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Die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 6 K 61/21 wird hinsichtlich Ziff. 1 bis 4 sowie Ziff. 6 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 7. Dezember 2020 angeordnet und hinsichtlich Ziff. 5 der Ordnungsverfügung wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- € festgesetzt.
G r ü n d e:
2Der sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums (6 K 61/21) gegen Ziff. 1 bis 4 sowie Ziff. 6 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 7. Dezember 2020 anzuordnen und hinsichtlich Ziff. 5 der Ordnungsverfügung wiederherzustellen,
4hat Erfolg.
5Der Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Denn nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 5 des Gesetzes zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen 1) und des Basler Übereinkommens vom 22. März 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung 2) (Abfallverbringungsgesetz - AbfVerbrG) hat eine Anfechtungsklage gegen Entscheidungen betreffend die Rückführung der Abfälle keine aufschiebende Wirkung. Insofern bedurfte es der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach Ziff. 7 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung hinsichtlich der Ziff. 1 bis 4 der Ordnungsverfügung nicht, weshalb diese insoweit ins Leere ging. Hinsichtlich der Entsorgungsanordnung nach Ziff. 5 der Ordnungsverfügung wurde durch Ziff. 7 der Ordnungsverfügung die sofortige Vollziehung angeordnet. Insoweit entfiel die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Schließlich entfiel die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme gemäß Ziff. 6 der Ordnungsverfügung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 JustG NRW.
6Der Antrag ist auch begründet. Die vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Ungunsten des Antragsgegners aus.
7Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen für sofort vollziehbar erklärten bzw. kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsakt ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Im Rahmen einer Interessenabwägung ist zu prüfen, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung oder das Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs überwiegt. Maßgebliches Kriterium innerhalb der Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse. Stellt der Verwaltungsakt sich hingegen als offensichtlich rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Lässt sich bei summarischer Überprüfung eine Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Die Erfolgsaussichten sind dabei auch unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je höher diese sind, desto größer ist das Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Sind die Erfolgsaussichten demgegenüber gering, fällt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts stärker ins Gewicht.
8Gemessen an diesem Maßstab überwiegt das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung vom 7. Dezember 2020, da nach derzeitiger Sachlage erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung bestehen. Dies gilt sowohl für die Rückholanordnung in Ziff. 1 bis 4 der Ordnungsverfügung (I.) als auch für die Entsorgungsanordnung in Ziff. 5 der Ordnungsverfügung (II.) sowie für die Androhung der Ersatzvornahme in Ziff. 6 der Ordnungsverfügung (III.), weshalb die Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin ausfällt (IV.).
9I.
10Rechtsgrundlage für die Rückholungsanordnung in Ziff. 1 bis 4 der Ordnungsverfügung ist § 13 AbfVerbrG i.V.m. Art. 24 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen (EG-AbfVerbrV). Nach § 13 AbfVerbrG kann die zuständige Behörde im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung der EG-AbfVerbrV treffen. Sie kann insbesondere Anordnungen zur Erfüllung der Rücknahmeverpflichtung gemäß Art. 24 EG-AbfVerbrV treffen. Aus der Formulierung „kann im Einzelfall“ in § 13 Satz 1 AbfVerbrG lässt sich entnehmen, dass der Behörde Ermessen zusteht.
11Nach Art. 24 Abs. 1 EG-AbfVerbrV unterrichtet eine zuständige Behörde, welche eine Verbringung von Abfällen entdeckt, die sie für illegal hält, unverzüglich die anderen betroffenen zuständigen Behörden. Nach Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 b) EG-AbfVerbrV sorgt die zuständige Behörde am Versandort – falls keine vorherige Notifizierung der Verbringung der Abfälle erfolgt ist – dafür, dass die betreffenden Abfälle vom Notifizierenden de jure zurückgenommen werden, wenn dieser die illegale Verbringung zu verantworten hat. Nur wenn dies nicht möglich ist, muss die zuständigen Behörde am Versandort weitere Schritte in Bezug auf die Rücknahme, Verwertung oder Beseitigung des Abfalls ergreifen (vgl. Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 c) bis e) EG-AbfVerbrV).
12Unabhängig von der Frage, ob vorliegend sämtliche Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt sind, ist der Antragsgegner jedenfalls von falschen Voraussetzungen hinsichtlich der Störereigenschaft der Antragstellerin ausgegangen.
13Dabei kann die zwischen den Beteiligten strittige Frage, ob die in Rede stehende Verbringung von Abfällen nach Art. 3 Abs. 1 EG-AbfVerbrV überhaupt einer Notifizierung bedurfte, dahinstehen. Denn selbst wenn man der Auffassung des Antragsgegners dahingehend folgt, dass vorliegend eine Notifizierungspflicht bestand, war die Antragstellerin – entgegen der Ansicht des Antragsgegners – hier jedenfalls nicht als „Neuerzeugerin“ der Abfälle i.S.d. Art. 2 Nr. 15 a) ii) EG-AbfVerbrV anzusehen. Denn nach Art. 2 Nr. 9 EG-AbfVerbrV ist „Neuerzeuger“ jede Person, die Vorbehandlungen, Vermischungen oder sonstige Behandlungen vornimmt, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken. Das bloße Einsammeln und Zwischenlagern von Abfällen reicht jedoch nicht aus, um denjenigen, der das Einsammeln bzw. Zwischenlagern vornimmt, als „Neuerzeuger“ einzustufen.
14Vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 31. März 2020 - 4 B 43/20 -, juris Rn. 34.
15Da hinsichtlich der Antragstellerin allenfalls eine Zwischenlagerung der in Rede stehenden Abfälle in Betracht kommt und sie weder die Natur noch die Zusammensetzung dieser Abfälle veränderte, ist sie nicht als „Neuerzeugerin“ anzusehen.
16Nach Art. 2 Nr. 15 a) EG-AbfVerbrV ist der Notifizierende eine der nachfolgend aufgeführten Personen oder Einrichtungen in der Rangfolge der Nennung – beginnend mit dem „Ersterzeuger“. Nach dem Auffangtatbestand des Art. 2 Nr. 15 a) vi) EG-AbfVerbrV ist „Notifizierender“ der Besitzer, wenn alle in den Ziffern i, ii, iii, iv und v – soweit anwendbar – genannten Personen unbekannt oder insolvent sind.
17Auch wenn die Antragstellerin hier möglicherweise als Besitzerin der Abfälle i.S.d. Art. 2 Nr. 15 a) vi) EG-AbfVerbrV Notifizierende gewesen sein könnte, hätte der Antragsgegner weiter aufklären müssen, ob nicht insbesondere die Y als Ersterzeugerin oder Zweiterzeugerin in Anspruch zu nehmen ist. Denn nach Art. 2 Nr. 15 a) EG-AbfVerbrV ist der Ersterzeuger bzw. der Zweiterzeuger jedenfalls vorrangig vor dem Besitzer der Abfälle als Notifizierender anzusehen. Eine diesbezügliche Sachaufklärung drängte sich insbesondere deshalb auf, weil die Kriminalpolizei Schleiden dem Antragsgegner gemäß des Telefonvermerks vom 2. November 2020 (Bl. 145 des Verwaltungsvorgangs) mitteilte, dass der Abfall von der Firma X eingelagert worden sei und danach zur Antragstellerin überstellt worden sei. Der Mieter des Lagers der Firma X sei Herr B (Geschäftsführer der Y). Zwar wurde die Y bzw. deren Geschäftsführer Herr B mit Anhörungsschreiben des Antragsgegners vom 13. Oktober 2020 zur Stellungnahme aufgefordert. Darauf teilte Herr B dem Antragsgegner am 15. Oktober 2020 aber lediglich mit, dass er dem Anhörungsschreiben widerspreche und bei der Polizei eine Anzeige wegen Betrugs erstattet habe. Zuvor hatte Herr B per E-Mail an den Antragsgegner vom 9. Oktober 2020 bereits pauschal mitgeteilt, dass die Y „nicht Inhaber, Versender oder einen Auftrag bezüglich dieser CMR Frachtpapiere durchgeführt“ habe. Es gelte jedoch zu klären, wer ihre Firmenanschrift missbraucht habe. Weitere Angaben machte Herr B nicht. Da der Hinweis der Kriminalpolizei jedoch erst am 2. November 2020 erfolgte – also nach den Stellungnahmen des Herrn B vom 9. und 15. Oktober 2020 –, war eine weitere Sachaufklärung durch den Antragsgegner geboten. Dafür, dass Herr B bzw. die Fa. Y bei der Einlagerung bzw. Versendung der in Rede stehenden Abfälle (Spülsteine, Big Bags mit „Anti-Kalkstein“, „Natriumcarbonat“) mitgewirkt haben spricht im Übrigen der Umstand, dass Herr B auf der Karriereplattform „Linkedin“ vor einem Jahr ein Video gepostet hat mit der Überschrift „Verpackte Spülmaschinen Tabs und Waschmittel werden hier von der Verpackung getrennt“, d.h. er bzw. die Fa. Y arbeitet genau mit den Materialien, die hier illegal nach Polen verbracht worden sind.
18Selbst wenn ein Ersterzeuger oder ein Zweiterzeuger auch nach weiterer Sachaufklärung nicht sicher hätte ermittelt werden können, hätte der Antragsgegner im Rahmen der Ermessensausübung darlegen müssen, weshalb er die Antragstellerin als Besitzerin der Abfälle i.S.d. Art. 2 Nr. 15 a) vi) EG-AbfVerbrV ansieht und nicht etwa die Y oder den – ggf. die Halle (mit) anmietenden – Baumeister E. Dass der Antragsgegner noch kurz vor Erlass der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vom 7. Dezember 2020 davon ausging, dass mehrere Beteiligte hinsichtlich einer Inanspruchnahme in Betracht kamen, zeigt das Schreiben des Antragsgegners an den Rechtsanwalt der Y vom 20. November 2020 (Bl. 200 des Verwaltungsvorgangs). Darin teilte der Antragsgegner dem Rechtsanwalt mit, dass nach den bisherigen und noch andauernden Ermittlungen neben der Y auch weitere Beteiligte hinsichtlich der abfallrechtlichen Verantwortlichkeit für die Rückführung der Abfälle in Betracht kämen. Insofern hätte es – unterstellt die Frage nach dem Erst- bzw. Zweiterzeuger ist nicht klärungsfähig – jedenfalls im Rahmen der Ausübung des Auswahlermessens Ausführungen dahingehend bedurft, weshalb gerade die Antragstellerin und nicht die anderen in Betracht kommenden Beteiligten in Anspruch genommen werden.
19Schließlich führt auch die vom Antragsgegner als Rechtsgrundlage benannte Vorschrift des Art. 24 Abs. 9 EG-AbfVerbrV zu keinem anderen Ergebnis. Denn diese Vorschrift ist vorliegend nicht anwendbar.
20Nach Art. 24 Abs. 9 EG-AbfVerbrV unterliegt im Falle einer illegalen Verbringung i.S.d. Art. 2 Nr. 35 g) EG-AbfVerbrV die Person, die die Verbringung veranlasst, den gleichen im vorliegenden Artikel begründeten Verpflichtungen wie der Notifizierende. Art. 2 Nr. 35 g) EG-AbfVerbrV bezieht sich jedoch nur auf eine Verbringung von Abfällen i.S.d. Art. 3 Abs. 2 und 4 EG-AbfVerbrV. Vorliegend ist allerdings keine Verbringung von Abfällen i.S.d. Art. 3 Abs. 2 und 4 EG-AbfVerbrV gegeben. Art. 3 Abs. 2 EG-AbfVerbrV bezieht sich auf in Anhang III und IIIB der EG-AbfVerbrV aufgeführte Abfälle bzw. auf Gemische aus zwei oder drei in Anhang III aufgeführten Abfällen. Die hier in Rede stehenden Abfälle (Reinigungsmittel, die gefährliche Stoffe enthalten; Abfallschlüssel 20 01 29) werden jedoch nicht in den Anhängen III und IIIB der EG-AbfVerbrV aufgeführt, sondern in Teil 2 des Anhangs V der EG-AbfVerbrV. Ferner ist Art. 3 Abs. 4 EG-AbfVerbrV ebenfalls nicht einschlägig, weil sich diese Vorschrift nur auf die – hier nicht vorliegende – Verbringung von Abfällen bezieht, die ausdrücklich zur Laboranalyse bestimmt sind, um ihre physikalischen oder chemischen Eigenschaften zu prüfen oder ihre Eignung für Verwertungs- oder Beseitigungsverfahren zu ermitteln.
21II.
22Die Entsorgungsanordnung in Ziff. 5 der Ordnungsverfügung erweist sich bei summarischer Prüfung ebenfalls als rechtswidrig.
23Zunächst bestehen Zweifel dahingehend, ob die Ermächtigungsgrundlage für die Rückholungsanordnung nach Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 b) EG-AbfVerbrV auch eine Ermächtigung zur Entsorgungsanordnung beinhaltet. Dagegen spricht, dass Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 b) EG-AbfVerbrV lediglich vorschreibt, dass die betreffenden Abfälle vom Notifizierenden de jure „zurückgenommen werden“. Nur falls dies nicht möglich ist und auch keine Rücknahme durch die zuständige Behörde am Versandort nach Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 c) EG-AbfVerbrV möglich ist, sieht Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 d) bis e) EG-AbfVerbrV vor, dass die zuständige Behörde am Versandort eine Verwertung oder Beseitigung der Abfälle veranlasst. Da die EG-AbfVerbrV auch in Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 EG-AbfVerbrV zwischen „Rücknahme“, „Verwertung“ und „Beseitigung“ unterscheidet und eine Entsorgung wohl unter die Begriffe Verwertung bzw. Beseitigung fallen dürfte, ist nicht ersichtlich, dass die Pflicht zur Rücknahme in Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 b) EG-AbfVerbrV auch eine Pflicht zur Entsorgung beinhaltet.
24Gegen eine solche Entsorgungspflicht spricht auch Art. 28 Abs. 1 EG-AbfVerbrV. Können die zuständigen Behörden am Versandort und am Bestimmungsort kein Einvernehmen über die Unterscheidung zwischen Abfällen und Nichtabfällen erzielen, so wird das betreffende Material nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EG-AbfVerbrV als Abfall behandelt. Das Recht des Bestimmungslandes, das verbrachte Material nach seinem Eintreffen gemäß seinen nationalen Rechtsvorschriften zu behandeln, bleibt hiervon gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EG-AbfVerbrV unberührt, sofern diese Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht oder dem Völkerrecht vereinbar sind. Sollte also eine zuständige Behörde in Polen verbrachte Gegenstände als Abfall einstufen, während die deutsche Behörde am Versandort die Gegenstände als Nichtabfall einstufen würde, müssten die Gegenstände nach Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 EG-AbfVerbrV primär durch den Notifizierenden zurückgenommen werden. In dem Fall würde es jedoch keinen Sinn ergeben, dass die Pflicht zur Rückholung gleichzeitig eine Pflicht zur Entsorgung (der Nichtabfälle nach deutschem Recht) beinhalten würde.
25Selbst wenn die Ermächtigungsgrundlage für die Rückholungsanordnung nach Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 b) EG-AbfVerbrV zugleich eine Ermächtigungsgrundlage für eine Entsorgungsanordnung darstellen sollte, wäre der Antragsgegner aus den zuvor dargestellten Gründen (vgl. I.) jedoch ebenfalls von falschen Voraussetzungen hinsichtlich der Störereigenschaft der Antragstellerin ausgegangen.
26III.
27Die Androhung der Ersatzvornahme in Ziff. 6 der streitigen Ordnungsverfügung erweist sich bei summarischer Betrachtung bereits deshalb als offensichtlich rechtswidrig, weil in ihr entgegen § 63 Abs. 4 VwVG NRW eine Angabe über die voraussichtlichen Kosten fehlt. Nach § 63 Abs. 4 VwVG NRW sollen in der Androhung einer Ersatzvornahme aber die voraussichtlichen Kosten angegeben werden.
28"Soll"-Vorschriften im verwaltungsrechtlichen Sinne sind im Regelfall für die mit ihrer Durchführung betraute Behörde rechtlich zwingend und verpflichten sie, grundsätzlich so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Im Regelfall bedeutet das "Soll" ein "Muss". Nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Behörde anders verfahren als im Gesetz vorgesehen und den atypischen Fall nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.
29Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. April 2021 - 14 A 1082/20 -, juris Rn. 30 f. m.w.N.
30Vorliegend hat die Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid nicht begründet, warum sie hier vom Regelfall des § 63 Abs. 4 VwVG NRW abwich und die voraussichtlichen Kosten nicht angab. Insofern ist das Vorliegen eines atypischen Falles nicht ersichtlich.
31Zwar kann das Fehlen dieser Angabe unschädlich sein, wenn (erhebliche) Kosten nicht zu erwarten sind.
32Vgl. Verwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 6 L 303/06 -, juris Rn. 12.
33Da die Rückführung von 44 Mg Abfällen von Polen nach Deutschland und die ordnungsgemäße Entsorgung der Abfälle jedoch mit (nicht unerheblichen) Kosten verbunden sein wird, durfte auf die Angabe der voraussichtlichen Kosten hier nicht verzichtet werden.
34IV.
35Bei der Gesamtabwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits überwiegt das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Denn es spricht überwiegendes für die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vom 7. Dezember 2020, auch wenn eine abschließende Bewertung im Zeitpunkt der Entscheidung nicht erfolgen kann, da der Antragsgegner den Sachverhalt insoweit nicht hinreichend aufgeklärt hat.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
37Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Zwar ist der Streitwert nach § 52 Abs. 1 GKG grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag der Antragstellerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Danach dürften hier die für die Antragstellerin voraussichtlich entstehenden Kosten der Rückführung und der ordnungsgemäßen Entsorgung der sichergestellten Abfälle maßgeblich sein. Da die Höhe dieser voraussichtlichen Kosten hier jedoch nicht bekannt ist, war der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG i.H.v. 5.000 € maßgeblich. Da es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt, war der Streitwert nach Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai / 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen,
38abzurufen unter https://www.bverwg.de/user/data/media/streitwertkatalog.pdf,
39lediglich zur Hälfte anzusetzen.