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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist kamerunische Staatsangehörige.
3Sie reiste am 26. August 2013 mit einem bis zum 23. November 2013 gültigen Visum zum Sprachkurs/Studium in das Bundesgebiet ein.
4Am 7. Oktober 2013 erhielt sie erstmals eine bis zum 6. Oktober 2014 befristete Aufenthaltserlaubnis für die Teilnahme an einem Deutschkurs an der Universität Q. und für ein anschließendes Studium der Fachrichtung „Elektrotechnik“ nach § 16 Abs. 1 AufenthG a.F. Am 29. September 2014 wurde die Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums im Bachelorstudiengang „Maschinenbau“ an der S. B. verlängert. Die letzte Verlängerung erfolgte nach Vorlage einer Studienverlaufsbescheinigung der S. B. am 9. März 2018 bis zum 18. März 2019.
5Die Klägerin hatte sich nach dem Besuch eines studienvorbereitenden Deutschkurses und Bestehen der DSH-Prüfung in Q. im Wintersemester 2014/2015 an der S. B. im Bachelorstudiengang „Maschinenbau“ immatrikuliert. Die Regelstudienzeit in diesem Studiengang beträgt sieben Semester, die durchschnittliche Studiendauer zehn Semester. Die Klägerin studierte darin acht Semester, bevor sie wegen endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung (Fach „Mathematik I“) zum Ende des Sommersemesters 2018 exmatrikuliert wurde. Während der acht Semester hatte sie 27 Creditpoints (CP) von insgesamt zu erzielenden 210 CP erreicht. Zuletzt stand sie in acht Fächern im Drittversuch.
6Zum Wintersemester 2018/2019 immatrikulierte die Klägerin sich - ohne Zustimmung der Ausländerbehörde - an der Fachhochschule B. im Bachelorstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“, wo sie aufgrund der Anrechnung vorangegangener Studienleistungen (3 Modulprüfungen) im 2. Fachsemester eingestuft wurde.
7Am 20. Mai 2019 beantragte die Klägerin - verspätet - die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Am 5. Juli 2019 wurde ihr nach Aufforderung zur Darlegung der Gründe für die verspätete Antragstellung eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt.
8In einer von der Beklagten angeforderten Bescheinigung über Studienstand und Studienverlauf vom 18. Juni 2019 teilte das Akademischen Auslandsamts der Fachhochschule B. mit, dass die Klägerin dort im Sommersemester 2019 im 3. Fachsemester und im 10. Hochschulsemester im Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ (sieben Semester, 210 CP) studiere. Sie habe in der Prüfungsperiode zum Ende des Wintersemesters 2018/2019 an vier Modulprüfungen teilgenommen und eine Prüfung („Technische Mechanik“ aus dem 3. Fachsemester) bestanden. Je nach Prüfungspensum in der Prüfungsperiode zum Ende des Sommersemesters 2019 sei bei einem verzögerungsfreien Studium ein erfolgreicher Studienabschluss voraussichtlich zum Ende des Wintersemesters 2021/2022 möglich. Es werde um Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gebeten.
9Nach vorheriger Anhörung der Klägerin lehnte die Beklagte mit Ordnungsverfügung vom 28. August 2019, zugestellt am 12. September 2019, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab, drohte der Klägerin für den Fall, dass sie das Bundesgebiet nicht bis zum Ablauf von einem Monat nach Zustellung der Verfügung verlassen habe, die Abschiebung in ihr Heimatland an, und ordnete für den Fall einer Abschiebung ein auf zwei Jahre befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot an. Zur Begründung führte sie aus, dass eine Verlängerung der studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 2 Satz 4 AufenthG a.F. nicht in Betracht komme, weil nicht davon auszugehen sei, dass der Aufenthaltszweck, d.h. ein erfolgreicher Studienabschluss noch in einem angemessenen Zeitraum erreicht werden könne. Die Klägerin habe bereits ihr erstes Studium im Studiengang „Maschinenbau“ nach neun (richtig: acht) Semestern abbrechen müssen, weil sie eine Prüfung endgültig nicht bestanden habe. Ihre während dieses Studiums erbrachten Studienleistungen hätten deutlich unterhalb des als normal zu bewertenden Studienerfolgs gelegen. So habe die Klägerin nur 27 CP von den insgesamt zu erreichenden 210 CP erzielt und zuletzt in acht Fächern im Drittversuch gestanden. Nach dem Wechsel in den Bachelorstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ an der Fachhochschule B. seien ebenfalls keine verbesserten Studienleistungen festzustellen. In der ersten Prüfungsperiode im Wintersemester 2018/2019 habe die Klägerin von vier abgelegten Prüfungen nur eine Prüfung bestanden. In Anbetracht der bisher gezeigten mangelnden Studienleistungen sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin ihr neues Studium in angemessener Zeit erfolgreich werde abschließen können.
10Am 11. Oktober 2019 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben.
11Sie macht geltend, die Beklagte habe zu Unrecht angenommen, dass sie in dem neuen Studium „Wirtschaftsingenieurwesen“ bisher nur eine Prüfung bestanden habe. Tatsächlich habe sie fünf Prüfungen abgelegt und bestanden, wie sich aus der Notenübersicht vom 11. Oktober 2019 ergebe. Sie verfolge ihr Studium mit großem Eifer und erbringe die gewöhnlichen Studienleistungen, so dass entsprechend der Einschätzung der Fachhochschule B. vom 18. Juni 2019 davon auszugehen sei, dass sie ihr Studium zum Ende des Wintersemesters 2021/2022 abschließen können werde.
12Die Klägerin beantragt - sinngemäß -,
13die Beklagte unter Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 28. August 2019 zu verpflichten, ihr die Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums „Wirtschaftsingenieurwesen“ an der Fachhochschule B. zu verlängern bzw. zu erteilen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie führt zur Begründung aus, eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken komme nicht in Betracht. Dabei könne dahinstehen, ob der Verlängerung bereits entgegenstehe, dass der verspätet gestellte Verlängerungsantrag nicht die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst habe und es deswegen an einem verlängerungsfähigen Aufenthaltstitel fehle. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG nicht vor, da nicht erkennbar sei, dass der Aufenthaltszweck, d.h. der erfolgreiche Abschluss des Studiums noch in einem angemessenen Zeitraum erreicht werden könne. Die Klägerin habe bereits das zuerst aufgenommene Studium „Maschinenbau“ an der S. B. nach neun (richtig: acht) Semestern ohne Abschluss abbrechen müssen, nachdem sie wegen einer endgültig nicht bestandenen Prüfung exmatrikuliert worden sei. Auch zuvor habe die Klägerin keine ausreichenden Studienleistungen erbracht und in dem genannten Zeitraum lediglich 27 CP von insgesamt zu erreichenden 210 CP erzielt, obwohl sie die durchschnittliche Studiendauer dieses Studiengangs (zehn Fachsemester) bereits nahezu erreicht gehabt habe. Der im Erststudium zu verzeichnende unterdurchschnittliche Studienerfolg sei bei der heute anzustellenden Prognose zu berücksichtigen, da der Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ an der Fachhochschule B. sich als ähnliches Studium darstelle, was sich auch daran zeige, dass der Klägerin Studienleistungen aus dem Studium „Maschinenbau“ an der S. angerechnet worden seien. Im Übrigen könne auch nach dem Wechsel des Studienganges ein beschleunigtes Studium nicht festgestellt werden. In der Prüfungsperiode des Wintersemesters 2018/2019 habe die Klägerin von vier in Angriff genommenen Prüfungen lediglich eine bestanden. Bis heute seien keine weiteren Prüfungsleistungen nachgewiesen worden. Soweit die Klägerin sich zum Beleg eines zu erwartenden Studienabschlusses in angemessener Zeit auf die Bescheinigung des Akademischen Auslandsamts der Fachhochschule B. vom 18. Juni 2019 berufe, sei festzustellen, dass dieses prognostiziert habe, die Klägerin „werde ihr Studium an der Fachhochschule B. voraussichtlich bis zum Ende des Wintersemesters 2021/2022 absolvieren". Vielmehr sei ausgeführt worden, dass „je nach Prüfungspensum in der Prüfungsperiode zum Ende des Sommersemesters 2019 bei einem verzögerungsfreien Studium ein Studienabschluss voraussichtlich zum Wintersemester 2021/2022 möglich sei. Bei dieser Beurteilung sei es erkennbar davon ausgegangen worden, dass die Klägerin die zu diesem Zeitpunkt noch ausstehenden bzw. noch nicht bewerteten Prüfungen aus dem Wintersemester 2018/2019 bestehen werde. Da dies nicht der Fall sei, sei der hierauf beruhenden Prognose die Grundlage entzogen. Auch unabhängig von dieser Prüfungsperiode sei im Hinblick auf den bisherigen Studienverlauf der Klägerin nicht von dem von der Fachhochschule ebenfalls vorausgesetzten zukünftig „verzögerungsfreiem Studium“ auszugehen. Schließlich sei selbst unter den genannten ‑ nicht eingetretenen - Voraussetzungen ein Abschluss des Studiums zum Wintersemester 2021/2022 lediglich als „möglich" angesehen worden. Die eigene Prognose der Klägerin, sie verfolge ihr Studium mit vollem Eifer und erbringe die gewöhnlichen Studienleistungen, so dass sie das Studium in angemessener Zeit absolvieren können werde, sei durch den bislang gezeigten Studienverlauf nicht bestätigt und im Hinblick darauf nicht belastbar. Dass die Verzögerungen im Studienverlauf der Klägerin auf eine zwischenzeitlich entfallene Ursache zurückzuführen wären und unter Berücksichtigung dessen nunmehr von einem ordnungsgemäßen Studium ausgegangen werden könne, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
17Mit Beschluss vom 17. Dezember 2021 hat die Kammer den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin abgelehnt und das Verfahren auf die Einzelrichterin übertragen.
18In einer von der Kammer eingeholten aktualisierten Bescheinigung über den Studienstand und Studienverlauf der Fachhochschule B. vom 8. Februar 2022 wird ausgeführt, dass die Klägerin bis zum 31. August 2021 ordentliche Studierende der Fachhochschule B. gewesen sei. Im Sommersemester 2021 habe sie 47 CP von insgesamt zu erreichenden 210 CP erzielt. Im Wintersemester 2019/2020, im Sommersemester 2020 und im Wintersemester 2020/2021 habe sie jeweils eine Modulprüfung bestanden und damit 13 CP erzielt. Bis zu einem erfolgreichen Studienabschluss hätten der Klägerin noch Studienleistungen im Umfang von 163 CP gefehlt. Bei einer Wiedereinschreibung zum Sommersemester 2022, die noch bis zum 28. Februar 2022 möglich sei, würde die Klägerin bei einem anschließenden verzögerungsfreien Studium unter der Voraussetzung, dass ein volles Studienpensum 30 CP pro Semester entspreche, voraussichtlich noch sechs weitere Studienfachsemester benötigen, so dass rechnerisch ein erfolgreicher Studienabschluss zum Ende des Wintersemesters 2024/2025 möglich sei.
19Auf Nachfrage der Kammer teilte die Fachhochschule B. mit Schreiben vom 3. März 2022 mit, dass dem Studierendensekretariat für das Sommersemester 2022 kein Antrag der Klägerin auf Wiedereinschreibung vorliege und die Bewerbungsfrist am 28. Februar 2022 abgelaufen sei.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Ausländerakte Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22Die Kammer kann über die Klage entscheiden, auch wenn die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Die Beteiligten sind mit der Ladung darauf hingewiesen worden sind, dass bei ihrem Ausbleiben auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
23A. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
24Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 28. August 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
25I. Der Klägerin steht in dem für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung kein Anspruch auf Verlängerung bzw. Erteilung einer hier allein streitgegenständlichen Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums zu (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
261. Ein Anspruch auf Verlängerung der studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis ergibt sich nicht aus § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG.
27Nach dieser Vorschrift wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann.
28Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.
29a) Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis scheidet schon deswegen aus, weil die Klägerin den Verlängerungsantrag erst am 20. Mai 2019 und damit nach Ablauf ihrer zuletzt bis zum 18. März 2019 gültigen Aufenthaltserlaubnis gestellt hat. Die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis kommt in aller Regel - und so auch hier - nur in Betracht, wenn der Verlängerungsantrag vor Ablauf ihrer Geltungsdauer gestellt worden ist. Ein erloschener Aufenthaltstitel kann nicht verlängert werden, weil eine Verlängerung i.S.v. § 8 Abs. 1 AufenthG auf die weitere lückenlose Legalisierung des Aufenthalts ohne Wechsel des Aufenthaltszwecks gerichtet ist. Der Systematik des Aufenthaltsgesetzes widerspräche es, eine bereits abgelaufene Aufenthaltserlaubnis mit Rückwirkung vor dem Zeitpunkt der Antragstellung zu verlängern. Die Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für die Vergangenheit kommt nur für Zeiten nach der Antragstellung bei der Ausländerbehörde in Betracht.
30Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 1 C 5.10. -, juris, Rn. 14.
31Die Beklagte hat die Fortgeltungsfiktion insbesondere auch nicht nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Gültigkeitsdauer der bisherigen Aufenthaltserlaubnis gesondert angeordnet. Nach dieser Vorschrift kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte - mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Gültigkeitsdauer des bisherigen Aufenthaltstitels rechtsbegründend,
32vgl. BVerwG, Urteil vom 15. August 2019 - 1 C 23.18 -, juris, Rn. 28; Samel, in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl., § 81 Rn. 26, 31 -
33die Fortgeltungswirkung anordnen, wenn der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt wurde.
34Es lässt sich hier jedoch nicht feststellen, dass die Ausländerbehörde der Beklagten eine dahingehende - ausdrückliche oder auch nur konkludente - Regelung getroffen hätte. Eine konkludente Anordnung der Fiktionswirkung kann sich je nach den Umständen des Einzelfalls auch aus dem schlüssigen Verhalten der Ausländerbehörde ergeben. Dabei kommt es maßgeblich auf den objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB analog), d.h. darauf an, ob der Adressat das Verhalten der Behörde nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als Verwaltungsakt verstehen durfte.
35Vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 24. November 2016 - 3 B 2556/16 U, 3 D 2558/16 -, juris, Rn. 7 m.w.N.
36Die - auch mehrfache - Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung allein ist für die Annahme einer konkludenten Anordnung allerdings in der Regel nicht ausreichend.
37Vgl. ebenso: Samel, in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl., § 81 Rn. 26; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. August 2019 - OVG 11 N 122.16 -, juris, Rn. 7; bejahend für den Fall einer vorangegangenen Zusicherung bei einer Online-Terminvereinbarung: BVerwG, Urteil vom 15. August 2019 - 1 C 23.18 -, juris, Rn. 28.
38Vorliegend hat die Ausländerbehörde der Klägerin nach Aufforderung zur Darlegung der Gründe für die verspätete Antragstellung zwar am 5. Juli 2019 eine Fiktionsbescheinigung „nach § 81 Abs. 4 AufenthG“ ausgestellt. Eine konkludente Anordnung der Fortgeltungsfiktion ist darin nach den Umständen des Falls aber nicht zu sehen. Zum einen hat die Ausländerbehörde die Fiktionsbescheinigung nur mit Gültigkeit ab dem 5. Juli 2019 und gerade nicht, wie dies für die Annahme einer rechtsbegründenden Anordnung erforderlich gewesen wäre, mit Rückwirkung ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Gültigkeitsdauer der bisherigen Aufenthaltserlaubnis ausgestellt. Zum anderen hat die Ausländerbehörde in der nachfolgenden Anhörung vom 18. Juli 2019 unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Klägerin zu den Gründen der verspäteten Antragstellung ausdrücklich ausgeführt, dass die Klägerin den Verlängerungsantrag (fahrlässig) verspätet gestellt und damit ordnungswidrig (§ 98 Abs. 1 i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) gehandelt habe.
39Im Übrigen sind auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, aus welchen Gründen eine unbillige Härte vorgelegen haben könnte, die eine solche Anordnung hätte rechtfertigen können. Nach der Gesetzesbegründung liegt eine „unbillige Härte“ insbesondere in Fällen vor, in denen der Ausländer die Frist zur Antragstellung nur geringfügig überschritten hat, die Fristüberschreitung unverschuldet oder lediglich auf Fahrlässigkeit zurückzuführen ist und bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass - eine rechtzeitige Antragstellung vorausgesetzt - bei ordnungsgemäßer Prüfung der Aufenthaltstitel verlängert oder ein anderer Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Der Ausländer hat dazu gemäß § 82 Abs. 1 AufenthG die Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen, die belegen, warum ihm eine rechtzeitige Antragstellung nicht möglich war oder die Fristüberschreitung lediglich auf Fahrlässigkeit beruhte (vgl. BT-Drs. 17/8682, S. 22 f.).
40Aus der Stellungnahme der Klägerin (ohne Datum) lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, warum dies hier der Fall gewesen sein sollte. Die Klägerin hat darin mitgeteilt, dass sie sich wegen der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zunächst an die Fachhochschule B. und nach einem dortigen Hinweis an die Ausländerbehörde gewandt habe. Bei nochmaliger Vorsprache bei der Ausländerbehörde einige Wochen später habe man sie von dort an die S. B. verwiesen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Aufenthaltserlaubnis bereits abgelaufen gewesen. Damit hat die Klägerin nicht substantiiert aufgezeigt, dass sie sich rechtzeitig vor Ablauf der Gültigkeit ihrer Aufenthaltserlaubnis an die Fachhochschule B. bzw. die Ausländerbehörde gewandt hat und ihr die rechtzeitige Verlängerung allein wegen interner Unklarheiten bezüglich der Zuständigkeit nicht möglich gewesen ist. Zudem war die Möglichkeit der Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - wie sich aus dem Folgenden ergibt - auch gerade nicht schon nach einer nur summarischen Prüfung zu bejahen.
41b) Darüber hinaus kann die Klägerin den bisherigen Aufenthaltszweck auch nicht mehr erreichen.
42Unter Aufenthaltszweck i.S.v. § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist der erfolgreiche Abschluss des konkreten Studiums zu verstehen, das durch die jeweilige Fachrichtung, d.h. durch den Studiengang und ggf. auch die Studienfächer bestimmt wird, zu dem der Ausländer von der Hochschule zugelassen worden ist und für das die Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist (vgl. §§ 16b Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Eine derartige konkrete Betrachtung ist nach dem Willen des Gesetzgebers geboten, um zu verhindern, dass die studienbezogene Aufenthaltserlaubnis als Vehikel für eine unkontrollierte Einwanderung zu einem anderen Aufenthaltszweck genutzt wird als dem, der der ursprünglichen Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zugrunde lag. Damit liegt bei einem Wechsel des Studiengangs ebenso wie bei einem Wechsel von einem Hochschulstudium zu einem entsprechenden Fachhochschulstudium ein Wechsel des Aufenthaltszwecks vor. Dies gilt erst recht, wenn das bisherige Studium endgültig fehlgeschlagen ist und der Ausländer ein neues Studium aufnehmen will.
43Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Oktober 2019 - 18 B 907/19 -, juris, Rn. 3, und vom 6. März 2009 - 18 B 180/09 -, juris, Rn. 5 ff.; Thüringer OVG, Beschluss vom 11. Januar 2021 - 3 EO 279/19 -, juris, Rn. 18; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 25. April 2019 - 13 ME 86/19 -, juris, Rn. 8; Samel, in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 16b AufenthG Rn. 35; Fehrenbacher, HTK-AuslR, Stand: 23. Februar 2022, § 16b AufenthG, Rn. 8 und 20 ff.; Nr. 16.2.4 ff. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG des BMI vom 26. Oktober 2009 - AVwV-AufenthG.
44Vorliegend ist der Klägerin die zuletzt bis zum 18. März 2019 gültige Aufenthaltserlaubnis zum Studium im Studiengang „Maschinenbau/Bachelor“ an der S. B. erteilt worden. Dieses Studium kann die Klägerin nicht mehr erfolgreich abschließen, weil sie bereits zum Ende des Sommersemesters 2018 wegen endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung exmatrikuliert worden ist. Dementsprechend begehrt sie mit dem Verlängerungsantrag vom 20. Mai 2019 eine Aufenthaltserlaubnis auch nicht mehr für dieses Studium, sondern vielmehr für den von ihr zum Wintersemester 2018/2019 - ohne Zustimmung der Ausländerbehörde - aufgenommenen Bachelorstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ an der Fachhochschule B. . Dieses Studium stellt sich nach den vorstehenden Maßstäben jedoch gegenüber dem bisherigen Studium sowohl im Hinblick auf den Studiengang als auch im Hinblick auf die Hochschulart als anderer Aufenthaltszweck dar. Insbesondere kann der Studienwechsel auch nicht als bloße Fortführung des ursprünglichen Aufenthaltszwecks verstanden werden, was in Betracht kommen kann, wenn es sich nur um eine Schwerpunktverlagerung handelt oder wenn der Wechsel innerhalb einer Orientierungsphase von 18 Monate nach Aufnahme des Studiums erfolgt.
45Vgl. etwa: VG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2020 - 3 K 7685/18 -, juris, Rn. 31; Nr. 16.2.5. und 16.2.6 AVwV-AufenthG; HTK-AuslR, Stand: 23. Februar 2022, § 16b AufenthG, Rn. 14 und 24.
46Der Studienwechsel erfolgte erst, nachdem die Klägerin schon acht Semester ‑ erfolglos - im Studiengang „Maschinenbau“ an der S. B. studiert hatte. Auch handelte es sich nicht nur um eine Schwerpunktverlagerung. Der Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ an der Fachhochschule B. ist, auch wenn er der Fachrichtung „Maschinenbau“ zugeordnet ist und in einer Kooperation von den Fachbereichen Maschinenbau und Mechatronik einerseits sowie Wirtschaftswissenschaften andererseits getragen wird,
47vgl. https://www.fh-aachen.de/studium/wirtschaftsingenieurwesen-bsc/der-studiengang,
48mit Blick auf die unterschiedlichen Hochschularten und die unterschiedlichen Prüfungsordnungen ein anderer Studiengang als das Studium „Maschinenbau“ an der S. . Dies zeigt sich auch daran, dass der Klägerin bei dem Studien- und Hochschulwechsel die bisher erbrachten Studienleistungen nicht vollständig, sondern lediglich zum Teil (drei Modulprüfungen) angerechnet worden sind und sie auch nur in das 2. Fachsemester eingestuft worden ist.
492. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung einer (neuen) Aufenthaltserlaubnis für das Bachelorstudium „Wirtschaftsingenieurwesen“ an der Fachhochschule B. gemäß § 16b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu.
50a) Die Klägerin erfüllt schon nicht die besonderen Erteilungsvoraussetzungen dieser Vorschriften.
51Nach § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG wird einem Ausländer zum Zweck des Vollzeitstudiums an einer staatlichen Hochschule, an einer staatlich anerkannten Hochschule oder an einer vergleichbaren Bildungseinrichtung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn er von der Bildungseinrichtung zugelassen worden ist.
52Einem Anspruch auf (erneute) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift steht bereits das Zweckwechselverbot des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG entgegen. Danach darf während eines Aufenthalts nach § 16b Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck nur zum Zweck einer qualifizierten Berufsausbildung (1. Alt.), der Ausübung einer Beschäftigung als Fachkraft (2. Alt.), der Ausübung einer Beschäftigung mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen nach § 19c Abs. 2 AufenthG (3. Alt.) oder in Fällen eines gesetzlichen Anspruchs (4. Alt.) erteilt werden.
53aa) Der Anwendungsbereich dieser Norm ist hier eröffnet.
54Das in § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG enthaltene Zweckwechselverbot betrifft auch den vorliegenden Fall eines Studiengangwechsels. Die Formulierung „für einen anderen Aufenthaltszweck“ erfasst nicht nur andere Zwecke als den abstrakten Zweck „Studium“, sondern entsprechend dem Verständnis des Aufenthaltszwecks in § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG auch ein anderes als das konkrete Studium, durch das der Aufenthaltszweck nach § 16b Abs. 1 AufenthG bestimmt wird.
55Vgl. Samel, in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 16b AufenthG Rn. 35; Fehrenbacher, HTK-AuslR, Stand: 23. Februar 2022, § 16b AufenthG, Rn. 6 ff und 20 ff.
56Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein Studiengangwechsel nach Ablauf von 18 Monaten nach Aufnahme des ersten Studiums vorgenommen wird.
57Vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 11. Januar 2021 - 3 EO 279/19 -, juris, Rn. 23; VG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2020 - 3 K 7685/18 -, juris, Rn. 36; Fleuß, in: BeckOK, Ausländerrecht, 32. Ed. Stand. 01.01.2022, § 16b AufenthG Rn. 59.
58Das Verbot des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG entfällt hier auch nicht deswegen, weil die der Klägerin zuletzt erteilte Aufenthaltserlaubnis bereits am 18. März 2019 abgelaufen ist. Denn das Zweckwechselverbot entfaltet über die Geltungsdauer der ursprünglich erteilten studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis hinaus bis zu einer vom Gesetz zugelassenen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Aufenthaltszweck sowie bis zu einer Ausreise des Ausländers Geltung.
59Vgl. Urteil der Kammer vom 25. Februar 2021 - 8 K 2425/18 -, juris, Rn. 42 ff.; ebenso: Thüringer OVG, Beschluss vom 11. Januar 2021 - 3 EO 279/19 -, juris, Rn. 24 ff.; VG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2020 - 3 K 7685/18 -, juris, Rn. 37; Fleuß, in: BeckOK, Ausländerrecht, 32. Ed. Stand. 01.01.2022, § 16b AufenthG Rn. 59.
60bb) Es greift auch nicht die hier allein in Betracht kommende Ausnahme von dem Zweckwechselverbot des § 16b Abs. 4 Satz 1, 4. Alt. AufenthG ein. Der Klägerin steht ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für das Bachelorstudium „Wirtschaftsingenieurwesen“ an der Fachhochschule B. nicht zu.
61(1) Ein gesetzlicher Anspruch, der trotz des Zweckwechselverbots ausnahmsweise die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ermöglicht, setzt das Bestehen eines strikten Rechtsanspruchs voraus, der sich unmittelbar und abschließend aus dem Gesetz ergibt. Erforderlich ist, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat. Ein gesetzlicher Anspruch liegt daher weder im Falle eines Regelanspruchs oder eines Anspruchs aufgrund einer „Soll“-Regelung noch im Fall einer Ermessensreduzierung auf Null vor.
62Vgl. in st.RSpr. etwa zu § 10 Abs. 1 AufenthG nur: BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2016 - 1 C 23.15 -, juris, Rn. 21; zu § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG: Thüringer OVG, Beschluss vom 11. Januar 2021 - 3 EO 279/19 -, juris, Rn. 24 ff.; VG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2020 - 3 K 7685/18 -, juris, Rn. 38; Fleuß, in: BeckOK, Ausländerrecht, 32. Ed. Stand. 01.01.2022, § 16b AufenthG Rn. 65.
63Zwar vermittelt der § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG dem Ausländer einen gebundenen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Vollzeitstudiums an einer Hochschule, wenn er - wie die Klägerin - von ihr zugelassen worden ist („wird“).
64(2) In der vorliegenden Fallkonstellation eines Studiengangwechsels folgt ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift allerdings nicht allein daraus, dass der Ausländer von der Hochschule für den neuen Studiengang zugelassen worden ist. Vielmehr hat ein Ausländer in diesem Fall einen Anspruch auf Erteilung einer neuen studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG in analoger Anwendung des § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG nur dann, wenn der Aufenthaltszweck, also der erfolgreiche Abschluss des neuen Studiums, unter Berücksichtigung der bisherigen Studienfortschritte noch in einem angemessenen Zeitraum erreicht werden kann.
65Vgl. ebenso: Thüringer OVG, Beschluss vom 11. Januar 2021 - 3 EO 279/19 -, juris, Rn. 27 ff.; VG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2020 - 3 K 7685/18 -, juris, Rn. 34 ff.; VG Köln, Beschluss vom 15. Mai 2020 - 5 L 461/20 -, juris, Rn. 43 (allerdings ohne Begründung); zum Unionsrecht: auch Hailbronner, Ausländerrecht, 5. Update Dezember 2021, § 16b AufenthG, Rn. 45e ff.
66Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG liegen vor. Eine Analogie ist die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestandes auf einen ihm ähnlichen, aber vom Gesetzgeber übersehenen Sachverhalt. Ein Analogieschluss setzt voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und dass der zu beurteilende Sachverhalt soweit mit dem geregelten Tatbestand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er ihn bedacht hätte.
67Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. September 2008 - 2 B 43.08 -, juris, Rn. 7; BSG, Urteil vom 30. Januar 2020 - B 2U 19/18R -, juris, Rn. 29.
68Im Fall eines Studiengangwechsels, der die Verlängerung der bisherigen Aufenthaltserlaubnis ausschließt und die Erteilung einer neuen Aufenthaltserlaubnis erfordert, liegt eine planwidrige Regelungslücke vor.
69Die Regelungslücke besteht darin, dass der Erteilungsanspruch nach § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG für die Aufnahme eines neuen Studiums allein die Zulassung des Ausländers durch die Hochschule voraussetzt, ohne dass dabei die bisherigen Studienfortschritte des Ausländers im Rahmen einer Prognose zu berücksichtigen sind.
70Diese Regelungslücke ist auch planwidrig, da sie vom Gesetzgeber nicht gesehen und gewollt ist. Das Bestehen eines Rechtsanspruchs im Fall eines Studiengangwechsels allein bei Zulassung durch die Hochschule ist weder vom Unionsrecht geboten (a), noch mit dem Sinn und Zweck des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG und der Systematik des § 16b AufenthG vereinbar (b) und führt zudem zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung (c). Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber dies gesehen und bewusst so hat regeln wollte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er die Rechtsfolge des Verlängerungsfalls auch auf den nicht erfassten Fall des Studiengangwechsels erstreckt hätte, wenn er dies bedacht hätte.
71(a) Gemäß § 16b Abs. 8 AufenthG dienen die Absätze 1 bis 4 und 6 ausdrücklich der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit. Die Richtlinie (EU) 2016/801 sieht allerdings - entgegen der Annahme des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung zu § 16b Abs. 4 AufenthG (vgl. BT-Drs. 19/8285, S. 91) - im Fall eines Studiengangwechsels einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels allein bei Zulassung durch die Hochschule nicht vor.
72Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2016/801 wird ein Drittstaatsangehöriger in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates nur dann zugelassen, wenn er die allgemeinen Bedingungen des Art. 7 und die einschlägigen besonderen Bedingungen - für Studenten Art. 11 - erfüllt. Nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2016/801 hat ein Drittstaatsangehöriger Anspruch auf einen Aufenthaltstitel, wenn alle allgemeinen und einschlägigen besonderen Bedingungen erfüllt sind. Zu den besonderen Bedingungen zählt nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. a) Richtlinie (EU) 2016/801 u.a. auch, dass der Drittstaatsangehörige von einer Hochschuleinrichtung zu einem Studium zugelassen worden ist. Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2016/801 geben damit ‑ ebenso wie der sie umsetzende § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen aber lediglich einen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel im Fall der erstmaligen Zulassung zu einem Studium vor. Dies lässt sich schon aus der Bestimmung des Begriffs des „Studenten“ in Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie (EU) 2016/801 ableiten, wo es heißt, der Ausdruck „Studenten“ bezeichnet „Drittstaatsangehörige, die an einer höheren Bildungseinrichtung angenommen und in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zugelassen wurden, um als Haupttätigkeit ein Vollzeitstudienprogramm zu absolvieren, das zu einem von diesem Mitgliedstaat anerkannten höheren Abschluss wie einem Diplom, Zertifikat oder Doktorgrad von höheren Bildungseinrichtungen führt, einschließlich Vorbereitungskursen für diese Studien gemäß dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaates oder eines Pflichtpraktikums.“ Die Begriffsbestimmung knüpft ersichtlich an ein bestimmtes und gerade nicht an beliebig viele Vollzeitstudienprogramme an und verbindet dieses Studienprogramm zudem mit der Zulassung durch eine bestimmte höhere Bildungseinrichtung und der Zulassung in das Bundesgebiet. Auch die allgemeine Zulassungsbedingung des Art. 7 Abs. 1 a) der Richtlinie (EU) 2016/801 spricht für dieses Verständnis. Danach muss der Antragsteller u.a. ein ggf. nach dem nationalen Recht erforderliches gültiges Visum - für den längerfristigen Aufenthalt (Art. 3 Nr. 23 der Richtlinie (EU) 2016/801) - vorlegen. Ein Visum als Erlaubnis zur Einreise in den Mietgliedstaat legt aber nahe, dass es sich um die erstmalige Zulassung in das Bundesgebiet handelt. In diese Richtung weist auch Art. 5 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie (EU) 2016/801 , wonach, wenn der betreffende Mitgliedstaat dem Drittstaatsangehörigen das erforderliche Visum ausstellt, wenn dieser Mitgliedstaat lediglich in seinem Hoheitsgebiet Aufenthaltserlaubnisse erteilt und sämtliche Zulassungsbedingungen dieser Richtlinie erfüllt sind. Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2016/801 enthalten damit lediglich Regelungen für die erstmalige Zulassung zu einem bestimmten (ersten) Vollzeitstudium, nicht hingegen für die Aufnahme eines weiteren Vollzeitstudiums nach einem Studiengangwechsel.
73Eine Regelung zu diesem Fall trifft lediglich Art. 21 Abs. 6 der Richtlinie (EU) 2016/801, der durch § 16b Abs. 6 AufenthG umgesetzt wird. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann ein Student in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat beabsichtigt, den Aufenthaltstitel im Einklang mit Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, c, d oder e der Richtlinie (EU) 2016/801 zu entziehen oder dessen Verlängerung zu verweigern, einen Antrag auf Aufnahme durch eine andere Hochschuleinrichtung einreichen, damit er dort in einem gleichwertigen Studiengang sein Studium abschließen kann. Dem Studenten wird der Verbleib im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats erlaubt, bis die Behörde über den Antrag entschieden hat (Satz 2). Soweit Satz 1 dieser Bestimmung einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitel bei Zulassung durch eine andere Hochschuleinrichtung vorsieht, gilt dies lediglich bei einem Wechsel in „eine andere Hochschuleinrichtung“, um dort in einem „gleichwertigen Studiengang“ das Studium abzuschließen, und auch nur in Fällen, in denen eine Entziehung oder Verweigerung der Verlängerung des Aufenthaltstitels wegen eines Fehlverhaltens der aufnehmenden Einrichtung beabsichtigt ist. Der Fall der Entziehung oder Verweigerung der Verlängerung des Aufenthaltstitels bei nicht ausreichenden Studienfortschritten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. f) der Richtlinie (EU) 2016/801 ist hingegen gerade nicht erfasst. Aus dieser Ausnahmevorschrift kann daher nicht auf einen allgemeinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Fall eines Studiengangwechsels geschlossen werden. Vielmehr spricht die ausdrückliche Regelung dieser besonderen Fälle gegen einen solchen allgemeinen Anspruch.
74Vgl. ebenso: Thüringer OVG, Beschluss vom 11. Januar 2021 - 3 EO 279/19 -, juris, Rn. 35; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 25. April 2019 - 13 ME 86/19 -, juris, Rn. 12; VG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2020 - 3 K 7685/18 -, juris, Rn. 43; Hailbronner, Ausländerrecht, 5. Update Dezember 2021, § 16b AufenthG, Rn. 45e ff.
75Zudem erlaubt Art. 21 Abs. 2 Buchst. f) der Richtlinie (EU) 2016/801 es den Mitgliedstaaten gerade, bei der Aufenthaltsgewährung zum Studium unzureichende Studienfortschritte zu berücksichtigen. Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten einen Aufenthaltstitel entziehen oder seine Verlängerung verweigern, wenn der Student keine ausreichenden Studienfortschritte nach Maßgabe des nationalen Rechts oder der nationalen Verwaltungspraxis macht. Da die Bestimmung sogar die Entziehung des Aufenthaltstitels nach seiner Erteilung bei unzureichenden Studienfortschritten erlaubt, lässt sie erst Recht eine Prognose der Studienfortschritte vor Erteilung einer (neuen) Aufenthaltserlaubnis im Fall eines Studiengangwechsel zu.
76Vgl. ebenso: Thüringer OVG, Beschluss vom 11. Januar 2021 - 3 EO 279/19 -, juris, Rn. 41 f.; VG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2020 - 3 K 7685/18 -, juris, Rn. 48.
77(b) Die Annahme eines Rechtsanspruchs im Fall eines Studiengangwechsels allein bei Zulassung durch die Hochschule ist auch nicht mit dem Sinn und Zweck des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG und der Systematik des § 16b AufenthG vereinbar.
78§ 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG statuiert ein beschränktes Zweckwechselverbot. Die Norm schließt im Fall eines Studienaufenthalts den Wechsel des Aufenthaltszwecks vor Abschluss des Studiums und bis zu einer Ausreise des Ausländers grundsätzlich aus. Ein Zweckwechsel ist nur in den dort genannten Fällen möglich (vgl. BT-Drs. 19/8285, S. 91). Das grundsätzliche Verbot, dem Ausländer bis zu einem erfolgreichen Abschluss seines Studiums und vor einer Ausreise einen Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszweck zu erteilen, zielt darauf ab sicherzustellen, dass die Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken nicht als Mittel für eine unkontrollierte Zuwanderung zu anderen Aufenthaltszwecken missbraucht wird (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 74). Mit dieser Zweckrichtung würde aber eine Auslegung und Anwendung des § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG dahin, im Fall eines Studiengangwechsels für einen Rechtsanspruch allein die Zulassung durch die Hochschule ausreichen zu lassen, im Widerspruch stehen. Denn so würde jede effektive Zuwanderungskontrolle durch die Ausländerbehörde, gerade was unzureichende Studienfortschritte als vom Unionsrecht ausdrücklich anerkannter Grund für die Entziehung bzw. Versagung der Verlängerung des Aufenthaltstitels angeht, aufgegeben.
79Zudem widerspräche eine weite Auslegung der 4. Alternative des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG dahin, dass ein gesetzlicher Anspruch nach § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG schon allein bei Zulassung durch die Hochschule besteht, dem Ausnahmecharakter dieser Vorschrift, die als solche sowie gerade auch mit Blick auf die anderen eng gefassten Ausnahmetatbestände des § 16b Abs. 4 Satz 1, 1. Alt. bis 3. Alt. AufenthG eng auszulegen ist. Andernfalls würde das grundsätzliche Zweckwechselverbot im Fall eines Studiengangwechsels unterlaufen und die Ausnahme zur Regel werden.
80Die Annahme eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ein weiteres Studium nach § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG allein bei Zulassung durch die Hochschule würde auch der in der Systematik von § 16b Abs. 2 Satz 1 und 4 und Abs. 4 Satz 1 AufenthG erkennbaren Intention des Gesetzes, den Aufenthalt zu Studienzwecken unter Kontrolle zu halten, zuwiderlaufen. Dass § 16b Abs. 2 Satz 1 AufenthG die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken auf in der Regel zwei Jahre beschränkt, § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für denselben Studienzweck nur zulässt, wenn der Aufenthaltszweck in angemessener Zeit noch erreicht werden kann, und § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG einen Zweckwechsel während des Aufenthalts grundsätzlich verbietet, spricht gegen eine Auslegung, die es einem Ausländer ermöglicht, ohne weitere Prüfung der Ernsthaftigkeit der Studienabsicht allein durch den Wechsel des Studiengangs immer wieder einen (neuen) Aufenthaltstitel zu erhalten.
81Vgl. auch Thüringer OVG, Beschluss vom 11. Januar 2021 - 3 EO 279/19 -, juris, Rn. 36 f.; VG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2020 - 3 K 7685/18 -, juris, Rn. 44.
82(c) Darüber hinaus würde die Annahme eines Rechtsanspruchs im Fall eines Studiengangwechsels allein bei Zulassung durch die Hochschule auch zu einer nicht gerechtfertigten und damit mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung führen. Der ausländische Student, der sein begonnenes Studium weiterführen möchte, erhält eine Verlängerung seines Aufenthaltstitels nach § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG nur, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann. Ein sachlicher Grund dafür, warum demgegenüber derjenige, der sein bisheriges Studium abbricht und zu einem neuen Studium zugelassen wird, bessergestellt werden sollte und ohne ein entsprechendes Prognoseerfordernis beliebig oft eine neue Aufenthaltserlaubnis erhalten sollte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere könnte sich dieser ausländische Student veranlasst sehen, das Erfordernis einer positiven Prognoseentscheidung einfach durch den Wechsel des Studiengangs zu umgehen.
83Vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 11. Januar 2021 - 3 EO 279/19 -, juris, Rn. 38; VG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2020 - 3 K 7685/18 -, juris, Rn. 45; zu § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG a.F auch schon: VG Braunschweig, Beschluss vom 22. Februar 2018 - 4 B 331/17 -, juris, Rn. 26 ff.; VG Freiburg, Beschluss vom 20. Juni 2018 - 1 K 3401/18 -, juris, Rn. 18 ff.
84Der Fall des Studiengangwechsels ist, wie dies für die Annahme einer analogen Anwendung des § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG ferner erforderlich ist, auch mit dem Fall der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für denselben Aufenthaltszweck vergleichbar. Er hat mit diesem gemein und unterscheidet sich insoweit gerade von der erstmaligen Zulassung zu einem Studium, dass ein Ausländer bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen Studiengangwechsel wie bei der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für dasselbe Studium bereits eine inländische Studienvita vorzuweisen hat, anhand derer insbesondere bei vergleichbaren Studiengängen seine Studienfortschritte, aber auch bei völlig unterschiedlichen Studiengängen jedenfalls seine allgemeine Studierbereitschaft und -fähigkeit beurteilt und darauf die Erfolgsaussichten des Studienverlaufs prognostiziert werden können.
85Vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2020 - 3 K 7685/18 -, juris, Rn. 49.
86(3) Selbst wenn man - entgegen der vorstehenden Ausführungen - im Fall eines Studiengangwechsels eine analoge Anwendung des § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG und damit das Erfordernis einer positiven Prognose zum erfolgreichen Studienabschluss im Rahmen des Anspruchs auf Erteilung einer (neuen) Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG ablehnte, fände im vorliegenden Fall § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG jedenfalls auch aus folgenden Erwägungen Anwendung:
87Gemäß § 16b Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der Art. 18 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2016/801 in zulässiger Weise umsetzt, beträgt die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis bei der Ersterteilung und der Verlängerung mindestens ein Jahr und soll zwei Jahre nicht überschreiten. Auf den Antrag der Klägerin vom 20. Mai 2019 hätte die neue Aufenthaltserlaubnis für das Studium „Wirtschaftsingenieurwesen“ damit ab Antragstellung höchstens bis zum 19. Mai 2021 erteilt werden können. Für die Annahme eines atypischen Ausnahmefalls, der die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit einer längeren Gültigkeitsdauer hätte gebieten können, ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Anschluss daran käme für den von der Klägerin begehrten künftigen Aufenthalt im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedoch wiederum nur eine Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe von § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG in Betracht.
88Vgl. ebenso zu § 31 Abs. 1 und 4 Satz 2 AufenthG: BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 1 C 5.10 -, juris, Rn. 13.
89(4) Im Rahmen der danach in jedem Fall gebotenen Prognoseentscheidung ist nicht festzustellen, dass die Klägerin ihr Studium im Bachelorstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ an der Fachhochschule B. noch in einem angemessenen Zeitraum erfolgreich abschließen können wird.
90Wann ein Zeitraum bis zur Beendigung des Studiums noch „angemessen“ ist, ist gesetzlich nicht näher definiert. Die Ausländerbehörde hat insoweit eine - gerichtlich voll überprüfbare - Prognose anzustellen. Dabei ist nicht die Gesamtdauer der Ausbildung maßgeblich, sondern der Zeitraum, der ausgehend von dem bereits erreichten Ausbildungsstand bis zu deren erfolgreichen Abschluss voraussichtlich noch verstreichen wird. Bei dieser Prognose ist insbesondere auf den bisherigen Studienverlauf abzustellen. Denn eine insgesamt schon überlange Studiendauer schließt regelmäßig die Annahme aus, die Ausbildung werde nunmehr in angemessener Zeit beendet werden können. Abweichendes kann gelten, wenn nachgewiesene Ursachen für bisher eingetretene Studienverzögerungen weggefallen und auf Grund einer inzwischen eingetretenen deutlichen Leistungssteigerung weitere Studienverzögerungen nicht zu erwarten sind sowie mit einem erfolgreichen Abschluss des Studiums zu rechnen ist.
91Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Oktober 2008 - 18 B 975/08 -, juris, Rn. 3; und vom 9. März 2007 - 18 B 1885/06 -, juris, Rn. 4 ff.
92Ein weiterer Anhaltspunkt für die Prognose ist die durchschnittliche Studiendauer an der betreffenden Hochschule im jeweiligen Studiengang (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Zulasten des Ausländers wirkt sich dabei in der Regel aus, wenn er die durchschnittliche Studiendauer bereits um mehr als drei Semester überschritten hat.
93Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 9. August 2017 - 13 ME 167/17 -, juris, Rn. 5; BayVGH, Urteil vom 5. Mai 2010 - 19 BV 09.3103 -, juris, Rn. 50; Nr. 16.1.1.6.2. AVwV-AufenthG.
94Ebenfalls zu berücksichtigen ist die individuelle Situation des studierenden Ausländers (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG).
95Gemessen an diesen Grundsätzen lässt sich eine positive Prognose bezüglich eines erfolgreichen Studienabschlusses in angemessener Zeit nicht stellen.
96Zunächst ist schon zweifelhaft, ob die Klägerin das neue Studium „Wirtschaftsingenieurwesen“ derzeit überhaupt noch betreibt. Dagegen spricht durchgreifend, dass sie laut der aktualisierten Studienverlaufsbescheinigung des Akademischen Auslandsamts der Fachhochschule B. vom 8. Februar 2022 dort lediglich bis zum 31. August 2021, also bis zum Ende des Sommersemesters 2021, als ordentliche Studierende eingeschrieben war. Sie hat sich weder zum Wintersemester 2021/2022 noch zum Sommersemester 2022 wieder eingeschrieben. Die Frist zur Wiedereinschreibung zum Sommersemester 2022 ist zudem am 28. Februar 2022 abgelaufen.
97Selbst wenn die Klägerin das Studium noch weiterführen und sich zum nächsten Wintersemester 2022/2023, sofern dies noch möglich sein sollte, wieder einschreiben wollte, spricht gegen eine positive Prognose maßgeblich der bisherige Studienverlauf der Klägerin.
98Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits das zuerst aufgenommene Bachelorstudium im Studiengang „Maschinenbau“ an der S. B. nach acht Fachsemestern ohne Abschluss hat abbrechen müssen, nachdem sie wegen einer endgültig nicht bestandenen Prüfung exmatrikuliert worden ist. Auch zuvor hatte die Klägerin insgesamt keine ausreichenden Studienleistungen erbracht. So hatte sie in den acht Fachsemestern lediglich 27 CP von den insgesamt zu erreichenden 210 CP erzielt, obwohl sie die durchschnittliche Studiendauer dieses Studiengangs von zehn Fachsemestern schon fast erreicht hatte. Damit lagen ihre Studienleistungen bei Abbruch des Studiums letztlich gerade auf dem Stand des 2. Fachsemesters, wenn man in Rechnung stellt, dass je Fachsemester 21 CP zu erzielen sind, wenn der Studienabschluss innerhalb der durchschnittlichen Studiendauer von zehn Fachsemestern erreicht werden soll. Der damit im Erststudium zu verzeichnende weit unterdurchschnittliche Studienerfolg ist bei der hier anzustellenden Prognose hinsichtlich eines erfolgreichen Studienabschluss in angemessener Zeit im Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ an der Fachhochschule B. auch berücksichtigungsfähig, da es sich nach den Studieninhalten, wenn auch nicht um eine Schwerpunktverlagerung - siehe hierzu die vorstehenden Ausführungen -, so doch jedenfalls um ein ähnliches Studium handelt. Dies zeigt sich zum einen daran, dass der Studiengang der Fachrichtung „Maschinenbau“ zugeordnet ist und in einer Kooperation von den Fachbereichen Maschinenbau und Mechatronik einerseits sowie Wirtschaftswissenschaften andererseits getragen wird,
99vgl. https://www.fh-aachen.de/studium/wirtschaftsingenieurwesen-bsc/der-studiengang,
100und zum anderen daran, dass der Klägerin bei der Immatrikulation in Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ mehrere Studienleistungen aus dem Erststudium „Maschinenbau“ an der S. B. (drei Modulprüfungen) angerechnet worden sind und sie in das 2. Fachsemester eingestuft worden ist.
101Auch nach dem Wechsel in den Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ an der Fachhochschule B. , der eine Regelstudienzeit von sieben Studiensemestern zuzüglich drei Semestern wegen der Corona-Pandemie mit einem Studienvolumen von 210 CP umfasst, ist ein beschleunigtes Studium nicht festzustellen. In der Prüfungsperiode des Wintersemesters 2018/2019 (2. Fachsemester) hat die Klägerin von vier absolvierten Prüfungen lediglich eine Prüfung bestanden. In der Prüfungsperiode des Sommersemesters 2019 (3. Fachsemester) hat sie ausweislich der im Klageverfahren vorgelegten Leistungsübersicht vom 11. Oktober 2019 von neun absolvierten Prüfungen nur vier Prüfungen bestanden. Zwar ist im Hinblick auf das 3. Fachsemester eine gewisse Leistungssteigerung gegenüber dem 2. Fachsemester festzustellen. Jedoch hat die Klägerin auch in diesem Semester weniger als die Hälfte der abgelegten Prüfungen bestanden. In den Prüfungsperioden des Wintersemesters 2019/2020 (4. Fachsemester), des Sommersemesters 2020 (5. Fachsemester) und des Wintersemesters 2020/2021 (6. Fachsemester) hat die Klägerin wiederum jeweils nur eine Prüfung bestanden, wobei unbekannt ist, an wie vielen Prüfungen sie insgesamt teilgenommen hat. Im Sommersemester 2021 (7. Fachsemester) hat die Klägerin offenbar gar keine Prüfungen mehr absolviert und bestanden. Im Wintersemester 2021/2022 hat sie sich nicht einmal mehr an der Fachhochschule B. wiedereingeschrieben und das Studium damit - auch nach außen dokumentiert - nicht weiterbetrieben. Hinzu kommt, dass zwei Prüfungen („Kostenrechnung“ und „Werkstoffkunde I“) im zweiten Versuch nicht bestanden wurden, so dass die Klägerin auch in diesem Studiengang in zwei Fächern schon wieder im Drittversuch steht. Ausweislich der aktualisierten Studienverlaufsbescheinigung des Akademischen Auslandsamtes der Fachhochschule B. vom 8. Februar 2022 befand die Klägerin sich im Sommersemester 2021 im 7. Fachsemester und im 14. Hochschulsemester und hatte 47 CP von insgesamt zu erzielenden 210 CP erreicht. Ihr fehlten damit bis zu einem erfolgreichen Studienabschluss noch 163 CP. Damit liegen ihre Studienleistungen letztlich gerade einmal auf dem Stand des 2. Fachsemesters, wenn man in Rechnung stellt, dass je Fachsemester 30 CP zu erzielen sind, wenn der Studienabschluss innerhalb der Regelstudiendauer von sieben Fachsemestern erreicht werden soll (vgl. Studienplan zur Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ vom 28. Juni 2018 - FH-Mitteilung Nr. 93/2018 - i.d.F. der Bekanntmachung der Änderungsordnung vom 16. April 2021 - FH-Mitteilung Nr. 38/2021 -).
102Soweit die Klägerin sich zum Beleg eines zu erwartenden Studienabschlusses in angemessener Zeit auf die Studienverlaufsbescheinigung des Akademischen Auslandsamts an der Fachhochschule B. vom 18. Juni 2019 beruft, ist festzustellen, dass dort - entgegen ihrer Behauptung - gerade nicht prognostiziert wurde, dass sie „ihr Studium an der Fachhochschule B. voraussichtlich bis zum Ende des Wintersemesters 2021/2022 absolvieren werde“. Vielmehr wurde dort ausgeführt, dass „je nach Prüfungspensum in der Prüfungsperiode zum Ende des Sommersemesters 2019 bei einem verzögerungsfreien Studium ein Studienabschluss der Klägerin voraussichtlich zum Wintersemester 2021/22 möglich“ sei. Bei dieser Beurteilung ist das Akademische Auslandsamt erkennbar davon ausgegangen, dass die Klägerin die zum Zeitpunkt der Erstellung der Bescheinigung noch ausstehenden bzw. noch nicht bewerteten Prüfungen aus dem Sommersemester 2019 auch alle bestehen wird. Da dies nicht der Fall war, entbehrte die darauf beruhende Prognose eines erfolgreichen Studienabschlusses in absehbarer Zeit der Grundlage. Darüber hinaus ist mit Blick auf den bisherigen, durch ungenügende Studienleistungen verzögerten Studienverlauf auch künftig nicht von einem „verzögerungsfreien Studium" der Klägerin auszugehen, welches das Akademische Auslandsamt seiner Prognose ebenfalls zugrunde gelegt hat. Ferner hat das Akademische Auslandsamt ‑ unabhängig von den hier nicht festzustellenden Voraussetzungen eines erfolgreichen Prüfungspensums bis zum Sommersemester 2019 und eines verzögerungsfreien Studiums - einen Abschluss des Studiums zum Wintersemester 2021/2022 lediglich als „möglich" angesehen. Schließlich zeigt auch an der tatsächliche Studienfortschritt der Klägerin, dass die Prognose des Akademische Auslandsamtes nicht tragfähig war. So hat die Klägerin das Studium „Wirtschaftsingenieurwesen“ im Wintersemester 2021/2022 gerade nicht erfolgreich abgeschlossen. Im Gegenteil ist sie von einem erfolgreichen Studienabschluss nach wie vor weit entfernt. Die Klägerin hatte - wie dargelegt - im Sommersemester 2021 erst 47 CP von insgesamt 210 CP erzielt und benötigt für einen erfolgreichen Studienabschluss noch 163 CP.
103Die eigene Prognose der Klägerin, sie verfolge ihr Studium mit vollem Eifer und erbringe die gewöhnlichen Studienleistungen, so dass sie das Studium in angemessener Zeit absolvieren werde, wird durch den bisherigen Studienverlauf mitnichten bestätigt und ist im Hinblick darauf nicht belastbar.
104Schließlich lässt auch die aktualisierte Prognose des Akademischen Auslandsamtes in der Studienverlaufsbescheinigung vom 8. Februar 2022 lässt einen erfolgreichen Studienabschluss in absehbarer Zeit nicht erwarten. Das Akademische Auslandsamt führt darin aus, dass die Klägerin bei einer Wiedereinschreibung zum Sommersemester 2022 und bei einem anschließenden verzögerungsfreien Studium unter der Voraussetzung, dass ein volles Studienpensum 30 CP pro Semester entspricht, voraussichtlich noch sechs weitere Studienfachsemester benötigen werde, so dass rechnerisch ein erfolgreicher Studienabschluss zum Ende des Wintersemesters 2024/25 möglich sei. Diese Prognose ist nicht ansatzweise tragfähig. Sie geht von mehreren Prämissen aus, die die Klägerin offensichtlich nicht erfüllt. So ist schon die erste Voraussetzung, dass die Klägerin sich zum Sommersemester 2022 an der Fachhochschule B. wiedereinschreibt nicht eingetreten. Die Klägerin hat sich bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist am 28. Februar 2022 nicht bei der Fachhochschule B. zurückgemeldet. Auch die weitere Prämisse eines anschließenden verzögerungsfreien Studiums mit einem regulären Studienpensum von 30 CP pro Semester erweist sich offenkundig als nicht belastbar. Hiergegen sprechen maßgeblich die bisherigen, nur sehr langsamen Studienfortschritte der Klägerin sowie die zuletzt sogar vollständige Einstellung des Studiums. Die Klägerin hat - wie dargelegt - in den drei Studiensemstern nach der Studienverlaufsbescheinigung vom 18. Juni 2019 - Wintersemester 2019/2020, Sommersemester 2020, Wintersemester 2020/2021 - jeweils lediglich eine Klausur geschrieben und insgesamt 13 CP erzielt. Im Sommersemester 2021 hat sie gar keine Studienleistungen mehr erbracht. Im Wintersemester 2021/2022 war die Klägerin nicht einmal mehr bei der Fachhochschule B. als ordentliche Studierende eingeschrieben. Damit liegen ihre bisherigen Studienleistungen ganz erheblich unterhalb des als normal zu bezeichnenden Studienfortschritts von regelmäßig 30 CP pro Semester. Sofern die Klägerin aktuell überhaupt noch eine Fortsetzung ihres Studiums beabsichtigt, woran angesichts der fehlenden Rückmeldung durchgreifende Zweifel bestehen, wäre unter Zugrundelegung des bisherigen Studienverlaufs (eine Prüfung bzw. maximal 5 CP pro Semester) mit Blick auf die noch ausstehenden 163 CP mit einem erfolgreichen Abschluss des Studiums erst in 32 Semestern (!) zu rechnen. Dass dies nicht mehr als angemessen bezeichnet werden kann, liegt offensichtlich auf der Hand. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin im August 2023 die Gesamtaufenthaltszeit von zehn Jahren überschritten haben wird (vgl. Nr. 16.2.5 AVwV-AufenthG), die der Gesetzgeber bei studienbezogenen Aufenthalten auch nach der Neuregelung des § 16b AufenthG in modifizierter Form - d.h. nach Wegfall eines behördlichen Ermessens im Rahmen der Prognoseentscheidung nach § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG analog - nach wie vor für maßgeblich erachtet (vgl. BT-Drs. 19/8285, S. 91, wo auf Nr. 16.2 AVwV-AufenthG Bezug genommen wird).
105Dass die eingetretenen Verzögerungen im bisherigen Studienverlauf der Klägerin auf eine zwischenzeitlich entfallene Ursache zurückzuführen sein könnten und in Anbetracht dessen nunmehr von einem ordnungsgemäßen Studium ausgegangen werden könnte, ist nicht erkennbar. Derartiges ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Der unzureichende Studienerfolg der Klägerin scheint vielmehr durchgängig auf ungenügenden Studienleistungen zu beruhen.
106b) Darüber hinaus erfüllt die Klägerin auch nicht die allgemeine Erteilungsvoraus-setzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, wonach die Einreise mit dem für den konkreten Aufenthaltszweck - hier neues Studium „Wirtschaftsingenieurwesen“ an der Fachhochschule B. - erforderlichen nationalen Visum erfolgt sein muss.
107Insbesondere konnte die Klägerin die neue Aufenthaltserlaubnis nach Ablauf der zuletzt bis zum 18. März 2019 gültigen Aufenthaltserlaubnis und verspäteter Beantragung der Verlängerung ohne Eintritt der Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG auch nicht nach § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV vom Bundesgebiet aus einholen, da diese Vorschrift den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis voraussetzt.
108Die Voraussetzungen für ein Absehen vom Visumerfordernis im Ermessenswege nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.
109Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (1. Alternative). Unter einem „Anspruch“ i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2, Alt. 1 AufenthG, der ein Absehen vom Visumerfordernis ermöglicht, ist grundsätzlich nur ein strikter Rechtsanspruch zu verstehen. Ein solcher Rechtsanspruch liegt nur dann vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - 1 C 15.14 -, juris, Rn. 19.
111Aus den Ausführungen unter 2. a) ergibt sich, dass der Klägerin ein Rechtsanspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung der studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht zusteht.
112Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin die Nachholung des Visumverfahrens aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls unzumutbar sein könnte (2. Alternative).
113II. Die Abschiebungsandrohung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
114Die gesetzlichen Voraussetzungen für deren Erlass nach §§ 50 Abs. 1, 59 AufenthG liegen vor. Die Klägerin ist ausreisepflichtig, weil sie keinen Aufenthaltstitel (mehr) besitzt (vgl. § 50 Abs. 1 AufenthG). Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nach § 58 Abs. 2 AufenthG ist keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung.
115Vgl. grundlegend: OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2009 - 18 B 2026/08 -, juris, Rn. 30 ff.
116Unabhängig davon folgt sie hier aus § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, weil die Klägerin nicht rechtzeitig vor Ablauf ihrer bisherigen Aufenthaltserlaubnis deren Verlängerung beantragt hat.
117Die Abschiebungsandrohung ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil der Klägerin darin lediglich die Abschiebung in „ihr Heimatland“ angedroht wird. Zwar soll nach § 59 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in der Androhung der Staat bezeichnet werden, in denen der Ausländer abgeschoben werden soll. Dies erfordert grundsätzlich die konkrete Angabe eines existenten Staates im völkerrechtlichen Sinne. Vorliegend lässt sich jedoch im Wege der Auslegung der getroffenen Regelung unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts (§§ 133, 157 BGB analog) feststellen, dass unter „Ihr Heimatland“ Kamerun zu verstehen ist. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der Begründung der Ordnungsverfügung, in der die Klägerin als kamerunische Staatsangehörige bezeichnet wird. Zudem besitzt die Klägerin nach Aktenlage ausschließlich die kamerunische Staatsangehörigkeit. Unter diesen Umständen ist ausnahmsweise die Bezeichnung des Zielstaats mit der von der Beklagten gewählten Formulierung zulässig.
118Vgl. allgemein für die Bezeichnung als „Herkunftsstaat“ Kluth, in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 25. Edition, Stand: 1. August 2019, § 59 AufenthG Rn. 29; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: 1. Dezember 2016, § 59 AufenthG Rn. 85.
119Die gewährte Frist zur freiwilligen Ausreise von einem Monat nach Zustellung der Verfügung ist zur Regelung der persönlichen Angelegenheiten ausreichend und angemessen. Gemäß § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG steht dem Erlass der Abschiebungsandrohung das Vorliegen von etwaigen Abschiebungsverboten ebenso wenig entgegen wie das Vorliegen von Duldungsgründen nach § 60a Abs. 2 AufenthG.
120III. Das für den Fall der Abschiebung verfügte und auf zwei Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot erweist sich ebenfalls als rechtmäßig.
121Das mit der Abschiebungsandrohung unter der aufschiebenden Bedingung der Abschiebung (§ 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) zu erlassende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG), wobei die Frist mit der Ausreise beginnt (§ 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG). Über die Länge der Frist des Verbots hat die Ausländerbehörde nach Ermessen zu entscheiden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Sie darf außer in den Fällen der - hier nicht einschlägigen - Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten (§ 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG).
122Das Gericht hat die Ermessensentscheidung gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur auf Ermessensfehler hin zu überprüfen. Solche sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Beklagte hat weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, noch von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Sie hat die hier maßgebliche gesetzliche Höchstgrenze i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eingehalten. Sie hat die Sperrfrist zudem auf den unteren Bereich des nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG geltenden Fünf-Jahres-Rahmens festgesetzt. Besondere Umstände, die eine kürzere Befristung nahe legen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
123B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.