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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d:
2Nach Erkenntnissen des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: LKA) ist der Bruder des Klägers, Herr U, einer von insgesamt acht „Nomads“ des Vereins „Bandidos Motorcycle Club (BMC) Federation West Central“. Die „Nomads“ sind für die Expansion in weitere Staaten oder in Regionen in Deutschland verantwortlich. Außerdem werden sie zur Lösung von Konflikten oder Differenzen in oder zwischen den „Chaptern“ des Vereins eingesetzt. Die „Nomads“ des „BMC Federation West Central“ hatten vorher das Amt des „Presidente“ bei einem „Chapter“ inne.
3Aufgrund eines Ermittlungsersuchens gem. § 4 VereinsG des Bundesministeriums des Inneren beantragte das LKA bei dem erkennenden Gericht unter dem 26. Mai 2021 zum Vollzug des Vereinsgesetzes den Erlass einer Durchsuchungs-, Sicherstellungs- und Beschlagnahmeanordnung sowie der Anordnung einer richterlichen Vernehmung gegenüber dem Bruder des Klägers. Ein entsprechender Beschluss wurde von dem erkennenden Gericht unter dem 17. Juni 2021 - 6 I 9/21 - erlassen.
4Am 1. Juli 2021 wurde daraufhin die Wohnung des Bruders des Klägers durchsucht. Der Bruder bewohnt eine Einliegerwohnung im Erdgeschoss des zweigeschossigen Zweifamilienhauses A in K. Diese Wohnung gehört der Tochter des Bruders.
5In der zum Hausgrundstück gehörenden Garage wurden vier Motorräder der Marke Harley-Davidson mit den Kennzeichen AC-AB XX, AC-AB XX, GK-XX und GK-XX festgestellt. Diese Motorräder wurden als Beweismittel beschlagnahmt. Die beiden - hier allein streitigen - Motorräder mit den Kennzeichen AC-AB XX und AC-AB XX sind auf den Kläger zugelassen, der unstreitig auch deren Eigentümer ist. Auf den Bruder sind aktuell wohl keine Fahrzeuge angemeldet. Die beiden Motorräder GK-XX und GK-XX gehören einer dritten Person und wurden später antragsgemäß an diese herausgegeben.
6Mit Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Inneren vom 7. Juli 2021, veröffentlicht im Bundesanzeiger am 12. Juli 2021, wurde der Verein „Bandidos Motorcycle Club Federation West Central“, einschließlich seiner Teilorganisationen verboten. In der Verbotsverfügung (Ziff. 7) wurde auch die Beschlagnahme von Sachen Dritter angeordnet, soweit der Berechtigte durch Überlassung der Sachen an den Verein „BMC Federation West Central“ oder eine seiner Teilorganisationen deren strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeiten vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Zwecke und Tätigkeiten bestimmt sind. Zudem wurde die sofortige Vollziehung des Vereinsverbots und der Beschlagnahmeanordnung angeordnet.
7Mit Sicherstellungsbescheid vom 21. Juli 2021 ordnete das LKA gegenüber dem Kläger die Sicherstellung des in dessen Besitz befindlichen Vermögens des Vereins „BMC Federation West Central“ samt all seiner Teilorganisationen an. Zum Vereinsvermögen würden insbesondere die bei der Durchsuchung vorgefundenen, auf den Kläger zugelassenen Motorräder mit den amtlichen Kennzeichen AC-AB XX und AC-AB XX zählen. Zur Begründung wird ausgeführt:
8„Es besteht der Verdacht, dass diese Motorräder auf Sie zugelassen, aber vornehmlich durch das Mitglied des Vereins Herrn U für Zwecke und Tätigkeiten der verbotenen Vereinigung BMC Federation West Central samt all seinen oben aufgeführten Teilorganisationen genutzt wird.
9Auf Herrn U sind laut Unterlagen der zuständigen Straßenverkehrsbehörde aktuell keine Kraftfahrzeuge zugelassen. Laut Regelwerk des Bandidos MC kann aber nur eine männliche Person, die mindestens 21 Jahre alt ist und ein Motorrad der Marke Harley Davidson fährt Mitglied in dieser Outlaw Motorcycle Gang (OMCG) werden. Herr U bekleidete in der BMC Federation West Central als „Nomad" bis zum Verbot eine hochrangige Führungsfunktion und musste insbesondere auch aus diesem Grund hinsichtlich Besitz/Nutzung eines Motorrades der Marke Harley Davidson Vorbild für die ihm nachgeordneten Mitglieder in den einzelnen „Chaptern“ sein.
10Front- und heckseitig befinden sich am Harley Davidson-Trike mit dem amtlichen Kennzechen AC-AB XX in einem Kreis die Worte „EXPECT NO MERCY“ („Erwarte keine Gnade“). Die Parole „EXPECT NO MERCY findet sich regelmäßig auch als Frontpatch" auf den Kutten von Mitgliedern des Bandidos MC. Zu dem abgebildeten Patch führt EUROPOL in einer sogenannten „Intelligence Notification“ aus, dass dieses als Belohnung an Vereinsmitglieder vergeben wird, die ernsthafte Gewalt im Sinne oder Interesse ihres Clubs angewandt haben.
11Am Harley Davidson-Trike mit amtlichen Kennzeichen AC-AB XX ist ein Gehäusedeckel (Getriebe) angebracht, der nicht nur eindeutig auf den Bandidos MC hindeutet sondern ausdrücklich einen „U" und seine Funktion „10 YRS NOMAD“ erwähnt. Dass hiermit nur Herr U gemeint sein kann, dürfte aufgrund der bisherigen Ausführungen unzweifelhaft sein.
12Beide zur Rede stehenden Harley Davidson-Maschinen weisen bei ihren amtlichen Kennzeichen die Buchstabenfolge AC-AB auf was gerade auch in OMCG-Kreisen eine beliebte und weit verbreitete Abkürzung für „All Cops Are Bastards“ darstellt.
13Aus dem Bericht anlässlich des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens geht hervor, dass U bei Durchsuchungsbeginn nicht an seiner Meldeanschrift angetroffen wurde und erst im Laufe der Maßnahme vor Ort erschien. Dabei nutzte er ein Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen AC-AB XX. Dabei handelt es sich um einen Pkw der Marke Hyundai, Typ ONIQ, der seit dem 08.12.2020 auf Sie zugelassen ist. Dies kann als Indiz gewertet werden, dass es sich bei den Motorrädern mit den amtlichen Kennzeichen AC-AB XX und AC-AB XX um identische Halter- / Nutzerverhältnisse handeln könnte.
14Es handelt sich somit bei den Motorrädern mit amtlichen Kennzeichen AC-AB XX und AC-AB XX um Vereinsvermögen des verbotenen BMC Federation West Central samt all seinen oben aufgeführten Teilorganisationen.
15Die Sicherstellung ist erforderlich, um die Einziehung des Vermögens der BMC Federation West Central samt all seinen oben aufgeführten Teilorganisationen durch das Bundesministerium des Inneren gewährleisten zu können. Unterbliebe die Sicherstellung des Vermögens, stünde dem aufgelösten und verbotenen Verein Vermögen bzw. Material zur Verfügung, welches die Fortführung der verbotenen Zwecke und Tätigkeiten weiterhin ermöglichte. Die Sicherstellung dient dem effektiven Vollzug des vollziehbaren Vereinsverbots. Wenger betastende Vollzugsmaßnahmen sind nicht ersichtlich.“
16Die sofortige Vollziehung des Sicherstellungsbescheids ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet worden.
17Gegen den Sicherstellungsbescheid hat der Kläger am 6. August 2021 Klage erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Über den unter dem Az. 6 L 462/21 anhängigen Eilantrag ist noch nicht entschieden worden.
18Die Klage wird im Wesentlichen wie folgt begründet:
19Sein Bruder U bewohne eine Wohnung in dem Gebäude A gemäß dem vorgelegten Mietvertrag. Diesem lasse sich entnehmen, dass die zu dem Gebäude gehörende Garage nicht vom Mietvertrag umfasst sei. Sein Bruder habe die Garage weder angemietet noch sonst wie genutzt. Insbesondere verfüge er nicht über einen Schlüssel zu der Garage. Einen Zugang von der Wohnung zur Garage gebe es nicht. Der Kläger sei Eigentümer und Besitzer sowohl der beiden Motorräder als auch des Schlüssels zur Garage.
20Zudem seien die im Sicherstellungsbescheid angestellten Vermutungen falsch. Sein Bruder U sei bis zum Jahre 2011 Präsident des Chapters der Bandidos in Aachen gewesen. Im Zeitraum von 2011 bis 2015 habe er eine Freiheitsstrafe in der JVA Aachen abgesessen. Bei seiner Freilassung im Jahre 2015 sei die ehemalige Mitgliedschaft bei den Bandidos der Federation West Central längstens beendet gewesen. Ab diesem Zeitpunkt sei Herr U als sogenannter „Nomad" für die Bandidos in den Niederlanden unterwegs. Im Jahre 2020 sei die Federation Benelux der Bandidos gegründet worden. Seit 2020 sei er durchgehend als Nomad für die Federation Benelux tätig.
21Soweit der Beklagte behauptet, dass sein Bruder keine Harley Davidson besitze, sei dies ebenfalls falsch. Herr U sei Eigentümer des Motorrades Harley Davidson mit dem Kennzeichen AC-XX. Dieses Fahrzeug habe er mit Kaufvertrag vom 10. Juli 2018 erworben. Dieses Fahrzeug habe er zudem bei der R+V versichert. Das Motorrad sei 2020 gestohlen worden und der Bruder führe deswegen derzeit einen Rechtsstreit gegen die Versicherung.
22Die Behauptung des Beklagten, dass Herr U ein Fahrzeug mit dem Kennzeichen AC-AB XX nutze sei richtig. Nachdem das Motorrad AC-XX gestohlen worden sei, habe der Kläger dem Bruder zur Aufrechterhaltung der Mobilität den PKW Hyundai zur Verfügung gestellt. Der Kläger sei indes alleiniger Eigentümer der Kraftfahrzeuge mit den Kennzeichen AC-AB XX, AC-AB XX und AC-AB XX. Die Fortführung dieser Kennzeichenkette stehe in keinem Bezug zu dem Bruder U.
23Schließlich sei die Behauptung des Beklagten falsch, Herr U würde die durchsuchte Wohnung in K gar nicht bewohnen. Zwar sei es richtig, dass in dem Kühlschrank keine Lebensmittel gestanden hätten; dies indes alleinig vor dem Hintergrund, dass der Kühlschrank defekt sei. Herr U bezieht Leistungen nach dem SBG II und sei bisher aus finanziellen Gesichtspunkten nicht in der Lage, sich einen neuen Kühlschrank zuzulegen. Im Rahmen der Hausdurchsuchung sei indes festgestellt worden, dass nicht verderbliche Lebensmittel in der Küche gelagert gewesen seien. Zudem habe sich im Wohnzimmer ein Wäscheständer mit frisch gewaschener Wäsche zum Trocknen befunden. Ebenfalls seien die Herrn U gehörenden Kleidungsstücke im Kleiderschrank vorhanden gewesen.
24Die sichergestellten und beschlagnahmten Motorräder gehörten daher nicht Herrn U, sondern dem Kläger. Herr U sei weder Eigentümer, noch Besitzer, noch Mitglied der Bandidos in Deutschland. Die Motorräder gehörten insbesondere nicht zum Vereinsvermögen der Bandidos in Deutschland. Die Sicherstellung sei daher aufzuheben und die Motorräder dem Kläger zurückzugeben.
25Der Kläger beantragt,
26den Sicherstellungsbescheid des beklagten Landes vom 21. Juli 2021 aufzuheben.
27Das beklagte Land beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Sicherstellungsbescheid rechtmäßig sei. Die verfahrensgegenständlichen Motorräder seien jedenfalls Sachen Dritter, die zur Förderung der Bestrebungen des verbotenen Vereins bestimmt seien, § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Die Motorräder seien von dem U genutzt worden, der als „Nomad“ Mitglied des verbotenen Vereins sei. Die Mitgliedschaft werde unter anderem dadurch belegt, dass in seiner Wohnung verschiedene Kleidungsstücke gefunden worden seien, die Kennzeichen des verbotenen Vereins enthalten; auch auf den Motorrädern seien teils solche Kennzeichen aufgebracht. Zudem habe der Bruder im August 2018 an der „Germany Party“ des verbotenen Vereins in Dortmund und im Jahr 2019 an der „Anniversary Party“ in Bamberg teilgenommen.
30Nicht plausibel sei die Behauptung des Klägers, die Garage sei nicht von dem U genutzt worden. Die Garage habe von der Wohnung des U unmittelbar betreten werden können. In dieser Garage seien die Motorräder aufgefunden worden. Eines dieser Motorräder trage einen Aufdruck, der eindeutig auf den U sowie seine Zugehörigkeit zu dem verbotenen Verein hinweise. Warum die Motorräder bei dieser Sachlage nicht durch den U genutzt worden sein sollen, lege der Kläger mit seinen bloßen Schutzbehauptungen nicht plausibel dar.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
32E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
33Die zulässige Klage ist nicht begründet.
34Der Sicherstellungsbescheid vom 21. Juli 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
35Die formelle Rechtmäßigkeit des auf § 10 Abs. 2 VereinsG gestützten Sicherstellungsbescheides ist gegeben und zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten. Der Sicherstellungsbescheid ist schriftlich abgefasst und dem Kläger förmlich zugestellt worden). Ferner wird in der schriftlichen Begründung auf das Vereinsverbot und auf die Beschlagnahme des Vereinsvermögens hingewiesen und dargelegt, dass die sichergestellte Sache zum Vereinsvermögen gehört (§ 4 Satz 3 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts - VereinsG-DVO).
36Der Sicherstellungsbescheid ist auch materiell rechtmäßig.
37Die Sicherstellung der beiden Motorräder mit den amtlichen Kennzeichen AC-AB XX und AC-AB XX, deren Halter und Eigentümer der Kläger ist, konnte als sich im Gewahrsam eines Dritten befindliches Vermögen des seit dem 12. Juli 2021 verbotenen Vereins „Bandidos Motorcycle Club Federation West Central“ auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. VereinsG erfolgen.
38Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 VereinsG ist mit dem Verbot eines Vereins in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung des Vereinsvermögens und von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind, zu verbinden. Dabei beschränkt sich die Möglichkeit der Anordnung der Beschlagnahme von Sachen Dritter nicht auf Vereinsverbote, die i.S.d. des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG darauf gestützt sind, dass sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Ungeachtet der Frage, ob mit dem Begriff „verfassungswidrige Bestrebungen“ in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG auf § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG in seiner Eigenschaft als Wiederholung des Wortlauts des Art. 9 GG Bezug genommen wird und insoweit alle nach Art. 9 GG verbotenen Vereine - gleich welchen Verbotsgrundes - verfassungswidrige Bestrebungen verfolgen oder es sich um ein Redaktionsversehen handelt,
39vgl. SächsOVG, Beschluss vom 25. April 2018 - 3 A 868/16 -, juris Rn. 10; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. November 2019 - 18 K 18226/17 -, juris Rn. 30 ff.,
40soll mit § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG jedenfalls die Anordnung der Beschlagnahme für alle Sachen im Gewahrsam Dritter ermöglicht werden, die dem Verein oder dem Vereinszweck zuzuordnen sind. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung.
41Begründung zu Art. 13 des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und anderer Gesetze (Verbrechensbekämpfungsgesetz) vom 18. Februar 1992, BT-Drs. 12/6853, S. 45.
42Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 VereinsG können auf Grund der Beschlagnahme Sachen im Gewahrsam des Vereins und auf Grund besonderer Anordnung Sachen im Gewahrsam Dritter, sichergestellt werden.
43Voraussetzung für eine Sicherstellung nach § 10 Abs. 2 VereinsG ist weder die Rechtmäßigkeit noch die Bestandskraft des zugrundeliegenden Vereinsverbots oder der mit ihr verbundenen Beschlagnahmeanordnung, sondern lediglich deren Vollziehbarkeit.
44Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. September 1994 - 5 B 959/94, DVBl. 1995, 378 ff.
45Hier ist die Beschlagnahmeanordnung ebenso wie das Vereinsverbot aufgrund der Anordnung in Ziffer 8 der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums vom 7. Juli 2021 unabhängig vom Eintritt der Bestandskraft sofort vollziehbar.
46Bei den sichergestellten, im Eigentum des Klägers stehenden Motorrädern, handelt es sich auch um dem Vermögen des verbotenen Vereins zuzurechnende Gegenstände.
47§ 10 Abs. 2 VereinsG bezieht sich auf den weiten Vermögensbegriff des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 VereinsG. Das ergibt sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, wonach für Wirkungen der Beschlagnahme auf den gesamten Satz 2 des § 3 Abs. 1 VereinsG Bezug genommen wird. Schließlich normiert § 4 der Verordnung zur Durchführung des Vereinsgesetzes (VereinsGDV), dass von der Beschlagnahme erfasste Sachen des Vereinsvermögens - welches hier im weiteren Sinne der Nummern 1 - 3 des § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG zu verstehen ist -,
48vgl. SächsOVG, Beschluss vom 19. Februar 2018 - 3 A 580/16 -, juris Rn 10 ff.,
49nur aufgrund einer besonderen Anordnung der Vollzugsbehörde nach § 10 Abs. 2 Satz 1 VereinsG (Sicherstellungsbescheid) sichergestellt werden können.
50Der Begriff des Vereinsvermögens im Sinne des Vereinsgesetzes ist dabei im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr weit auszulegen. Den Begriff „Vermögen“ verwendet das Vereinsgesetz nicht im (eigentums-)rechtlichen, sondern im wirtschaftlichen Sinne. Zum Vereinsvermögen gehören deshalb alle Gegenstände, derer sich der Verein während seines rechtlichen Bestehens zur Erreichung seiner Zwecke bedient hat oder bedienen wollte und deren Einsatz im Wesentlichen von seinem Willen oder dem Willen der Vereinsführung abhing.
51Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Mai 2006 - 5 A 4410/04 -, juris Rn 10.
52Da ein wesentlicher Zweck der Vermögensbeschlagnahme darin besteht, dem Verein die Mittel zur Fortsetzung der als rechtswidrig erachteten Tätigkeit zu nehmen, gehören nicht nur Gegenstände von wirtschaftlicher, sondern auch von ideeller Bedeutung zum Vereinsvermögen. Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob die sicherzustellenden Vermögensgegenstände im Einzelnen tatsächlich zur Fortsetzung einer kriminellen Tätigkeit verwendet werden können. Denn das Vermögen eines verbotenen Vereins unterliegt ohne Rücksicht auf einen bestimmten Verwendungszweck nach § 11 VereinsG der Einziehung.
53Soweit gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG auch Sachen Dritter beschlagnahmt werden können, zählen hierzu insbesondere Gegenstände, die, ohne dem Vermögen des Vereins zuzugehören, von den Vereinsmitgliedern dazu verwendet werden, die Bestrebungen des Vereins zu unterstützen. Als Förderung der entsprechenden Zwecke genügt es, wenn die Gegenstände dazu dienen, ein vom Verein gewolltes einheitliches Auftreten seiner Mitglieder zu fördern oder das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken.
54Diesem Anliegen können auch Motorräder dienen, welche die Mitglieder eines nach § 3 VereinsG verboten Motorradclubs benutzen.
55Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 26. Oktober 2021 - 14 L 1113/21 -, juris Rn. 60; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. November 2019 - 18 K 18226/17 - m.w.N., juris Rn. 50
56Dabei ist für eine Qualifizierung als Gegenstand im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG nicht erforderlich, dass ein konkreter Nachweis der Nutzung des sichergestellten Motorrads zur Begehung von Straftaten oder zur sonstigen konkreten Förderung der Bestrebungen des Vereins geführt wird. Ausreichend ist vielmehr das Bestehen objektiver Anhaltspunkte dafür, dass der betreffende Gegenstand (von seiner Art her) zur Förderung der Bestrebungen des Vereins bestimmt ist.
57Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
58Selbst wenn die hier streitgegenständlichen Motorräder aufgrund der formalen Eigentumsverhältnisse - Eigentum des Klägers - nicht bereits unmittelbar als Vermögen des verbotenen Vereins zu qualifizieren sein sollten, handelt es sich nach den oben dargelegten Grundsätzen jedenfalls um eine der in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG genannten, zur Förderung der strafrechtswidrigen Zwecke des verbotenen Vereins und seiner Teilorganisationen überlassene Sachen Dritter und werden diese damit von der Beschlagnahme in Ziffer 7 der Verbotsverfügung erfasst.
59Aufgrund der im Rahmen des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens und im vorliegenden Streitverfahren dargelegten tatsachengestützten Erkenntnisse des LKA geht das erkennende Gericht zunächst davon aus, dass die von den Mitgliedern des verbotenen Vereins genutzten Motorräder generell jedenfalls auch den Zweck hatten, eine Drohkulisse aufzubauen und damit die strafgesetzwidrigen Bestrebungen des Vereins umzusetzen. Die vereinstypischen Äußerlichkeiten dienten dazu, das gewollte einheitliche Auftreten der Mitglieder zu fördern und hierdurch wiederum den genannten Herrschaftsanspruch zu verdeutlichen. Zu diesen Äußerlichkeiten gehörten nicht nur die Kutten und sonstigen, entsprechend beschrifteten Kleidungsstücke, sondern auch die Motorräder. Insoweit ist es lebensfremd anzunehmen, dass ein Mitglied eines Motorradclubs das von ihm genutzte Motorrad nicht (jedenfalls auch) im Zusammenhang mit Vereinsaktivitäten zum Einsatz bringt, und die Motorräder im Falle der hier verbotenen Vereinigungen dazu beigetragen haben, die genannte Gebietsherrschaft zu untermauern bzw. ihr Ausdruck zu verleihen.
60Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 26. Oktober 2021 - 14 L 1113/21 -, juris Rn. 66.
61Die Praxis der gewaltsamen Austragung der - ihrerseits szenetypischen - Rivalitäten und Konflikte mit anderen Rockergruppierungen muss als wesensprägendes Strukturmerkmal der „Bandidos“ angesehen werden, das sich bei jeder ihrer örtlichen Organisationseinheiten und bei jedem ihrer Mitglieder zu jedem Zeitpunkt aktualisieren kann.
62Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 - 6 C 1/14 -, juris Rn. 14.
63Dass erkennende Gericht ist davon überzeugt, dass der Bruder U des Klägers als sog. „Nomad“ jedenfalls auch für den verbotenen Verein tätig gewesen ist und es sich bei dem klägerischen Vorbringen, der Bruder sei seit seiner Haftentlassung in 2015 ausschließlich im Ausland – zunächst als „Nomad“ für die Bandidos in den Niederlanden und seit 2020 für die Federation Benelux – tätig gewesen, um eine Schutzbehauptung handelt. Für eine Tätigkeit für den verbotenen Verein „BMC Federation West Central“, zu dessen Gebiet der Westen Deutschlands (und die Stadt/Region Thessaloniki) - wo der Kläger auch wohnt - gehören, spricht zum einen der Umstand, dass der Bruder bis zu seiner Inhaftierung 2011 Präsident des Chapters der Bandidos in Aachen gewesen ist und der „Aufstieg“ zum Nomad der übergeordneten „Federation West Central“ daher ein konsequenter Tätigkeitswechsel innerhalb der Hierarchie ist. Zudem wurden bei der Durchsuchung der Wohnung des Bruders in K, A, zahlreiche Kennzeichen und Symbole des verbotenen Vereins aufgefunden, wie etwa Patches mit der Aufschrift „Aachen“ und „Cologne“. Auch hat der Bruder am 25. August 2020 an einer „Germany Party“ einer verbotenen Teilorganisation der „Federation West Central“ in Dortmund teilgenommen und dabei auch seine Kutte mit dem Patch „Germanen“ - und weiteren nunmehr verbotenen Patches - getragen. Nach dem unter Verweis auf S. 133 der Verbotsverfügung erfolgten, unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagtenseite handelt es dabei um einen Patch, der die Mitglieder der „ersten Stunde“ des verbotenen Vereins ausweist. Schließlich weist der Getriebe-Gehäusedeckel mit der Gravur „U - 1%er - Expect no Mercy - MC - 10 YRS NOMAD“ auf dem Motorrad AC-AB XX darauf hin, dass der Bruder schon wesentlich länger „Nomad“ ist, als von dem Kläger vorgetragen wird. Im Hinblick auf diese zahlreichen, für eine Tätigkeit als „Nomad“ für den verbotenen Verein sprechenden Indizien geht das erkennende Gericht davon aus, dass es sich bei den gegenteiligen Behauptungen des Klägers um bloße Schutzbehauptungen handelt, zumal substantiierte Belege für eine ausschließliche Tätigkeit des Bruders für die Bandidos in den Niederlanden und für die Federation Benelux nicht vorgelegt worden sind.
64Weiter ist davon auszugehen, dass der Bruder die beiden Motorräder für Zwecke des verbotenen Vereins genutzt hat. Insoweit macht sich das Gericht die Ausführungen in dem angefochtenen Sicherstellungsbescheid vollumfänglich zu Eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese. Die hiergegen von Klägerseite erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. So spricht der Umstand, dass der Bruder im Juli 2018 ein Motorrad der Marke Harley-Davidson, amtliches Kennzeichen AC-XX, gekauft hat, welches ihm in 2020 gestohlen worden sein soll, bereits im Ansatz nicht gegen eine Nutzung auch der beiden hier streitgegenständlichen Motorräder durch den Bruder für Zwecke des verbotenen Vereins. Die Frage, in welchem Umfang die durchsuchte Wohnung in K tatsächlich von dem Bruder bewohnt/genutzt wird oder ob er daneben einen weiteren Lebensmittelpunkt hat, ist für die Frage der Nutzung der beiden Motorräder durch den Bruder letztlich ebenfalls unerheblich, zumal von dem Kläger ja gerade vorgetragen wird, der Bruder habe dort und damit am Standort der beiden Motorräder seinen Lebensmittelpunkt. Entscheidende Bedeutung kommt vielmehr dem Umstand zu, dass auf dem Harley-Davidson Trike AC-AB XX verschiedene Symbole des verbotenen Vereins angebracht sind (z.B. „Expect No Mercy“). Vor allem weist der Getriebe-Gehäusedeckel mit der Gravur „U - 1%er - Expext no Mercy - MC - 10 YRS NOMAD“ einen zweifelsfreien Hinweis auf die Nutzung durch den Bruder in seiner Funktion als „Nomad“ auf. Ein weiteres erhebliches Indiz ist die Buchstabenfolge AC-AB auf dem amtlichen Kennzeichen. Hierbei handelt es sich um eine bei Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG) - wie den Bandidos - beliebte und weit verbreitete Abkürzung für „All Cops Are Bastards“. Damit steht für das Gericht eine vereinsbezogene Nutzung des Trikes AC-AB XX durch den Bruder zweifelsfrei fest. Das Harley-Davidson Motorrad mit dem Kennzeichen AC-AB XX weist zwar wohl keine vereinstypischen Symbole auf. Allerdings sprechen Kennzeichen (AC-AB) und die Nummerierung (XX - XX) dafür, dass auch dieses Motorrad von dem Bruder genutzt worden ist. Dafür spricht auch der Umstand, dass sich beide Maschinen - einmal Trike und einmal „normales“ Motorrad - ergänzen.
65Soweit der Kläger behauptet, die Garage - in dem die Motorräder bei der Beschlagnahme vorgefunden worden sind - sei an den Bruder nicht mitvermietet worden und dieser habe auch sonst keinen Zugang zu der Garage gehabt, ist dies für das Gericht nicht glaubhaft. Die Garage befindet sich unmittelbar neben der Wohnung A auf demselben Grundstück und gehört - ebenso wie die Wohnung - der Tochter des Bruders. Dass der Bruder vor diesem Hintergrund Zugriff auf die Garage hatte, liegt auf der Hand, zumal sich auch sonst nicht erklären lässt, warum das zweifelsfrei mit dem Bruder in Verbindung zu bringende Trike in dieser Garage stehen sollte. Darüber hinaus hat der Kläger nicht vorgetragen, inwiefern er selbst Zugriff auf die Garage gehabt haben soll; sein Vortrag beschränkt sich vielmehr darauf, dass sein Bruder keinen Zugriff gehabt habe. Außerdem ist die behauptete Nutzung eines Motorrads mit „Bandidos“-Abzeichen - sogar einem besonderen persönlichen Ehrenabzeichen! - durch den Kläger, der nach eigenem Bekunden kein Mitglied des verbotenen Vereins oder einer Teilorganisation ist, nicht plausibel. Eine solche Nutzung dürfte durch andere Bandidos-Mitglieder wohl nicht geduldet werden.
66Im Übrigen nimmt die Kammer zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug (§ 117 Abs. 5 VwGO).
67Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
68Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wobei die Kammer den von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung bestätigten Wert der sichergestellten Motorräder zugrunde gelegt hat.