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1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.835,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
2Der Antrag der Antragstellerin,
3die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 9 K 814/11 erhobenen Klage gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 13. April 2011 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Er erweist sich zwar als zulässig. Insbesondere ist er nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO mit Blick auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Grundverfügung und gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO in Verbindung mit §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 112 des Justizgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung (Ersatzvornahme) statthaft.
6Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
7Zunächst ist von der formellen Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung auszugehen, und zwar auch hinsichtlich des Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass angesichts des in der vorzitierten Regelung normierten formellen Erfordernisses unbeachtlich ist, ob die Erwägungen der Behörde inhaltlich zutreffen. Notwendig ist eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte und nicht bloß formelhafte Begründung.
8Vgl. Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 4. Auflage 2007, § 80 Rn. 47 mit weiteren Nachweisen.
9Die seitens der Antragsgegnerin schriftlich gegebene Begründung genügt diesen Anforderungen. Es ist nicht zu beanstanden, dass in dieser auf die "Magnetwirkung" der bereits vorhandenen Abfälle abgestellt wird. Nachvollziehbar ist auch die damit verbundene Gefahr eines erheblichen Ungeziefer- und Rattenbefalls.
10Für die Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist das öffentliche Interesse am Sofortvollzug mit dem privaten Interesse an einem Aufschub der Vollziehung abzuwägen. In diese Interessenabwägung fließen Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts, der vollzogen werden soll, ein. Erweist sich der Rechtsbehelf des jeweiligen Antragstellers als offensichtlich begründet, besteht grundsätzlich kein öffentliches Interesse an der Durchsetzung des angefochtenen Verwaltungsakts. Demgegenüber wird der Eilantrag regelmäßig abzulehnen sein, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist. Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Die Erfolgsaussichten sind dabei auch unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je höher diese sind, umso größer ist das Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Sind die Erfolgsaussichten demgegenüber gering, fällt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung stärker ins Gewicht.
11Ob sich die Grundverfügung - die Beseitigung und Entsorgung der Abfälle - bereits als offensichtlich rechtmäßig erweist, kann offen bleiben, da die allgemeine Interessenabwägung bei summarischer Überprüfung zu einem höheren öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung führt.
12Als einschlägige Ermächtigungsgrundlage erweist sich § 21 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes - KrW-/AbfG). Danach kann die zuständige Behörde im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen treffen.
13Den formellen Anforderungen ist genügt; insbesondere ist eine Anhörung erfolgt.
14In materieller Hinsicht ist die Abfalleigenschaft der auf dem Grundstück der Antragstellerin lagernden Gegenstände nicht zweifelhaft. Die Kammer geht aufgrund der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Ausdrucke von Bildern nach der im Eilverfahren notwendigerweise summarischen Überprüfung davon aus, dass es sich überwiegend um Abfälle zur Beseitigung in Form von gemischten Siedlungsabfällen handelt. Dagegen fehlt es derzeit an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass es sich größtenteils um Abfälle handelt, die gemäß §§ 5, 6 KrW-/AbfG für eine stoffliche oder energetische Verwertung in Betracht kommen. Gegen die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung mit Blick auf die Bestimmung der Abfallart spricht auch nicht, dass sich Sperrmüllanteile in dem Abfall befinden. Denn deren Entsorgung ist der Antragsgegnerin mit dem Grundverwaltungsakt nicht aufgegeben worden.
15Die Antragstellerin ist auch Abfallbesitzerin.
16Abfallbesitzer ist nach § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem grundlegenden Urteil vom 11. Dezember 1997 - 7 C 58.96 -, juris kann von einem Abfallbesitz nur dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die betreffende Person nicht einmal ein "Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft" innehat. Das ist anzunehmen, wenn sich die tatsächliche Herrschaftsbeziehung dieser Person zu den Abfällen nicht von derjenigen beliebiger anderer Personen unterscheidet. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht den Abfallbesitz eines Grundstückseigentümers (oder -besitzers) verneint, wenn die Abfälle auf einem Grundstück lagern, das der Allgemeinheit rechtlich oder tatsächlich frei zugänglich ist, etwa aufgrund naturschutz- oder waldrechtlicher Betretungsrechte. In einem solchen Fall vermitteln das Eigentum oder der Besitz an dem Grundstück nach der Verkehrsauffassung keinen Herrschaftsbereich, der zugleich auch die tatsächliche Gewalt über die darauf befindlichen Gegenstände begründet.
17Das der Antragstellerin gehörende Grundstück ist nicht in diesem Sinne frei zugänglich; insbesondere bestehen keine Betretungsrechte für die Allgemeinheit. Dies ist gemäß § 62 Abs. 1 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, wonach Bahnanlagen von Personen, die nicht amtlich dazu befugt sind, nur insoweit betreten oder benutzt werden dürfen, als sie dem allgemeinen Verkehrsgebrauch dienen oder ein besonderes Nutzungsverhältnis dazu berechtigt, bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen. Die von der Antragstellerin ins Feld geführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juli 1988 (7 B 9.88, juris) besagt nichts Gegenteiliges, sondern stellt ebenfalls darauf ab, ob der Grundstückseigentümer oder -besitzer ein solches Maß an tatsächlicher Sachherrschaft an dem Grundstück und den darauf befindlichen Abfällen hat, dass er die betreffende Fläche dem Zugriff oder Zutritt Dritter nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich entziehen kann. Unter welchen Voraussetzungen die freie Zugänglichkeit eines Grundstücks für die Allgemeinheit zu verneinen ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung. Bei Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles ergibt sich jedenfalls bei summarischer Prüfung, dass - schon in Ansehung der Regelungen in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung - von einem Betretungsrecht des streitbefangenen Grundstücks für die Allgemeinheit entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin nicht ausgegangen werden kann. Zudem ist nicht ersichtlich, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die Antragstellerin gehindert sein sollte, ihr Grundstück einzuzäunen, was ihre tatsächliche Sachherrschaft nicht nur in einem Mindestmaß dokumentiert.
18Die im Sinne des § 21 KrW-/AbfG erforderlichen Anordnungen beziehen sich auf die Durchsetzung der der Antragstellerin als Abfallbesitzerin nach § 11 Abs. 1 KrW-/AbfG obliegenden Beseitigungspflicht. Der sich mangels eigener Beseitigungsanlagen der Antragstellerin aus § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG ergebenden Entsorgungspflicht der Antragsgegnerin kommt wegen des Ausschlusses des Entsorgungsanspruches nach § 15 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 der Abfallwirtschaftssatzung (AWS) keine Bedeutung zu.
19Die Selbstbeförderungspflicht der Antragstellerin zur Müllverbrennungsanlage Weisweiler folgt aus § 5 Abs. 1 AWS. Die Ermächtigungsgrundlage für diese Bestimmung stellt § 9 Abs. 2 Satz 5 des Abfallgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen dar. Danach kann die Satzung auch für Besitzer von Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen den Anschluss- und Benutzungszwang und damit die Verpflichtung zur Beförderung zu den (scil. in der AWS) angegebenen Abfallentsorgungsanlagen regeln. Die landesgesetzliche bzw. satzungsrechtliche Ermächtigung wird hier nicht von der Sperrwirkung des § 12 KrW-/AbfG erfasst.
20Des Weiteren hat die Antragsgegnerin ausweislich der streitbefangenen Ordnungsverfügung ihr durch § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG eröffnetes Ermessen ausgeübt. Im Rahmen des nur nach § 114 VwGO bestehenden gerichtlichen Überprüfungsrahmens liegen derzeit die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gebietende Ermessensfehler weder hinsichtlich des Einschreitens noch der Auswahl des Pflichtigen vor.
21Aus der Ordnungsverfügung ergibt sich, dass die wachsende Gefährdung die Antragsgegnerin bewogen hat, nunmehr einzuschreiten und den ordnungswidrigen Zustand durch Erlass einer Ordnungsverfügung zu beseitigen.
22Auch das Auswahlermessen ist vor dem Hintergrund der Effektivität der Gefahrenabwehr zutreffend ausgeübt und begründet. Die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Abfallbesitzerin vor dem oder den Abfallerzeugern begegnet vor dem Hintergrund der Effektivität der Gefahrenabwehr jedenfalls auf der Primärebene keinen Bedenken.
23Des Weiteren erweist sich die streitbefangene Grundverfügung mit Blick auf die Kosten der Abfallbeseitigung sowohl als verhältnismäßig als auch hinreichend bestimmt, da im Eingang der Ordnungsverfügung sowohl das Grundstück als auch die Örtlichkeit der Ablagerung von Abfällen ("gegenüber den Gas-Ballons") benannt und zudem die genaue Örtlichkeit der Antragstellerin aus dem vorhergegangenen Verwaltungsverfahren genau bekannt ist. in diesem Zusammenhang führt auch zu keiner abweichenden Beurteilung, dass nunmehr streitig ist, ob auf dem Grundstück der Antragstellerin 100 m³ Abfall lagern. Diese ist selbst in ihrem Schreiben vom 21. Januar 2011 von widerrechtlich abgelagerten 100 m³ ausgegangen. Zudem stellt der Grundverwaltungsakt klar, dass es sich um einen geschätzten Wert handele.
24Ermächtigungsgrundlage für die Zwangsmittelandrohung (Ersatzvornahme) sind die §§ 55 Abs. 1, 56, 59 sowie 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen.
25Im Hinblick auf den kraft Gesetzes bestehenden Sofortvollzug der Zwangsmittelandrohung könnte der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO nur Erfolg haben, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen würden. Dies ist nicht der Fall. Insbesondere erscheint die getroffene Fristsetzung ("unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 20. April 2011") als angemessen im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW, weil die Antragstellerin seit Beginn des Jahres 2011 in das Verfahren zur Beseitigung des Abfalls involviert war und zwischen den Beteiligten des Verfahrens nur die Frage des Abfallbesitzers thematisiert wurde.
26Schließlich sind in der streitbefangenen Ordnungsverfügung auch die voraussichtlichen Kosten angegeben (vgl. § 63 Abs. 4 VwVG NRW).
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung berücksichtigt den vorläufigen Charakter des vorliegenden Verfahrens mit der Hälfte der voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme.