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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt T. aus Z. wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
2Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
3Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
4Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
5Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes erforderlich, dass die entsprechende Frage aufgeworfen und substantiiert ausgeführt wird, warum sie für entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Juli 2018 ‑ 9 A 2789/17.A -, juris Rn. 4, m. w. N.
7Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger wirft zwar die Frage auf,
8ob irakische Staatsangehörige des yezidischen Glaubens aus der Region Sindjar mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in der Lage sind, ein menschenwürdiges Existenzminimum bei der Rückkehr in den Irak zu sichern.
9Er legt jedoch deren Klärungsbedürftigkeit nicht dar. Ungeachtet der Frage, auf welche Region ‑ die Provinz Ninive im Zentralirak oder die Autonome Region Kurdistan (ARK) ‑ abzustellen ist, ist in der von dem Verwaltungsgericht angeführten Senatsrechtsprechung geklärt, dass die Lebensbedingungen und die humanitären Verhältnisse in der Provinz Ninive wie auch in der Autonomen Region Kurdistan zwar allgemein schwierig sind, aber nicht generell für jeden dorthin zurückkehrenden Yeziden einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK begründen. Für die Gefahrenprognose bedarf es insoweit vielmehr einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse und persönlichen Merkmale des betreffenden Ausländers.
10Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10. Mai 2021 ‑ 9 A 570/20.A ‑, juris Rn. 379 ff., vom 22. Oktober 2021 ‑ 9 A 2152/20.A ‑, juris Rn. 200 ff. und vom 25. Februar 2022 ‑ 9 A 322/19.A ‑, juris Rn. 89 ff. (hinsichtlich der ARK), sowie vom 5. September 2023 ‑ 9 A 1249/20.A ‑, juris Rn. 241 ff. und vom 31. Juli 2024 ‑ 9 A 1591/20.A ‑, juris Rn. 229 ff. (hinsichtlich der Provinz Ninive).
11Anhaltspunkte dafür, dass demgegenüber das nach der Rechtsprechung für die Annahme einer Verletzung von Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere der einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren bei allen yezidischen Personen erreicht wäre, zeigt die Zulassungsbegründung nicht auf. Die Publikation des BfA ‑ Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak - vom 17. März 2020 ist veraltet und schon aus diesem Grund nicht geeignet, den behaupteten Klärungsbedarf aufzuzeigen. Der weiter angeführte Bericht von Pro Asyl/wadi, „Zehn Jahre nach dem Völkermord: Zur Lage der Jesidinnen und Jesiden im Irak“ aus April 2024 ist zur Darlegung eines erneuten oder weitergehenden Klärungsbedarfs nicht geeignet, da er sich weitgehend in individuellen Wertungen des Autors erschöpft, die zudem ebenso wie die Überlegungen zur mangelnden Relevanz einer aktuellen Betrachtung der Geschehnisse im Irak einen Bezug zu den rechtlichen Maßstäben für eine Schutzgewährung nach den einschlägigen unionsrechtlichen und nationalen Bestimmungen nicht erkennen lassen. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf den Bericht von Human Rights Watch vom 13. Mai 2024 geltend macht, die Regierung des Zentralirak habe alle Flüchtlingslager Ende Juli 2024 schließen wollen, ist in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt, dass die Regierung der ARK, die die fraglichen Flüchtlingslager, die sich in den sog. umstrittenen Gebieten des Zentralirak befinden, verwaltet, eine Schließung nicht beabsichtigt hat.
12Vgl. OVG NRW Urteil vom 31. Juli 2024 ‑ 9 A 1591/20.A ‑, juris Rn. 276 ff.
13Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten Abweichung von der übergeordneten Rechtsprechung (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) zuzulassen.
14Eine die Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem das Verwaltungsgericht einem ebensolchen, in der Rechtsprechung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte aufgestellten Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat.
15Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Januar 2019 ‑ 9 A 4825/18.A -, juris Rn. 3, und vom 8. Juni 2015 ‑ 4 A 361/15.A ‑, juris Rn. 2, jeweils m. w. N.
16Daran fehlt es hier. Die geltend gemachte Abweichung von den Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. Juli 2023 - C-8/22 und C-402/22 -rechtfertigt von vornherein nicht die Zulassung der Berufung, da der EuGH in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht genannt ist. Ungeachtet dessen beruht das Urteil nicht hierauf. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 16. Februar 2024, mit dem die dem Kläger vormals zuerkannte Flüchtlingseigenschaft widerrufen worden ist, auf der Grundlage von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG auch unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf unter Anwendung des § 3 Abs. 4 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 8 AufenthG (a. F.) vorlägen, rechtmäßig sei. Darauf, welche Anforderungen sich aus der Rechtsprechung des EuGH für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung wegen der Begehung von Straftaten ergeben, kam es daher für das Verwaltungsgericht nicht entscheidend an.
17Soweit der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen - und dies wohl in erster Linie - rügt, dass das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2013 - 10 C 17.12 - den angefochtenen Widerrufsbescheid uneingeschränkt überprüft und aus Gründen für rechtmäßig erachtet hat, die das Bundesamt nicht angeführt hat, macht er der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend. Hierbei handelt es sich nicht um einen Zulassungsgrund im Sinne des § 78 Abs. 3 AsylG.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO sowie § 83b AsylG.
19Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).