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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Ordnungsverfügung der Beklagten vom 10. Februar 2009, die der Klägerin das Ausstellen der von ihr produzierten Feuerwehrstiefeln untersagt und aufgibt, die seit dem 01. Januar 2003 bis 10. Februar 2009 in Verkehr gebrachten Feuerwehrstiefel der Typen Profi Plus, Profi, Ultra, Spark und 865U zurückzurufen sowie ihre unschädliche Beseitigung durchzuführen oder zu veranlassen.
3Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
4Die Klägerin ist ein Unternehmen, das seit mehr als 125 Jahren Schuhe produziert, darunter seit mehr als 40 Jahren auch Feuerwehrstiefel. Am 01. Mai 2001 übernahm der Geschäftsführer O. I. den Betrieb der Klägerin. Zum Zeitpunkt der Übernahme war die Klägerin im Besitz einer vom TÜV Köln als Zertifizierungsstelle am 08. März 2000 ausgestellten Baumusterprüfbescheinigung, die sämtliche damals von ihr hergestellten Feuerwehrstiefel beinhaltete. Der Verkauf der von ihr produzierten Feuerwehrstiefel erfolgt ausschließlich im Direktvertrieb ab Werk.
5Aufgrund einer Anzeige des Landesamtes für Verbraucherschutz Halle vom 13. Juli 2005, der ein Prüfbericht des TÜV Rheinland, Leipzig, vom 11. Juli 2005 für ein Paar Feuerwehrstiefel des Modells Ultra beigefügt war, erhielt die Beklagte erstmals Kenntnis über Mängel an Feuerwehrstiefeln, die von der Klägerin hergestellt und vertrieben worden waren, und zwar hinsichtlich der Antistatik, Reißkraft der Laufsohle und Kennzeichnung.
6Im Hinblick auf dieses Prüfergebnis fand ein Gespräch zwischen einem Vertreter der Beklagten und dem Geschäftsführer sowie dem Vertriebsleiter der Klägerin statt, in dem vereinbart wurde, dass die Klägerin drei Paar Feuerwehrstiefel des Modells Ultra beim Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens e. V. (im Folgenden: PFI) testen lasse.
7Im Laufe des weiteren Verwaltungsverfahrens stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin das ihr vom TÜV Köln ausgestellte Zertifikat vom 8. März 2000 zum 31. Dezember 2002 gekündigt hatte.
8Nach dem Hinweis der Beklagten an die Klägerin, sie produziere seit dem 01. Januar 2003 ohne im Besitz der erforderlichen EG-Baumusterprüfungbescheinigungen zu sein, kündigte die Klägerin an, ihre Feuerwehrstiefel beim Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens e.V. neu zertifizieren zu lassen.
9Unter dem 28. April 2006 stellte das Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens e. V. der Klägerin eine bis zum 25. April 2007 befristete EG-Baumusterprüfbescheinigung von Sicherheitsschuhen nach Art. 10 der Richtlinie 89/686/EWG für die von ihr produzierten Modelle Profi Plus, Profi, Ultra, Spark und 865U mit dem Zusatz aus: "Teilprüfung Boden erfüllt".
10Im Jahre 2006 gingen bei der Beklagten vier weitere TÜV-Berichte ein, die von unterschiedlichen Konkurrenzunternehmen der Klägerin in Auftrag gegeben worden waren und übereinstimmend bei den geprüften Stiefeln eine fehlende Antistatik in Verbindung mit einer fehlerhaften Kennzeichnung, eine mangelhafte Haftfestigkeit der Laufsohle zum Schaft, eine zu geringe Höhe des Steilfrontabsatzes und einen zu geringen Abriebwiderstand der Laufsohle bemängelten.
11Die befristet ausgestellte EG-Baumusterprüfbescheinigung erklärte das auch mit der Qualitätssicherung nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG beauftragte Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens e. V. mit Schreiben vom 12. Januar 2007 für ungültig, nachdem Überprüfungen im laufenden Produktionsprozess Abweichungen von den geforderten Mindestanforderungen hinsichtlich antistatischer Eigenschaften, Höhe des Steilfrontabsatzes und Trennkraft der Sohle ergeben hatten.
12Das Zertifikat war zum 21. März 2007 für die Restlaufzeit bis zum 25. April 2007 wieder aktiviert worden.
13Mit bestandskräftiger Ordnungsverfügung vom 12. Februar 2007 untersagte die Beklagte der Klägerin wegen des fehlenden CE-Zertifikats unter Androhung eines Zwangsgeldes mit sofortiger Wirkung das Inverkehrbringen der Feuerwehrstiefel des Typs Profi Plus, Profi, Ultra, Spark und 865U. Ferner gab sie der Klägerin auf, bis spätestens 26. Februar 2007 Auskunft über Typ, Anzahl und jeweilige Käufer aller seit dem 28. April 2006 hergestellten und in Verkehr gebrachten Feuerwehrstiefel der genannten Typen zu erteilen.
14Nach Erlass der Ordnungsverfügung vom 12. Februar 2007 wechselte die Klägerin das Prüfinstitut. Mit der Baumusterprüfung sowie der anschließenden Prüfung der Qualitätssicherung nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG beauftragte sie das Centre Technique Cuir Chaussure Maroquinerie (im Folgenden: CTC) in Lyon. Dieses Institut stellte der Klägerin mit Datum vom 25. Juli 2007, 2., 3. und 29. August 2007 EG-Baumusterprüfbescheinigungen für die von ihr produzierten Feuerwehrstiefel Profi Plus, Profi, 865U, Spark und Ultra aus.
15Nachdem die Beklagte Kenntnis von einer Neuzertifizierung der von der Klägerin produzierten Feuerwehrstiefel erhalten hatte, setzte sie sich mit dem CTC in Verbindung, das in zwei Antwortschreiben vom 28. Mai 2008 und 03. Juli 2008 mitteilte, es sei im Laufe des Prüfverfahrens zu verschiedenen Beanstandungen, u.a. im Zusammenhang mit der Entflammbarkeit von Schnürsenkeln gekommen; die Mängel seien bisher nicht abgestellt worden. Es sei davon abgesehen worden, die zuständigen Behörden zu informieren, weil der Klägerin eine Bescheinigung über die Qualitätssicherung nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG noch nicht erteilt worden sei. Falls allerdings bei den am 11. Juli 2008 nochmals entnommenen Proben sich erneut Mängel zeigten, würden die EG-Baumusterprüfbescheinigungen nach Art. 10 der Richtlinie 89/686/EWG zurückgezogen.
16In der Folgezeit erhielt die Beklagte Kenntnis von Prüfberichten des TÜV Rheinland vom 05. Februar 2008 und des PFI vom 04. Juli 2008. Diese zeigten Mängel bezüglich der untersuchten Feuerwehrstiefel des Modells Profi Plus auf. Auftraggeber der Untersuchungen waren Konkurrenzunternehmen der Klägerin.
17Mit Ordnungsverfügung vom 7. August 2008 untersagte die Beklagte der Klägerin mit sofortiger Wirkung das Inverkehrbringen der Feuerwehrstiefel des Typs Profi Plus, Profi, Ultra und Spark bis die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen erfüllt seien und die zugelassene Stelle im Rahmen der Qualitätssicherung die Mängelfreiheit bestätige. Des Weiteren gab die Beklagte der Klägerin auf, bis spätestens zwei Wochen nach Zustellung der Ordnungsverfügung alle Käufer von Feuerwehrstiefeln, die durch das CTC zertifiziert worden seien, über die Gefahren zu informieren. Die Information müsse schriftlich erfolgen und die aufgeführten Mängel beinhalten. Ferner müsse den Käufern mitgeteilt werden, dass die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen der Feuerwehrstiefel seit der Zertifizierung durch das CTC nicht gegeben gewesen seien und die Bescheinigung für die Qualitätssicherung nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG von der CTC noch nicht ausgestellt worden sei.
18Die Klägerin hatte gegen diese Ordnungsverfügung Klage (3 K 1729/08) erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hatte die Kammer durch Beschluss vom 20. November 2008 - 3 L 383/08 - abgelehnt. Die Klage hatte die Kammer mit Urteil vom 10. März 2009 mit der Begründung abgewiesen, es bestehe ein begründeter Verdacht im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 des Geräte- und Produktsicherungsgesetzes (GPSG), dass die von der Klägerin produzierten Feuerwehrstiefel nicht den Anforderungen des § 4 GPSG entsprächen, weil eine Vielzahl von Gutachten unterschiedlicher Prüfinstitute bei den Feuerwehrstiefeln gravierende sicherheitsrelevante Mängel beanstandet hätten, für identische Stiefel zwei verschiedene Baumusterprüfbescheinigungen existierten und die Klägerin anstatt die Mängel abzustellen kostenträchtige neue Zertifizierung ihrer Produkte im Ausland durchführen lasse.
19Den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hatte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 25. März 2010 - 8 A 935/09 - abgelehnt.
20Mit weiterer - hier streitgegenständlicher - Ordnungsverfügung vom 10. Februar 2009 untersagte die Beklagte der Klägerin, die von ihr produzierten Feuerwehrstiefel der Typen Profi Plus, Profi, Ultra Spark und 865U auszustellen, sofern diese nicht mit dem Warnhinweis versehen sind, dass dieses Produkt aus sicherheitstechnischen und formalen Gründen erst in den Verkehr gebracht werden darf, wenn die Übereinstimmung mit dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz hergestellt ist (Ziffer I). Des Weiteren gab die Beklagte der Klägerin auf, alle seit dem 01. Januar 2003 bis zum 10. Februar 2009 in den Verkehr gebrachten Feuerwehrstiefel der Typen Profi Plus, Prof, Ultra, Spark und 865 U in bestimmter Weise zurückzurufen und ihre unschädliche Beseitigung durchzuführen oder zu veranlassen (Ziffer II a - c). Ferner ordnete sie in Ziffer III a und b an, eine Liste mit Namen und Anschriften aller Kunden und Zwischenhändler, die seit dem 01. Januar 2003 bis 10. Februar 2009 beliefert worden seien, sowie Kopien der Informationsschreiben für die Kunden, Bekanntmachungen und Zeitungsannoncen vorzulegen und - schließlich in Ziffer IV a und b - Auskunft über Typ und Anzahl der ausgelieferten und zurückgenommenen Feuerwehrstiefel und den Verbleib bzw. die Beseitigung der zurückgenommenen Feuerwehrstiefel zu geben. Für den Fall der Nichterfüllung der auferlegten Pflichten drohte die Beklagte der Klägerin Zwangsgelder in Höhe von 25.000,-- bzw. 50.000,-EUR an.
21Zur Begründung führte sie aus, für die in dem Zeitraum 01. Januar 2003 bis 10. Februar 2009 von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Feuerwehrstiefel bestehe der begründete Verdacht, dass sie nicht den Anforderungen nach § 4 GPSG entsprächen. Im Zeitraum 01. Januar 2003 bis 27. April 2006 seien die Feuerwehrstiefel ohne gültiges Zertifikat und ohne die vorgeschriebene Qualitätssicherung in Verkehr gebracht worden. Das vom PFI am 28. April 2006 befristet bis zum 25. April 2007 ausgestellte Zertifikat sei zeitweise ausgesetzt und schließlich nicht verlängert worden, nachdem das Institut im Rahmen der Qualitätssicherung Mängel bei den antistatischen Eigenschaften und der Steilfrontabsatzhöhe festgestellt hatte. Für die Monate Mai und Juni 2007 habe die Klägerin über keinerlei gültiges Zertifikat verfügt. Das mit der Zertifizierung und Qualitätssicherung beauftragte CTC habe zwar EG-Prüfbescheinigungen ausgestellt, aber keinen Bericht über die Qualitätssicherung ausgestellt, weil im Rahmen von Probenahmen wiederholt Abweichungen von den Mindestanforderungen festgestellt worden waren. Durch eine Vielzahl von Prüfinstituten seien immer wieder gravierende sicherheitstechnische Mängel an den von der Klägerin produzierten Stiefeln festgestellt worden.
22Die Klägerin hat am 10. März 2009 Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat die Kammer mit Beschluss vom 18. Mai 2009 - 3 L 113/09 - abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 04. August 2009 - 8 B 785/09 - verworfen.
23Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, sie verfüge zwischenzeitlich über ein Zertifikat für die von ihr hergestellten Feuerwehrstiefel des Prüfinstituts Intertek vom 06. Februar 2009, das die Konformität und Mängelfreiheit der Stiefel bestätige. Der Prüfbericht über die Qualitätssicherung der TNO Quality Services BV (im Folgenden: TNO) vom 27. Februar 2009 bestätige, dass die von ihr produzierten Feuerwehrstiefel den einschlägigen Sicherheitsnormen entsprächen. Die von der Beklagten in Bezug genommenen Gutachten des PFI vom 04. Juli 2008 seien ebenso wie der Prüfbericht des TÜV Rheinland vom 20. Februar 2008 von ihrem Hauptkonkurrenten in Auftrag gegeben; Manipulationen an den Stiefeln könnten daher nicht ausgeschlossen werden. Die Prüfberichte des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (BGIA) vom 14. Oktober, 05. November und 19. November 2008 seien aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen zu beanstanden. Insoweit hält die Klägerin an ihren Einwendungen gegen die Richtigkeit und Verwertbarkeit der gutachterlichen Feststellungen fest, die sie im inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahren - 3 K 1729/08 - vorgetragen hatte.
24Die Klägerin beantragt,
25die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 10. Februar 2009 aufzuheben.
26Die Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Ausführungen in der angefochtenen Ordnungsverfügung. Ergänzend führt sie aus, durch das neue Zertifikat der Intertek vom 06. Februar 2009 werde lediglich nachgewiesen, dass das Baumuster den einschlägigen Normen entspreche. Nicht erfolgt sei aber der zusätzlich erforderliche Nachweis der Qualitätssicherung nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG, welcher insbesondere festgestellte Abweichungen im laufenden Produktionsprozess widerlegen sollte. Der von der TNO am 27. Februar 2009 ausgestellte Qualitätssicherheitsnachweis beziehe sich ausdrücklich auf den Prüfungszeitraum Januar/Februar 2009 und verhalte sich nicht zu der seinerzeit von der CTC beanstandete Rutschhemmung. Da die Proben nach Angaben der Klägerin nicht durch die TNO, sondern durch die CTC aus dem laufenden Produktionsprozess entnommen worden seien, könne sich der Qualitätssicherheitsnachweis zudem nur auf eine Übereinstimmung mit dem von der CTC im Juli/August 2007 zertifizierten Baumuster beziehen, nicht aber auf das von der Intertek mit Datum vom 09. Februar 2009 ausgestellte EG-Zertifikat. Die von der Klägerin erhobenen Rügen betreffend die Richtigkeit und Verwertbarkeit der Feststellungen der Gutachter des BGIA seien im Klageverfahren - 3 K 1729/08 - nach Anhörung der Gutachter und Inaugenscheinnahme der geprüften Stiefel allesamt entkräftet worden. Bei den von den Konkurrenten der Klägerin in Auftrag gegebenen Überprüfungen von Feuerwehrstiefeln seien dieselben Mängel festgestellt worden, die schon früher von der CTC, dem TÜV Rheinland Leipzig, der PFI und der österreichischen Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt beanstandet worden seien.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens, der Verfahren - 3 K 1729/08 - und - 3 L 113/09 - sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
30Entscheidungsgründe:
31Die zulässige Klage ist unbegründet.
32Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 10. Februar 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
331. Rechtliche Grundlage für Ziffer I der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 10. Februar 2009, wonach die Klägerin die betreffenden Feuerwehrstiefel nur dann ausstellen darf, wenn sie einen bestimmten Warnhinweis anbringt, ist die Vorschrift des § 8 Abs. 4 Nr. 1 des Gesetzes über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (Geräte- und Produktsicherheitsgesetz - GPSG -). Danach kann die zuständige Behörde, wenn sie den begründeten Verdacht hat, dass ein Produkt nicht den Anforderungen nach § 4 GPSG entspricht, das Ausstellen eines Produkts untersagen bzw. einschränken, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 GPSG nicht erfüllt sind. Insbesondere darf ein Produkt, das den Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 oder 2 nicht entspricht, nur dann ausgestellt werden, wenn ein sichtbares Schild darauf hinweist, dass es diese Voraussetzungen nicht erfüllt und erst erworben werden kann, wenn die entsprechende Übereinstimmung hergestellt ist.
34Gemäß § 4 GPSG darf ein Produkt, soweit es einer Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 1 GPSG unterfällt, nur in Verkehr gebracht werden, wenn es den dort vorgesehenen Anforderungen an Sicherheit und Gesundheit und sonstigen Voraussetzungen für sein Inverkehrbringen entspricht und Sicherheit und Gesundheit der Verwender oder Dritter oder sonstige in den Rechtsverordnungen nach § 3 Abs. 1 GPSG aufgeführte Rechtsgüter bei bestimmungsgemäßer Verwendung oder vorhersehbarer Fehlanwendung nicht gefährdet werden.
35Die Feuerwehrstiefel sind Produkte im Sinne der vorgenannten Vorschriften. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 GPSG sind Produkte unter anderem technische Arbeitsmittel. Zu diesen gehören gemäß § 2 Abs. 2 GPSG sogenannte Schutzausrüstungen, die nicht Teil einer Arbeitseinrichtung sind. Feuerwehrstiefel sind als Schutzausrüstung für Feuerwehrleute Produkte, die damit vom Anwendungsbereich des Geräte- und Produktsicherungsgesetzes erfasst werden.
36Die Feuerwehrstiefel sind auch Produkte, die einer Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 1 GPSG unterfallen. Der Verordnungsgeber hat von der Ermächtigung in dieser Vorschrift Gebrauch gemacht und die Verordnung über das Inverkehrbringen von persönlichen Schutzausrüstungen (8. GPSGV) erlassen. Nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 2 der 8. GPSGV sind persönliche Schutzausrüstungen Vorrichtungen und Mittel, die zur Abwehr und Minderung von Gefahren für Sicherheit und Gesundheit einer Person bestimmt sind und von dieser am Körper oder an Körperteilen gehalten oder getragen werden. Feuerwehrstiefel sind danach unzweifelhaft persönliche Schutzausrüstungen im Sinne von § 1 Abs. 2 der 8.GPSGV und unterfallen damit dem Anwendungsbereich der 8. GPSG.
37Im vorliegenden Fall liegen hinreichende Verdachtsmomente im Sinne von § 8 Abs. 4 Nr. 1 GPSG dafür vor, dass die von der Klägerin produzierten Feuerwehrstiefel nicht den in der 8. GPSGV vorgesehenen Anforderungen an Sicherheit und Gesundheit und den sonstigen Voraussetzungen für ihr Inverkehrbringen entsprechen und die Sicherheit und Gesundheit der Verwender oder Dritter oder sonstige in den Rechtsverordnungen nach § 3 Abs. 1 GPSG aufgeführte Rechtsgüter bei bestimmungsgemäßer Verwendung oder vorhersehbarer Fehlanwendung gefährden werden.
38Die Sicherheitsanforderungen an Gegenstände persönlicher Schutzausrüstung ergeben sich aus § 2 der 8. GPSGV. Danach dürfen persönliche Schutzausrüstungen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie den grundlegenden Anforderungen für Gesundheitsschutz und Sicherheit des Anhangs II der Richtlinie 89/686/EWG entsprechen und bei bestimmungsgemäßer Benutzung und angemessener Wartung Leben und Gesundheit der Benutzer schützen, ohne die Gesundheit oder Sicherheit von anderen Personen und die Sicherheit von Haustieren und Gütern zu gefährden.
39Wie die Kammer im Beschluss vom 20. November 2008 - 3 L 383/08 - sowie im inzwischen rechtskräftigen Urteil vom 10. März 2009 - 3 K 1729/08 - und das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 25. März 2010 - 8 A 935/09 - im einzelnen ausgeführt haben, haben sowohl die von der Klägerin im Rahmen der Qualitätssicherung beauftragten Stellen als auch das im weiteren Verfahren von der Beklagten mit der Prüfung von 12 Paar Feuerwehrstiefeln aus diversen Produktionsreihen beauftragte BGIA hinsichtlich unterschiedlicher Parameter Normabweichungen festgestellt, die nach der Risikobewertung der Prüfstellen zu Gesundheitsgefahren der Benutzer führen und hinreichende Verdachtsmomente dafür liefern, dass es im laufenden Produktionsprozess der Klägerin immer wieder zu Normabweichungen kommt. Nach den dem Gericht vorliegenden Prüfberichten des BGIA vom 22. Oktober 2008, 05. und 21. November 2008 hatte keiner der geprüften Stiefel alle Sicherheitsanforderungen erfüllt. Die Richtigkeit und Verwertbarkeit der gutachterlichen Feststellungen hat die Klägerin nicht erfolgreich in Frage stellen können. Die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Verfahrens- und Prüffehler sind identisch mit denjenigen, die sie im rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahren - 3 K 1729/08 - geltend gemacht hat. Diese Einwendungen und Behauptungen wurden nach Anhörung und Stellungnahme der Prüfer des BGIA sowie Inaugenscheinnahme der geprüften Stiefel im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. März 2009 entweder von der Klägerin ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten oder werden - wie im Urteil vom 10. März 2009 dargelegt - vom Gericht als widerlegt bewertet.
40Diese Risikoeinschätzung wird weder durch die von der Klägerin selbst eingeholten, nur einzelne Parameter betreffenden Prüfergebnisse der SATRA noch durch die neuen EG-Baumusterprüfbescheinigungen der Intertek vom 06. Februar 2009 oder den Nachweis der Qualitätssicherung durch die TNO vom 27. Februar 2009 vollständig entkräftet und ausgeräumt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Urteil der Kammer vom 10. März 2009 - 3 K 1729/08 - verwiesen. Ergänzend ist lediglich noch darauf hinzuweisen, dass offenbar auch die TNO im Rahmen der von ihr durchgeführten Qualitätssicherung nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG bei der Feuerfestigkeit des Reissverschlusses eine Beanstandung festgestellt hat. So heisst es im Originalbericht auf Seite 3/3 in der Tabelle unter Punkt 6.3.3 "Zipper is locally melted ...", d.h. dass der Reissverschluss jedenfalls stellenweise geschmolzen ist.
41Liegen nach alledem die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 4 GPSG vor, war die Beklagte befugt, gemäß Ziffer 1 der Vorschrift zum Schutz der Käufer und Verwender zu verbieten, die im einzelnen bezeichneten Feuerwehrstiefelmodelle ohne den Warnhinweis gemäß § 4 Abs. 5 GPSG auszustellen.
42Das Verbot erweist sich auch nicht etwa im Hinblick auf den hiermit einhergehenden Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin als unverhältnismäßig. Die Beklagte hat der Klägerin über einen langen Zeitraum hinweg die Möglichkeit gegeben, ihre Produkte zertifizieren zu lassen und die Qualitätssicherung nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG nachzuweisen. Dem ist die Klägerin über Jahre hinweg nicht nachgekommen, weil im Rahmen der Qualitätssicherung immer wieder gravierende Mängel der produzierten Stiefel aufgetreten waren. Der Schutz von Feuerwehrleuten, die bei einem Notfalleinsatz darauf vertrauen müssen, dass ihre Ausrüstung den erforderlichen Qualitätsstandards genügt und dass weder ihr Leben noch das der von ihnen zu rettenden Personen gefährdet wird, gebietet die Einschränkung der Ausstellung, nachdem mehrere Prüfberichte unabhängiger Stellen, insbesondere auch die von der Klägerin mit der Qualitätssicherung beauftragten Stellen sowie das BGIA, den Verdacht bestätigt haben, dass die von ihr produzierten Feuerwehrstiefel den Sicherheitsanforderungen nicht gerecht werden.
432. Die unter Ziffer II der angefochtenen Ordnungsverfügung der Beklagten vom 10. Februar 2009 angeordneten Maßnahmen, die einen ordnungsgemäßen und möglichst vollständigen Rückruf der seit dem 01. Januar 2003 bis zum Tag des Erlasses der Ordnungsverfügung verkauften Feuerwehrstiefel sicherstellen sollen, finden ihre Rechtsgrundlage in § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 7 GPSG. Danach kann die zuständige Behörde, wenn sie den begründeten Verdacht hat, dass ein Produkt nicht den Anforderungen nach § 4 GPSG entspricht, die Rücknahme oder den Rückruf eines in Verkehr gebrachten Produkts, das nicht den Anforderungen nach § 4 entspricht, anordnen und, soweit eine Gefahr für den Verwender oder Dritten auf andere Weise nicht zu beseitigen ist, seine unschädliche Beseitigung veranlassen.
44Wie bereits ausgeführt, besteht der begründete Verdacht, dass die von der Klägerin produzierten Feuerwehrstiefel nicht den Anforderungen nach § 4 GPSG entsprechen. Die von der Beklagten zur Umsetzung des Rückrufs getroffenen Maßnahmen lassen keine Ermessensfehler erkennen, insbesondere keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das gilt zunächst für die Anordnung, die Käufer in der geforderten Form über die bestehenden Sicherheitsmängel und die Rückgabemöglichkeit zu informieren. Um einen möglichst breiten Käuferkreis zu erreichen, erscheint es erforderlich und angemessen, nicht nur die (wegen des Direktvertriebes überwiegend) namentlich bekannten Käufer, Benutzer und Zwischenhändler schriftlich zu informieren, sondern darüber hinaus für den übrigen Personenkreis eine entsprechende Bekanntmachung in den Geschäftsräumen, auf der Internetseite der Klägerin sowie in den auflagenstärksten überregionalen Zeitungen und der Fachpresse anzuordnen. Die Anordnung zur Beseitigung der zurückgerufenen Feuerwehrstiefel ist im Hinblick auf die massiven Sicherheitsmängel im Interesse der effektiven Gefahrenabwehr geboten, um zu verhindern, dass die Stiefel auf andere Art und Weise wieder in Verkehr gebracht und bei Einsätzen getragen werden.
453. Die in Ziffern III und IV der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 10. Februar 2009 getroffene Anordnung, binnen eines Monats nach Zustellung
46- eine Kunden- und Zwischenhändlerliste, die in der Zeit vom 01. Januar 2003 bis 10. Februar 2009 beliefert worden sind,
47- Kopien der in der Ordnungsverfügung geforderten Informationsschreiben,Bekanntmachungen und Zeitungsannoncen sowie
48- eine Auflistung über Typ und Anzahl der ausgelieferten und zurückge-nommenen Feuerwehrstiefel sowie eine Information über den Verbleib bzw. die Beseitigung der zurückgenommenen Stiefel
49vorzulegen, findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 Abs. 9 Satz 2 GPSG. Danach ist der Hersteller verpflichtet, der zuständigen Behörde auf Verlangen die Auskünfte zu erteilen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Auf die von der Klägerin geforderten Angaben ist die Beklagte angewiesen, um wirksam zu überwachen, ob die Klägerin den ihr auferlegten Verpflichtungen auch tatsächlich nachgekommen ist. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
504. Die Androhung jeweils eines Zwangsgeldes für den Fall der Nichtbefolgung der in der Ordnungsverfügung auferlegten Unterlassungs- bzw. Handlungspflichten beruht auf §§ 55 Abs. 1, 57, 60 und 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) und begegnet auch der Höhe nach (25.000,-- EUR bzw. 50.000,-- EUR) keinen Bedenken, vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW.
51Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Gebührenansatzes sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere unter Berücksichtigung des hohen Verwaltungsaufwandes erscheint die Höhe der erhobenen Verwaltungsgebühr angemessen.
52Die Klage hat daher insgesamt keinen Erfolg.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.