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Der Abschluss eines Vertrages zur Einstiegsqualifizierung gemäß § 54a SGB III begründet kein Abschiebungshindernis gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG
Die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 3131/16.A gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. November 2016 verfügte Abschiebungsanordnung nach Frankreich wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
2Der - sinngemäß gestellte - Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 3131/16.A gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. November 2016 verfügte Abschiebungsanordnung nach Frankreich anzuordnen,
4hat Erfolg.
5Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller hat die einwöchige Antragsfrist gemäß § 34a Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) gewahrt.
6Der Antrag ist auch begründet.
7Im Rahmen eines Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse einerseits und dem privaten Interesse des Antragstellers andererseits, von einer Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben.
8Die Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses mit dem privaten Aussetzungsinteresse hat sich im Rahmen der Entscheidung nach § 34a Abs. 2 AsylG maßgeblich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, soweit diese sich bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung abschätzen lassen. An der Vollziehung einer offensichtlich rechtswidrigen Maßnahme kann kein öffentliches Interesse bestehen; ist die zu vollziehende Maßnahme rechtmäßig, kann das Interesse am Aufschub der Vollziehung regelmäßig als gering veranschlagt werden, so dass das öffentliche Interesse überwiegt. Lassen sich die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs nicht abschließend abschätzen, bedarf es einer Abwägung aller relevanten Umstände, insbesondere der Vollzugsfolgen, um zu ermitteln, wessen Interessen für die Dauer des Hauptsacheverfahrens der Vorrang gebührt.
9Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier zu Gunsten des Antragstellers aus.
10Die Erfolgsaussichten der Klage lassen sich bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht hinreichend abschätzen.
11Die Abschiebungsanordnung beruht auf § 34a Abs. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift hat das Bundesamt eine Abschiebungsanordnung zu erlassen, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
12Ob diese Voraussetzungen nach der im gerichtlichen Eilverfahren erfolgten rechtlichen Prüfung erfüllt sind, ist offen.
13Der Antragsteller soll nach Frankreich als den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden.
14Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich nach der Verordnung Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, ABl Nr. 180 S. 31 (Dublin III-VO). Nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 der am 19. Juli 2013 in Kraft getretenen Dublin III-VO ist die Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die - wie hier - ab dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind.
15Frankreich ist zuständig für das Asylbegehren des Antragstellers. Es hat dem Aufnahmegesuch der Bundesrepublik gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO zugestimmt.
16Gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO ist der zur Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat verpflichtet, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen. Der Antragsteller hatte nach eigenen Angaben in Frankreich einen Asylantrag gestellt, welcher dort abgelehnt worden ist. Dass er in Frankreich einen Asylantrag gestellt hatte, ergibt sich auch aus dem für ihn erzielten EURODAC-Treffer, der mit der Erkennung „FR1" beginnt. Die „1" steht gemäß Art. 24 Abs. 4 EURODAC-VO für einen Antrag auf Internationalen Schutz.
17Es liegen auch keine Umstände vor, die die Zuständigkeit Frankreichs in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen ließen.
18Dem gemeinsamen Europäischen Asylsystem liegt die Vermutung zugrunde, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 30. März 2010, der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951, und der Europäischen Menschenrechtskonvention in der Fassung vom 20. Oktober 2010 zukommt. Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens" zugrunde liegende Vermutung ist aber dann als widerlegt zu betrachten, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem Mitgliedstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden.
19Vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C 411/10 und C 493/10 -, NVwZ 2012, S. 417.
20Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Fall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
21Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 - juris.
22Der Antragsteller selbst hat im vorliegenden Verfahren keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Frankreich in der Weise geltend gemacht, dass die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im dargestellten Sinne dort nahe läge. Seine diesbezüglichen Ausführungen sind so allgemein geblieben, dass sie nicht geeignet sind, entgegen der oben beschriebenen Vermutung grundlegende systemische Mängel des Asylsystems in Frankreich zu belegen. Auch nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Mängel im französischen Asylsystem. Vielmehr ist nach aktuellem Kenntnisstand davon auszugehen, dass Frankreich über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches prinzipiell funktionsfähig ist und insbesondere sicherstellt, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn nicht droht.
23Vgl. wie hier: VG München, Beschluss vom 29. Juli 2016 - M 1 S 16.50357 -, juris, und Urteil vom 24. November 2015 – M 12 K 15.50786 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. März 2016 - 9a K 509/16.A -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 3 Juni 2014 - 17 K 592/14.A -, Juris; VG Potsdam, Beschluss vom 16. Mai 2014 - 6 L 383/14.A -, Juris; VG Magdeburg, Urteil vom 10. Oktober 2014 - 1 A 264/14 MD -, Juris; VG München, Gerichtsbescheid vom 12. Mai 2014 - M 21 K 14.30320 -, Juris.
24Es erscheint im derzeitigen Verfahrensstadium allerdings nicht hinreichend gesichert, dass die Abschiebung des Antragstellers auch durchgeführt werden kann. Es gibt möglicherweise hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass im Rahmen des § 34a AsylG vom Bundesamt zu prüfende inlandsbezogene Abschiebungshindernisse oder Duldungsgründe vorliegen, die der Abschiebung entgegenstehen können. Diese ergeben sich möglicherweise aus der Neuregelung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung.
25Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Zwar nimmt der Antragsteller eine qualifizierte Berufsausbildung in diesem Sinne noch nicht auf. Er hat unter dem 25. September 2016 einen Vertrag über eine Einstiegsqualifizierung gemäß § 54a SGB III mit der Firma I. N. GmbH abgeschlossen und ist auf der Grundlage dieses Vertrages seit dem 24. Oktober 2016 in dem genannten Betrieb beschäftigt. Ziel dieses Vertrages ist entsprechend der Formulierung in § 54a SGB III zunächst nur die Vermittlung und Vertiefung von Grundkenntnissen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit, die für eine Berufsausbildung förderlich sind. Darüber hinaus ergeben sich aus den vorgelegten und in der beigezogenen Ausländerakte befindlichen Schreiben des Arbeitgebers aber Anhaltspunkte dafür, dass dieser definitiv beabsichtigt, den Antragsteller im Anschluss an die für 10 Monate angesetzte Einstiegsqualifizierung in ein Ausbildungsverhältnis zu übernehmen, welches mit der Gesellenprüfung als Metallbauer, Fachrichtung Konstruktionstechnik, abgeschlossen wird, und dies dem Antragsteller auch verbindlich zugesagt hat.
26Es erscheint im vorliegenden summarischen Verfahren jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass dieser Sachverhalt den Anforderungen des §§ 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG genügt.
27Problematisch erscheint zunächst, ob das Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, wonach der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung "aufnimmt". Mit Aufnahme der Ausbildung ist nach dem Wortlaut zunächst die Situation gemeint, dass der Ausländer zu dem Zweck der im Berufsausbildungsvertrag bezeichneten Ausbildung die Tätigkeit bei der Ausbildungsstätte beginnt.
28Vgl. Begründung zum Entwurf des Integrationsgesetzes BT-Drs. 18/9090, S.25 f.
29Jedoch lässt sich auch der Abschluss des Ausbildungsvertrags begrifflich unter den Wortlaut der Norm fassen. Dies erscheint auch sachgerecht. Insoweit schließt sich das Gericht der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an, welcher ausgeführt hat:
30„Würde man der Ansicht folgen, die Aufnahme wäre ausnahmslos erst dann zu bejahen, wenn tatsächlich die Tätigkeit im Ausbildungsbetrieb begonnen worden wäre, würde die Vorschrift insoweit weitgehend leerlaufen. Der Ausbildende, …, darf den Antragsteller bei fehlender Duldung und Erlaubnis zur Beschäftigung nicht beschäftigen (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AufenthG …). § 4 Abs. 3 Satz 5 AufenthG bestimmt ferner, dass derjenige, der im Bundesgebiet einen Ausländer beschäftigt, für die Dauer der Beschäftigung eine Kopie des Aufenthaltstitels oder der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder über die Aussetzung der Abschiebung des Ausländers in elektronischer Form oder in Papierform aufbewahren muss. Diese nicht genügend durchdachte und praxisfremde gesetzgeberische Vorstellung würde darauf hinauslaufen, dass es ohne tatsächliche Aufnahme der Berufsausbildung keine Duldung zu Ausbildungszwecken nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG geben darf, während gleichzeitig ohne Duldung die Aufnahme einer Beschäftigung - und auch eine Ausbildung ist ein Unterfall der Beschäftigung - nicht möglich wäre. In den Genuss der neuen Ausbildungsduldung kämen dann letztlich nur diejenigen Ausländer, die bereits unter Inanspruchnahme einer Duldung aus anderen Gründen eine Ausbildung aufgenommen haben."
31Vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 11 S 1991/16 -, juris.
32Ausgehend hiervon dürfte § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG jedenfalls auch den Fall erfassen, dass die Ausbildung noch nicht unmittelbar aufgenommen worden ist, sofern klar ist, dass der Ausländer die Ausbildung in absehbarer Zeit aufnehmen wird.
33Vgl. Fehrenbacher, HTK-AuslR, § 60a AufenthG, Stand: 20.12.2016, Rn.5.
34Ob damit solche Ausbildungsverhältnisse von vornherein von dem Anwendungsbereich der Norm ausgenommen sind, die erst Monate nach Abschluss des Ausbildungsvertrags beginnen sollen, etwa weil das Ausbildungsverhältnis - wie in der Regel - zeitgleich mit dem Berufsschuljahr starten soll oder weil der Auszubildende zunächst noch - wie hier - von einer Einstiegsqualifizierung profitieren soll, erscheint zumindest nicht eindeutig. Dies gilt jedenfalls für den Fall, in welchem dem Ausländer die Ausbildung nach dem Abschluss der Einstiegsqualifizierung verbindlich zugesagt worden ist, die Einstiegsqualifizierung also eine Maßnahme darstellt, die ohne weiteres in den Beginn des Ausbildungsverhältnisses bei demselben Arbeitgeber münden wird. Nicht ausreichend dürfte es in Fällen dieser Art sein, dass der Auszubildende lediglich einen Vertrag über die Qualifizierungsmaßnahme vorlegt und der Ausbilder seine Bereitschaft erklärt, nach erfolgreicher Einstiegsqualifizierung möglicherweise auch die Ausbildung in seinem Betrieb absolvieren zu lassen. Im vorliegenden Fall sprechen nach der Aktenlage aber tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber des Antragstellers eine verbindliche Ausbildungszusage erteilt hat. In diesem Einzelfall erscheint erwägenswert, diese Maßnahme als mit dem eigentlichen Ausbildungsberuf im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG eng verknüpft anzusehen und diesem deshalb - im Rahmen des Tatbestandsmerkmals „Aufnahme der Ausbildung" - gleichzustellen.
35Die weitere Aufklärung der hier maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse wird dem Klageverfahren vorbehalten sein.
36Die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG scheidet nicht bereits deshalb aus, weil im maßgeblichen Zeitpunkt konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstanden.
37Ob für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Frage, ob konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstanden, auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem die zuständige Behörde Kenntnis von der Aufnahme der Berufsausbildung, hier: des Ausbildungsvertrages, erlangt hat,
38vgl. hierzu: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 11 S 1991/16 -, juris; Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 28. November 2016 - 4 L 760/16 -,
39oder ob es in den Fällen, in denen das Bundesamt inlandsbezogene Abschiebungshindernisse von sich aus zu berücksichtigen hat, auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Ausbildungsvertrages ankommt, kann zunächst offen bleiben. Denn auch in dem Zeitpunkt, in dem das Bundesamt erstmals von dem Ausbildungsverhältnis des Antragstellers erfahren hat, nämlich mit der Zuleitung des Schriftsatzes des Antragstellers vom 13. Dezember 2016, hatten keine konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorgestanden.
40Mit diesem Tatbestandsmerkmal sollen die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung ausgenommen werden, in denen die Abschiebung bereits konkret vorbereitet wird, wobei die Gesetzesbegründung die Beantragung eines Pass(ersatz)papiers, die Terminierung der Abschiebung oder den Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele aufführt.
41Vgl. Begründung zum Entwurf des Integrationsgesetzes BT-Drs. 18/9090, S.25 f.
42Eine solche Maßnahme stand vorliegend noch nicht im Raum. Die Beklagte hatte zwar ein Dublin-Verfahren eingeleitet. Frankreich hatte der Überstellung des Antragstellers auch zugestimmt. An der sodann gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO durchzuführenden Überstellung, d.h. hier: der Abschiebung, war und ist die Beklagte aber solange gehindert, solange über den von dem Antragsteller rechtzeitig gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz noch nicht entschieden worden ist, § 34a Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Konkrete Maßnahmen zur Abschiebung des Antragstellers standen und stehen danach nicht im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG bevor.
43Schließlich lagen auch die einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung ausschließenden Voraussetzungen des § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vor.
44Sind nach allem die Erfolgsaussichten der Klage offen, fällt die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten des Interesses des Antragstellers, von einer Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben, aus. Erweist sich nämlich seine Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 10. November 2016 als begründet, könnte er nach erfolgter Überstellung nach Frankreich und dort möglicherweise vollzogener Abschiebung seinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung zu Ausbildungszwecken in der Bundesrepublik nicht mehr geltend machen. Demgegenüber fällt das Interesse der Beklagten an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung geringer aus. Erweist sich nämlich die Klage des Antragstellers als unbegründet, kann die Überstellung des Antragstellers nach Frankreich noch erfolgen. Die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO würde ab der endgültigen Entscheidung über die Klage erneut in Lauf gesetzt.
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
46Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.