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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Tatbestand
2Die 1982 geborene Klägerin ist iranische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben am 5. November 2018 in das Bundesgebiet ein und stellte am 14. November 2018 einen förmlichen Asylantrag.
3In der Anhörung am 19. November 2018 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) trug die Klägerin vor, sie habe den Iran am 15. September 2018 legal auf dem Luftweg mit ihrem eigenen Reisepass verlassen. Sie beschäftige sich seit zwei Jahren mit dem christlichen Glauben, sei noch nicht getauft, aber glaube an Jesus Christus. Im Jahr 2016 habe sie in Österreich die Möglichkeit gehabt, öfter in die Kirche zu gehen. Das sei der Auslöser gewesen. Sie habe einen Mann namens I. heiraten wollen. Ca. im Juni 2017 habe B. , der Bruder von I. , angefangen, sie zu bedrohen, um sie von der Heirat abzuhalten. Als sie mit Freunden über das Christentum gesprochen habe, habe B. das gefilmt und sie damit unter Druck gesetzt. Er habe gedroht, dass er den Film gegen sie nutzen werde. Ca. zehn Tage vor ihrer Ausreise sei er mit einem fremden Mann zu ihrer Wohnung gekommen. Sie habe nicht aufgemacht, sondern I. angerufen. Dieser habe ihr bestätigt, dass B. mit einem Beamten in Zivil zu ihr in die Wohnung habe kommen wollen, er den Film den Behörden habe zeigen wollen und, wenn das für die Trennung nicht reiche, ihr Säure ins Gesicht schütten wolle. Sie habe dann einen Schleuser gefunden und sich die letzten drei bis vier Tage vor der Ausreise bei einer Freundin aufgehalten. B. sei ein kranker Mensch und würde sie immer verfolgen. Sie habe Angst, dass er von ihr Geld oder eine sexuelle Beziehung erpressen werde. Mit I. habe sie keinen Kontakt mehr, sondern habe ihn in ihren Kontakten blockiert. Sie sei bereits zweimal im September 2016 wegen Nichtbeachtung der Kleidervorschriften aufgefallen. Sie sei gestern in der Kirche gewesen und habe sich am Gottesdienst beteiligt. Das sei in deutscher Sprache gewesen und sie habe das nicht verstanden. Sie habe eine Bibel bekommen. Dazu legte sie eine Teilnahmebestätigung der evangelischen Friedenskirchengemeinde vom 18. November 2018 vor.
4Mit Bescheid vom 26. November 2018, zugestellt am 4. Dezember 2018, lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Es forderte die Klägerin auf, die Bundesrepublik zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgemäßen Ausreise drohte es ihr die Abschiebung in den Iran an.
5Die Klägerin hat am 13. Dezember 2018 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus der Anhörung beim Bundesamt und trägt vor, das Bundesamt habe einen falschen Maßstab der Asylerheblichkeit zugrunde gelegt.
6Die Klägerin beantragt,
7die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 26. November 2018 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen,
8hilfsweise,
9die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, ihr subsidiären internationalen Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen,
10weiter hilfsweise,
11die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, festzustellen, dass in ihrer Person ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Irans vorliegt.
12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
15In der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2021 ist die Klägerin ergänzend zu ihren Asylgründen gehört worden. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Die Erkenntnisse der Kammer zum Herkunftsland wurden in das Verfahren eingeführt.
17Entscheidungsgründe
18Die Kammer kann entscheiden, obwohl die Beklagte zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Die Beteiligten wurden unter Hinweis auf die Möglichkeit geladen, dass eine Entscheidung auch bei Nichterscheinen eines Beteiligten ergehen kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
19Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 26. November 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO.
20I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
21Die einzelnen Verfolgungshandlungen werden in § 3a AsylG näher umschrieben, die einzelnen Verfolgungsgründe in § 3b AsylG aufgeführt. Eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG kann nach § 3c AsylG ausgehen vom Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).
22Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, drohen.
23Vgl. BVerwG, Urteile vom 1. Juni 2011 - 10 C 25.10 -, juris Rn. 22 m.w.N. und vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 19.
24Wenn der Asylbewerber frühere Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung als Anhaltspunkt dafür geltend macht, dass sich die Verfolgung im Falle der Rückkehr in das Heimatland wiederholen werde, kommt ihm die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zugute.
25Vgl. zur gleichlautenden Regelung in Art. 4 Abs. 4, Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 2012 - 10 B 17.12 -, juris Rn. 5.
26Es ist Sache des Asylbewerbers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatland politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissenstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden.
27Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. August 1990 - 9 B 45.90 -, juris Rn. 2 und OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2014 - 1 A 1139/13.A -, juris Rn. 35.
28Im Rahmen der Prüfung, ob eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen der Religion vorliegt, ist in Fällen, in denen nicht schon die bloße Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft als solche die Gefahr einer Verfolgung begründet, bei der Frage, ob ein Eingriff in die Religionsfreiheit eine hinreichend schwere Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG darstellt, in einem ersten Schritt in objektiver Hinsicht festzustellen, welche Maßnahmen und Sanktionen gegenüber dem Betroffenen im Herkunftsstaat voraussichtlich ergriffen werden, wenn er eine bestimmte Glaubenspraxis dort ausübt, und wie gravierend diese sind. Dabei kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung eine hinreichend schwere Verletzung der Religionsfreiheit darstellen. Sodann ist in einem zweiten Schritt in subjektiver Hinsicht festzustellen, ob die Befolgung einer solchermaßen als verfolgungsträchtig bestimmten Glaubenspraxis ein zentrales Element für die religiöse Identität des Schutzsuchenden und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist. Maßgeblich ist, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist.
29Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 - 2 BvR 1838/15 -, juris, Rn. 33, m. w. N. und BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 - 1 B 40.15 -, juris Rn. 11.
30Nach der Auskunftslage ist die Situation von zum Christentum konvertierten Muslimen im Iran als kritisch einzustufen. Im Einzelfall können einem zum Christentum übergetretenen Muslim im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Repressionen wegen seiner Religionsausübung drohen. Es ist erforderlich, dass der Konvertit für den iranischen Staat in Erscheinung tritt, indem er seinen Glauben in verfolgungsrelevanter Weise nach außen lebt. Denn zum Christentum konvertierte (ehemalige) Muslime können durch die Glaubensausübung im Iran zwar landesweit einer beachtlichen Gefahr von Verfolgungshandlungen durch den iranischen Staat ausgesetzt sein. Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln besteht eine Verfolgungsgefahr jedoch nur, wenn die Konvertiten nach außen erkennbar eine missionarische Tätigkeit entfalten, eine herausgehobene Rolle einnehmen oder ihre Abkehr vom Islam dadurch nach außen sichtbar werden lassen, dass sie in Ausübung ihres Glaubens an öffentlichen Riten wie etwa Gottesdiensten teilnehmen wollen.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Januar 2021 - 6 A 3413/20.A -, juris Rn. 12; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24. März 2020 - 2 LB 20/19 -, juris Rn. 31 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2020 - 6 A 1502/19.A -, juris Rn. 21 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 5. Februar 2021, Stand: Dezember 2020, S. 14; UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iran: Christians and Christian converts, Februar 2020, S. 23 ff.
32Beruft sich der Schutzsuchende - wie hier - auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung, er sei zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten, muss er die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Die religiöse Identität als innere Tatsache lässt sich nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen.
33Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 2020 - 2 BvR 1838/15 -, juris Rn. 33; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 31 und OVG NRW, Beschluss vom 17. Mai 2017 - 13 A 1065/17.A -, juris Rn. 7.
34Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf bloßen Opportunitätserwägungen beruht, und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Nach dem aus der Gesamtheit des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde. Der vom Asylantragsteller zur vollen Überzeugung des Gerichts zu erbringende Nachweis der Hinwendung zu einer bestimmten Glaubensrichtung ist nicht bereits durch den Vollzug der Taufe und die Vorlage einer Taufbescheinigung erbracht. Von einem Erwachsenen der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf vielmehr im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition. Überdies wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist seine christliche Religion auch in seinem Heimatstaat auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommenen Konfession ausgerichtet hat.
35Vgl OVG NRW, Beschluss vom 2. Januar 2020 - 6 A 3975/19.A - , juris Rn. 13, Beschluss vom 9. Juni 2017 - 13 A 1120/17.A -, juris Rn. 10 ff., Beschluss vom 27. April 2016 - 13 A 854/16.A -, juris Rn. 8 ff. und Urteil vom 7. November 2012 - 13 A 1999/07.A -, juris Rn. 37 ff.
36Gemessen hieran kann das Gericht nicht feststellen, dass die Klägerin ihr Heimatland aufgrund politischer Verfolgung verlassen hat oder dass ihr bei Rückkehr dorthin solche droht. Die Kammer glaubt ihr weder ihre Schilderung zum Vorfluchtgeschehen, noch dass sie sich aus ernsthafter innerer Überzeugung vom Islam ab- und dem Christentum zugewandt haben will.
37So sind schon ihre Angaben dazu, was ihr im Ausgangspunkt Anlass gegeben haben soll, sich mit dem Christentum zu beschäftigen, und wie ihr vorheriges Verhältnis zur Religion gewesen sein soll, schwerlich nachvollziehbar.
38Zu ihrem Verhältnis zum Islam schilderte sie einerseits, sie habe 2004-2005 peu à peu in der Gesellschaft festgestellt, dass sich die Gesetze nach dem Islam richten würden, und sie habe genug vom Islam gehabt, insbesondere, weil Mohammed die Gesetze gemacht habe, wie er es wolle. Das seien nicht die Gesetze von Gott und dieser sage niemals, man solle seinen Gegner umbringen, wie es im Islam gesagt werde. Es gebe auch kein Gesetz zur Gleichheit von Mann und Frau. Andererseits bekundete sie auf Nachfrage ihres Prozessbevollmächtigten zu ihren Reiseaktivitäten, sie habe einige Reisen ins Ausland gemacht und das Gefühl gehabt, wenn sie mehr Erkenntnisse erwerbe, dann könne sie Gott näher kommen. Es habe ihr ein Freiheits- und Genussgefühl gegeben. Überall könne man Gott sehen. Abgesehen davon, dass die Klägerin nicht erläuterte, worin sie Gott gesehen und wie sie ihm näher gekommen sein will und warum sie, wenn man ihn überall sehen kann, dafür Reisen unternahm, ist nicht eingängig, warum jemand, der ein solch negatives Verhältnis zur Religion hat, reisen sollte, um Gott näher zu sein. Selbst wenn man zu ihren Gunsten unterstellt (was aber aus ihren Äußerungen schon nicht hinreichend hervorgeht), dass sie nur den islamischen Glauben ablehnte und unabhängig von einer „organisatorisch verfassten“ Form des Glaubens zu Gott in Kontakt treten wollte, konnte sie jedenfalls ihren Erstkontakt zum Christentum nicht plausibel machen. Dazu trug sie vor, im Jahr 2016 habe sie in Österreich die Möglichkeit gehabt, öfter in eine persische Kirche zu gehen. Sie habe dort ein so gutes Gefühl gehabt, dass sie den Gott in sich gespürt habe. Die Aussagen des Pfarrers hätten sie beeindruckt. Es ist aber schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass jemand, der eine solch kritische Einstellung entweder zur Religion insgesamt oder jedenfalls zu einer „organisatorisch verfassten“ Form des Glaubens hat, überhaupt eine Kirche aufsuchen und sich dort unmittelbar so stark beeindrucken lassen sollte, dass er „Tränen in den Augen“ hat und im Heimatland trotz daraus resultierender Gefahrenlage weiter die Nähe zum christlichen Glauben sucht. Ihr Verhalten überrascht umso mehr, wenn man mit in den Blick nimmt, dass sie auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten, ob der Lebensstil, den sie auf den Reisen kennengelernt habe, auch Grund gewesen sei, sich mit Religion zu beschäftigen, dies verneinte und erklärte, nur in Österreich, wo sie die Kirche besucht habe, sei es der Beginn gewesen, bis dahin habe sie nicht gedacht, nach einer Religion zu suchen. Warum sie dann aber überhaupt eine Kirche aufsuchen und sich dann noch inhaltlich so intensiv mit einem ihr unbekannten Glauben befassen sollte, erschließt sich nicht. Auch passt es nicht zusammen, dass sie in der mündlichen Verhandlung bekundete, sie habe vorher nicht geglaubt, dass Gott ihr so nahe sei, aber sie habe seine Nähe auch nicht gesucht, während sie an anderer Stelle behauptete, Reisen unternommen zu haben, um ihm näher zu kommen. Zudem hatte sie beim Bundesamt auf Bitte, zu erläutern, was das Christentum im Vergleich zum Islam ausmache, bekundet, im Islam sage man, dass der Gott überall sei und man ihn überall finden könne. Sie habe ihn gesucht, ihn aber nicht gefunden.
39Unschlüssig sind weiterhin ihre Angaben zu dem Video, mit dem B. versucht haben soll, sie unter Druck zu setzen. So konnte sie schon nicht hinreichend erklären, warum sie das Risiko eingegangen sein soll, in Gegenwart von B. so zu reden, und wie davon ein Film entstehen konnte. Beim Bundesamt schilderte sie, ca. im Juni 2017 habe B. angefangen, sie zu bedrohen. Später habe sie festgestellt, dass er auf seinem Handy aufgenommen habe, wie sie über die christliche Religion und den Islam gesprochen habe. Das sei bei ihnen ganz normal, der eine habe geredet, dann hätten sie gesungen und dabei sei dann mit dem Handy mitgefilmt worden. Sie habe im Freundeskreis gesprochen und nicht gedacht, dass das für sie eine große Gefahr werde. Auf Nachfrage, wieso sie so unvorsichtig gewesen sei, ihre Standpunkte vor B. zu äußern, erklärte sie, B. habe damals noch nicht gewusst, dass sie sich so tief mit dem Christentum beschäftige. Das hilft nicht weiter, denn offensichtlich war das, was B. aufnehmen konnte, aus ihrer Sicht genug, um ihr gefährlich zu werden. Was B. ansonsten über die Tiefe ihrer Beschäftigung mit dem christlichen Glauben wusste oder nicht, ist gänzlich irrelevant. In der mündlichen Verhandlung äußerte sie zudem einerseits, sie hätte nicht gedacht, dass I. Bruder ein Video davon mache, und andererseits im Widerspruch dazu, es sei normal, dass bei Feierlichkeiten Fotos und Videos gemacht würden. Auch ihr Einwand in der mündlichen Verhandlung, die Differenzen mit der Familie seien damals nicht so stark gewesen, sie habe nicht gedacht, dass sie ihr wehtun würden, es sei noch Normalzustand und keine Eskalation gewesen, vermag nicht zu überzeugen. Denn zunächst erklärte die Klägerin zwar, das Video sei 2017 im Juni entstanden. Später korrigierte sie jedoch, es sei Juni 2018 und an noch anderer Stelle August 2018 gewesen. Im Juni 2017 habe die Bedrohung begonnen. Wenn sie aber schon seit Juni 2017 bedroht worden sein will, ist es unverständlich, dass sie die Situation im Juni / August 2018 nach einem Jahr der Bedrohung als Normalzustand ohne Gefährdung für ihre Person einstufte.
40Es passt außerdem nicht zusammen, dass die Klägerin beim Bundesamt durchgehend davon sprach, B. habe gedroht, den Film den Behörden zu zeigen, sie aber in der mündlichen Verhandlung erklärte, I. habe gesagt, sein Bruder habe ihn den Behörden bereits gezeigt und sie habe deshalb Angst vor staatlicher Verfolgung und bei ihrer Tante sei nach ihr gesucht worden. Das ist nicht übereinzubringen mit ihrer Darstellung beim Bundesamt, als sie nach dem Auftauchen von B. und einem Beamten vor ihrer Tür mit I. gesprochen habe, habe dieser gesagt, der Bruder habe das Video den Behörden zeigen wollen. Weiter äußerte sie, sie habe Angst gehabt, dass B. sie anzeigen werde, was aber keinen Sinn ergibt, wenn das Video den Behörden zur Kenntnis gebracht worden wäre. Erschwerend kommt hinzu, dass sie beim Bundesamt auf Nachfrage, was sie bei Rückkehr befürchte, allein auf die Bedrohung durch B. zu sprechen kam. Er könne mit dem Video Geld oder eine sexuelle Beziehung erpressen. Zum einen wäre das nicht mehr möglich gewesen, wenn er das Video längst an die Behörden weiter gegeben hätte. Zum anderen erwähnte sie mit keinem Wort etwaige staatliche Verfolgung, was jedoch bei Kenntnis der Behörden zu erwarten gewesen wäre. Es ist auch nicht anzunehmen, dass I. sie erst nachträglich über die Weitergabe des Videos an die Behörden informiert hätte, denn sie gab an, ihn aus ihren Kontakten gelöscht zu haben.
41Widersprüchlich sind im Übrigen ihre Ausführungen zur Kommunikation mit B. . Beim Bundesamt gab sie an: „Ich habe dann den I. angerufen und ihm gesagt, dass sein Bruder, der B. , mit einem Beamten in Zivil zu mir in die Wohnung kommen wollte. Später habe ich ihn wieder angerufen und da sagte er mir, dass sein Bruder vorhatte (sic!) zu mir mit einem in zivil (sic!) bekleideten Beamten in die Wohnung zu kommen. Er wollte auch den Film den Behörden zeigen. Wenn das alles nicht klappen würde, womit gemeint war, dass ich mich vom I. trennen würde, würde er mir Säure ins Gesicht schütten.“ Daraus gehen zwei Telefonate mit I. , aber keines mit B. hervor. In der mündlichen Verhandlung hingegen schilderte sie, sie habe B. angerufen, es sei dann eskaliert und er habe gedroht, ihr Säure ins Gesicht zu spritzen. Ihr Einwand auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung, dass beim Bundesamt nicht von einem Telefonat unmittelbar mit B. die Rede gewesen sei, hilft nicht weiter. Sie berief sich darauf, das habe aber so stattgefunden. Warum im Protokoll des Bundesamtes, dessen Richtigkeit sie auch bei Rückübersetzung nicht in Frage stellte, etwas anderes steht, ist damit nicht erklärt.
42Ein weiterer gravierender Widerspruch betrifft das Verhältnis I. zu ihrer Konversion. Beim Bundesamt dazu befragt, wie die Einstellung von I. zu ihrem Glaubenswechsel sei, antwortete sie, da sei keine besondere Reaktion gewesen. In der mündlichen Verhandlung hingegen äußerte sie, als sie ihm ihren endgültigen Entschluss eröffnet habe, hätten sie Diskussionen gehabt und er habe gefragt, warum sie das mache. Er habe zwar gewusst, dass sie seit Jahren nicht richtig an den Islam glaube, und dass sie Verse aus dem Heiligen Buch lese, aber als er gesehen habe, dass sie den neuen Glauben genieße, hätten sie einige Tage Diskussionen gehabt und zum Schluss habe er gesagt, es sei ihre Entscheidung und er habe keine Wahl, als das zu akzeptieren. Einige Tage Diskussionen zu führen, an deren Ende eine Seite den Entschluss der anderen notgedrungen akzeptiert, kann man aber wohl kaum als „keine besondere Reaktion“ bezeichnen.
43Weiterhin konnte die Klägerin der Kammer nicht anschaulich vermitteln, was sie inhaltlich am christlichen Glauben überzeugt haben soll. Dazu bekundete sie, die Lehren im Christentum seien die Worte Gottes, dass Jesus Gott sei und selbst Gott das alles ausgesagt habe. Es sei letztendlich eine einfache Lehre: Sie solle Liebe und Glaube an Gott haben und sei Gott näher gekommen. Dass die christliche Lehre aus den Worten und Aussagen Gottes resultiere, sagt aber nicht darüber aus, was sie denn an den Worten und Aussagen in der Sache überzeugt haben soll. Soweit sie auf Glaube und Liebe abstellte, ist das gänzlich pauschal. Später ergänzte sie, der Grund für sie, den Weg zu Jesus zu nehmen, sei, dass er kein menschliches Wesen, sondern Gott selbst sei. Jeder Mensch könne Fehler machen, aber Jesus sei der Geist Gottes und Gott selbst. Er habe ihr ein Vorbild gegeben und so könne sie Gottes Liebe erlangen. Jesus sage, man solle ihm die Verantwortung geben, er leite einen und gebe einem eine leichte Würde. Der Islam habe alles bestimmt, das Beten und das Fasten, man bekomme sonst keine Vergebung. Die Sachen, die sie durch Jesus gelernt habe, seien human und für das tägliche Leben. Wenn sie jemanden lieb habe, dann werde er sie genauso lieben. Das sind bloße Floskeln. Welches Vorbild Gott ihr gegeben und wie sie seine Liebe erlangt haben soll, was sie unter leichter Würde versteht, welche Sachen human und für das tägliche Leben sein sollen, das alles erläuterte sie nicht. Was damit gemeint sein soll, bleibt den Mutmaßungen des Zuhörers überlassen.
44Nichts anderes gilt für ihre Antwort auf Nachfrage beim Bundesamt, warum sie sich ausgerechnet das Christentum ausgesucht habe. Dazu erläuterte sie, der christliche Glaube sage, dass der Weg des Christentums der einzig richtige Weg sei. Auf - zutreffenden - Vorhalt, dass der Islam das von sich ebenso sage, erklärte sie, der Islam zeige keinen Rettungsweg auf. Was sie aber unter dem Rettungsweg genau versteht und was sie daran für sich persönlich als wichtig erachtet, geht daraus nicht hervor.
45Auch ihre Angaben dazu, welche Bedeutung der Glaube für sie habe, blieben ohne Aussagekraft. Sie gab an, der Glaube sei für sie, die Wahrheit zu kennen, und wenn man die Wahrheit kenne, habe man zur Wahrheit Vertrauen und versuche, diese Wahrheit für sich als Beispiel zu nehmen und das zum Vorbild zu machen. Was sie aber überhaupt unter Wahrheit versteht und wie diese als Vorbild ihr Verhalten beeinflusst haben soll, blieb ihr Geheimnis.
46Soweit sie auf Nachfrage beim Bundesamt zum Unterschied zwischen Christentum und Islam auf die Möglichkeit im Christentum verwies, mit Gott direkten Kontakt aufzunehmen, und darauf, man müsse vor Gott im Islam immer Angst haben, aber im Christentum sei das nicht so, dort könne man bereuen und die Sünden würden vergeben, ist dies ebenfalls stereotyp und blieb ohne konkrete Beispiele zu ihrer Kommunikation mit Gott oder dazu, was ihr vergeben worden sein soll.
47Dasselbe gilt für ihre Ausführungen in der mündlichen Verhandlung dazu, was sie Freunden über das Christentum erzählen würde bzw. erzählt habe. Sie stellte darauf ab, im Christentum sei die Gewalt nicht vorgesehen, wenn man eine Ohrfeige erhalte, solle man die andere Gesichtshälfte hinhalten, während man im Islam demjenigen, der anderer Meinung sei, die linke und die rechte Hand abhacken dürfe, Jesus habe Frauen respektiert, während der Islam keine Gleichheit kenne und das Zeugnis der Frau und überhaupt alles nur halb so viel gewichte. Das ist abstrakt, ohne individuellen Bezug und erschöpft sich in Allgemeinplätzen.
48Vor diesem Hintergrund gebieten der Vortrag der Klägerin zur Taufe und zur Glaubensausübung sowie zu Aktivitäten in der Gemeinde und die dazu vorgelegten Bescheinigungen keine andere Einschätzung. Denn das Engagement in etwas erlaubt nicht ohne weiteres die Aussage, dass jemand davon auch innerlich überzeugt ist. Da der Vortrag der Klägerin zu Anlass und innerem Einstellungswandel als Grundlage einer ernsthaften Konversion nicht glaubhaft ist und sie auch nicht hinreichend veranschaulichen konnte, was sie am christlichen Glauben überzeugt haben soll, besteht für die Kammer keine Grundlage, davon auszugehen, dass ihr Verhalten nunmehr Ausdruck einer ernstlichen inneren Hinwendung zum Christentum wäre.
49Für die grundsätzliche Bereitschaft, ihre Handlungen asyltaktisch auszurichten, spricht auch ihr Verhalten nach Ankunft in Deutschland. Beim Bundesamt erklärte sie, sie sei gestern in der Kirche gewesen und habe sich am Gottesdienste beteiligt. Das sei in deutscher Sprache gewesen und sie habe das nicht verstanden. Sie habe eine Bibel bekommen. Dazu legte sie eine Teilnahmebestätigung der evangelischen Friedenskirchengemeinde vom 18. November 2018 vor. Dass sich jemand über einen einmaligen Kirchenbesuch, bei dem er nicht mal etwas versteht, eine Bescheinigung ausstellen lässt, legt ein asyltaktisches Verhalten deutlich nah.
50Auffällig ist zudem, dass sie in der mündlichen Verhandlung zwar zu ihren äußerlichen Aktivitäten vortrug, auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten, wie wichtig aktuell die Religion für sie sei, aber oberflächlich antwortete. Sie erklärte, Religion sei der Weg zu Gott und so wertvoll, es sei ihre Persönlichkeit, wie Jesus zu den Jüngern sage, sie sollten einander so viel lieben, dass die anderen durch die Liebe sehen würden, dass sie Christen seien, sie habe jetzt eine Persönlichkeit und eine Identität, habe Liebe zu anderen Menschen gefunden und das sei auch der Grund, sich zu beteiligen und Dienste zu leisten um zu zeigen, dass Jesus in ihrem Herzen sei. Wenn man anderen helfe, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, führe das dazu, dass Gott mit einem zufrieden sei. Sie habe in der Bibel gelesen, dass Jesus zu Leuten, wenn er mit ihnen zufrieden sei, sage, immer wenn er etwas habe essen wolle, hätten sie ihm gegeben. Die Leute hätten ihn gefragt, wann sie das gemacht hätten, und er habe gesagt, immer wenn man einem Kind Gottes etwas zu essen gebe, dann sei das wie für ihn selbst. Dieser Vortrag ist floskelhaft. Was die Klägerin unter dem Weg zu Gott oder unter ihrer Identität und Persönlichkeit genau verstanden haben will, erschließt sich nicht. Ihre Bezugnahme auf Liebe und Hilfe gegenüber anderen bleib abstrakt und ohne individuellen Bezug oder konkrete Beispiele. Selbst auf Nachfrage ihres Prozessbevollmächtigten, ob es Situationen in der Gemeinde gebe, in denen ihr christlicher Glaube zum Ausdruck komme, beschränkte sie sich auf die Angabe, sie würden in den Gruppen füreinander beten und nach dem Gottesdienst für diejenigen beten, die Probleme hätten, sie denke, dass der Glaube stärker werde, wenn sie jemanden sehe, der auch gläubig sei. Oberflächlicher und pauschaler geht es kaum. Darin zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen äußerlichem Verhalten und dem, was sie zu dessen innerer Bedeutung zu erklären vermag.
51Der bloße Formalakt einer im Ausland erfolgten Taufe begründet für sich keine Verfolgungsgefahr im Iran. Es gibt keine Erkenntnisse dahingehend, dass allein der bloß formale Glaubenswechsel zum christlichen Glauben mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran eine asylrechtlich relevante Verfolgung drohen könnte. Den iranischen Behörden ist vielmehr bekannt, dass eine große Zahl iranischer Asylbewerber aus wirtschaftlichen oder anderen unpolitischen Gründen versucht, im westlichen Ausland dauernden Aufenthalt zu finden. Die iranischen Behörden schätzen die Nachfluchtaktivitäten iranischer Asylbewerber realistisch ein und ziehen aus diesen Umständen ohne Hinzutreten weiterer Umstände keinen Rückschluss auf die religiöse Gesinnung des Asylbewerbers.
52Vgl. BayVGH, Beschluss vom 11. Februar 2021 - 14 ZB 20.31143 -, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschluss vom 6. Januar 2021 - 6 A 3413/20.A -, juris Rn. 9 ff.; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24. März 2020 - 2 LB 20/19 -, juris Rn. 33 m.w.N.
53Ferner kommt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG auch nicht unter dem vom Prozessbevollmächtigten angeführten Aspekt einer westlichen Prägung der Klägerin in Frage.
54In der Rechtsprechung wird zwar vertreten, dass die Flüchtlingseigenschaft für solche Frauen in Betracht zu ziehen ist, die infolge eines längeren Aufenthalts in Europa in einem solchen Maße in ihrer Identität westlich geprägt worden sind, dass sie entweder nicht mehr dazu in der Lage wären, bei einer Rückkehr in ein islamisches Land ihren Lebensstil den dort erwarteten Verhaltensweisen und Traditionen anzupassen, oder denen dies infolge des erlangten Grads ihrer westlichen Identitätsprägung nicht mehr zugemutet werden kann.
55Vgl. zuletzt VG Cottbus, Urteil vom 7. Juli 2020 - 3 K 1464/17.A -, juris Rn. 23 ff. und VG München, Urteil vom 1. Juli 2020 - M 4 K 16.35270 -, juris Rn. 22 ff.
56Die Kammer lässt sowohl dahinstehen, ob sie diesem Ansatz grundsätzlich folgt, als auch, ob diese hinsichtlich afghanischer und irakischer Asylbewerberinnen entwickelte Rechtsprechung auf die Verhältnisse im Iran übertragbar ist.
57Denn die Kammer kann jedenfalls nicht feststellen, dass die Kriterien hier erfüllt wären. Die Klägerin berief sich weder beim Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung darauf, es sei ihr aufgrund einer westlichen Identitätsprägung nicht möglich oder nicht zumutbar, in den Iran zurückzukehren. Vielmehr hat sie auf ihre Angst vor Verfolgung aufgrund Konversion und durch die Familie des I. abgestellt.
58Allein ihr Vortrag, sie sei im Iran zweimal wegen Nichtbeachtung der Kleidervorschriften aufgefallen, lässt - entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten - keinen Rückschluss auf eine entsprechende westliche Prägung zu, ebenso wenig wie die Bemerkung in der mündlichen Verhandlung zur Zeit vor ihrem Aufenthalt in Österreich 2016, sie habe die islamische Kleiderordnung nicht richtig eingehalten. Die einzigen benannten Vorfälle ereigneten sich nach Darstellung beim Bundesamt 2016 bzw. nach Darstellung in der mündlichen Verhandlung 2016 und 2017, ohne dass sie die Klägerin zur Ausreise veranlasst hätten. Vielmehr erklärte sie beim Bundesamt, sie sei damals aus Österreich zurückgekommen und habe wenig Erfahrung mit öffentlichen Verkehrsmittel gehabt. Sie habe nicht gewusst, dass jemand dort von der Polizei verdeckt kontrollieren würde. Das impliziert, dass sie, hätte sie um die Kontrollen gewusst, durchaus bereit gewesen wäre, sich in ihrem Verhalten entsprechend anzupassen, was sie augenscheinlich bis zur Ausreise im September 2018 tat. Auch die Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung nahm sie nicht zum Anlass, zu einer westlichen Prägung ihrer Person auszuführen. Vielmehr bekundete sie in Reaktion auf den Vortrag des Prozessbevollmächtigten, sie empfinde es als ungerechtfertigten Vorwurf, wenn man ihr durch das Bundesamt unterstelle, sie habe nur einen westlichen Lebensstil erreichen wollen. Sie sei nicht ausgereist, um die Vorzüge des westlichen Lebens zu genießen, sondern, weil sie ihre Gedanken frei äußern wolle und es nicht in Ordnung sei, dass der islamische Staat glaube, man könne sie bestrafen, weil sie an das Christentum glaube. Damit brachte sie klar zum Ausdruck, dass es ihr ausschließlich um die Religionsfreiheit ging. Eine ernsthafte Abwendung vom Islam und Hinwendung zum Christentum nimmt die Kammer ihr jedoch nicht ab.
59Auch aus ihrem Aufenthalt in Deutschland lässt sich kein oben beschriebener unumkehrbarer Prozess folgern. Allein dass sie in der mündlichen Verhandlung kein Kopftuch trug und auch beim Bundesamt äußerte, sie wolle sich schon frei bewegen und ohne Hijab wie die Leute in Deutschland, reicht dafür ersichtlich nicht. Ein solches Verhalten ist schnell angenommen, zumal da im Vergleich zu der im Iran üblichen Lebensweise mit erheblich mehr äußerlichen Freiheiten verbunden. Die entscheidende Frage der Prägung ist damit indes noch nicht beantwortet. Die Klägerin ist erst vor weniger als drei Jahren nach Deutschland gekommen und hat sich seitdem im Asylverfahren befunden. Demgemäß muss sie in Deutschland bislang in dem klaren Bewusstsein gelebt haben, dass eine Rückkehr in ihr Heimatland eine ernsthafte Option darstellt. Umstände die eine andere Bewertung tragen würden, hat sie nicht vorgetragen, auch nicht auf Thematisierung durch ihren Prozessbevollmächtigten hin, ganz im Gegenteil (s.o.). Demgemäß bestand auch kein Anlass für die Kammer zu weiteren Nachfragen ins Blaue hinein. Insgesamt entstand für die Kammer in der mündlichen Verhandlung vielmehr der Eindruck, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin etwas in den Mund zu legen versuchte, was diese selbst nicht ansatzweise bestätigte.
60II. Aus den unter I. genannten Gründen droht der Klägerin bei Rückkehr ins Heimatland auch keine politische Verfolgung i.S.d. Art. 16a GG.
61III. Weiterhin sind keine Gründe für die Zuerkennung subsidiären (internationalen) Schutzes nach § 4 AsylG gegeben.
62Danach ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wobei nach S. 2 als solcher die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts (Nr. 3) gilt. Dafür ist vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen nichts ersichtlich.
63IV. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.
64Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Über diese Norm werden die Schutzregeln der EMRK in innerstaatliches Recht inkorporiert. Sowohl aus der Systematik als auch der Entstehungsgeschichte folgt jedoch, dass es insoweit nur um zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz geht. Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, abgeleitet aus Art. 8 EMRK, ziehen regelmäßig nur eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG nach sich. In Betracht kommt damit vor allem ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK (Verbot der Folter). Hier ist aber nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK im konkreten Fall der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Insbesondere erscheint es ihr als erwachsener, arbeits- und anpassungsfähiger Frau, die ihre Mobilität und ihre Fähigkeit, sich auch in einer fremden Umgebung zurecht zu finden, bereits durch ihre Reise nach Deutschland unter Beweis gestellt hat, möglich, ihren Lebensunterhalt im Iran zu sichern. Sie hat im Iran das Abitur gemacht und anschließend den Vorbachelor als medizinische Technikerin für Operationsassistenz. Sie hat als Technikerin für Operationstechnik im Krankenhaus gearbeitet. Demgemäß spricht nichts dagegen, dass sie auch zukünftig ihren Lebensunterhalt wird sicherstellen können.
65Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst grundsätzlich nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen, da bei allgemeinen Gefahren gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG i.V.m. § 60a AufenthG über die Gewährung von Abschiebungsschutz im Wege politischer Leitentscheidungen entschieden werden soll (Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG). Grundsätzlich sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte an diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann.
66Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2011 - 1 C 2.01 -, juris.
67Dafür ist vor dem Hintergrund der vorherigen Ausführungen nichts ersichtlich.
68Die Ausreiseaufforderung mit der Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie beruht auf den §§ 34 Abs. 1 und 38 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG.
69Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 83 b AsylG.