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Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 9. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2008 verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 7 WHG zur Einleitung von maximal 101l/s Mischwasser aus dem RÜB F.---gasse in I. -T. in der L. Bach neu zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte und der Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils andere zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger, der X. F1. -S. , begehrt die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis zur Einleitung von Mischwasser aus dem Regenüberlaufbecken F.---gasse (Stauraumkanal) in der Gemeinde I. , Ortsteil T. , in den L. Bach. Die der Gemeinde I. als frühere Eigentümerin dieses Regenüberlaufbeckens am 4. Februar 1985 erteilte Erlaubnis war bis zum 31. Dezember 2003 befristet.
3Nachdem der Kläger durch Übernahmevertrag mit der Gemeinde I. vom 28. Dezember 2001 Eigentümer u.a. des Regenüberlaufbeckens F.---gasse geworden war, stellte er am 27. Mai 2004 Antrag auf Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis. Er gab dabei an, beabsichtigt sei die Einleitung von mechanisch grob gereinigtem Mischwasser aus der Ortskanalisation der Gemeinde I. , Ortsteil T. . Die Einleitung erfolge aus einem Sonderbauwerk. Es handele sich um ein Regenüberlaufbecken als Stauraumkanal mit oben liegender Entlastung. Das Mischwasser gelange über einen Beckenüberlauf mit natürlichem Gefälle in das oberirdische Gewässer.
4Die Beklagte lehnte den Antrag unter dem 9. Mai 2005 mit der Begründung ab, der Kläger sei nicht abwasserbeseitigungspflichtig, da an die dem Stauraumkanal vorgelagerte Ortskanalisation der Ortslage T. nur 315 Einwohner angeschlossen seien.
5Am 15. März 2005 legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung machte er geltend, dass die verbandliche Zuständigkeit nicht deshalb zu verneinen sei, weil an das Regenüberlaufbecken weniger als 500 Einwohner angeschlossen seien. Die Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 1 LWG NRW stelle nicht auf die angeschlossenen Einwohner ab, sondern darauf, für wie viele Einwohner die Anlage bemessen sei. Da nur Kläranlagen und reine Schmutzwasseranlagen überhaupt nach Einwohnergleichwerten bemessen würden, mache dieses Kriterium bei Mischwassersystemen nur bei den an deren Ende befindlichen Kläranlagen Sinn, in denen nach der dezentralen mechanischen Abwasserbehandlung die zentrale mechanisch-biologische Mischwasserbehandlung stattfinde. Vorliegend überschreite die Kläranlage H. bei einer Ausbaugröße vom 4.500 Einwohnerwerten den Einwohnergrenzwert von 500 zweifelsfrei. Die verbandliche Zuständigkeit beschränke sich auch nicht auf diese Abwasseranlagen, sondern erstrecke sich auf alle der Kläranlage vorgelagerten Abwasseranlagen, die nicht nach Einwohnerwerten bemessen würden. Der Verband müsse daher auch für solche Abwasseranlagen im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 LWG NRW sachlich zuständig sein, die im technischen Zusammenhang mit den Kläranlagen stünden. Da die Regenüberlaufbecken nicht nach Einwohnerwerten bemessen würden und in einem abwassertechnischen Zusammenhang mit der Kläranlage stünden, weil ihr Speichervolumen den Mindestabfluss des Niederschlags zur Kläranlage sicherstelle, müsse die verbandliche Zuständigkeit auch für das streitgegenständliche Regenüberlaufbecken bejaht werden. Man gehe im Ergebnis davon aus, dass dies für alle Abwasseranlagen gelte, die gereinigtes Schmutz- und Niederschlagswasser einleiten und im Verbandsgebiet liegen, sofern die einleitende Kläranlage, an welche die betreffende Anlage angeschlossen ist, für mehr als 500 Einwohner bzw. Einwohnergleichwerte bemessen sei.
6Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2008 mit der Begründung als unzulässig zurück, dass es sich bei der Verfügung vom 9. März 2005 nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe.
7Am 26. Mai 2008 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die Klage sei zulässig, weil die Verfügung vom 9. März 2005 als Verwaltungsakt zu qualifizieren sei. Im Übrigen bleibe man bei der im Widerspruchsverfahren vertretenden Auffassung. Die abwassertechnische Bemessung der Volumina von Regenüberlaufbecken in der Mischwasserkanalisation richte sich nicht nach Einwohnern oder Einwohnergleichwerten, sondern nach der statistischen Niederschlagssituation. Regenüberlaufbecken stünden auch in einem technischen Zusammenhang mit der unstreitig der Zuständigkeit des klagenden Verbandes unterfallenden Kläranlage. Auch das Ministerium sei seinerzeit von einer Zuständigkeit der Verbände für die Regenüberlaufbecken ausgegangen und habe Sonderbauwerke ohne Einwohnergrenze nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LWG NRW ausdrücklich den Wasserverbänden zugewiesen. Das Einwohnerkriterium beziehe sich auf das Kanalisationsnetz, das die Abwasseranlage im Sine des § 54 Abs. 1 LWG NRW sei.
8Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2008 zu verpflichten, der Klägerin die Erlaubnis gem. § 7 WHG zur Einleitung von maximal 101 l/s aus dem Regenüberlaufbecken F.---gasse in I. -T. in der L. Bach zu erteilen,
10hilfsweise
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2008 zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 7 WHG zur Einleitung von maximal 101l/s Mischwasser aus dem Regenüberlaufbecken F.---gasse in I. -T. in der L. Bach neu zu bescheiden.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Auffassung, es handele sich bei dem Bescheid vom 9. März 2005 nicht um einen Verwaltungsakt, werde nicht mehr vertreten. In der Sache gehe man jedoch weiter davon aus, dass der Kläger für die Einleitung des Mischwassers vorliegend nicht zuständig sei, weil die Abwasseranlage nicht für mehr als 500 Einwohner bemessen sei. Die Größe von Regenüberlaufbecken korreliere jedenfalls auch mit der angeschlossenen Einwohnerzahl, so dass das Einwohnerkriterium nicht sinnlos sei. Dass Mischwasserkanalisationen dem Einwohnerkriterium unterfielen, ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LWG NRW spreche zudem ausdrücklich von den einzelnen Abwasserbehandlungsanlagen, so dass auch nicht die Gesamtkanalisation gemeint sein könne. Im Übrigen handele es sich bei dem vorliegenden Stauraumkanal um eine in erster Linie der Abwasserbehandlung und nicht zielgerichtet der Rückhaltung dienende Anlage, so dass § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LWG NRW nicht anwendbar sei. Diese sei ausdrücklich als Abwasserbehandlungsanlage genehmigt worden. Ungeachtet dessen gelte die Einwohnergrenze auch für Rückhaltebauwerke. Dies entspreche der Konzeption des Gesetzes. Danach solle der Verband nur für überregional bedeutsame Abwasserbeseitigung zuständig sein, während für die regionale Abwasserbeseitigung die Gemeinde zuständig bleibe.
15Hinsichtlich des Ergebnisses des Erörterungstermins wird auf das Protokoll der nicht öffentlichen Sitzung vom 24. Februar 2010 verwiesen.
16Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
19Die Klage ist teilweise begründet.
20Der Kläger hat Anspruch auf die Neubescheidung seines Antrags vom 27. Mai 2004 auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis zur Einleitung von Mischwasser aus dem Regenüberlaufbecken F.---gasse in den L. Bach. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 9. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 und 5 Satz 2 VwGO.
21Soweit die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihr die beantragte Erlaubnis nach § 7 WHG zu erteilen, war die Klage jedoch mangels Spruchreife abzuweisen, vgl. § 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO.
22Nach § 2 Abs. 1 WHG bedarf die Benutzung eines Gewässers der behördlichen Erlaubnis nach § 7 WHG, soweit sich nicht aus den Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes oder aus den im Rahmen dieses Gesetzes erlassenen landesrechtlichen Bestimmungen etwas anderes ergibt. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 WHG ist unter anderem das Einbringen und Einleiten von Stoffen in oberirdische Gewässer eine Benutzung im Sinne des WHG. Die Erlaubnis gewährt die widerrufliche Befugnis, ein Gewässer zu benutzen, sie kann befristet erteilt werden, vgl. § 7 Abs. 1 WHG. Die Erlaubnis ist nach § 6 Abs. 1 WHG zu versagen, soweit der beabsichtigten Benutzung eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung, zu erwarten ist, die nicht durch Auflagen oder durch Maßnahmen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verhütet oder ausgeglichen wird.
23Die beabsichtigte Einleitung mechanisch grob gereinigten Mischwassers aus dem Regenüberlaufbecken F.---gasse in den L. Bach ist als Einleiten von Stoffen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 4 WHG erlaubnispflichtig. Die Beklagten ist jedenfalls aufgrund der Übergangsregelungen der §§ 8 Satz 2, 6 Abs. 3 ZustVU NRW weiter sachlich zuständig.
24Die Erteilung der Erlaubnis durfte nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der Kläger benutze das Gewässer nicht. Der Kläger ist Benutzer des Gewässers, weil er für das eingeleitete Abwasser abwasserbeseitigungspflichtig ist.
25Die Abwasserbeseitigungspflicht des Klägers beruht auf § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LWG NRW.
26Abwasser ist gemäß § 18a Abs. 1 WHG so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Abwasserbeseitigung im Sinne des WHG umfasst nach der Legaldefinition des § 18a Abs. 1 Satz 3 WHG das Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln von Abwasser sowie das Entwässern von Klärschlamm im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung. Nach § 18a Abs. 2 WHG regeln die Länder, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Abwasserbeseitigung verpflichtet sind und die Voraussetzungen, unter denen anderen die Abwasserbeseitigung obliegt.
27Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 LWG NRW haben grundsätzlich die Gemeinden das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen. Die Verpflichtung der Gemeinden umfasst dabei gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 LWG NRW insbesondere das Sammeln und das Fortleiten des auf Grundstücken des Gemeindegebiets anfallenden Abwassers (Nr. 2), das Behandeln und die Einleitung des nach Nr. 2 übernommenen Abwassers, die die Aufbereitung des durch die Abwasserbehandlung anfallenden Klärschlamms für seine ordnungsgemäße Verwertung und Beseitigung (Nr.3) sowie die Errichtung und den Betrieb, die Erweiterung oder die Anpassung der für die Abwasserbeseitigung nach den Nummern 2 und 3 notwendigen Anlagen an die Anforderungen des § 18b WHG und § 57 LWG NRW (Nr. 4).
28Davon abweichend obliegt nach § 54 Abs. 1 Satz 1 LWG NRW im Gebiet eines Abwasserverbandes für Abwasseranlagen, die für mehr als 500 Einwohner bemessen sind, dem Verband die Übernahme (d.h. das Sammeln und Fortleiten, vgl. § 53 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LWG NRW), die Behandlung und die Einleitung von Schmutzwasser oder mit Niederschlag vermischtem Schmutzwasser (Nr. 1) und die Rückhaltung von Abwasser aus öffentlichen Kanalisationen in dazu bestimmten Sonderbauwerken, sofern das Abwasser vom Verband gemäß Nr. 1 zu behandeln ist (Nr. 2).
29Der Gesetzgeber unterscheidet bei der Zuständigkeitsverteilung der §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 LWG NRW zwischen der Abwasserbeseitigung im engeren Sinne und derjenigen im weiteren Sinne. Dem Sammeln und Fortleiten des anfallenden Abwassers (Abwasserbeseitigung im engeren Sinne) misst er nach wie vor - mit der Bestimmung des Einwohnergrenzwertes in § 54 Abs. 1 Satz 1 LWG NRW - eher örtliche Bezüge zu; es ist durch die Lage der Baugebiete auch stärker ortsbedingt als die Errichtung einer Kläranlage, deren Standort unter Berücksichtigung der topographischen und hydrologischen Verhältnisse in bestimmten Grenzen - ausgewählt und insbesondere auch außerhalb des jeweiligen Gemeindegebiets geplant und errichtet werden kann. Für die umweltrelevanten Folgen sind jedoch die Behandlung des Abwassers in der Kläranlage und die (im Anschluss daran erfolgende) Einleitung (Abwasserbeseitigung im weiteren Sinne) von maßgebender Bedeutung und weniger das Sammeln und Fortleiten des Abwassers. Wegen der weitgehenden technischen Abhängigkeit der Rückhalteanlagen von den nachgeschalteten Kläranlage hat der Gesetzgeber (vertretbar) auch diese Aufgabe den Wasserverbänden zugeordnet.
30Vgl. NRWVerfGH, Urteil vom 17. Dezember 1990 - VerfGH 2/90 -, NVwZ 1991, 467ff.
31Vorliegend ist die Einleitung des überlaufenden Mischwassers aus dem Stauraumkanal F.---gasse in den L. Bach untrennbar mit der Rückhaltung von Abwasser in einem dazu bestimmten Sonderbauwerk verbunden ist. Das Abwasser aus dem Rückhaltebauwerk ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LWG NRW in der für 4.500 Einwohnerwerte bemessenen Kläranlage H. zu behandeln, so dass die Abwasserbeseitigungspflicht auch insoweit dem klagenden Abwasserverband obliegt.
32Ohne Belang ist, dass in das Bauwerk nur das Abwasser von 315 Einwohnern des Ortsteils T. zufließt.
33Das Gericht teilt allerdings nicht die Auffassung des Klägers, der in § 54 Abs. 1 Satz 1 LWG NRW verwandte Begriff der Abwasseranlage umfasse - jedenfalls bei nicht nur anhand von Einwohnerwerten bemessenen Mischwasserkanalisationen - das vor eine Kläranlage vorgeschaltete Kanalisationsnetz in seiner Gesamtheit und die Einwohnergrenze beziehe sich daher allein auf die Bemessung der am Ende befindlichen Kläranlage. Diese Auslegung steht schon mit dem Wortlaut der Vorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 1 LWG NRW nicht in Einklang.
34Die Vorschrift spricht ausdrücklich von Abwasseranlagen und damit erkennbar nicht von einer Anlagengesamtheit, sondern von einer Anlagenvielzahl. Die Vom Kläger favorisierte Auslegung wird auch der in der Legaldefinition des § 18a Abs. 1 Satz 3 WHG vorgenommenen und in §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 LWG NRW aufgegriffenen Aufspaltung der Abwasserbeseitigung in verschiedene Teilschritte nicht gerecht.
35Insbesondere widerspräche sie jedoch der oben dargelegten gesetzgeberischen Intention, die Zuständigkeit für diejenigen Abwasserbeseitigungsschritte, die nur örtlichen Bezug und örtliche Auswirkungen haben, bei den Gemeinden zu belassen. Die vom Kläger vertretene Auffassung hätte für den Anwendungsbereich des § 54 Abs. 1 Nr. 1 LWG NRW nämlich zur Folge, dass die Wasserverbände für jeden Teilschritt des Sammelns, Fortleitens, Behandelns und Einleitens des Abwassers in ihrem Gebiet zuständig wären, wenn die Kläranlage - was häufig der Fall sein dürfte - für mehr als 500 Einwohner dimensioniert ist. In einem solchen Fall verbliebe auch bei erkennbar nur örtlichem Bezug der Einzelanlage bei den Gemeinden keine Restzuständigkeit, die Zuständigkeitsverlagerung auf den Abwasserverband wäre dann entgegen der gesetzlichen Zielsetzung umfassend.
36Der Begriff der Abwasseranlage in § 54 Abs. 1 Satz 1 LWG NRW erfasst daher die einzelnen Teilanlagen, die erst in ihrer Gesamtheit das Kanalisationsnetz ausmachen und nicht das Kanalisationsnetz als solches.
37Für § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LWG NRW ist aus den oben genannten Gründen der - den Nummern 1 und 2 vorangestellte - Einwohnergrenzwert des § 54 Abs. 1 Satz 1 LWG NRW auch auf diese einem Abwasserbeseitigungsteilschritt dienende Einzelanlage zu beziehen und grundsätzlich aus dem Blickwinkel der dieser Anlage vorgeschalteten Einwohner bzw. Einwohnergrenzwerte zu ermitteln. Dies gilt sowohl für die Beseitigung reinen Schmutzwassers als auch für die Beseitigung von Mischwasser, die - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - von der Vorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LWG NRW gleichgestellt werden. Von dieser Vorschrift dürften im Übrigen auch nur solche Abwasserbeseitigungsanlagen erfasst sein, die sich - wie die Kläranlage - jedenfalls auch anhand des Einwohnerwertes bemessen.
38Etwas anderes gilt allerdings für § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LWG NRW. Das für die Verlagerung der Abwasserbeseitigungspflicht auf den X. maßgebliche Kriterium bei der Rückhaltung des Abwassers ist nämlich, ob das Abwasser in eine Abwasserbehandlungsanlage abfließt, die wegen der Überschreitung des Einwohnergrenzwerts in die Zuständigkeit des Wasserverbandes fällt, vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a. E. LWG NRW. Nichts anderes kann jedoch auch für die Anbindung des vorangestellten Einwohnergrenzwerts gelten, die bei der Rückhaltung sinnvoll nur an die nachgeschaltete Abwasserbehandlungsanlage erfolgen kann. Würde nämlich der den § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 LWG NRW vorangestellte Einwohnergrenzwert an die Rückhaltesonderbauwerke angebunden, liefe der Regelungsgehalt des letzten Teilsatzes des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LWG NRW leer. Das Abwasser aus einem Entlastungsbauwerk, dem bereits mehr 500 Einwohner "vorgeschaltet" sind, wird nämlich schon aus diesem Grunde zwingend auch in einer für mehr als 500 Einwohner dimensionierten Kläranlage behandelt.
39Die Anbindung des Einwohnergrenzwerts an die Kläranlage und deren Bemessung entspricht auch dem engen technischen Zusammenhang des Rückhaltebauwerks und seiner Funktion mit der Leistungsfähigkeit der Kläranlage, der auch den gesetzgeberischen Grund für die Sonderregelung für Rückhaltebauwerke darstellte. Die Rückhaltung dient der (gesteuerten) Entlastung der Kläranlage bei Regenereignissen, indem der (Regen)Spülstoß in seinem Abfluss jeweils in den einzelnen Sonderbauwerken so gedrosselt wird, dass die Kläranlage in ihrer Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigt wird. Der Stauraumkanal F.---gasse ist auch ein der Rückhaltung von Abwasser dienendes Sonderbauwerk im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LWG NRW. Zu den Sonderbauwerken zur Rückhaltung von Abwasser gehören Regenüberlaufbecken und Stauraumkanäle.
40Vgl. Queitsch, in: Queitsch/Koll-Sarfeld/Wallbaum, Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand Oktober 2009, § 54, Rn. 5.
41Regenüberlaufbecken sind Entlastungsbauwerke für Mischsysteme mit vorgeschaltetem Speichervolumen, bestehend aus Ablauf zur Kläranlage und Überlauf zu einem Gewässer. Regenüberlaufbecken werden als Fangbecken, Durchlaufbecken, Verbundbecken oder als Stauraumkanal errichtet.
42Vgl. Richtlinien der Abwassertechnischen Vereinigung e.V. für die Bemessung und Gestaltung von Regenentlastungsanlagen in Mischwasserkanälen, Ziff. 4.3.2 ff.; www.wasser-wissen.de/abwasserlexikon.
43Stauraumkanäle unterscheiden sich von Fangbecken, Durchlaufbecken und Verbundbecken nur durch ihre Lage. Fang-, Durchlauf- und Verbundbecken sind "neben" der Kanalstrecke angeordnet, während das Entlastungsbauwerk beim Stauraumkanal in die Kanalstrecke integriert ist. Stauraumkanäle mit oben liegender Entlastung wirken funktional wie Fangbecken im Hauptschluss, Stauraumkanäle mit unten liegender Entlastung wie Durchlaufbecken im Hauptschluss ohne Beckenüberlauf.
44Vgl. Richtlinien der Abwassertechnischen Vereinigung e.V. für die Bemessung und Gestaltung von Regenentlastungsanlagen in Mischwasserkanälen, Ziff. 4.3.2.4.
45Unerheblich ist, dass Stauraumkanäle - wie der Beklagte zu Recht vorträgt - nicht ausschließlich der Rückhaltung von Abwasser, sondern auch (oder sogar in erster Linie) der mechanischen Abwasserbehandlung dienen.
46Die Zielrichtungen Rückhaltung und Abwasserbehandlung schließen sich nicht aus, sondern werden bei allen Formen des Regenüberlaufbeckens idealerweise nebeneinander erreicht. Auch Regenüberlaufbecken in Form des Durchlaufbeckens (und des Verbundbeckens als Kombination aus Fang- und Durchlaufbecken) zielen ausdrücklich auf eine mit der eigentlichen Rückhaltung verbundene mechanische Klärung des Mischwasser ab und stellen eine Kombination aus Speicher und Absetzbecken mit Überlauf dar.
47Vgl. Richtlinien der Abwassertechnischen Vereinigung e.V. für die Bemessung und Gestaltung von Regenentlastungsanlagen in Mischwasserkanälen, Ziff. 4.3.2.2 und 4.3.2.3.
48Da die in § 18a Abs.1 Satz 3 WHG auch nicht gesondert erwähnte Rückhaltung von Abwasser im Regelfall auch Abwasserbehandlung ist,
49vgl. Queitsch, in: Queitsch/Koll-Sarfeld/Wallbaum, Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand Oktober 2009, § 54, Rn. 5, der die Regenüberlaufbecken und Stauraumkanäle ausdrücklich als Abwasserbehandlungsanlagen qualifiziert,
50ist für eine Herausnahme derjenigen Rückhaltesonderbauwerke, die auch der Abwasserbehandlung dienen, aus dem Anwendungsbereich des § 54 Abs. 1 Satz 1 LWG NRW kein Raum.
51Nach alledem kann der Kläger die Neubescheidung seines Antrags auf Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 7 WHG verlangen.
52Mangels Spruchreife bleibt die Klage mit ihrem Verpflichtungsantrag ohne Erfolg.
53Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO.
54Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.