste. Vielmehr handelt es um eine Bestätigung seiner Antragstellung verbunden mit einer Auskunft zu seiner Rangposition und einem - nach den obigen Ausführungen - fehlerhaften Hinweis auf eine Bevorzugung als schwerbehinderter Bewerber nach der Erlasslage. Die Beklagte informierte den Kläger lediglich über ihre - damalige - Rechtsauffassung, wonach er auf Grund des genannten Erlasses als bevorrechtigt gelte bzw. angesehen werde.
62IV. Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass sich dem genannten Schreiben der Beklagten entnehmen lasse, dass die Beklagte nach ihrer damaligen Verwaltungspraxis grundsätzlich alle schwerbehinderten Neu- und Altbewerber bei der Genehmigungsvergabe bevorzugt berücksichtigt und diese Praxis zu seinen Lasten geändert habe, kann der Kläger eine günstigere Rangstellung auch nicht unter Heranziehung des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 GG oder aus Vertrauensschutzerwägungen geltend machen.
63Anhaltspunkte für eine derartige Verwaltungspraxis, nach der schwerbehinderte Altunternehmer vor den übrigen Altunternehmern - entgegen den vorherigen Ausführungen - von der Beklagten bevorzugt wurden, sind jedenfalls für die Zeit ab 2006 nicht ersichtlich. So lässt sich etwa der von der Beklagten im Verfahren vorgelegten Übersicht über die Erteilung von Genehmigungen an Vormerklistenbewerber seit 2006 entnehmen, dass bei den dort aufgeführten zwei Altunternehmern, die im Jahr 2007 eine Genehmigung erhalten haben, keine Schwerbehinderung vermerkt ist. Demgegenüber enthalten fast alle bis 2017 erteilten Genehmigungen an Neubewerber (und zwar in 10 von 11 Fällen) einen Vermerk über eine Schwerbehinderung. Die Beklagte hat darüber hinaus angegeben, dass sie jedenfalls seit dem 1. Januar 2010 bis 1. August 2018 schwerbehinderte Neubewerber vor der Anwendung der Verteilungsregelung Neubewerber zu Altbewerber im Verhältnis 2:1 generell allen Bewerbern gegenüber vorgezogen hat und der Hinweis in dem Schreiben vom 30. November 2016 insoweit fehlerhaft erfolgt sei.
64Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob die Beklagte in ihrer früheren Vergabepraxis schwerbehinderte Neu- und Altbewerber generell bevorzugt und diese Vergabepraxis zu einem späteren Zeitpunkt geändert hat. Denn die Beklagte kann ihre Verwaltungspraxis aus willkürfreien, d. h. sachlichen Gründen für die Zukunft ändern. Soweit die Beklagte den oben genannten Erlass im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Regelungen nicht (mehr) im Rahmen der Vormerkliste für die Altunternehmer anwendet, ist dies nach den obigen Ausführungen rechtmäßig und sachlich gerechtfertigt.
65Soweit durch die Vergabepraxis der Beklagten seit 1. Januar 2010 bis 1. August 2018 (generelle Bevorzugung schwerbehinderter Neubewerber vor Anwendung der Verteilungsregelung 2:1) in der Vergangenheit keine Genehmigungserteilung mehr an Altunternehmer erfolgte, weil die (wenigen) Genehmigungen nur noch an schwerbehinderte Neubewerber erteilt wurden, kann der Kläger daraus ebenfalls keinen Anspruch auf eine günstigere Rangstellung herleiten. Zwar dürften dadurch in der Vergangenheit ggf. Altunternehmer entgegen der Vorgabe in § 13 Abs. 5 Satz 1 PBefG nicht angemessen berücksichtigt worden sein. Letztlich hat die Beklagte jedoch diese Verwaltungspraxis zugunsten der Altunternehmer - und damit auch zugunsten des Klägers - geändert, indem sie seit 2018/19 nunmehr die Regelungsverteilung 2 Neubewerber zu 1 Altunternehmer anwendet und nur innerhalb der Neubewerber eine Schwerbehinderung bevorzugt berücksichtigt.
66V. Soweit sich der Kläger zur Begründung seines Begehrens - entgegen der Annahme in dem Gutachten von September 2021 - auch auf eine fehlende Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Taxengewerbes und eine nicht rechtmäßige Kontingentierung der Genehmigungen durch die Beklagte beruft, ist dies vorliegend nicht zu berücksichtigen. Denn Gegenstand dieses Verfahrens ist - ausschließlich - die Rechtmäßigkeit der Erteilung der einzelnen Genehmigung an den Beigeladenen im Januar 2020 bzw. der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf diese Genehmigung. Das Verpflichtungsbegehren auf Erteilung einer Taxikonzession im Übrigen ist Gegenstand des Verfahrens 10 K 404/19.
67C) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, ihm einen Kostenerstattungsanspruch seiner eigenen Auslagen, sollten solche überhaupt entstanden sein, nicht zuzusprechen.
68Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO)