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1. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 02.07.2020 und 10.11.2020 sowie des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2020 verurteilt, dem Kläger ab dem 01.09.2021 für 45 Stunden wöchentlich einen zumutbaren Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung zur Verfügung zu stellen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
3. Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
2Der zweijährige Kläger begehrt die Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) im Stadtgebiet der Beklagten.
3Er ist am 2018 geboren und lebt mit seinen Eltern und seinen älteren Geschwistern in C. (Niederlande). Er besucht eine privat finanzierte Kindertagespflegestelle in Aachen. Seine Eltern meldeten unter dem 02.07.2019 über das Kita-Portal den Bedarf für einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung im Stadtgebiet Aachen ab 01.08.2020 im Umfang von 45 Stunden pro Woche an. Als Favorit war die Kindertageseinrichtung B angegeben, die auch der Bruder des Klägers besucht.
4Mit Schreiben vom 02.07.2020 teilte die Beklagte den Eltern des Klägers mit, dass der Kläger zum 01.08.2020 nicht in die Kindertagesstätte B aufgenommen werden könne. Es stünde dort kein Platz in der gewünschten Betreuungsform zur Verfügung. Daher könne dahingestellt bleiben, ob ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz in Deutschland bestünde. Das Begehren der Eltern richte sich erkennbar auf die Zuweisung eines Platzes in ausschließlich dieser Kindertagesstätte; ergänzend werde aber darauf hingewiesen, dass der Bedarf an Plätzen in Kindertageseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren über dem vorhandenen Platzangebot liege. Die Aufnahme des Geschwisterkindes im Jahr 2018 sei ausdrücklich aus Kulanzgründen, nicht aber unter Anerkennung einer rechtlichen Pflicht erfolgt.
5Gegen diese Schreiben erhoben die Eltern des Klägers mit Schreiben vom 20.07.2020 Widerspruch. Sie führten aus, es werde erneut beantragt, dem Kläger einen Platz in Kindertagesbetreuung im Umfang von 45 Wochenstunden zu bewilligen. Die Kindertageseinrichtung B sei im Zuge des Antrags vom 02.07.2019 als Favorit angegeben worden, der Antrag habe sich aber insgesamt auf einen Betreuungsplatz gerichtet. Es sei unerheblich, dass der Wohnsitz des Klägers nicht in Aachen liege. Mit Schreiben vom 27.10.2020 ergänzten die Eltern des Klägers den Widerspruch dahingehend, dass die Kita B mitgeteilt habe, dass dort für den Kläger ein Platz zur Verfügung stehe; jedoch weigere sich die Stadt Aachen, die Inanspruchnahme durch den Kläger zu bewilligen.
6Mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2020 teilte die Beklagte mit, dem Widerspruch könne nicht abgeholfen werden. Anders als die Eltern des Klägers meinten, sei kein Platz in der Kita B frei. Es bestünde nach Auffassung der Beklagten zudem kein Rechtsanspruch des Klägers aus § 24 Abs. 2 SGB VIII auf Zuteilung eines Platzes in einer Kindertagesstätte im Stadtgebiet. Der Anwendungsbereich des SGB VIII sei vorliegend nur über § 6 Abs. 3 SGB VIII eröffnet, so dass nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung gegeben sei. Die Aufnahme von Kindern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hätten, erfolge nur in besonderen Ausnahmefällen bzw. zur Vermeidung einer unbilligen Härte. Besondere Gründe, aus denen eine Zuteilung eines Platzes in einer städtischen Kindertageseinrichtung im vorliegenden Fall geboten erscheine, seien nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Die Situation des Klägers unterscheide sich nicht wesentlich von der Situation anderer im Grenzgebiet wohnhafter Familien. In den Niederlanden bestünden ebenfalls Möglichkeiten der staatlichen Kinderbetreuung.
7In einem weiteren Schreiben vom 10.11.2020 lehnte die Beklagte darüber hinaus die Aufnahme des Klägers in eine andere städtische Kindertageseinrichtung ab. Hierzu wurde ausgeführt, die Eltern des Klägers hätten mit dem Schreiben vom 20.07.2020 erstmals auch die Aufnahme in eine andere Kindertagesstätte in Aachen beantragt. Bereits in dem Widerspruchsbescheid vom 03.11.2020 sei mitgeteilt worden, dass kein Rechtsanspruch auf Zuteilung eines Platzes in einer Kindertagesstätte im Stadtgebiet der Beklagten bestehe und dass der Bedarf an Plätzen in Kindertageseinrichtungen für unter dreijährige Kinder das vorhandene Platzangebot übersteige. Das Schreiben enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen diesen Bescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bei der Beklagten Widerspruch erhoben werden könne.
8Der Kläger hat am 19.11.2020 Klage erhoben.
9Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, seine Eltern hätten einen Betreuungsplatz ab dem 01.08.2020 in der Gruppenform II über 45 Wochenstunden beantragt. Anders als die Beklagte meine, sei nicht lediglich ein Antrag auf eine Betreuung in der Kita B gestellt worden. Der Kläger habe einen Anspruch auf Förderung in Kindertagesbetreuung nach § 24 Abs. 2 SGB VIII. Der Anwendungsbereich des SGB VIII sei über § 6 Abs. 1 SGB VIII eröffnet. Der Kläger habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Aachen, denn dort besuche er die Kindertagespflege und dort hielten sich auch seine Mutter und seine Geschwister regelmäßig auf. Somit habe er auch seinen tatsächlichen Aufenthalt gemäß § 6 Abs. 1 SGB VIII in Aachen. Die Kita B habe wiederholt mitgeteilt, dass es dort freie Kitaplätze gebe und der Kläger sofort aufgenommen werden könne. Die Eltern des Klägers seien aufgrund ihrer beruflichen Situation zwingend auf die Betreuung angewiesen. In C. existierten keine adäquaten Betreuungsmöglichkeiten.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 02.07.2020 und 10.11.2020 sowie des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2020 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.09.2021 für 45 Stunden wöchentlich einen zumutbaren Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung, hilfsweise einen zumutbaren Kindertagespflegeplatz zur Verfügung zu stellen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen sowie die Berufung zuzulassen.
14Zur Begründung trägt sie unter Wiederholung ihres Vortrags im Verwaltungsverfahren vor, der Anwendungsbereich des SGB VIII sei vorliegend nur über § 6 Abs. 3 SGB VIII eröffnet, so dass die Entscheidung über die Zuweisung eines Betreuungsplatzes in ihrem pflichtgemäßen Ermessen stehe. Da der Wohnort bzw. der Lebensmittelpunkt des Klägers nicht im Bundesgebiet lägen, bestehe kein tatsächlicher Aufenthalt im Sinne von § 6 Abs. 1 SGB VIII. Dies habe auch das Verwaltungsgericht München in einem ähnlich gelagerten Fall so entschieden. Für Pendler wie den Kläger sei im Hinblick auf die Festlegung des tatsächlichen Aufenthaltes auf den Wohnort abzustellen. Denn die Bestimmung des tatsächlichen Aufenthalts sei nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.06.1994 - Az. 5 C 26/92 - an den Ort zu knüpfen, der die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse maßgeblich bestimme und den familiären Lebensmittelpunkt bilde. Das sei hier das Elternhaus des Klägers in den Niederlanden. Zudem biete beispielsweise die Kindertageseinrichtung D in C. Öffnungszeiten von 7:00 bis 19:00 Uhr an. Es bestehe mithin in keinem Fall ein Rechtsanspruch des Klägers auf Zuteilung eines Betreuungsplatzes.
15Innerhalb der Stadt Aachen existiere kein einheitlich angewandter Kriterienkatalog für die Vergabe von Betreuungsplätzen. In Bezug auf die nicht in städtischer Trägerschaft stehenden Tageseinrichtungen erfolge die Platzvergabe nach den vom jeweiligen Träger aufgestellten Kriterien. Hinsichtlich der 56 städtischen Kindertageseinrichtungen erfolge die Platzvergabe „dezentral“, d. h. die Einrichtungsleitungen vor Ort würden auf der Grundlage der Kita intern aufgestellten Vergabekriterien (§ 10 Abs. 4 S. 1 KiBiz) entscheiden. Hier fänden regelmäßig folgende Kriterien Berücksichtigung: Alter des Kindes, Zeitpunkt der Bedarfsanmeldung, familiäre Bedarfslage (Berufstätigkeit der Eltern, alleinerziehend, individuelle Bedarfssituation), Wohnortsituation, Geschwisterkinder in der Einrichtung. Üblicherweise würden in den einzelnen Einrichtungen keine Wartelisten geführt; die Erfassung aller Bedarfsmeldungen für Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen erfolge über das städtische Online-Anmeldeportal "Little Bid" und auch die Leitungen der Kindertageseinrichtungen griffen bei der Platzvergabe auf die dortigen Einträge zurück. Würden Plätze frei, ergäben sich aus den dort erfassten Daten die maßgeblichen Informationen für die jeweilige Leitung der Kindertageseinrichtung, um über eine Vergabe der Plätze gemäß den Prioritätskriterien zu entscheiden. Aktuell würden dort 875 Kinder mit Wohnanschrift in Aachen geführt, für die ein Betreuungsbedarf in einer Kindertageseinrichtung gemeldet worden sei, die aber weder eine Platzreservierung noch einen Betreuungsvertrag über das Portal erhalten hätten.
16Die Vertreterin der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, soweit im Zuge des Klageverfahrens schriftsätzlich die Auffassung vertreten worden sei, die Klage sei in Bezug auf das Begehren des Klägers, einen beliebigen zumutbaren Betreuungsplatz im Stadtgebiet Aachen zu erhalten, in Ermangelung eines Vorverfahrens bezüglich des Bescheides vom 10.11.2020 bereits unzulässig, werde an dieser Auffassung nicht festgehalten.
17Hinsichtlich Sach- und Streitstandes wird im Übrigen Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
19Die Klage ist zulässig.
20Sie ist hinsichtlich des Begehrens, eine Förderung nach § 24 Abs. 2 SGB VIII im Zuständigkeitsbereich der Beklagten zu erhalten, als allgemeine Leistungsklage statthaft. Für die Erfüllung des in Rede stehenden Anspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII kommt es auf die tatsächliche Bereitstellung eines Betreuungsplatzes an. Der Anspruch ist erfüllt, wenn der Anspruchsberechtigte tatsächlich über einen Betreuungsplatz verfügt. Daher bedarf es diesbezüglich weder des Handelns der Beklagten in Form des Erlasses eines Verwaltungsakts im Allgemeinen noch des Erlasses eines Zuweisungsbescheides im Besonderen, sondern ist die tatsächliche Bereitstellung eines Betreuungsplatzes ausreichend.
21Vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.07.2015 – 1 A 273/15 –, juris Rn. 8; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.08.2019 – 3 MB 20/19 –, juris Rn. 3.
22Soweit der Kläger die Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 02.07.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2020 und des Bescheides vom 10.11.2020 begehrt, ist die Klage als Anfechtungsklage statthaft, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
23Für die Anfechtung der Bescheide besitzt der Kläger auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse, § 42 Abs. 2 VwGO. Es besteht die Möglichkeit, dass er einen Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Kindertageseinrichtung aus § 24 Abs. 2 SGB VIII besitzt, so dass sich anhand der Bescheide, mit denen die Zuweisung eines Betreuungsplatzes - ohne zeitliche Befristung - abgelehnt wurde, ein der Rechtslage entgegenstehender Rechtsschein ergeben könnte, an dessen Beseitigung der Kläger ein Interesse hat.
24Hinsichtlich des ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 10.11.2020 bedurfte es nicht der Durchführung eines Vorverfahrens, § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO. Ein solches ist vorliegend entbehrlich. Ein Vorverfahren ist über die in § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO ausdrücklich geregelten Fälle hinaus auch entbehrlich, wenn den Zwecken des Vorverfahrens (Selbstkontrolle der Verwaltung, Entlastung der Gerichte, Rechtsschutz des Bürgers) bereits Rechnung getragen ist oder sie nicht mehr erreicht werden können. Der Zweck des Vorverfahrens ist erfüllt, wenn die Widerspruchsbehörde - wie hier - selbst am Verfahren beteiligt ist und nach einer Sachprüfung - in vorgerichtlichen Erklärungen oder aber auch im Wege einer prozessbegleitenden Einlassung - zum Ausdruck bringt, sie würde einen Widerspruch zurückweisen. Im Prozess erfolgt dies regelmäßig, indem sich die Behörde auf die Klage einlässt und deren vorbehaltlose Abweisung beantragt. Maßgeblich ist eine Gesamtwürdigung der Einlassungen der Beklagtenseite.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.2018 - 7 C 21.16 -, juris.
26Wenngleich die Beklagte das fehlende Vorverfahren zunächst schriftsätzlich gerügt hatte, ergibt sich aus ihrem Vortrag im Zuge des Klageverfahrens, dass sie auch einen Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 10.11.2020 zurückweisen würde. Denn sie hat deutlich gemacht, dass nach ihrer Auffassung kein Anspruch des Klägers nach § 24 Abs. 2 SGB VIII besteht. Zuletzt hat sie auch in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie die Durchführung eines Vorverfahrens nicht mehr für erforderlich hält. Somit war der Ausgang des Vorverfahrens vorgezeichnet und hätte dieses seinen Zweck nicht mehr erfüllen können.
27Die Klagebegehren können auch gemäß § 44 VwGO in einer Klage zusammen verfolgt werden.
28Vgl. zur Abgrenzung zu § 113 Abs. 4 VwGO Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.02.2000 – 3 C 11/99 -, juris.
29Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag begründet.
30Der Kläger hat einen Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung. Die Bescheide der Beklagten sind in der Folge rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
31Rechtsgrundlage für die begehrte Bereitstellung eines Betreuungsplatzes ist § 24 Abs. 2 SGB VIII. Nach § 24 Abs. 2 SGB VIII hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf.
32Die Beklagte ist passivlegitimiert. Der Kläger begehrt eine Leistung der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII. Die Leistungsverpflichtung nach § 24 Abs. 2 SGB VIII richtet sich an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe, §§ 3 Abs. 2, 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII. Für die Gewährung von Leistungen und die Erfüllung anderer Aufgaben ist der örtliche Träger sachlich zuständig, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist, § 85 Abs. 1 SGB VIII. Gemäß § 69 Abs. 1 SGB VIII i. V. m. § 1a Abs. 1 AG-KJHG sind örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Kreise und die kreisfreien Städte.
33Vorliegend ergibt sich keine von § 85 Abs. 1 SGB VIII abweichende sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers aus § 85 Abs. 2 Nr. 9 SGB VIII. Danach ist der überörtliche Träger sachlich zuständig für die Gewährung von Leistungen an Deutsche im Ausland (§ 6 Abs. 3), soweit es sich nicht um die Fortsetzung einer bereits im Inland gewährten Leistung handelt. Überörtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind gemäß § 69 Abs. 1 SGB VIII i. V. m. §§ 1, 8 AG - KJHG die Landschaftsverbände.
34Nach Auffassung der Kammer liegt hier kein Fall der Gewährung von Leistungen an Deutsche im Ausland gemäß § 6 Abs. 3 SGB VIII vor. Vielmehr ist ein Fall des § 6 Abs. 1 SGB VIII gegeben. Nach § 6 Abs. 1 S. 1 SGB VIII werden Leistungen nach dem SGB VIII jungen Menschen (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII), Müttern, Vätern und Personensorgeberechtigten von Kindern und Jugendlichen gewährt, die ihren tatsächlichen Aufenthalt im Inland haben. Nach § 6 Abs. 3 SGB VIII können Deutschen Leistungen nach diesem Buch auch gewährt werden, wenn sie ihren Aufenthalt im Ausland haben und soweit sie nicht Hilfe vom Aufenthaltsland erhalten.
35Der Kläger hat seinen tatsächlichen Aufenthalt im Inland.
36Als tatsächlicher Aufenthalt im Sinne von § 6 Abs. 1 SGB VIII, der vom gewöhnlichen Aufenthalt (Lebensmittelpunkt) und dem Wohnsitz zu unterscheiden ist,
37vgl. insoweit nur Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.08.2005 - 5 C 18/04 -, juris und vom 26.09.2002 - 5 C 46.01 -, juris,
38ist die rein physische Anwesenheit einer Person im Inland anzusehen. Ob sie sich ständig oder vorübergehend, zufällig, erlaubt oder unerlaubt dort befindet, spielt keine Rolle.
39Vgl. nur Wiesner/Oberloskamp, SGB VIII, 4. Auflage, § 6 Rn. 2; Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 6 SGB VIII (Stand: 29.06.2020), Rn. 13.
40Nach allgemeiner Auffassung wird für den tatsächlichen Aufenthalt aber vorausgesetzt, dass die Verweildauer des Aufenthalts zumindest so lang ist, dass der Leistungsanspruch geprüft und die Leistung gewährt werden könnte.
41So auch Verwaltungsgericht München, Urteil vom 27.11.2002 - M 18 K 00.306 -, juris Rn. 37.
42Auch § 6 Abs. 3 SGB VIII setzt keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland voraus, sondern es genügt der tatsächliche.
43Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31.05.2018 – 5 C 1/17 –, BVerwGE 162, 224-244, Rn. 34; Verwaltungsgericht München, Urteil vom 27.11.2002 – M 18 K 00.306 –, juris Rn. 35 m. w. N.
44In der vorliegenden Konstellation besteht zwar ein Auslandsbezug. Denn der Kläger hat seinen Lebensmittelpunkt und somit seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland. Er pendelt jedoch in das Inland, wo er sich derzeit in einer Tagespflege befindet und hat somit seinen tatsächlichen Aufenthalt regelmäßig, wenn auch vorübergehend, im Inland. Nach Auffassung der Kammer genügt dies für das Tatbestandsmerkmal des tatsächlichen Aufenthalts im Sinne von § 6 Abs. 1 SGB VIII.
45Andere Ansicht wohl Verwaltungsgericht München, Urteil vom 27.11.2002 – M 18 K 00.306 –, juris; ausführlich zur Problematik, ob ein Inlands- oder Auslandsfall bei sogenannten Grenzpendlern vorliegt Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 6 SGB VIII (Stand: 29.06.2020), Rn. 30 ff.; Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Auflage, § 6 Rn. 7.
46Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beklagten, es sei für die Bestimmung des tatsächlichen Aufenthalts auf den Ort abzustellen, an dem sich der Kläger überwiegend aufhält, was hier sein Wohnort in den Niederlanden wäre.
47Eine Übertragung der Grundsätze der von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.06.1994 - 5 C 26/92 - kommt vorliegend nicht in Betracht. Diese erging zu § 97 BSHG a. F., wonach für die Sozialhilfe örtlich der Träger der Sozialhilfe zuständig ist, in dessen Bereich sich der Hilfeempfänger tatsächlich aufhält. In der Entscheidung ist ausgeführt, dass es dem Schutzzweck der Norm widerspräche, die örtliche Zuständigkeit für den Kläger aufzuspalten (dort nach Tagen im Haushalt der Mutter und Tagen im Internat). Diese Problematik einer Aufspaltung oder eines Wechsels der Zuständigkeiten stellt sich vorliegend jedoch nicht.
48So auch Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 6 SGB VIII (Stand: 29.06.2020), Rn. 35.
49§ 6 Abs. 1 und 3 SGB VIII ermöglichen vielmehr eine "klare Weichenstellung" dafür, welcher Jugendhilfeträger sachlich und örtlich zuständig ist. Ob der Anwendungsbereich des SGB VIII über § 6 Abs. 1 oder Abs. 3 SGB VIII eröffnet ist, stellt eine eigenständige und vorgreifliche Frage dar, die der Bestimmung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit, die im Einzelfall nach §§ 85 bis 88 SGB VIII zu treffen ist, systematisch vorgelagert ist.
50Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31.05.2018 – 5 C 1/17 –, BVerwGE 162, 224-244, juris Rn. 16 und 26 f.
51Hat der Anspruchsberechtigte seinen tatsächlichen Aufenthalt im Inland, ist der Anwendungsbereich des SGB VIII über § 6 Abs. 1 eröffnet und richtet sich demnach die sachliche und örtliche Zuständigkeit nach § 85 Abs. 1 SGB VIII. Liegt dagegen ein Fall des § 6 Abs. 3 SGB VIII vor, richtet sich die sachliche Zuständigkeit - was die Beklagte hier im Übrigen verkannt hat - nach § 85 Abs. 2 und die örtliche nach § 88 SGB VIII. Der Wechsel zwischen den Aufenthalten des Klägers im Inland und im Ausland wirkt sich auf die Zuständigkeit also nicht aus.
52Gegen die Bestimmung des tatsächlichen Aufenthalts anhand des Kriteriums, wo der Kläger sich überwiegend aufhält, sprechen auch teleologische Erwägungen. Sinn und Zweck der eng mit den an sie anknüpfenden Zuständigkeitsregelungen der § 85 Abs. 2 Nr. 9 und § 88 SGB VIII verbundenen Regelung des § 6 Abs. 3 SGB VIII ist es (auch), die sachgerechte Bearbeitung von Jugendhilfefällen mit Auslandsbezug zu ermöglichen und damit einen Träger zu betrauen, dem es aufgrund seiner überörtlichen Tätigkeit leichter möglich ist, die nötige Fachkompetenz und Spezialisierung in diesem Bereich vorzuhalten. Dem letzteren Gesichtspunkt entspricht es, dass § 85 Abs. 2 Nr. 9 SGB VIII wegen der relativ geringen Zahl der Fälle mit Auslandsberührung und der damit verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten, die derartige Auslandskonstellationen mit sich bringen, dem überörtlichen Träger die sachliche Zuständigkeit zuweist, um diese auf der überörtlichen Ebene zu konzentrieren.
53Vgl. Bundestagsdrucksache, 11/5948, S. 107; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31.05.2018 – 5 C 1/17 –, BVerwGE 162, 224-244, Rn. 37.
54Dass ein Tätigwerden des überörtlichen Trägers hier zweckmäßiger wäre, weil dort die nötige Sachkompetenz liegt, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Im Bereich des § 24 SGB VIII, der weitgehend einheitliche und klar umrissene Leistungen im Inland umfasst, stellen sich auch durch einen Auslandsbezug keine speziellen Fragen, deren Behandlung eine besondere Fachkompetenz erfordern. Im Bereich der Leistungen nach § 24 SGB VIII ist es dem örtlichen Träger der Jugendhilfe grundsätzlich ohne Aufwand möglich, den Leistungsanspruch zu prüfen, dem Hilfesuchenden die Leistung zu gewähren und die Beratung nach § 24 Abs. 5 S. 1 SGB VIII vorzunehmen.
55Die Beklagte ist auch örtlich zuständig. Ihre örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus der analogen Anwendung des § 86 Abs. 4 S. 2 SGB VIII.
56Im Ergebnis ebenso Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Auflage, § 86 Rn. 45.
57Für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB VIII ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, § 86 Abs. 1 S. 1 SGB VIII. Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung, § 86 Abs. 4 S 1. SGB VIII. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält, § 86 Abs. 4 S. 2 SGB VIII.
58§ 86 Abs. 4 S. 1 SGB VIII greift für den vorliegenden Fall nicht ein, da zwar die Eltern keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, aber auch der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat und sich somit die Zuständigkeit nicht nach seinem gewöhnlichen Aufenthalt richten kann. § 86 Abs. 4 S 2 SGB VIII stellt nach seinem Wortlaut darauf ab, dass das Kind während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Der Kläger hat einen solchen, allerdings im Ausland. Die Regelung ist jedoch auf den vorliegenden Fall analog anwendbar.
59Eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes ist zu bejahen. Ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten.
60Vgl. nur Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18.04.2013 – 5 C 18/12 –, juris Rn. 22 m. w. N.
61Eine Gesetzeslücke liegt hier vor, weil der Gesetzgeber dem örtlichen Träger eine Verwaltungsaufgabe überträgt (sachliche Zuständigkeit), ohne eine Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit zu schaffen. § 86 Abs. 4 S 2 SGB VIII erfasst den Fall, dass das Kind (gar) keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und setzt inzident voraus, dass es sich vor Beginn der Leistung tatsächlich im Inland aufhält.
62Diese Unvollständigkeit des Gesetzes ist auch planwidrig. So ist nach Auffassung der Kammer nicht erkennbar, dass es einen Unterschied macht, ob das Kind gar keinen gewöhnlichen Aufenthalt oder einen solchen im Ausland hat. Insbesondere kann der Planwidrigkeit nicht die Regelung des § 88 SGB VIII entgegengehalten werden. Denn § 88 SGB VIII findet nur Anwendung, wenn ein Fall des § 6 Abs. 3 SGB VIII vorliegt.
63Anders im Ergebnis Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 6 SGB VIII (Stand: 29.06.2020), Rn. 36.
64Der Kläger hat auch einen fälligen Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 24 Abs. 2 S. 1 Var. 1 SGB VIII.
65Zunächst haben die Eltern des Klägers seinen Betreuungsbedarf rechtzeitig angezeigt, § 24 Abs. 5 S. 2 SGB VIII i. V. m. § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 KiBiz. Nach § 24 Abs. 5 S. 2 SGB VIII kann Landesrecht bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen. Nach § 5 Abs. 1 KiBiz setzt die Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes grundsätzlich voraus, dass Eltern dem Jugendamt spätestens sechs Monate vor Inanspruchnahme den für ihr Kind gewünschten Betreuungsbedarf, den gewünschten Betreuungsumfang und die Betreuungsart schriftlich oder elektronisch angezeigt haben. Die Anzeige kann auch über die Tageseinrichtungen oder über die örtlichen Fachvermittlungsstellen für Kindertagespflege erfolgen.
66Vorliegend haben die Eltern des Klägers unter dem 02.07.2019 ihren Betreuungsbedarf ab 01.08.2020 geltend gemacht, mithin - mit Blick auf den 01.08.2020 - mehr als sechs Monate im Voraus. Auf die zwischen den Beteiligten diskutierte Frage, ob ursprünglich nur der Bedarf für einen Platz in einer bestimmten Kita angezeigt wurde, kam es schon deshalb, das heißt ungeachtet der Frage, ob die Beklagte überhaupt davon ausgehen durfte, dass sich die Betreuungsanzeige vom 02.07.2019 nur auf eine einzige Kita bezog, nicht an, weil spätestens in dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 20.07.2020 ein entsprechender Bedarf angezeigt worden wäre, so dass der Anspruch im Januar 2021 fällig gewesen wäre.
67Die Beklagte kann dem Anspruch nicht entgegenhalten, es stünden in Ermangelung entsprechender Kapazitäten keine Plätze mehr in Kindertageseinrichtungen in ihrem Zuständigkeitsbereich zur Verfügung.
68Zwar sind das Recht zur Wahl der Betreuungsform (Kindertagespflege oder Kindertageseinrichtung) und das Recht, zwischen den Anbietern der frühkindlichen Förderung, einem öffentlich-rechtlichen Träger oder einem Träger der freien Jugendhilfe, zu wählen, einem Kapazitätsvorbehalt unterworfen.
69Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.10.2017 – 5 C 19/16 –, BVerwGE 160, 212-237, juris Rn. 34 ff.
70§ 24 Abs. 2 SGB VIII vermittelt also auch im Lichte des Wunsch- und Wahlrechts nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII keinen Anspruch auf Erweiterung vorhandener Kapazitäten im Bereich der Betreuung durch Kindertageseinrichtungen, wenn diese erschöpft sind.
71Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.03.2014 – 12 B 70/14 –, juris Rn. 6 m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 5 C 19/16 –, BVerwGE 160, 212-237, juris Rn. 37.
72Die Beklagte hat aber schon nicht nachgewiesen, dass ihre Kapazitäten erschöpft sind. Diesen Nachweis hat sie nicht mit der von ihr vorgelegten Liste mit den Namen der Kinder, die im Stadtgebiet wohnen und die bis zum 11.08.2021 noch keinen Vertrag seitens einer Kindertageseinrichtung, d. h. einen Betreuungsplatz erhalten haben, erbracht. Es kann dahinstehen, ob diese Liste überhaupt eine dahingehende Aussagekraft besitzt, weil sich aus der dortigen Aufstellung und dem Vortrag der Beklagten nicht ergibt, wie viele freie Betreuungsplätze den auf der Liste geführten Kindern gegenüber stehen.
73Voraussetzung für den Nachweis der Kapazitätserschöpfung wäre jedenfalls, dass im Zuständigkeitsbereich der Beklagten ein sachgerecht ausgestaltetes Vergabeverfahren existiert, das für die Eltern eines zu betreuenden Kindes verlässlich und nachvollziehbar ist.
74Vgl. zu den Anforderungen an die geordnete Vergabe nur Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.12.2017 - 12 B 930/17 -, juris Rn. 5 ff. und Beschluss vom 11.11.2019 - 12 B 1011/19 -, juris Rn. 10
75Ein solches sachgerechtes Vergabeverfahren ist hier nicht erkennbar. Die Beklagte hat diesbezüglich vorgetragen, dass in ihrem Zuständigkeitsbereich kein einheitlich angewandter Kriterienkatalog existiere, die Vergabe vielmehr nach den internen Regelungen der Kindertageseinrichtung durch deren Leitung und den Elternbeirat erfolge.
76Insoweit kam es nicht mehr darauf an, dass die Beklagte außerdem nicht dargelegt hat, welche Plätze in Kindertageseinrichtungen sie für den Kläger überhaupt in den Blick genommen hat.
77Vgl. insoweit Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.11.2019 – 12 B 1011/19 –, juris Rn. 10.
78Der Anspruch des Klägers richtet sich zuletzt auf einen Betreuungsplatz, der hinsichtlich seiner örtlichen Lage seinem individuellen Bedarf entspricht. Dies ist der Fall, wenn er von den Eltern und dem Kind in zumutbarer Weise zu erreichen ist. Dies richtet sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalles. Insoweit sind die konkreten Belange sowohl des anspruchsberechtigten Kindes als auch seiner Erziehungsberechtigten maßgebend; in die Betrachtung des Einzelfalles sind unter anderem die Entfernung zur Arbeitsstätte bzw. zur Wohnung und der mit dem Bringen und Abholen des Kindes einhergehende zeitliche Aufwand für die Eltern oder den primär betreuenden Elternteil einzubeziehen.
79Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.10.2017 – 5 C 19/16 –, BVerwGE 160, 212-237, juris Rn. 43.
80Nach alledem sind auch die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, und waren aufzuheben.
81Das Verfahren ist gemäß § 188 S. 1, S. 2 Hs 1 VwGO gerichtskostenfrei,
82vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.02.2017 - 12 A 931/16 - und Beschluss vom 03.04.2017 - 12 E 625/16 -.
83Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
84Die Berufung wird gemäß §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Die Abgrenzung von § 6 Abs. 1 zu § 6 Abs. 3 SGB VIII ist insbesondere für grenznahe Kommunen als örtliche Jugendhilfeträger von grundsätzlicher Bedeutung.