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1. Das Zweckwechselverbot des § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 bzw. § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG 2019 entfaltet über die Geltungsdauer der ursprünglich erteilten bzw. verlängerten studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis hinaus bis zu einer Erteilung einer von Gesetzes zugelassenen Aufenthaltserlaubnis bzw. bis zu einer Ausreise des Ausländers Geltung
2. Das Zweckwechselverbot wird daher auch nicht durch die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung oder nach § 60c AufenthG beseitigt.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger, ein am 17. Januar 1988 geborener libanesischer Staatsangehöriger, begehrt von der Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG.
3Er reiste erstmals am 8. Januar 2008 mit einem Visum zur Aufnahme in das Studienkolleg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Auf seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 14. März 2008 und die nachfolgende Immatrikulation im Studienkolleg der S zum Sommersemester 2008 erteilte ihm die Beklagte erstmals am 8. April 2008 eine Aufenthaltserlaubnis zum Besuch des Studienkollegs, die sie auf rechtzeitig gestellte Verlängerungsanträge mehrfach, letztmalig bis zum 30. September 2009 verlängerte. Auf einen weiteren Verlängerungsantrag erteilte die Beklagte dem Kläger am 17. August 2009 eine Aufenthaltserlaubnis zum Studium im Studiengang Maschinenbau (Bachelor) an der G B . Diese Aufenthaltserlaubnis wurde in der Folgezeit durchgängig, letztmalig bis zum 15. März 2016 verlängert.
4Mit Ordnungsverfügung vom 14. September 2016 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 15. März 2016 nach dessen vorheriger Anhörung ab und drohte ihm für den Fall, dass er die Bundesrepublik Deutschland nicht binnen eines Monats nach Zustellung der Verfügung verlassen habe, die Abschiebung in die Libanesische Republik an. Die Wirkungen des Einreise- und Aufenthaltsverbots befristete sie auf zwei Jahre ab dem Zeitpunkt einer eventuellen Abschiebung. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger sein Studium noch in angemessener Zeit beenden könne.
5Der Kläger erhob am 17. Oktober 2016 Klage gegen den Bescheid (8 K 2739/16) und stellte einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (8 L 878/16). Während des gerichtlichen Verfahrens stellte der Kläger eine Strafanzeige wegen des Verlusts seines Reisepasses und fragte am 9. Januar 2017 bei der libanesischen Botschaft an, welche Dokumente er für die Beantragung eines neuen Passes benötige. Daraufhin erteilte ihm die Beklagte am 12. Januar 2017 erstmals eine Duldung wegen fehlender Reisedokumente. Nach ablehnendem Eilbeschluss der Kammer vom 13. Januar 2017 nahm der Kläger die Klage am 3. April 2017 zurück.
6Mit Schreiben vom 12. Juni 2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage eines Ausbildungsvertrags mit der W. - GmbH, ihm eine Ausbildungsduldung für den Zeitraum der Ausbildung zu erteilen. Am 30. August 2017 erhielt der Kläger eine bis zum 28. Februar 2021 gültige Ausbildungsduldung.
7Mit weiterem Schreiben vom 31. Januar 2018 legte der Kläger einen bis zum 16. August 2018 gültigen libanesischen Reisepass vor und beantragte, ihm nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG zu erteilen und hinsichtlich der Erwerbstätigkeit Folgendes zu notifizieren „Erwerbstätigkeit erlaubt“.
8Daraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 8. Februar 2018 mit, dass hinsichtlich des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG zu beachten sei, dass die Vorschrift geschaffen worden sei, um langfristig Geduldeten eine Bleibeperspektive im Bundesgebiet zu bieten. Der Kläger sei als Student in das Bundesgebiet eingereist und im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zum Studium gewesen. Nachdem seine Ausreisepflicht vollziehbar geworden sei, sei ihm zuerst eine Duldung wegen Passlosigkeit und danach eine Ausbildungsduldung erteilt worden. Er habe damit eine Bleibeperspektive aufgrund seiner Ausbildung und auch nach dieser. Es werde um Mitteilung gebeten, ob der Antrag aufrechterhalten bleibe. Zudem wies die Beklagte auf das Zweckwechselverbot des § 16 Abs. 4 AufenthG hin. § 25b AufenthG werde von dieser Vorschrift nicht erfasst.
9Mit Schreiben vom 26. Februar 2018 verwies der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. März 2013 (1 C 12.12). Er widerspreche nicht der Annahme, dass er - allerdings zu einem späteren Zeitpunkt - eine Bleibeperspektive aufgrund seiner Ausbildung habe. Er verlange nur, dass § 25b AufenthG, dessen Voraussetzungen zum jetzigen Zeitpunkt erfüllt seien, (auch) angewandt werde. Das Zweckwechselverbot sei nicht mehr anwendbar. Durch die Erteilung der Ausbildungsduldung hätten sich die Einschränkungen aus der Vorschrift „erledigt“.
10Der Kläger hat am 6. Juli 2018 Untätigkeitsklage erhoben.
11Er macht zur Begründung im Wesentlichen geltend, dass das Zweckwechselverbot des § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG bzw. des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht einschlägig sei. Insbesondere habe er die Ausbildungsduldung nicht, wie von § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG gefordert, „während eines Aufenthalts nach Absatz 1“ erhalten. Sein Aufenthalt zu Studienzwecken sei vielmehr durch die Ordnungsverfügung vom 14. September 2016 beendet worden. Anschließend habe er eine Duldung wegen Passlosigkeit und danach eine Ausbildungsduldung erhalten. In § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG sei zudem ausdrücklich als zulässiger Zweck die Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung benannt. Es komme damit nicht darauf an, ob ein gesetzlicher Anspruch vorliege. Die Tatsache, dass er die Loyalitätserklärung erst am 1. April 2019 abgegeben habe, dürfe ihm nicht entgegengehalten werden, weil er sich erst an diesem Tag mit deren Voraussetzungen habe auseinandersetzen können. Jedenfalls seien die Kosten des Verfahrens der Beklagten nach § 155 Abs. 4 VwGO aufzuerlegen. Hierzu verweist der Kläger auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2020 (7 K 4969/18).
12Der Kläger hat zunächst beantragt,
13die Beklagte zu verpflichten ihm auf den Antrag vom 31. Januar 2018 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG mit einer ab Erteilung noch weiteren zweijährigen Geltungsdauer rückwirkend beginnend ab Antragstellung zu erteilen und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit wie folgt zu regeln: Erwerbstätigkeit erlaubt,
14hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über den gestellten Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
15Nach vorheriger Anhörung des Klägers lehnte die Beklagte mit Ordnungsverfügung vom 2. August 2018 den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 25b AufenthG ab. Zur Begründung führte sie aus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers mit Einführung des § 25b AufenthG die Zahl der Personen habe reduziert werden sollen, die weder abgeschoben werden noch eine Aufenthaltserlaubnis bekommen könnten und aufgrund dessen langfristig Duldungen erhielten. Es hätten Kettenduldungen vermieden und langfristig geduldeten Personen eine dauerhaft rechtlich abgesicherte Lebensperspektive in Deutschland eröffnet werden sollen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG setze voraus, dass tatsächliche oder rechtliche Abschiebungshindernisse vorlägen. Der Kläger sei zwar im Besitz einer Duldung. Bei dieser handele es sich jedoch nicht um eine Duldung, die unter § 25b AufenthG zu subsumieren sei. Materielle Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Der Kläger sei seit dem 17. August 2017 im Besitz eines gültigen Reisepasses. Es sei offensichtlich nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen, mit der neuen Bleiberegelung Personen zu begünstigen, die aus dringenden persönlichen Gründen vorübergehend im Bundesgebiet geduldet würden. In der Gesetzesbegründung werde ausdrücklich nur § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erwähnt. Der vorübergehende Charakter der Ausbildungsduldung werde ad absurdum geführt, wenn die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bereits vor Abschluss der Ausbildung möglich sei. Im Übrigen könne es nicht Sinn und Zweck der Ausbildungsduldung sein, einem Ausländer, der vor Erteilung der Ausbildungsduldung die Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG nicht erfülle, durch Erteilung der Ausbildungsduldung zur Erfüllung dieser Voraussetzung zu verhelfen.
16Nach Einbeziehung der Ordnungsverfügung vom 2. August 2018 in das Klageverfahren und Klarstellung des Klageantrags in der mündlichen Verhandlung beantragt der Kläger nunmehr,
17die Beklagte unter Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 2. August 2018 zu verpflichten, ihm für den Zeitraum vom 31. Januar 2018 bis zum 24. Juni 2020 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG zu erteilen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie nimmt auf die Begründung der Ordnungsverfügung Bezug. Ergänzend führt sie aus, dass Zweifel an der Erfüllung der Voraussetzung des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG bestünden. Erforderlich sei, dass der Betroffene den Inhalt des von ihm abgegebenen Bekenntnisses zur freiheitlich demokratischen Grundordnung verstanden habe. Das Bekenntnis müsse auch der tatsächlichen inneren Einstellung des Betroffenen entsprechen. Der Kläger habe im Erörterungstermin am 1. April 2019 kein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung abgeben können, vielmehr habe er geäußert, sich mit dieser Frage erst noch befassen zu müssen. Jedenfalls stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Regelung des § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG bzw. des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG entgegen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG sei - unabhängig von den in §16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG bzw. § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG aufgenommenen weiteren Aufenthaltszwecken - ausgeschlossen, weil dieser als „Soll-Regelung“ keinen gesetzlichen Anspruch begründe. Dass es sich bei einem „Aufenthalt nach Abs. 1“ um einen Aufenthalt zu Studienzwecken handele, sei eindeutig. Die in § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG weiter genannten Aufenthaltszwecke hätten mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG nichts zu tun. Die Ausführungen des Klägers zu § 155 Abs. 4 VwGO gingen bereits deshalb fehl, weil sie den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bereits mit Ordnungsverfügung vom 2. August 2018 beschieden habe. Mit Einbeziehung der Ordnungsverfügung in den Rechtsstreit ergebe sich die Kostentragungspflicht des Klägers aus § 154 Abs. 1 VwGO.
21Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens legte der Kläger einen neuen, bis zum 5. Juli 2023 gültigen libanesischen Pass vor. Mit Schreiben vom 8. April 2020 beantragte er bei der Beklagten, ihm ab Bestehen der Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 19d Abs.1a AufenthG zu erteilen. Gleichzeitig stellte er klar, dass die Geltendmachung des Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG nicht aufgegeben werde. Nach Bestehen der Gesellenprüfung am 3. Juni 2020 erteilte die Beklagte dem Kläger am 25. Juni 2020 eine bis zum 24. Juni 2022 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1a AufenthG.
22Der Kläger hat am 21. Februar 2019 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (8 L 219/19), mit dem er die Erteilung eines vorübergehenden sechsmonatigen Aufenthaltstitels zur Teilnahme an der Hochzeit seines Bruders im Libanon am 21./22. April 2019 begehrte. Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 1. April 2019 hat die Kammer mit Beschluss vom 2. April 2019 die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG zu erteilen. Auf die Beschwerde der Beklagten änderte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 11. April 2019 den Beschluss der Kammer ab und lehnte den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab (17 B 465/19).
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Ausländerakte der Beklagten (Bände I bis VI).
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
25Die Klage hat keinen Erfolg.
26A. Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht dem Kläger für die begehrte rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG für den Zeitraum vom 31. Januar 2018 bis 24. Juni 2020 das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis zu.
27Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung nur beanspruchen, wenn er ein schutzwürdiges Interesse hieran hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Aufenthaltstitel für einen späteren Zeitpunkt bereits erteilt worden ist oder nicht. Das ist insbesondere der Fall, wenn es für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung des Ausländers erheblich sein kann, von welchem Zeitpunkt an der Ausländer den begehrten Aufenthaltstitel besitzt.
28Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2009 - 1 C 7.08 -, juris, Rn.13; BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2010 - 1 C 19.09 -, juris, Rn. 13.
29Hier kann ein schutzwürdiges Interesse an der rückwirkenden Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG darin gesehen werden, dass diese Aufenthaltserlaubnis Voraufenthaltszeiten im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 3 AufenthG bzw. des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG vermittelt und damit für die Erlangung einer Niederlassungserlaubnis oder für die Einbürgerung erheblich sein kann.
30Vgl. dazu OVG Lüneburg, Urteil vom 8. Februar 2018 - 13 LB 43/17 -, juris, Rn. 38.
31B. Die Klage ist jedoch unbegründet.
32Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 2. August 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
33Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Wird - wie hier - die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen zurückliegenden Zeitraum begehrt, ist indes auf die Rechtslage in dem Zeitraum abzustellen, für den der Aufenthaltstitel begehrt wird, soweit nicht - was hier nicht der Fall ist - nachfolgende Rechtsänderungen materielle Rückwirkung für vorangehende Zeiträume haben.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 -, juris, Rn. 9.
35Dem Kläger steht in dem hier maßgeblichen Beurteilungszeitraum vom 31. Januar 2018 bis zum 24. Juni 2020 weder ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG zu (I.), noch kann er die Neubescheidung seines Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts beanspruchen (II.).
36I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG für den vorgenannten Zeitraum.
37Nach dieser Vorschrift soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Dies setzt nach § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG regelmäßig voraus, dass der Ausländer die dort unter Nr. 1 bis 5 genannten Voraussetzungen erfüllt. Ferner darf kein zwingender Versagungsgrund gemäß § 25b Abs. 2 AufenthG vorliegen und es müssen auch die allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG - mit Ausnahme der in § 25b AufenthG speziell geregelten Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) - erfüllt sein.
38Vgl. zu Letzterem: BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2019 - 1 C 34.18 -, juris, Rn. 58 ff.
39Die Kammer kann hier offenlassen, ob im Fall des Klägers - neben den übrigen allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen - auch die für die Annahme einer nachhaltigen Integration regelmäßig zu erfüllende Voraussetzung des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG (Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung) vorliegt.
40Denn der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG steht jedenfalls das Zweckwechselverbot des § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG in der Fassung vom 12. Mai 2017 (BGBl. I, S. 1106 - im Folgenden: AufenthG 2017) bzw. des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 15. August 2019, gültig ab dem 1. März 2020, (BGBl. I, S. 1307 - im Folgenden: AufenthG 2019) entgegen.
411. In dem Zeitraum vom 31. Januar 2018 bis zum 29. Februar 2020 schließt § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG aus.
42Nach § 16 Abs. 4 Satz 1 AufenthG 2017 darf die Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Aufenthaltszweck als dem in Absatz 1 genannten Aufenthaltszweck erteilt oder verlängert werden, wenn das Studium erfolgreich abgeschlossen wurde. Wenn das Studium ohne Abschluss beendet wurde, darf eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen als dem in Absatz 1 genannten Zweck erteilt oder verlängert werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die in § 16b Absatz 2 genannten Fälle oder nach § 17 vorliegen und die Berufsausbildung in einem Beruf erfolgt, für den die Bundesagentur für Arbeit die Feststellung nach § 39 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 getroffen hat, oder wenn ein gesetzlicher Anspruch besteht (Satz 2). Während des Studiums soll in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Aufenthaltszweck als dem in Absatz 1 genannten Aufenthaltszweck nur erteilt oder verlängert werden, sofern ein gesetzlicher Anspruch besteht (Satz 3).
43Satz 2 der Vorschrift statuiert in Fällen eines - wie hier - erfolglosen Studienabschlusses ein grundsätzliches Verbot, dem Ausländer einen Aufenthaltstitel zu einem anderen, d.h. nicht studienbezogenen Aufenthaltszweck zu erteilen. Anders als in den Fällen eines erfolgreichen Abschlusses des Studiums, in denen nach Satz 1 die Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Aufenthaltszweck als dem studienbezogenen Aufenthalt erteilt oder verlängert werden darf, ist die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis bei erfolglosem Abschluss des Studiums daher mit Ausnahme der beiden in der Vorschrift genannten Alternativen verboten.
44Diese beiden Ausnahmen sind vorliegend nicht einschlägig (a). Das Zweckwechselverbot des § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 entfaltet auch über die Geltungsdauer der ursprünglich erteilten studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis hinaus bis zu einer vom Gesetz zugelassenen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. bis zu einer Ausreise des Ausländers Geltung (b) und wird auch nicht durch die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung bzw. nach § 60c AufenthG beseitigt (c).
45a) Die vom Kläger begehrte humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG beinhaltet keinen von § 16 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 und 2 AufenthG 2017 erlaubten Wechsel des Aufenthaltszwecks.
46aa) Eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG zählt zunächst nicht zu den in § 16 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 AufenthG 2017 genannten Aufenthaltserlaubnissen, die einen Zweckwechsel zulassen. Es handelt sich hierbei weder um eine Aufenthaltserlaubnis zu einem Schulbesuch, der einer qualifizierten Berufsausbildung dient (§ 16b Abs. 2 AufenthG 2017), noch um eine Aufenthaltserlaubnis zu einer betrieblichen Aus- und Weiterbildung (§ 17 AufenthG 2017). Der Kläger hat die Erteilung einer solchen ausnahmsweise zulässigen Aufenthaltserlaubnis auch nicht beantragt mit der Folge, dass sie hier nicht Streitgegenstand ist.
47Lediglich vorsorglich weist die Kammer darauf hin, dass die Erteilung einer hier allein in Betracht zu ziehenden Aufenthaltserlaubnis nach § 17 Abs. 1 AufenthG 2017 auch nicht in Betracht käme, weil es zum einen an der insofern erforderlichen Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit fehlte (vgl. § 8 Abs. 1 BeschV in der Fassung vom 27. Juli 2015 - § 32 BeschV ist bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht einschlägig) und zum anderen die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (Einreise mit dem erforderlichen Visum) nicht erfüllt ist, von der mangels Rechtsanspruchs („kann“) auch nicht abgesehen werden kann (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2, Alt. 2 AufenthG und § 39 Nr. 5 AufenthV).
48Insbesondere kommt auch eine analoge Anwendung des § 16 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 AufenthG 2017 auf Fälle, in denen der Ausländer - wie hier - über eine Ausbildungsduldung verfügt, nicht in Betracht.
49Für die analoge Anwendung einer Vorschrift sind zwei Voraussetzungen zu erfüllen. Eine Analogie setzt neben einer Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes eine vergleichbare Sach- und Interessenlage voraus.
50Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 6. November 2014 - 5 C 7.14 -, juris, Rn. 11; BVerwG, Urteil vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 -, juris, Rn. 21.
51Vorliegend fehlt es jedenfalls an der letztgenannten Voraussetzung einer vergleichbaren Sach- und Interessenlage zwischen den in § 16 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 AufenthG 2017 benannten Fällen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 2 bzw. § 17 AufenthG 2017 einerseits und der Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG 2017 anderseits.
52Zwar entspricht die Erteilung einer Ausbildungsduldung für einen Engpassberuf im Ausgangspunkt der Zielsetzung der Ausnahme des § 16 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 AufenthG 2017. Diese trägt nämlich der gesetzgeberischen Annahme Rechnung, dass ein volkswirtschaftliches Bedürfnis bestehe, Studierenden, die ihr Studium ohne Abschluss beenden, den Wechsel in eine qualifizierte betriebliche oder schulische Berufsausbildung zu ermöglichen. Den Belangen des Arbeitsmarkts wird dabei insoweit entsprochen, als von der Regelung nur solche Ausbildungsberufe erfasst werden, die die Bundesagentur für Arbeit als Engpassberufe festgestellt und jeweils aktuell in der sogenannten „Positivliste“ veröffentlicht.
53Vgl. Fleuß, in: BeckOK, Ausländerrecht, 24. Edition, Stand: 1. November 2019, § 16 Rn. 49.
54Jedoch vermitteln die vom Zweckwechselverbot allein ausgenommenen Aufenthaltserlaubnisse nach § 16b Abs. 2 und § 17 AufenthG 2017 dem Ausländer einen legalen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Dagegen handelt es sich bei der Ausbildungsduldung lediglich um eine vorübergehende - nämlich für den Zeitraum der Ausbildung - erteilte Aussetzung der Abschiebung, die keinen legalen Aufenthalt begründet. Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, dass die Ausbildungsduldung längerfristige Planungssicherheit bietet als sonstige Duldungen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 oder Satz 3 AufenthG 2017. Zwar nähert sich die Ausbildungsduldung in der Planbarkeit des Aufenthalts dem Rechtsinstitut eines Aufenthaltstitels an, sie gewährt aber keinen erlaubten Aufenthalt und lässt die grundsätzlich bestehende Ausreisepflicht nur in den Hintergrund treten, nicht aber entfallen. Vielmehr bleibt diese nach § 60a Abs. 3 AufenthG 2017 bestehen.
55Vgl. allgemein dazu Berlit, in: GK-AufenthG, 109. Lieferung, Stand: 1. Februar 2021, § 60a AufenthG Rn. 59 f. sowie Dietz, in: Hailbronner, Ausländerrecht, 113. Aktualisierung Januar 2020, § 60c AufenthG Rn. 4.
56bb) Die begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG begründet auch keinen gesetzlichen Anspruch i.S.v. § 16 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 AufenthG 2017.
57Ein gesetzlicher Anspruch muss sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Ein derart strikter Rechtsanspruch setzt voraus, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat. Auch bei einer "Soll"-Regelung fehlt es an einer abschließenden abstrakt-generellen, die Verwaltung bindenden Entscheidung des Gesetzgebers. Zwar ist bei einer Soll-Regelung die Entscheidung der Verwaltung insoweit gebunden, als bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen die Rechtsfolge regelmäßig vorgezeichnet ist. Auch die Frage, ob ein atypischer Ausnahmefall vorliegt, bei dem der Verwaltung ein Rechtsfolgenermessen eröffnet ist, unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung und ist in diesem Sinne im ersten Schritt eine rechtlich gebundene Entscheidung. Anders als bei einer Anspruchsnorm, bei der die tatbestandlichen Voraussetzungen sowohl positiv als auch negativ abschließend bestimmt sind, kann indes nur aufgrund einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt und festgestellt werden, ob ein Ausnahmefall vorliegt; die möglichen Versagungsgründe sind hiernach gerade nicht in abschließender Weise durch den Gesetzgeber vollumfänglich ausformuliert. Diese normative Offenheit in Bezug auf Umstände, die einen Fall als atypisch erscheinen lassen, unterscheiden eine "Soll"-Vorschrift im verwaltungsrechtlichen Sinne auch von solchen Normen, die für die abstrakt-generellen Tatbestandsvoraussetzungen unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 -, juris,Rn. 20 f .
59Danach vermittelt § 25b AufenthG als „Soll-Regelung“ keinen gesetzlichen Anspruch im Sinne von § 16 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 AufenthG 2017.
60b) Das Zweckwechselverbot des § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 entfaltet auch über die Geltungsdauer der ursprünglich erteilten bzw. verlängerten studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis - hier bis zum 15. März 2016 - hinaus bis zu einer - hier nicht erfolgten - Erteilung einer vom Gesetzes zugelassenen Aufenthaltserlaubnis bzw. bis zu einer Ausreise des Ausländers Geltung.
61Vgl. ebenso zur Vorgängerregelung des § 16 Abs. 2 AufenthG 2005: OVG Hamburg, Beschluss vom 21. Februar 2008 - 3 Bs 204/07 -, juris, Rn. 5 m.w.N.
62§ 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 knüpft schon seinem Wortlaut nach nicht an die Gültigkeit der das Zweckwechselverbot begründenden studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG 2017 an. Vielmehr wird von § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 umfassend neben der Verlängerung gerade auch die Erteilung zu einem anderem als dem in Absatz 1 genannten - studienbezogenen - Aufenthaltszweck erfasst. Mit der Erteilung werden aber auch Fälle erfasst, in denen die ursprüngliche erteilte studienbezogene Aufenthaltserlaubnis bereits ihre Gültigkeit verloren hat.
63In systematischer Hinsicht wird diese Auslegung durch § 16 Abs. 4 Satz 3 AufenthG 2017 bestätigt. Auch diese Vorschrift, die das Zweckwechselverbot während des Studiums regelt, knüpft nicht an die Gültigkeit der studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis, sondern allein an den bisherigen Aufenthaltszweck an („während des Studiums“).
64Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht dafür, dass das in § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 verankerte Zweckwechselverbot nicht an die Geltungsdauer der studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis anknüpft, sondern darüber hinaus in Fällen des erfolglosen Studienabschlusses - außer in den im Gesetz vorgesehenen Alternativen - bis zur Ausreise gilt.
65Das Zweckwechselverbot wurde mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union zur Arbeitsmigration (im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz) in § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 neu gefasst.
66Nach der Begründung zum Gesetzentwurf zum Richtlinienumsetzungsgesetz wird § 16 Abs. 4 AufenthG 2017 dem Bedürfnis gerecht, nach Abbruch des Studiums in eine qualifizierte Berufsausbildung wechseln zu können. Neben dem Wechsel in die Berufsausbildung (§ 17) werde auch der Wechsel zu den in § 16b Abs. 2 genannten Fällen erlaubt, da insbesondere im Pflegebereich Berufsausbildungen vorwiegend in schulischer Form mit Praktikumsphasen erfolgten. Dieser Wechsel sei nach der bisherigen Rechtslage trotz erheblichen praktischen Bedarfs nicht möglich gewesen. Da diese Öffnung den Bedarf am Arbeitsmarkt berücksichtigen solle, sei der Wechsel in die Aufnahme der Berufsausbildung auf die Berufe beschränkt, die die Bundesagentur für Arbeit als Engpassberufe festgestellt und mit der sogenannten Positivliste veröffentlicht habe. Maßgeblich sei der zum Zeitpunkt der Beantragung des Zweckwechsels aktuelle Stand der Positivliste. § 16 Abs. 4 AufenthG 2017 eröffne die Möglichkeit des Wechsels im Aufenthaltszweck; er vermittele keinen eigenen Anspruch, belasse aber die Möglichkeit, bei Erfüllung der Voraussetzungen einen anderen Aufenthaltstitel zu erlangen. Andere Wechsel des Aufenthaltszwecks seien weiterhin nur möglich, wenn das Studium erfolgreich abgeschlossen werde oder wenn ein gesetzlicher Anspruch bestehe (BT-Drs. 18/11136, Seite 41). Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des § 16 Abs. 4 AufenthG 2017 durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2017 damit grundsätzlich an die bisherige Rechtslage angeknüpft („weiterhin nur möglich“) und sich nur in eng begrenzten Ausnahmefällen für eine an den Erfordernissen des Arbeitsmarkts orientierte Öffnung des Zweckwechselverbots entschieden, d.h. die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen bei Wechseln in die schulische (§ 16b Abs. 2 AufenthG 2017) oder in die Berufsausbildung (§ 17 AufenthG 2017) zugelassen. Mit dieser begrenzten Öffnung ging nach der Gesetzesbegründung dagegen keine Abkehr von der bisherigen Rechtslage einher. Vielmehr sind andere Wechsel des Aufenthaltszwecks nach dem Willen des Gesetzgebers weiterhin nur bei erfolgreichem Studienabschluss (vgl. § 16 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) bzw. in Fällen eines gesetzlichen Anspruchs möglich.
67Mit der in der Gesetzesbegründung herausgestellten bisherigen Rechtslage wird an § 16 Abs. 2 AufenthG 2004 angeknüpft. Diese Vorschrift wurde mit dem Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl. 2004, Teil I Nr. 41, S. 1950) im neu geschaffenen Aufenthaltsgesetz 2004 eingefügt. Danach sollte während des Aufenthalts nach Absatz 1 in der Regel keine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt oder verlängert werden, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch bestand.
68Der Gesetzesbegründung zu § 16 Abs. 2 AufenthG 2004 kann wiederum entnommen werden, dass durch diese Vorschrift der Wechsel des Aufenthaltszwecks im Grundsatz ausgeschlossen werden sollte. Es sollte sichergestellt werden, dass nur Studien- und keine anderen Aufenthaltszwecke verfolgt werden. Weiterhin findet sich der Hinweis, dass § 16 Abs. 2 AufenthG 2004 an die geltende Regelung des § 28 Abs. 2 AuslG angelehnt sei (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 74). Hierbei handelt es sich allerdings um ein Redaktionsversehen, maßgeblich ist vielmehr § 28 Abs. 3 AuslG.
69Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. November 2011 - 18 B 1220/11 -, juris, Rn. 13.
70Nach § 28 Abs. 3 Satz 1 AuslG konnte einem Ausländer in der Regel vor seiner Ausreise die Aufenthaltsbewilligung nicht für einen anderen Aufenthaltszweck erneut erteilt oder verlängert werden. Nach Satz 2 konnte eine Aufenthaltserlaubnis vor Ablauf eines Jahres seit der Ausreise des Ausländers nicht erteilt werden; dies galt nicht in den Fällen eines gesetzlichen Anspruches oder wenn es im öffentlichen Interesse lag. Sätze 1 und 2 fanden keine Anwendung auf Ausländer, die sich noch nicht länger als ein Jahr im Bundesgebiet aufhielten (Satz 3). Angesichts der gewollten Anlehnung von § 16 Abs. 2 AufenthG 2004 an § 28 Abs. 3 AuslG bestehen keine Anhaltspunkte für eine Absicht des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich des Zweckwechselverbots in zeitlicher Hinsicht im Vergleich zur früheren Rechtslage einzuschränken.
71Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. November 2011 - 18 B 1220/11 -, juris, Rn. 14.
72Dies gilt gleichermaßen bei der Verankerung des Zweckwechselverbots in § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017, mit dem der Gesetzgeber - wie gezeigt - im Grundsatz ebenfalls an die bisherige Rechtslage anknüpfen wollte.
73Schließlich sprechen auch der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung für eine Geltung des Zweckwechselverbots über die Geltungsdauer der ursprünglich erteilten/verlängerten studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis hinaus. Das grundsätzliche Verbot, einem Ausländer bei erfolglosem Abschluss des Studiums eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Aufenthaltszweck zu erteilen, zielt darauf ab, sicherzustellen, dass die Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken nicht als Mittel für eine unkontrollierte Zuwanderung zu anderen Aufenthaltszwecken missbraucht wird.
74Vgl. Fleuß, in: BeckOK, Ausländerrecht, 24. Edition, Stand: 1. November 2019, § 16 AufenthG Rn. 48; hierauf bei § 16b AufenthG abstellend OVG Thüringen, Beschluss vom 11. Januar 2021 - 3 EO 279/19 -, juris, Rn. 25 und VG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2020 - 3 K 7685/18 -, juris, Rn. 37.
75Dieser Zweck wird jedoch nur dann gewahrt, wenn die Norm in dem genannten Sinne ausgelegt wird, d.h. wenn das Zweckwechselverbot so lange gilt, bis dem Ausländer eine im Gesetz vorgesehenen Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 2 bzw. § 17 AufenthG 2017 erteilt worden oder der Ausländer ausgereist ist.
76Bei einem anderen Verständnis würde die Vorschrift im Übrigen ohne sachlichen Grund denjenigen, dessen studienbezogene Aufenthaltserlaubnis bereits abgelaufen ist, gegenüber demjenigen besserstellen, der noch bei gültiger Aufenthaltserlaubnis einen Wechsel des Aufenthaltszwecks begehrt. Zudem hätte es der Ausländer selbst in der Hand durch das Absehen von der Stellung eines Verlängerungsantrags das Auslaufen seiner Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 herbeizuführen und damit das Zweckwechselverbot zu beseitigen.
77Dieser Auslegung steht auch nicht die Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (im Folgenden: REST-Richtlinie) entgegen.
78Die REST-Richtlinie findet gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. a) auf den vorliegenden Fall schon deshalb keine Anwendung, weil es sich bei dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum um einen Drittstaatsangehörigen handelt, dessen Abschiebung - hier seit dem 12. Januar 2017 - aus tatsächlichen Gründen (Passlosigkeit) ausgesetzt war. Unabhängig davon steht das Zweckwechselverbot des § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 in der Auslegung durch die Kammer auch mit der REST-Richtlinie in Einklang. So entziehen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 21 Abs. 1 lit. d) der REST-Richtlinie einen Aufenthaltstitel oder verweigern gegebenenfalls eine Verlängerung, wenn der Drittstaatsangehörige seinen Aufenthalt zu anderen Zwecken nutzt als jene, für die er zum Aufenthalt zugelassen wurde. Auch diese Bestimmung knüpft nicht an die Gültigkeit der studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis, sondern allein an den Zweck an, zu dem der Aufenthalt in dem Mitgliedstaat ursprünglich zugelassen worden ist. Mit der im Fall eines Zweckwechsels des Aufenthalts vorgesehenen Möglichkeit zur Entziehung oder Verweigerung der Verlängerung des Aufenthaltstitels wird zudem deutlich, dass der Ausländer in diesem Fall mangels weiterer Erlaubnis des Aufenthalts grundsätzlich auszureisen hat.
79c) Das Zweckwechselverbot wird daher auch nicht durch die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung oder nach § 60a AufenthG beseitigt.
80Das Zweckwechselverbot in § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 endet - wie ausgeführt - erst mit der Erteilung einer in der Vorschrift vorgesehenen Aufenthaltserlaubnis bzw. mit der Ausreise des Ausländers. Die Erteilung einer Duldung - hier wegen Passlosigkeit ab dem 12. Januar 2017 - kann dagegen das Zweckwechselverbot nicht beseitigen. Mit der Erteilung der Duldung hat die Beklagte lediglich dem Umstand Rechnung getragen, dass die Abschiebung des Klägers in Ermangelung eines Passes bis zum Erhalt des neuen Passes unmöglich war. Die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung führt nicht zu einem in § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 vorgesehenen rechtmäßigen Aufenthalt des Ausländers.
81Auch die Erteilung einer Ausbildungsduldung nach dem damals geltenden § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG am 30. August 2017 lässt die Sperrwirkung des § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 nicht entfallen. Auch sie vermittelte dem Kläger - wie ausgeführt - keinen rechtmäßigen Aufenthalt.
822. In dem Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 24. Juni 2020 stand dem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG die Vorschrift des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG 2019 entgegen.
83Danach darf während eines Aufenthalts nach Absatz 1 eine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck nur zum Zweck einer qualifizierten Berufsausbildung, der Ausübung einer Beschäftigung als Fachkraft, der Ausübung einer Beschäftigung mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen nach § 19c Absatz 2 (1. Alt) oder in Fällen eines gesetzlichen Anspruchs (2. Alt) erteilt werden.
84a) Die in der Vorschrift genannten Ausnahmen vom Zweckwechselverbot sind vorliegend nicht erfüllt.
85aa) Die allein streitgegenständliche humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG ist keine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck einer qualifizierten Berufsausbildung (§ 16a AufenthG), der Ausübung einer Beschäftigung als Fachkraft (§§ 18a, 18b AufenthG) oder der Ausübung einer Beschäftigung mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen (§ 19c Abs. 2 AufenthG).
86bb) § 16b Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 AufenthG 2019 kann auch nicht analog auf die dem Kläger am 30. August 2017 erteilte Ausbildungsduldung angewandt werden. Es fehlt insofern für eine Analogie jedenfalls an einer vergleichbaren Interessenlage, weil auch unter der Geltung des § 60c AufenthG die Ausbildungsduldung keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet vermittelt, sondern lediglich eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung aus persönlichen Gründen darstellt.
87cc) § 25b AufenthG vermittelt - wie unter 1. ausgeführt - auch keinen gesetzlichen Anspruch.
88b) Das Zweckwechselverbot des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG 2019 entfaltet ‑ ebenso wie § 16 Abs. 4 Satz 1 AufenthG 2017 - über die Geltungsdauer der ursprünglich erteilten studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis hinaus bis zu einer - hier nicht erfolgten - vom Gesetz zugelassenen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. bis zu einer Ausreise des Ausländers Geltung.
89Diesem Verständnis steht zunächst nicht der Wortlaut der Vorschrift entgegen. Zwar ist die darin verwendete Formulierung „während eines Aufenthalts nach Absatz 1“ offen bzw. missverständlich. Sie kann auf den ersten Blick auch dahin verstanden werden, dass der Ausländer noch im Besitz einer studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 AufenthG 2019 sein muss. Dagegen spricht aber, dass die Vorschrift - wie auch schon § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 - gerade nicht an die Gültigkeit der zu Studienzwecken erteilten Aufenthaltserlaubnis anknüpft. Die Formulierung ist daher vielmehr dahin zu verstehen, dass damit in erster Linie an den Aufenthaltszweck angeknüpft wird, zu dem der Aufenthalt ursprünglich zugelassen wurde, d.h. an den Aufenthalt zu Studienzwecken (vgl. auch § 16b Abs. 1 Satz 2 AufenthG).
90Für dieses Verständnis spricht insbesondere auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ergibt sich, dass § 16b im Wesentlichen dem bisherigen § 16 a.F. entspricht, er wurde allerdings an einigen Stellen sprachlich neu gefasst und gestrafft (vgl. BT-Drs. 19/8285, Seite 90). Absatz 4 enthalte eine vereinheitlichte Regelung zu Möglichkeiten des Zweckwechsels während eines Aufenthalts zu Studienzwecken nach Absatz 1. Der bisherige Satz 1 sei gestrichen worden, ohne dass damit eine Änderung in der Sache erfolgt sei; eine gesetzliche Normierung sei aufgrund der Regelungen in § 39 AufenthV entbehrlich. Die bisherigen Sätze 2 und 3 seien zusammengefasst worden. Die Regelung betreffe den Zweckwechsel während eines Aufenthalts nach Absatz 1, mithin bis zu einem erfolgreichen Abschluss des Studiums und Aushändigung des entsprechenden Abschlusszeugnisses. Ein Zweck-wechsel vor Abschluss des Studiums (also bei Abbruch oder erfolgloser Beendigung) sei nur in den Fällen des Absatzes 4 möglich. Danach dürfe eine Aufenthaltserlaubnis künftig vor erfolgreichem Abschluss des Studiums zu einem anderen Zweck als dem des Studiums neben den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs zum Zweck der Berufsausbildung nach § 16a, zur Ausübung einer Beschäftigung als Fachkraft (vgl. Regelungen in Abschnitt 4, insbesondere §§ 18a und 18b) und zur Ausübung einer Beschäftigung mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen nach § 19c Absatz 2 erteilt werden. Dies gelte insbesondere auch für Fälle, in denen das Studium ohne Abschluss beendet werde (vgl. BT-Drs. 19/8285, Seite 91).
91Diesen Erwägungen ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG 2019 nicht von der bisherigen Rechtslage und damit von dem Zweckwechselverbot des § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 mit seinem bisherigen Regelungsinhalt abrücken, sondern lediglich eine sprachliche Straffung der Vorschrift und eine Erweiterung der ausnahmsweise zulässigen Zweckwechsel vornehmen wollte. Dies belegt der Hinweis, dass § 16b im Wesentlichen § 16 a.F. entspreche. Zudem wurde zur Streichung des Satzes 1 explizit aufgeführt, dass damit in der Sache keine Änderung erfolgt sei. Dies gilt auch für die Fälle der Beantragung eines Aufenthaltstitels nach erfolglosem Abschluss (§ 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017) bzw. während eines Studiums (§ 16 Abs. 4 Satz 3 AufenthG 2017). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG als vereinheitliche Regelung beide Fälle erfassen und vor erfolgreichem Abschluss des Studiums einen Zweckwechsel grundsätzlich ausschließen.
92Vgl. ebenso OVG Lüneburg, Beschluss vom 27. Mai 2020 - 13 ME 151/20 -, juris, Rn. 5.
93Gerade die Einbeziehung auch des Abbruchs und der erfolglosen Beendigung des Studiums in den Anwendungsbereich der Vorschrift zeigen, dass es dem Gesetzgeber mit der Formulierung „während eines Aufenthalts nach Absatz 1“ nicht auf die Gültigkeit der studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis ankam, sondern vielmehr darauf, dass der Aufenthaltszweck des Studiums, zu dem der Aufenthalt ursprünglich zugelassen worden ist, (noch) nicht erreicht worden ist. In diesen Fällen wird aber regelmäßig auch die studienbezogene Aufenthaltserlaubnis nicht mehr gültig sein.
94Mit der Anknüpfung an die bisherige Rechtslage geht zugleich aber auch die - oben dargestellte - zeitliche Fortgeltung des Zweckwechselverbots bis zur Erteilung einer im Gesetz genannten Aufenthaltserlaubnis oder bis zu einer Ausreise des Ausländers einher. Hierbei ist unschädlich, dass der Gesetzgeber nicht wiederholend auf die Vorgängervorschriften in § 16 Abs. 2 AufenthG 2004 bzw. § 28 Abs. 3 AuslG verwiesen hat. Diese Anknüpfung ergibt sich bereits aus dem Rekurs auf § 16 AufenthG 2017 und dem geäußerten Willen zur Schaffung einer vereinheitlichten Regelung in § 16b Abs. 4 AufenthG 2019, die alle Fälle bis zum erfolgreichen Abschluss des Studiums erfassen soll.
95Für diese Auslegung spricht bei teleologischer Betrachtung schließlich auch der mit dem Zweckwechselverbot des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG 2019 weiterhin verfolgte Zweck, sicherzustellen, dass die Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken nicht als Mittel für eine unkontrollierte Zuwanderung zu anderen Aufenthaltszwecken missbraucht wird.
96Vgl. Fleuß, in: BeckOK, Ausländerrecht, 28. Edition, Stand: 1. Januar 2021, § 16b AufenthG Rn. 58; OVG Thüringen, Beschluss vom 11. Januar 2021 - 3 EO 279/19 -, juris, Rn. 25 und VG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2020 - 3 K 7685/18 -, juris, Rn. 37.
97Die Auslegung des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG steht ebenfalls mit der REST-Richtlinie in Einklang. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die diesbezüglichen Ausführungen unter 1. Bezug genommen.
98II. Ein Anspruch auf erneute Bescheidung des Erlaubnisantrags vom 31. Januar 2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts besteht ebenfalls nicht. Ist die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG wegen Eingreifens des Zweckwechselverbots des § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 bzw. des § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG 2019 ausgeschlossen, ist ein behördliches Ermessen schon nicht eröffnet.
99III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beklagten waren die Kosten des Verfahrens auch nicht nach § 155 Abs. 4 VwGO aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Erforderlich für eine Auferlegung der Kosten nach § 155 Abs. 4 VwGO ist neben einem Verschulden eine Kausalität der Sorgfaltspflichtverletzung; es müssen hierdurch (zusätzliche) Kosten verursacht worden sein, die bei pflichtgemäßem Verhalten nicht entstanden wären.
100Vgl. Bader, in: Ders./Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Auflage 2018, § 155 VwGO Rn. 10.
101Es mangelt hier jedenfalls an der Kausalität einer etwaigen Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten. Der Kläger sieht diese in einer zu langsamen und unrichtigen Behandlung seines Antrags vom 31. Januar 2018 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG, wegen der er am 9. Juli 2018 eine Untätigkeitsklage erhoben hat. Die Beklagte hat den Antrag jedoch mit Ordnungsverfügung vom 2. August 2018 - wenn auch nicht im Sinne des Klägers - beschieden. Diese Ordnungsverfügung hat der Kläger sodann mit Schriftsatz vom 9. August 2018 in das vorliegende Verfahren einbezogen. Durch die Behandlung seines Antrags bei der Beklagten sind ihm daher keine zusätzlichen Kosten verursacht worden, vielmehr hat er lediglich ein Klageverfahren geführt. Das ursprünglich als Untätigkeitsklage erhobene Verfahren hat der Kläger nicht für erledigt erklärt. Der Verweis auf das angeführte Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2020 (7 K 4969/18) verfängt nicht. In diesem Verfahren ist die dortige Beklagte - anders als hier - bis zum Abschluss des Klageverfahrens durch Entscheidung des Gerichts untätig geblieben.
102Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
103Die Zulassung der Berufung erfolgt gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die in diesem Verfahren entscheidungserhebliche Rechtsfrage, bis wann das Zweckwechselverbot des § 16 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 2017 bzw. des § 16b Abs. 2 Satz 1 AufenthG 2019 gilt, insbesondere ob es durch die Geltungsdauer der studienbezogenen Aufenthaltserlaubnis begrenzt wird oder durch die Erteilung einer (Ausbildungs-)Duldung endet, ist bisher weder in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen noch in der des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.