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Die Beklagte wird unter Aufhebung des ablehnenden Teils des Bescheides der V. Q. und U. vom 21. November 2005 und ihres Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2008 verpflichtet, dem Kläger ab dem 21. März 2005 einen Unfallausgleich gemäß § 35 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
2Der am 19. Juli 1967 geborene Kläger stand bis zu seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 30. November 2005 als Postobersekretär im Dienst der Beklagten. Am 28. März 1996 wurde er Opfer eines Überfalls auf seine Dienststelle, eine nur mit ihm besetzte Poststelle an der B. W. Straße in Aachen. In dem insoweit ergangenen (Straf-) Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. Juli 1996 - 65 KLs/42 Js 400/96 - 18/96 - wird der Tathergang wie folgt dargestellt:
3"Der Zeuge T. , der an diesem Tage allein in diesem Postamt Dienst versah, begab sich auf das Klopfen hin zur Hintertür und öffnete sie zunächst nur einen kleinen Spalt breit, ließ insbesondere den Sperrriegel vorgelegt. Er erklärte dem Angeklagten, dieser solle nach vorne in den Kundenraum kommen, in dem sich zu der Zeit niemand sonst befand. Weil der Angeklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, er vielmehr weiter den Block herumschwenkte und dabei Telefonbücher erwähnte, machte der Zeuge T. , dem bekannt war, daß schon früher Telefonbücher an der Hintertür entgegengenommen worden waren, schließlich die Hintertür weiter auf und entfernte auch den Sperrriegel. Der Angeklagte, der wahrenddessen die Schreckschußpistole gezogen hatte, stürzte sich sofort auf den Zeugen und rief die Worte "Geld her!" und / oder Überfall!". Der Zeuge T. ließ sich hierdurch jedoch nicht nachhaltig beeindrucken, sondern war sogleich bestrebt, die Schreckschußpistole, die er zunächst für eine echte Waffe hielt, herunterzudrücken und dem Angeklagten Widerstand zu leisten. Infolge dieses Widerstandes des Postbeamen T. entstand zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen eine Rangelei. Währenddessen betrat ein Kunde den Kundenraum, was der Zeuge T. trotz des Gerangels wahrnahm und ihn veranlaßte, laut nach der Polizei zu rufen. Während der Kunde das Postamt sofort wieder verließ und von einem benachbarten Haus die Polizei benachrichtigen ließ, setzten der Angeklagte und der Zeuge T. im Tresorraum des Gebäudes ihren Kampf fort. Der Angeklagte schlug während dieses Kampfes dem Zeugen T. mehrere Male die metallene und scharfkantige Gaspistole heftig auf den Hinterkopf, wobei sich auch zufällig drei Schüsse aus der Gaspistole lösten, während der Zeuge T. in den Hoden des Angeklagten kniff. Nach kurzer Zeit gelang es dem Angeklagten, während sowohl er als auch der Zeuge auf dem Boden lagen, sich auf den Zeugen zu legen, wobei dieser mit dem Gesicht nach unten unter dem Angeklagten lag. Es gelang dem Angeklagten sodann, den Zeugen in den "Schwitzkasten" zu nehmen. In dieser Situation befragte der Angeklagte den Zeugen sinngemäß danach, ob er nun aufgebe und das Geld herausgebe. Der Zeuge T. , der, weil die sich lösenden Schüsse ihm keine Verletzungen zugefügt hatten, erkannt hatte, daß die von dem Angeklagten mitgeführte Waffe keine scharfe Waffe war, war zwar zur Herausgabe des Geldes nach wie vor nicht bereit, ging aber zum Schein auf die Forderung des Angeklagten ein und erklärte sinngemäß, nun zur Herausgabe des Geldes bereit zu sein. Der Angeklagte ließ deshalb den Zeugen los. Wider Erwarten stürzte sich der Zeuge T. sofort erneut auf den Angeklagten und vermochte diesen sodann in den WC-Raum des Gebäudes zu drängen, wo er den Kopf des Angeklagten mehrmals gegen die gekachelte Wand schlug und ihn schließlich im WC-Raum einzusperren vermochte, indem er eine Verbindungstür so gegen die Türöffnung zum WC-Raum presste, dass der Angeklagte diesen nicht mehr verlassen konnte. ... Der Geschädigte, der Zeuge T. , wurde zum Franziskuskrankenhaus gebracht. Hier wurden insgesamt fünf Kopfplatzwunden, die er durch die vom Angeklagten geführten Schläge mit der Waffe erlitten hatte, genäht. Der Zeuge erlitt außerdem Prellungen und Quetschungen am Hinterkopf und blutende Schürfwunden über beiden Wangenknochen. Er war für vier Tage krankgeschrieben und versieht seither wieder - wie zuvor - Dienst in dem Postamt an der B. W. Straße. Die Geschehnisse des 28. März 1996 hat er - insbesondere im psychischen Bereich - gut verkraftet, allerdings verspürt er manchmal noch leichte Kopfschmerzen."
4Als wesentliches Ergebnis eines Mitarbeitergespräches am 13. Dezember 1996 wurde vermerkt, dass die seinerzeitigen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers ab März 1996 ihre Ursache in psychischen Folgeschäden des Raubüberfalls am 28. März 1996 fänden. Dieser leide unter Angstzuständen, Schlafstörungen und Kopfschmerzen und befinde sich in psychotherapeutischer Behandlung. Es werde die Umsetzung in eine andere Filiale geplant. Ausweislich eines Attestes des Dr. S. M. T1. vom 17. April 1997 liege beim Kläger ein reaktives Angstsyndrom, ein vegetativ-affektives Reizsyndrom und eine psycho-reaktive Anpassungsstörung vor, woraus eine Dienstunfähigkeit für die Innendiensttätigkeit (Schalterdienst) resultiere. In einer Stellungnahme zu einer Bewerbung des Klägers aus dem Oktober 1997 heißt es, dass dessen Erkrankungen psychische Folgeschäden des Raubüberfalls seien. Eine betriebsärztliche Untersuchung habe ergeben, dass er nur noch im Innendienst ohne Publikumsverkehr eingesetzt werden könne. In einem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 11. Januar 2005, welches von der V. Q. und Telekom in Auftrag gegeben worden war, attestiert Dr. K. C. , dass beim Kläger "sicherlich" eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege. Schließlich stellte die Beklagte fest, dass für ihn kein leidensgerechter Arbeitsplatz (mehr) vorhanden sei, und versetzte ihn zum Ablauf des 31. November 2005 in den vorzeitigen Ruhestand.
5Mit Schreiben vom 16. März 2005, bei der Beklagten eingegangen am 21. März 2005, beantragte der Kläger "Unfallheilbehandlung und sonstige Unfallfürsorgeleistungen". Zur Begründung verwies er auf eine wesentliche Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes. Unter dem 4. Mai 2005 teilte sein Psychotherapeut, Prof. Dr. B1. Q1. , mit, er habe bereits unmittelbar nach dem Raubüberfall im Jahre 1996 mit dem Kläger mehrere Sitzungen durchgeführt, die er am 25. Februar 2005 fortgesetzt habe. Mit Schreiben vom 1. Juni 2005 führte er aus, bei dem Kläger bestehe weiterhin ein massiv ausgeprägtes posttraumatisches Syndrom in der Form einer Persönlichkeitsstörung. Festzustellen seien Intrusionen (Wiedererinnern und Wiedererleben von psychotraumatischen Ereignissen), eine Hypervigilität (quantitative Bewusstseinsstörung, die sich als gesteigerte Wachheit bemerkbar macht), nächtliche, das traumatische Ereignis betreffende Albträume mit angstvollem Erwachen und eine Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit mangels Schlaf sowie insbesondere eine situationsgebundene Phobie in alltäglichen Situationen, in denen die Begegnung mit Menschengruppen stattfinde. Unter dem 29. Juli 2005 führte Prof. Dr. Q1. nach 25 Sitzungen aus, dass beim Kläger weiterhin Symptome eines posttraumatischen Syndroms vorlägen. Es sei zudem eine Änderung der Persönlichkeitsstruktur betreffend Wahrnehmungen und Erlebnisverarbeitung deutlich geworden. Weitere therapeutische Sitzungen seien erforderlich. Einen dem entsprechenden Antrag stellte der Kläger mit Schreiben vom 29. Juli 2005.
6Mit Bescheid vom 25. Juli 2005 attestierte das Versorgungsamt Aachen dem Kläger den Grad einer Behinderung von 50 v. H. aufgrund einer seelischen Beeinträchtigung (posttraumatisches Belastungssyndrom mit sekundären Auswirkungen, Angstzuständen, Schweißausbrüchen, Vermeidung von Menschensammlungen, Rückzugstendenz).
7In einem weiteren Gutachten vom 27. Oktober 2005 führten Dres. C1. E. und I. W. K1. aus, beim Kläger liege eine posttraumatische Belastungsstörung vor, für die das in Rede stehenden Unfallereignis ursächlich sei. Eine unfallunabhängige Vorerkrankung bzw. Schadenslage bestehe nicht. Es liege eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit mit einem Grad von 20 v. H. vor.
8Mit dem streitgegenständlichen Ausgangsbescheid vom 21. November 2005 lehnte die V. Q. und Telekom daraufhin die Gewährung eines Unfallausgleichs gemäß § 35 BeamtVG mit der Begründung ab, dass die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht den Mindestgrad von 25 v. H., sondern lediglich einen Grad von 20 v. H. erreiche. In dem Bescheid heißt es, dass aufgrund der unfallbedingten posttraumatischen Belastungsstörung eine konsequente und ausreichend lange psychotherapeutische Behandlung in Form einer Verhaltenstherapie durchgeführt werden solle.
9Mit seinem Widerspruch legte der Kläger eine weitere Bescheinigung des Prof. Dr. Q1. vom 7. Dezember 2005 vor, woraus sich unter anderem eine Minderung der Erwerbsfähigkeit mit einem Grad von mindestens 40 v. H. ergibt.
10In ihrer Stellungnahme vom 23. Januar 2006 hielten die Dres. E. und K1. an ihrer attestierten Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers mit einem Grad von 20 v. H. fest. Des Weiteren führten sie mit Blick auf die von Prof. Dr. Q1. bekundete Störung in Form einer Persönlichkeitsentwicklung aus, bei ihrer Untersuchung seien beim Kläger anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitszüge festgestellt worden. Hierbei handele es sich um unfallunabhängige Persönlichkeitsmerkmale, die nicht in einem kausalen Zusammenhang zu dem Unfallereignis vom 28. März 1996 stünden. Unter dem 8. Mai 2007 attestierte Prof. Q1. erneut ein posttraumatisches Belastungssyndrom des Klägers.
11Unter dem 24. September 2007 führte der Beratungsarzt der V. Q. und Telekom, Prof. Dr. B1. T2. , nach Auswertung der Aktenlage und ohne persönliche Untersuchung des Klägers aus, bei diesem liege keine posttraumatische Belastungsstörung vor. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit mit einem Grad von 20 % v. H. sei nicht nachvollziehbar, weil keine objektivierbaren Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen. Weitere unfallbedingten Heilmaßnahmen seien nicht erforderlich. Die Stellungnahmen des Dr. C. , der Dres. E. und K1. sowie des Prof. Dr. Q1. seien nicht schlüssig.
12Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2008, zugestellt am 24. Januar 2008, wies die V. Q. und Telekom den Widerspruch des Klägers zurück und führte aus, dass eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge des Ereignisses vom 28. März 1996 nicht anerkannt werde. Die ab Zustellung des Bescheides anfallenden Kosten für therapeutische Maßnahmen würden nicht übernommen. Zur Begründung orientierte sie sich im Wesentlichen an den Ausführungen des Prof. Dr. T2. .
13Der Kläger hat am 18. Februar 2008 Klage erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor, bei ihm liege eine unfallbedingte posttraumatische Belastungsstörung vor. Wegen der Einzelheiten nimmt er Bezug auf die ärztlichen Atteste des Dr. C. , der Dres. E. und K1. sowie des Prof. Dr. Q1. , der seine bisherigen Einschätzungen in einer weiteren Stellungnahme vom 2. Mai 2008 bekräftigt und ausgeführt hat, er habe beim Kläger bereits im Dezember 1996 eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.
14Der Kläger beantragt sinngemäß,
151. den ablehnenden Teil des Bescheides der V. Q. und Telekom vom 21. November 2005 und den den Unfallausgleich betreffenden Teil ihres Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ab dem 21. März 2005, dem Tag des Eingangs seines Antrags, einen Unfallausgleich gemäß § 35 BeamtVG zu gewähren, 2. unter Aufhebung des die Heilbehandlung betreffenden Teils des Widerspruchsbescheides der V. Q. und Telekom vom 23. Januar 2008 festzustellen, dass die Beklagte anfallende Kosten für ein traumaadaptiertes Psychotherapieverfahren seitens der Beklagten ab dem 24. Januar 2008, dem Tag der Zustellung des Widerspruchsbescheides, zu erstatten hat.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie trägt im Wesentlichen vor: Eine posttraumatische Belastungsstörung liege beim Kläger nicht vor. Seine psychischen Probleme seien nicht auf den Überfall vom 28. März 1996, sondern auf seine sehr unbefriedigende berufliche Situation zurückzuführen. Im Übrigen sei den Ausführungen des Prof. Dr. T2. zu folgen. Dieser habe trotz des Fehlens einer persönlichen Untersuchung des Klägers eine aussagekräftige Stellungnahme abgeben können, weil ihm alle ärztlichen Befunde vorgelegen hätten. Das vom Gericht eingeholte Gutachten des Prof. Dr. Dr. G. T3. weise dem gegenüber erhebliche Mängel auf. So sei diesem Gutachten nicht zu entnehmen sei, zu welchem Anteil Prof. Dr. Dr. T3. den Kläger selbst untersucht und das Gutachten gefertigt habe. Unverzichtbare Kernaufgaben dürften bei psychiatrischen Gutachten indes nicht delegiert werden. Hierzu gehöre die eingehende Befunderhebung. Prof. Dr. Dr. T3. habe sich mit Blick auf die ICD-10 einer überalterten Methodik bedient. Er habe keine Befunde beschrieben, die auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung gemäß den diagnostischen Standards hinwiesen und zudem den Überfall nicht exploriert. Es fehle an der Überprüfung der sog. B- und C-Kriterien, die Voraussetzung für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung seien. Der körperliche Befund des Klägers weise keine Auffälligkeiten auf, und Zeichen einer vegetativen Fehlregulation lägen nicht vor. Damit sei auch das D-Kriterium nicht gegeben. Insbesondere aus dem psychologischen Zusatzgutachten ergäben sich Hinweise auf ein massives Übertreiben der Beschwerden des Klägers. Prof. Dr. Dr. T3. habe es gleichwohl versäumt, diesem Umstand nachzugehen. Der Ausschluss von Simulation und Aggravation sei für die diagnostische Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung jedoch unabdingbar. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass sich in dem Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. Juli 1996 die Aussage des Klägers finde, wonach dieser die Geschehnisse des Überfalls vor allem im psychischen Bereich gut verkraftet habe. Diese Äußerung, die er vier Monate nach dem Überfall abgegeben habe, stehe im krassen Widerspruch zur Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung. Überdies seien auch keine differenzialdiagnostischen Betrachtungen angestellt worden. Der Ursachenzusammenhang sei nicht hinreichend nachvollziehbar dargelegt, weil nicht berücksichtigt worden sei, dass der Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung erst lange nach dem Unfall geltend gemacht habe. Selbst wenn man eine unfallbedingte psychische Erkrankung annehmen würde, wären die Ausführungen zur Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht schlüssig. Es müsse insoweit dargelegt werden, welche konkreten Beeinträchtigungen beim Kläger vorlägen und wie sich diese auf das Berufsleben auswirken würden. Dies sei indes nicht erfolgt.
19Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. Dr. T3. . Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Beschlüsse der Kammer vom 11. Februar 2009 und 25. November 2009 und wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Prof. Dr. Dr. T3. vom 15. Juli 2009 und seine ergänzende Stellungnahme vom 23. März 2010 verwiesen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (drei Bände) Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Die Klage, über die die Kammer gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zu einem überwiegenden Teil zulässig und begründet und im Übrigen unzulässig.
23I. Der Klageantrag zu 1. hat Erfolg. Der Kläger hat aufgrund des Unfallgeschehens vom 28. März 1996 - beginnend ab dem 21. März 2005, dem Tag des Eingangs des Antrags auf diesbezügliche Unfallfürsorgeleistungen - einen Anspruch auf einen Unfallausgleich gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in Höhe von 50 v. H.; der ablehnende Teil des Bescheides der V. Q. und Telekom vom 21. November 2005 und der den Unfallausgleich betreffende Teil ihres Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2008 sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
24Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erhält der verletzte Beamte neben dem Ruhegehalt einen Unfallausgleich, wenn und solange er infolge eines Dienstunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate wesentlich beschränkt ist; eine wesentliche Beschränkung der Erwerbsfähigkeit liegt gemäß Nr. 35.1.3 Satz 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz bei einer Minderung um mindestens 25 v. H. vor.
25Der für die Gewährung des Unfallausgleichs zwingende Ursachenzusammenhang zwischen dem Dienstunfall des Klägers vom 28. März 1996 und einer bei diesem bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung liegt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vor.
26Nach dem Ursachenbegriff des Dienstunfallrechts soll der Dienstherr nicht für schlechthin alle Schadensfolgen einstehen müssen, an denen überhaupt ein dienstliches Ereignis mitgewirkt hat, sondern nur für solche, die "wesentlich" ihm - und nicht dem Beamten oder einem Dritten - zuzurechnen sind. Als Ursache im Rechtsinne sind daher - bezogen auf das Dienstunfallrecht der Beamten - nur solche für den eingetretenen Schaden ursächlichen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise an dessen Eintritt mitgewirkt haben, die also insofern für die Mitwirkung als "wesentlich" anzusehen sind (sog. Theorie der wesentlichen Verursachung). Wesentliche Ursache in diesem Sinne kann hiernach grundsätzlich auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder (und) beschleunigt. Dieses Ereignis darf allerdings nicht im Verhältnis zu anderen Bedingungen - zu denen auch die bei Eintritt des äußeren Ereignisses schon vorhandene Veranlagung oder Vorschädigung gehört - eine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Schadensfolge zukommen, dass diese anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtung allein als maßgeblich anzusehen sind. Haben mehrere Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne zu dem Erfolg beigetragen, so sind diese Ursachen zu gewichten. Haben die Ursachen in annähernd gleichem Maße auf den Erfolg hingewirkt, so sind im Rechtsinne beide als - wesentliche - (Mit-) Ursachen einzustufen. Hingegen sind keine Ursachen im Rechtssinne sog. Gelegenheitsursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht. Das ist etwa anzunehmen, wenn eine krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte.
27Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 1. März 2007 - 2 A 9.04 -, juris Rn. 8; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 19. September 2007 - 1 A 3685/06 -, jeweils m.w.N.
28Die Kammer folgt den schlüssigen Ausführungen des Prof. Dr. Dr. T3. in seinem Gutachten vom 15. Juli 2009, ergänzt durch die Stellungnahme vom 23. März 2010, in der er sich eingehend mit der Gegenauffassung des Prof. Dr. T2. auseinandergesetzt hat. Das Gutachten des Prof. Dr. Dr. T3. ist für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend. Er hat sich unter Einbeziehung des Inhalts der Dienstunfallakten und der Ergebnisse seiner ambulanten psychiatrischen Untersuchung des Klägers am 26. März 2009 und 17. April 2009 eine hinreichende objektive Informationsbasis verschafft. Dem gegenüber rechtfertigen die Einwände des Prof. Dr. T2. keine abweichende Auffassung; von entscheidender Bedeutung ist hierbei auch, dass dieser, der im Übrigen im Gegensatz zu allen sonstigen Ärzten, die den Kläger untersucht und eine Stellungnahme abgegeben haben, das Vorliegen einer schweren psychischen Erkrankung verneint hat, den Letztgenannten gar nicht selbst untersucht, sondern nur nach Aktenlage entschieden hat. Im Einzelnen ist von Folgendem auszugehen:
29Das Gutachten des Prof. Dr. Dr. T3. ist zunächst nicht etwa deshalb unverwertbar, weil er sich bei der Gutachtenerstellung der Hilfe seines Assistenzarztes, Herrn S. N. , bedient hat. Eine unterstützende Einbeziehung von Hilfspersonen ist gemäß den Vorgaben im Gutachtenauftrag grundsätzlich, auch soweit wichtige Aufgaben übertragen werden, nicht zu beanstanden, sofern genügend erkennbar bleibt, dass der - beauftragte - Sachverständige die volle Verantwortung für das Gutachten übernimmt und dazu nach seinem eigenen Kenntnisstand auch in der Lage ist. Innerhalb dieser Grenzen steht es im Ermessen des Sachverständigen, in welcher Form er sich die für die Begutachtung erforderlichen Kenntnisse verschafft.
30OVG NRW, Beschluss vom 12. März 2008 - 13 A 2643/07.A -, juris Rn. 8 f., m.w.N. zur höchstrichterlichen Rechtsprechung.
31Diesen Anforderungen wird Genüge getan. Prof. Dr. Dr. T3. hat mit seiner Unterschrift die vollständige Verantwortung für das in Rede stehende Gutachten übernommen. Es liegen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass er hierzu tatsächlich nicht in der Lage war. Es ist ferner nicht ersichtlich und von der Beklagten in tatsächlicher Hinsicht nicht hinreichend dargelegt, dass er die Grenze der erlaubten Mitarbeit Dritter dadurch überschritten hat, dass er zentrale, das Gutachten prägende und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringende Aufgaben nicht selbst wahrgenommen hat. So hat er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. März 2010 ausgeführt, dass er die wesentlichen Bereiche der Gutachtenerstellung, nämlich das Aktenstudium, die ausführliche psychiatrische Exploration, die Diagnosestellung und die Einordnung der gestellten Diagnosen in Bezug auf die gutachterliche Fragestellung persönlich vorgenommen bzw. Assistenzarzt N. unter vollständiger Anleitung angewiesen habe. Dies entspricht der der Kammer aus anderen Verfahren bekannten und bislang stets anerkannten Begutachtungspraxis. Unerheblich ist, dass das Gutachten nicht im Einzelnen erkennen lässt, wer von beiden tätig gewordenen Ärzten an welchen Teilen persönlich beteiligt war. Denn es besteht kein Anlass, daran zu zweifeln, dass Prof. Dr. Dr. T3. an allen Teilen vollumfänglich verantwortlich beteiligt war.
32Prof. Dr. Dr. T3. hat beim Kläger eine (chronische) posttraumatische Belastungsstörung gemäß F 43.1 der ICD-10 (Zehnte Revision der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation) diagnostiziert.
33Entgegen der Auffassung des Prof. Dr. T2. ist es rechtlich nicht zu beanstanden, Erkrankungen im Rahmen eines beamtenrechtlichen Klageverfahrens unter Anwendung der ICD-10 festzustellen. Deren Anwendung entspricht in der Verwaltungsgerichtsbarkeit - soweit ersichtlich - ständiger Praxis und ist etwa in § 35a Abs. 1a Satz 2 SGB VIII sogar vorgeschrieben.
34Vgl. hierzu: OVG NRW, Beschluss vom 2. März 2010 - 12 B 105/10 -, juris Rn. 10.
35Auch der hier für die Entscheidung über einen etwaigen Antrag auf Zulassung der Berufung zuständige Erste Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen wendet die ICD-10 im öffentlichen Dienstrecht an.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. Januar 2008 - 1 A 3443/06 -, juris Rn. 106.
37Die Behauptung von Prof. Dr. T2. , man dürfte hier nicht die ICD-10 als Diagnosesystem, sondern müsse das DSM-IV (Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung) anwenden, findet im Übrigen auch in dem von ihm zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - keine Stütze. Denn dieses Gericht hat - u.a. (sogar) im ersten Leitsatz - ausgeführt, dass eine exakte Diagnose einer Krankheit im Unfallrecht sowohl nach der ICD-10 als auch nach der DSM-IV möglich bzw. erforderlich ist.
38Soweit Prof. Dr. T2. seinen diesbezüglichen Vortrag konkret auf die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung bezieht, hinsichtlich derer die ICD-10 "in jeder Hinsicht ... als überholt anzusehen" sei, bleibt er den Nachweis eines - anderen - verlässlicheren Diagnosesystems schuldig. Denn auch das von ihm insoweit präferierte DSM-IV trägt nach seinen Angaben nicht den neuesten Entwicklungen Rechnung, sondern werde derzeit überarbeitet.
39Nach Nr. F 43.1 der ICD-10 entsteht eine posttraumatische Belastungsstörung als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z. B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F 62.0) über.
40Diese Merkmale einer posttraumatischen Belastungsstörung nach ICD-10 hat Prof. Dr. Dr. T3. bei seiner Diagnose zugrunde gelegt, auf den Kläger bezogen im Einzelnen geprüft und auf diese Weise das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung mit schlüssiger Begründung bejaht. So hat er nachvollziehbar u.a. ausgeführt, dass es sich bei dem in Rede stehenden Raubüberfall mit einer Kampfhandlung um ein außergewöhnlich belastendes Ereignis gehandelt habe, bei dem mit Blick auf den Einsatz von Waffengewalt und die Anwendung körperlicher Gewalt eine massive, vorher noch nie erlebte Lebensbedrohung erfolgt sei. Der Kläger habe bereits etwa 14 Tage nach dem Raubüberfall mehrere der beschriebenen Symptome und Beschwerden wie Schlaflosigkeit, übermäßige Schreckhaftigkeit und Hypervigilanz gezeigt. Im weiteren Krankheitsverlauf seien nahezu alle Kriterien hinzugekommen, von denen aktuell die meisten Symptome immer noch bestünden und psychotherapeutisch behandlungsbedürftig seien. Zudem sei es während der ersten Arbeitsversuche im Kundendienst nach dem Überfall zu regelmäßigem Wiedererleben des Raubüberfalls in Form von Intrusionen gekommen, die in der jeweiligen Arbeitssituation durch traumabezogene Reize (z. B. eintretende unbekannte Kunden in Motorradkleidung oder mit Tasche) ausgelöst worden seien. Das Wiedererleben liege derzeit hauptsächlich in Form von Alpträumen vor.
41Damit hat Prof. Dr. Dr. T3. entgegen der wiederholten Einwände des Prof. Dr. T2. hinreichende (durch die umfassende Untersuchung des Klägers abgesicherte) Befunde beschrieben, die die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gemäß der ICD-10 rechtfertigen.
42Soweit Prof. Dr. T2. des Weiteren moniert, Prof. Dr. Dr. T3. habe den Überfall selbst nicht (ausreichend) exploriert, stellt diese Behauptung die Überzeugungskraft der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht infrage. Jedenfalls aus dessen ergänzender Stellungnahme vom 23. März 2010 geht hervor, dass er den Unfallhergang durchaus exploriert hat. So hat er etwa ausgeführt, es sei dem Kläger außerordentlich schwer gefallen, seine Erinnerung an den Raubüberfall mit deutlicher und ruhiger Stimme vorzutragen, und dieser sei stets bemüht gewesen, seine Unruhe zu verbergen. Hierzu hat Prof. Dr. Dr. T3. erläutert, es sei für traumatisierte Menschen typisch, dass sie es mit großer psychischer Anstrengung vermieden, mit den traumatisierenden Inhalten und Gefühlen in Verbindung zu geraten. Davon ausgehend hat er es weder für erforderlich noch für vertretbar gehalten, beim Kläger während der Exploration intrusive Phänomene und Flashbacks gezielt zu reproduzieren. Vielmehr habe dessen ausführliche mündliche Schilderung in den erfolgten Anamnesegesprächen in Verbindung mit den im Übrigen vorliegenden schriftlichen Unterlagen aus psychiatrischer Sicht ausgereicht, um die Bedeutung und das Ausmaß des bewaffneten Überfalls als ein Geschehen von außergewöhnlicher, sogar tödlicher Bedrohung zu verstehen, welches eine tiefe Verzweiflung auslösen könne. Diese Schlussfolgerungen sind ohne weiteres nachvollziehbar. Eine tiefer gehenderen Exploration war vor diesem Hintergrund nicht angezeigt, zumal der Kläger schon von mehreren Fachärzten untersucht worden ist und von allen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung diagnostiziert worden sind.
43Keine andere Beurteilung rechtfertigt der Vorhalt des Prof. Dr. T2. , eine Simulation sei nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen worden. Zunächst ist klarzustellen, dass Prof. Dr. Dr. T3. die Möglichkeit einer Simulation bzw. Beschwerdeübertreibung durchaus in Erwägung gezogen und geprüft hat, wie sich klar und deutlich aus dem testpsychologischen Zusatzgutachten (vgl. etwa die Ausführungen auf Seite 9 zur "Lügenskala") und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. März 2010 (vgl. Seite 12 ff.) ergibt. Soweit Prof. Dr. T2. hinsichtlich der testpsychologischen Zusatzuntersuchung stichhaltige Anhaltspunkte für eine Simulationstendenz zu erkennen meint, hat Prof. Dr. Dr. T3. diese Bedenken entkräftet. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. März 2010 (Seite 14 ff.) ist er auf die Kritikpunkte im Einzelnen eingegangen und hat die angeführten Auffälligkeiten der testpsychologischen Zusatzuntersuchung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gewürdigt. Hierbei ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass die Auffälligkeiten mit den Eindrücken aus dem psychiatrischen Kontakt in Einklang zu bringen und so zu erklären seien. Er hat hervorgehoben, dass nur das psychiatrische Interview als prinzipielle Grundlage und Kern der psychiatrischen Exploration ermögliche, dem Betroffenen in seiner individuellen Komplexität gerecht zu werden. Angesichts dieser ausschlaggebenden Bedeutung der persönlichen Untersuchung und des so entstehenden persönlichen Eindrucks kommt es aus Sicht der Kammer auch nicht maßgeblich auf den formalistischen Ansatz des Prof. Dr. T2. an, wonach die angewandten Testverfahren stets dem aktuellsten Stand der Wissenschaft entsprechen müssten. Diese Forderung dürfte in der Praxis zudem kaum umzusetzen sein; auch müssen sich neue Erkenntnisse zunächst eine gewisse Zeit festigen, um als neuer Standard zugrunde gelegt werden zu können. Letztlich ist Prof. Dr. T2. , der den Kläger, wie bereits erwähnt, noch nicht einmal persönlich untersucht hat, die Darlegung eines hinreichenden Anhalts für eine Simulationstendenz schuldig geblieben.
44Soweit Prof. Dr. T2. im Einzelnen darzulegen versucht, dass die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung gemäß DSM-IV nicht vorlägen, gehen diese Ausführungen an der Sache vorbei, weil es nach dem Vorstehenden ausreichend ist, die posttraumatische Belastungsstörung nach der ICD-10 zu bestimmen. Auch für die von ihm verlangte differenzialdiagnostische Betrachtung bestanden hier keine hinreichenden Anhaltspunkte, weil die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung im Sinne der ICD-10 mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden konnten.
45Zur Überzeugung der Kammer steht zudem fest, dass das Dienstunfallereignis vom 28. März 1996 für die posttraumatische Belastungsstörung des Klägers im vorausgesetzten Sinne wesentlich ursächlich ist. Prof. Dr. Dr. T3. hat hierzu ausgeführt, der klinische Eindruck und die vorliegende Aktenlage ließen keinen Zweifel daran, dass der Raubüberfall die posttraumatische Belastungsstörung des Klägers hervorgerufen habe. So seien in dessen Biografie keine in diesem Ausmaß vergleichbaren Belastungssituationen oder Traumata aufgetreten. Vor dem Geschehen am 28. März 1996 habe es auch keine unfallunabhängigen Gesundheitsstörungen, private Sorgen oder Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber gegeben. Angesichts des außergewöhnlichen Charakters des in Rede stehenden Raubüberfalls bedurfte es insoweit entgegen der Auffassung des Prof. Dr. T2. keiner tiefer gehenderen Erläuterungen.
46Soweit die Beklagte eine Passage aus dem Urteil des Landgerichts vom 23. Juli 1996 zitiert, wonach der Kläger die Geschehnisse des Überfalls vor allem im psychischen Bereich gut verkraftet habe, folgt hieraus kein anderes Ergebnis. Denn dieser hat mit seinem Antrag aus dem März 2005 eine wesentliche Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes geltend gemacht. Abgesehen davon kommt es auf seine persönliche Äußerung im Rahmen des strafgerichtlichen Verfahrens wenige Monate nach dem Raubüberfall nicht entscheidend an. Hinzu kommt, dass er sich schon im Jahre 1996 wegen Angstzuständen, Schlafstörungen und Kopfschmerzen in psychotherapeutische Behandlung begeben und dass etwa Dr. T1. im April 1997 bei ihm ein reaktives Angstsyndrom, ein vegetativ-affektives Reizsyndrom und eine psycho-reaktive Anpassungsstörung attestiert hat. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, dass sich die psychischen Beschwerden des Klägers erst viele Jahre nach dem Raubüberfall gezeigt hätten. Für die Kammer ist dabei unerheblich, dass eine posttraumatische Belastungsstörung als solche noch nicht frühzeitiger namentlich erwähnt worden ist. Denn die Abgrenzung zwischen den einzelnen psychischen Erkrankungen ist mitunter außerordentlich schwierig.
47Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers beträgt 50 v. H. Auch insoweit besteht kein hinreichender Anlass, an den Ausführungen des Prof. Dr. Dr. T3. zu zweifeln. Dieser hat den Grad der Behinderung aus der Beschwerdesymptomatik (auch tagsüber massive Angstzustände, schwere Schlafstörungen mit Alpträumen, insgesamt insuffiziente Durchführbarkeit der Lebensgestaltung) abgeleitet und zugrunde gelegt, dass ein objektivierbarer hoher Schweregrad eines Traumas mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten vorliegt. Bei einer solchen Diagnose begegnet ein Grad von 50 v. H. keinen Bedenken. So werden nach aktuellen versorgungsmedizinischen Grundsätzen,
48vgl. Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 i.d.F. der Ersten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 1. März 2010 und der Zweiten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 14. Juli 2010, Teil B, Gliederungspunkt 3. "Nervensystem und Psyche", 3.7 "Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen", im Internet: http://vmg.vsbinfo.de/b/3_2.htm#3.7,
49schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem Grad von 50 bis 70 v. H. eingestuft, sodass sich der hier zugrunde gelegte Grad von 50 v. H. (sogar) noch im unteren Bereich dieses Rahmens bewegt.
50Warum die Minderung der Erwerbsfähigkeit - wie von Prof. Dr. T2. behauptet - "niemals" aus der Beschwerdesymptomatik abzuleiten sein soll, erschließt sich der Kammer nicht. Vielmehr sind insbesondere bei psychischen Erkrankungen die Beschwerden des Betroffenen maßgeblicher Ausgangspunkt für die Prüfung der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Es besteht auch kein Anlass, daran zu zweifeln, dass Prof. Dr. Dr. T3. die Beschwerden des Klägers in Relation zu den Anforderungen an die Erwerbsfähigkeit gesetzt und auf diese Weise den Grad von 50 v. H. ermittelt hat.
51Aus den Ausführungen des Prof. Dr. Dr. T3. folgt schließlich, dass der Kläger jedenfalls seit seiner Antragstellung im März 2005 und somit, wie gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG vorausgesetzt, länger als sechs Monate in seiner Erwerbstätigkeit wesentlich eingeschränkt (gewesen) ist.
52II. Der Klageantrag zu 2. hat nur teilweise Erfolg.
53Die Zulässigkeit des Feststellungsantrags scheitert an dem Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO. Eine Feststellungsklage ist nämlich nicht zulässig, wenn der Kläger - wie hier - den damit verfolgten Zweck mit einer Verpflichtungsklage ebenso gut oder besser verfolgen kann oder verfolgen hätten können.
54Allerdings ist der die Heilbehandlung betreffende (insoweit erstmalig eine Beschwer enthaltene) Teil des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2008 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat nämlich einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die anfallenden Kosten für ein traumaadaptiertes Psychotherapieverfahren ab dem 24. Januar 2008, dem Tag der Zustellung des Widerspruchsbescheides, zu erstatten hat.
55Nach dem Vorstehenden steht fest, dass der Kläger einen Dienstunfall erlitten hat und daher unfallfürsorgeberechtigt ist (§ 30 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Die Unfallfürsorge umfasst nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG Heilverfahren. § 33 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG bestimmt hierzu, dass das Heilverfahren die notwendige ärztliche Behandlung umfasst. Prof. Dr. Dr. T3. hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass der Kläger weiterhin eines traumaadaptierten Psychotherapieverfahrens bedürfe, welches durch einen qualifizierten ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten angewendet werden sollte. Dabei beinhalte dieses Verfahren traumastabilisierende und traumabearbeitende Komponenten, wie z. B. kognitive, behaviorale und psychodynamische Verfahren mit supportiven und psychoedukativen Gesprächsformen. Anlass, an der Notwendigkeit einer solchen Therapie zu zweifeln, besteht nicht.
56Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Kammer übt ihr Ermessen im Sinne des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO dahingehend aus, dass der Beklagten die Kosten des Verfahrens vollständig auferlegt werden, weil der Kläger mit Blick auf die unzulässige Feststellungsklage nur geringfügig unterliegt.
57Die Entscheidung der vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11 Alt. 2, 711, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung.