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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Über die Beschwerde entscheidet der Senat nach § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO i. V. m. § 109 Abs. 1 Satz 2 JustG NRW in der Besetzung von drei Berufsrichtern.
2Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. April 2024 - 2 E 508/23 -, juris Rn. 1, und vom 13. April 2023 - 5 E 306/22 -, juris Rn. 1, jeweils m. w. N.; Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 165 Rn. 34.
3Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung der Klägerin gegen den auf § 164 VwGO beruhenden Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 29. November 2023 zu Recht zurückgewiesen.
4Es ist nicht zu beanstanden, dass die Urkundsbeamtin auf den Kostenfestsetzungsantrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in dem durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. Februar 2023 aus dem Verfahren 14 K 6556/20 abgetrennten Verfahren 14 K 625/23 eine Verfahrensgebühr in Höhe von 3.864,90 Euro (1,3 x 2.973,00 Euro) festgesetzt hat. Nach § 2 Abs. 2 RVG in der Fassung vom 30. Juni 2020 (RVG a. F.), die vorliegend gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG auch nach der Trennung des Verfahrens zur Anwendung kommt,
5vgl. Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Auflage 2023, § 60 Rn. 73,
6i. V. m. Nr. 3100 VV RVG a. F. erhält ein Bevollmächtigter eine 1,3-fache Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG a. F.). Die Gebühren werden gemäß § 2 Abs. 1 RVG a. F. nach dem Gegenstandswert berechnet. Wird der die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt, ist die Festsetzung nach § 32 Abs. 1 RVG a. F. auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend.
7Dementsprechend berechnet sich die Verfahrensgebühr vorliegend nach dem von dem Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Februar 2023 festgesetzten und von dem Senat mit Beschluss vom 20. November 2023 - 9 E 629/23 - bestätigten Streitwert in Höhe von 421.833,83 Euro. Gemäß § 13 Abs. 1 RVG a. F. i. V. m. Anlage 2 beträgt die hieraus resultierende (einfache) Gebühr 2.973,00 Euro.
8Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zu abweichender Beurteilung.
9Der Umstand, dass das Verfahren 14 K 625/24 aus dem Verfahren 14 K 6556/20 abgetrennt worden ist, führt nicht zu der von der Klägerin offenbar befürchteten „doppelten“ Inanspruchnahme hinsichtlich der Verfahrenskosten. Zwar ist richtig, dass zunächst die 1,3-fache Verfahrensgebühr in dem Verfahren 14 K 6556/20 entstanden ist. Sie ist jedoch nach Trennung des Verfahrens auf den Ausgangsrechtsstreit und das verselbständigte Verfahren aufzuteilen, und zwar nach dem Verhältnis des vor der Trennung festgestellten Gesamtstreitwerts zu den nach der Trennung entstandenen Einzelstreitwerten.
10Vgl. hierzu Bay. VGH, Beschluss vom 8. August 2017 - 14 C 17.559 -, juris Rn. 19; Rudisile, in: Schoch/Schneider, VwGO, 45. Ergänzungslieferung, Stand: Januar 2024, § 93 Rn. 26.
11Auch wenn nach diesen Grundsätzen eine Verfahrensgebühr vor der Verfahrenstrennung bereits anteilig aus dem Gesamtstreitwert erwachsen ist, fallen in den durch die Trennung verselbständigten Verfahren entsprechende Gebühren aus den jeweiligen geringeren Einzelstreitwerten erneut an. Dies gilt für das unter dem alten Aktenzeichen weitergeführte Verfahren in gleicher Weise wie für die mit neuen Aktenzeichen versehenen abgetrennten Verfahren.
12Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. September 2009 - 9 KSt 10.09 -, juris Rn. 5; Bay. VGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2024 - 9 C 24.1355 -, juris Rn. 13, und vom 8. August 2017 - 14 C 17.559 -, juris Rn. 19; siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 2. Dezember 1999 - 10a D 7/99.NE -, juris Rn. 9.
13Der Entstehung dieser Gebühr steht § 15 Abs. 2 RVG a. F. nicht entgegen. Hiernach kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Diese Vorschrift hindert indessen nur die kumulative Forderung von anteiliger Gesamtgebühr und Einzelgebühr.
14Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. September 2009 - 9 KSt 10.09 -, juris Rn. 7; BGH, Urteil vom 24. September 2014 ‑ IV ZR 422/13 ‑, juris Rn. 12; Bay. VGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2024 - 9 C 24.1355 -, juris Rn. 13, und vom 8. August 2017 - 14 C 17.559 -, juris Rn. 22; siehe auch OVG NRW, Beschlüsse vom 10. November 2022 - 13 E 185/22 -, juris Rn. 26, m. w. N., und vom 2. Dezember 1999 - 10a D 7/99.NE -, juris Rn. 9 (zu § 13 Abs. 2 BRAGO).
15Demzufolge ist bei einer Berechnung der Gebühren nach anteiligem Gesamtstreitwert die nach Abtrennung in den verselbständigten Verfahren entstandene Verfahrensgebühr wieder in Abzug zu bringen beziehungsweise bei einer Berechnung der Gebühren aus den jeweiligen Einzelstreitwerten die ursprünglich bereits aus dem anteiligen Gesamtstreitwert angefallene Gebühr mindernd anzusetzen.
16Vgl. Bay. VGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2024 - 9 C 24.1355 -, juris Rn. 13, und vom 8. August 2017 - 14 C 17.559 -, juris Rn. 22; Rudisile, in: Schoch/Schneider, VwGO, 45. Ergänzungslieferung, Stand: Januar 2024, § 93 Rn. 26.
17Im Ergebnis führt das Prinzip der Einmaligkeit der Gebührenforderung dazu, dass der Rechtsanwalt wählen kann, ob er die Festsetzung der Verfahrensgebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert fordert oder ob er die Festsetzung der Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert verlangt.
18Vgl. Bay. VGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2024 - 9 C 24.1355 -, juris Rn. 13, und vom 8. August 2017 - 14 C 17.559 -, juris Rn. 22; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Auflage 2023, VV 3100 Rn. 61 ff.; Peters/Pätzold, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 93 Rn. 54.
19Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Verfahrenstrennung - was die Klägerin in Zweifel zieht - rechtmäßig erfolgt ist. Entscheidend ist insoweit nur, dass der Rechtsanwalt - wie hier die Prozessbevollmächtigten der Beklagten - in beiden Verfahren tätig geworden ist.
20Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 8. August 2017 ‑ 14 C 17.559 -, juris Rn. 20; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 10. November 2016 - OVG 3 K 97/16 -, juris Rn. 4; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Auflage 2023, VV 3100 Rn. 68.
21Anders als die Klägerin meint, fehlte es in dem Verfahren 14 K 625/23 auch nicht an einem Betreiben eines Geschäfts im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG a. F. Hierunter fallen alle bei der Führung des Rechtsstreits vorkommenden Tätigkeiten, die nicht von dem Abgeltungsbereich der Terminsgebühr erfasst werden. Dazu gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 RVG a. F. grundsätzlich auch alle Abwicklungstätigkeiten und insoweit insbesondere die Empfangnahme von Entscheidungen und ihre Mitteilung an den Auftraggeber (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG a. F.); sie werden mit der Verfahrensgebühr entgolten. Unmaßgeblich ist dabei, in welchem Umfang Tätigkeiten des Bevollmächtigten nach der Verfahrenstrennung erforderlich waren bzw. erfolgt sind.
22Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. September 2009 ‑ 9 KSt 10.09 -, juris Rn. 6; Bay. VGH, Beschluss vom 8. August 2017 - 14 C 17.559 -, juris Rn. 21; OLG Koblenz, Beschluss vom 9. Januar 2002 - 14 W 10/2002 -, juris Rn. 3 (zu § 57 Abs. 1 und 2 Nr. 3 BRAGO); Ahlmann, in: Ahlmann/Kapischke/Pankatz/Rech/Schneider/Schütz, RVG, 11. Auflage 2024, Vorbemerkung 3 VV Rn. 21.
23Hier haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach der Trennung des Verfahrens jedenfalls den Einstellungsbeschluss und die Abladung vom 9. Februar 2023 entgegengenommen. Es ist auch davon auszugehen, dass sie ihre Mandantin hierüber informiert haben.
24Der gegenteiligen Auffassung, wonach eine gebührenauslösende Verfahrenshandlung nicht vorliegt, wenn die Abtrennung ausschließlich der gerichtsinternen, verfahrenstechnischen Abwicklung und Aussonderung und insbesondere dazu dient, das Verfahren ordnungsgemäß einzustellen und insoweit die Kosten berechnen zu können,
25vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 24. August 2012 - 3 F 1152/12 -, juris Rn. 16; VG Würzburg, Beschluss vom 7. Oktober 2021 - W 8 M 21.1117 -, juris Rn. 16,
26folgt der Senat in Anbetracht des unmissverständlichen Wortlauts von § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG a. F. und der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht.
27Ohne Erfolg rügt die Klägerin ferner, die Beauftragung einer externen Kanzlei für ein abgetrenntes Verfahren, das sich mit einer bereits zurückgenommenen Klageforderung beschäftige, sei jedenfalls nicht erforderlich gewesen. Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts sind gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO „stets“ erstattungsfähig. Dies gilt auch für die Kosten eines Rechtsanwalts, der von einer Behörde beauftragt wird, und zwar selbst dann, wenn diese Behörde über Bedienstete verfügt, die die Befähigung zum Richteramt haben.
28Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Januar 2014 - 4 E 26/14 -, nicht veröffentlicht, Seite 1 des Beschlusses, vom 21. März 2012 ‑ 17 E 245/12 ‑, juris Rn. 5, und vom 23. November 1998 ‑ 4 E 659/98 ‑, juris Rn. 3, jeweils m. w. N.; Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 162 Rn. 56 f.
29Zwar stehen auch die nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts unter dem Vorbehalt der Notwendigkeit nach § 162 Abs. 1 VwGO. Dies betrifft aber nicht die Notwendigkeit der Beauftragung als solche, die durch § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO dem Streit der Verfahrensbeteiligten gerade entzogen sein soll, sondern diejenige seiner einzelnen, kostenauslösenden Schritte.
30Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Januar 2014 - 4 E 26/14 -, nicht veröffentlicht, Seite 1 des Be-schlusses, und vom 23. November 1998 ‑ 4 E 659/98 ‑, juris Rn. 5, jeweils m. w. N.
31Dementsprechend kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob eine anwaltliche Vertretung der Behörde geboten, vertretbar oder zweckmäßig war.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. November 1998 ‑ 4 E 659/98 ‑, juris Rn. 7.
33Ob Ausnahmen von diesem Grundsatz zu machen sind, wenn die anwaltliche Vertretung offensichtlich nutzlos und nur dazu angetan ist, dem Kläger als Prozessgegner Kosten zu verursachen,
34vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Januar 2014 - 4 E 26/14 -, nicht veröffentlicht, Seite 1 f. des Beschlusses, und vom 21. März 2012 ‑ 17 E 245/12 ‑, juris Rn. 5, jeweils m. w. N.,
35braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn es besteht kein Anhaltspunkt dafür und wird auch von der Klägerin nicht substantiiert dargelegt, dass hier ein derartiger Ausnahmefall vorliegt. Vielmehr belegt der Zeitpunkt der Mandatierung noch vor Verfahrenstrennung, dass es der Beklagten gerade nicht nur darum ging, der Klägerin Kosten zu verursachen.
36Nicht zu beanstanden sind schließlich die auf Grundlage von Nr. 7002 VV RVG a. F. festgesetzte Pauschale für Post- und Telekommunikation sowie die auf Nr. 7008 VV RVG a. F. beruhende Umsatzsteuer.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.