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Es wird festgestellt, dass die Genehmigungsbescheide des Beklagten vom 2.10.2023 - Az. 6.1/6.3-323-00616-2021-09 GV (Naturwerk Kraftwerk T. II GmbH, WEA 1) und Az. N02 (Naturwerk Kraftwerk T. I GmbH, WEA 2) - rechtswidrig und nicht vollziehbar sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Hälfte der Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen; der Beklagte und die Beigeladenen tragen jeweils ein Sechstel der Kosten des Verfahrens, zwischen ihnen findet kein Kostenausgleich statt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen die immissionsschutzrechtliche Zulassung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen in T..
3Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks R.-straße 6f in T. (Gemarkung S., Flur 7, Flurstück 30). Es liegt etwa 4 km südwestlich des Zentrums von T. und ist im Wesentlichen von landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben. Entlang der R.-straße befinden sich weitere Wohngebäude sowie landwirtschaftlich genutzte Gebäude, darunter auch eine Biogasanlage auf dem Grundstück R.-straße 6. Das Grundstück R.-straße 6f ist mit einem Wohnhaus bebaut, das die Kläger selbst bewohnen. Etwa 600 m südwestlich liegen die für die streitigen Windenergieanlagen vorgesehenen Standorte. Südwestlich des Grundstücks der Kläger befindet sich eine weitere Windenergieanlage in einer Entfernung von etwa 4.000 m.
4Die Beigeladenen beantragten am 29.10.2021 die Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb jeweils einer Windenergieanlage des Typs Z. N163 mit einer Gesamthöhe von 247,5 m. Die Standorte der geplanten Anlagen befinden sich außerhalb der Konzentrationszonen für die Windenergienutzung, welche die 77. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt T. darstellt. Der inzwischen beschlossene, aber noch nicht durch die Bezirksregierung genehmigte Flächennutzungsplan der Stadt T. sieht keine Konzentrationszonen mehr vor.
5Nachdem die Anlagen zunächst gemeinsam als „Windpark T.-G.“ durch die Q.e GmbH projektiert worden waren, wurde im weiteren Verlauf des Verfahrens mitgeteilt, dass die Anlagen zugunsten von zwei verschiedenen Projektgesellschaften - den jetzigen Beigeladenen - errichtet und betrieben werden sollten.
6Die Beigeladenen beantragten gemäß § 7Abs. 3 UVPG die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sowie gemäß § 19 Abs. 3 BImSchG, das Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Die öffentliche Bekanntmachung der Anträge erfolgte am 30.3.2022. Während des Einwendungszeitraums vom 6.4.2022 bis zum 7.6.2022 wurden verschiedene Einwendungen erhoben; auch die Kläger wandten sich mit Schreiben vom 2.6.2022 gegen das Vorhaben. Die Anträge wurden erneut am 21.1.2023 öffentlich bekanntgemacht. Während des Zeitraums der Auslegung der Antragsunterlagen vom 30.1.2023 bis zum 27.2.2023 wurden erneut Einwendungen erhoben, darunter auch durch die Kläger.
7Mit Bescheiden vom 2.10.2023 erteilte der Beklagte den Beigeladenen immissionsschutzrechtliche Genehmigungen zur Errichtung und zum Betrieb jeweils einer Windenergieanlage des Typs Z. N163 mit je 6.800 kW Nennleistung, 166 m Nabenhöhe (164 m plus 2 m Fundamentanhebung) und 163 m Rotordurchmesser auf dem Grundstück Gemarkung S., Flur 7, Flurstück 24 (WEA 1 bzw. WEA 09.05) bzw. Flurstück 36 (WEA 2 bzw. WEA 09.04).
8Die Genehmigungen enthalten u. a. verschiedene Auflagen zum Immissionsschutz.
9Nach Auflage Nr. 8 ist jeweils die Schallimmissionsprognose der H. GmbH vom 18.1.2022 (Bericht Nr. 20-1-3074-003a-N - WEA 1) bzw. vom 17.1.2022 (Bericht Nr. 20-1-3074-003b-N - WEA 2) sowie die Stellungnahme der H. GmbH vom 18.10.2022 Teil der Genehmigung und bei der Errichtung und dem Betrieb der Anlage zu beachten. Der Bericht vom 18.1.2022 hinsichtlich der WEA 1 betrachtet nur die von dieser Anlage ausgehenden Schallimmissionen als Zusatzbelastung. Der Bericht vom 17.1.2022 hinsichtlich der WEA 2 legt die WEA 1 als Vorbelastung und die WEA 2 als Zusatzbelastung zugrunde. Für das Haus der Kläger als Immissionsort IO 09 werden die Auswirkungen der WEA 1 mit einer Gesamtbelastung von Lr = 43,7 dB(A) und die Auswirkungen der WEA 2 mit einer Gesamtbelastung von Lr = 45,7 dB(A) prognostiziert.
10Nach Auflage Nr. 15 ist die jeweilige Windenergieanlage so zu betreiben, dass die astronomisch maximal mögliche Gesamtbelastung durch Schattenwurfimmissionen unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch bereits vorhandene Windenergieanlagen an den im Einwirkungsbereich der Anlagen gelegenen Wohnhäusern einschließlich der intensiv genutzten Außenbereiche insgesamt den Richtwert von 30 Stunden pro Jahr bzw. 30 Minuten pro Tag nicht überschreitet, die tatsächliche Beschattungsdauer an den einzelnen Immissionsorten darf insgesamt 8 Stunden pro Jahr und 30 Minuten pro Tag nicht überschreiten. Hinsichtlich der Immissionsorte wird auf die Schlagschattenprognose der H. GmbH vom 26.8.2021 und die Stellungnahme der H. GmbH vom 18.10.2022 verwiesen. Darin wird das Haus der Kläger als Immissionsort IO 30 betrachtet.
11Die Bescheide einschließlich Rechtsbehelfsbelehrung wurden auf Anordnung vom 17.10.2023 am 19.10.2023 auf der Internetseite des Beklagten öffentlich bekanntgemacht. Die Rechtsbehelfsbelehrung weist darauf hin, dass zum OVG NRW Klage erhoben werden könne. Es wird auf die Auslegung des Bescheids mit zugehörigen Antragsunterlagen vom 20.10.2023 bis einschließlich 3.11.2023 hingewiesen. Dazu heißt es, mit Ende der Auslegungsfrist gelte der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendungen erhoben haben, als zugestellt.
12Die Kläger haben am 4.12.2023, einem Montag, Klage gegen beide Genehmigungen erhoben.
13Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: Die Genehmigungen seien rechtswidrig und verletzten sie in ihren Rechten. Durch die Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlagen seien sie unzumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt. Für ihren Wohnort komme die Schallimmissionsprognose zu einer Überschreitung des maßgeblichen Immissionsrichtwerts von 45 dB(A) in der Nacht von gerundet 1 dB(A). Dies sei unter Anwendung des Irrelevanzkriteriums in Ziffer 3.2.1 Abs. 3 TA Lärm unzutreffend nicht als erhebliche Umwelteinwirkung bewertet worden. Nachdem festgestellt worden sei, dass die WEA 1 einen Beurteilungspegel von 43,7 dB(A) und somit keine erhebliche Belästigung verursache, seien die Auswirkungen der WEA 2 ermittelt und dabei die Immissionen der WEA 1 als Vorbelastung berücksichtigt worden. Die so entstandene Überschreitung des Immissionsrichtwerts um 1 dB(A) sei nach Ziffer 3.2.1 Abs. 3 TA Lärm aufgrund der bestehenden Vorbelastung nicht als erhebliche Umwelteinwirkung angesehen worden. Bei Anwendung dieser Regelung dürften jedoch nach der Rechtsprechung nur diejenigen Anlagen als Vorbelastung berücksichtigt werden, für die im Verhältnis zu der zu beurteilenden Anlage zeitlich früher ein prüffähiger, d. h. vollständiger Genehmigungsantrag eingereicht worden sei. Dies treffe auf die WEA 1 nicht zu, da es sich um eine identische Anlage derselben Antragstellerin handele, die vollständigen Anträge für beide Anlage seien im selben Zeitpunkt eingereicht und innerhalb einer UVP-Prüfung behandelt worden. Die Schallimmissionsprognose berücksichtige zudem die gewerbliche Vorbelastung durch die Biogasanlage auf dem Grundstück R.-straße 6 nur unzureichend. Anders als für die drei weiteren, als Vorbelastung berücksichtigten Biogasanlagen sei für die Anlage R.-straße 6 nicht ein Erfahrungswert für den Quellschallpegel LwA von 93 dB(A) angesetzt worden. Stattdessen sei ein individueller Quellschallpegel von 81,8 dB(A) durch energetische Addition der Quellschallpegel von Einzelkomponenten und Annahme eines Dämm-Maßes für das Maschinenhaus ermittelt worden, aus dem ein Prognosewert am IO 09 von 25,7 dB(A) errechnet worden sei. Insoweit sei zu bemängeln, dass dem Gutachter die genaue Position des schutzbedürftigen Raumes am IO 09 nicht bekannt gewesen sei. Zudem sei der Quellschallpegel von 81,8 dB(A) nicht realistisch, da er auf Eingangsdaten der Komponentenhersteller für den Neuzustand beruhe. Nach längerem Betrieb steige der Lärmpegel verschleißbedingt. Die ergänzende Stellungnahme vom 18.10.2022 räume diese Bedenken nicht aus. Die ermittelten Daten der Blockheizkraftwerke mit den verbauten Motoren betrügen 106 bzw. 109 dB(A) und nicht wie im Gutachten angesetzt 98 bzw. 94 dB(A). Zudem sei nur ein Kamin berücksichtigt worden. Auch das angenommene Dämm-Maß von 40 dB(A) für das Gebäude sei unrealistisch, da es sich nicht um ein nachgerüstetes Gebäude mit Schallbrücken handele, zudem sei ihnen das Maschinenhaus als das am lautesten hörbare Anlagenteil bekannt, insbesondere, wenn die Tür nicht geschlossen werde. Ferner komme es zu Reflektionen und Richtcharakteristik in Richtung ihres Wohnhauses. Einige geräuscherzeugende Quellen lägen vor einer nach Ost-Südost gerichteten Wand des Maschinenhauses, in der Mauer befinde sich ein Fenster und im ersten Stock eine mitschwingungsfähige und schallabstrahlende Stahlprofilverkleidung. Im Zeitpunkt des gerichtlichen Ortstermins sei die Biogasanlage nicht unter voller Last betrieben worden, das tatsächliche Emissionsaufkommen liege deutlich höher. Die Schallimmissionsprognose sei zudem auch deshalb fehlerhaft, weil sie keine Einzeltöne berücksichtige und keine Abnahmemessung vorliege. Bei den verwendeten Quellschallpegeln für die Windenergieanlagen handele es sich nur um „erwartete“ oder „berechnete“ Werte. Einzeltöne etwa durch die Verwendung eines Getriebes oder die Verwendung eines Frequenzumformers könnten in einer Simulation des Lärms lediglich der Rotorblätter nicht berücksichtigt werden. Hinzu komme, dass die Getriebegeräusche im Laufe des Betriebs abnutzungsbedingt zunähmen. Die Berücksichtigung dieser Einzeltöne durch entsprechende Zuschläge führe zu einer weiteren Überschreitung der Beurteilungswerte. Der Schallimmissionsprognose vom 17.1.2022 liege zudem ein veraltetes Dokument des Anlagenherstellers zugrunde. Die Prognose stütze sich auf ein Dokument der Firma Z. mit der Bezeichnung „F008_227_A19_IN Revision 01, 2021-07-08“ und den darin angegebenen Betriebsmodus „Mode 1“ mit einem Schallpegel von LwA = 106,4 dB(A). Schon im Zeitpunkt der Erstellung der Prognose habe jedoch die Revision 02 oder sogar Revision 03 gegolten. Die aktuell gültige Revision 04 weise als lautesten und wahrscheinlich leistungsstärksten Betriebsmodus „Mode 0“ auf, der im Vergleich zum unveränderten „Mode 1“ um 0,2 dB(A) lauter sei. Daher sei ein Aufschlag auf die Messwerte vorzunehmen.
14Die Schallimmissionsprognose und ihre Ergänzung berücksichtigten zudem die durch die Windenergieanlagen verursachten tieffrequenten Schallemissionen nicht hinreichend. In der Prognose vom 17.1.2022 finde eine quantitative Beurteilung nach DIN 45680 nicht statt. Die dortige Aussage, die Schallleistungspegel von Windenergieanlagen im Tieffrequenzbereich lägen regelmäßig unter 100 Hz, sei fehlerhaft. Zudem sei die Frage, ob tieffrequente Geräusche über der Hörschwelle lägen, nicht nur eine Frage der Frequenz, sondern auch der Entfernung und des Quellterzpegels. Die ergänzende Stellungnahme vom 18.10.2022 unterscheide nicht zwischen Infraschall (Terzen < 20 Hz) und tieffrequentem Schall (Terzen 20-100 Hz). Tieffrequenter Lärm sei jedoch nach DIN 45680:1997-03 mit Beiblatt 1 als mitgeltender Teil der TA Lärm zu behandeln. Die in der ergänzenden Stellungnahme zitierte Version DIN 45680:2013-09 sei lediglich ein Entwurf, der nie in Kraft gewesen sei. Die durch sie, die Kläger, beauftragte Prognose der O. vom 27.5.2022 für tieffrequente Schallimmissionen nach DIN 45680:1997-03 und E DIN 45680:2020-06 zeige, dass die Anhaltswerte, die rechtlich wie Immissionsrichtwerte wirkten, an ihrem Wohnhaus insbesondere nachts erheblich überschritten würden. Dabei sei die tieffrequente Vorbelastung durch das Blockheizkraftwerk der Biogasanlage R.-straße 6 zu berücksichtigen, das sie bereits heute erheblich belaste. Messungen der O. auf ihrem Grundstück R.-straße 6f hätten eine solche Vorbelastung in der entsprechenden Wohnung dokumentiert. Ferner seien die Zusatzbelastungen in die Prognose einzustellen. Die Prognose der Terzpegel LTerzeq von 20 bis 100 Hz sei nach DIN 9613-2 erfolgt. Die nach Auswertung und Prognose gemäß DIN 45680:1997-03 ermittelten Werten in dB(Z) seien die zu erwartenden Werte am Gebäude bzw. an der Gebäudehülle. Sie überschritten die Anhaltswerte zur Nachtzeit deutlich. Ab mittleren Windgeschwindigkeiten werde zudem das Vorerhebungskriterium LC-LA der DIN 45680:1997-03 erfüllt sein. Eine weitere Erhöhung der Prognosewerte erfolge durch die Auswertung nach DIN 45680:2020-06, danach werde sogar der Anhaltswert für den Tag um 10 dB(A) überschritten, so dass die Anlagen selbst mit Leistungsbeschränkungen tagsüber nicht mehr betrieben werden könnten. Die tatsächlichen Immissionspegel fielen voraussichtlich sogar noch höher aus, da die Windenergieanlagen der Beigeladenen mit STE-Technologie ausgerüstet werden sollten, während die vorgelegten Prognosen für Anlagen ohne STE gälten. Zwar bezögen sich die Anhaltswerte der DIN 45680 auf relevante schutzbedürftige Räume im Gebäude und nicht - wie ermittelt - am Gebäude, dies sei jedoch nur schwerlich prognostizierbar. Aufgrund dieser Schwierigkeiten habe der Gesetzgeber keine verpflichtende Tieffrequenzprognose vorgesehen. Es sei jedoch davon auszugehen, dass die Anhaltswerte in ihrem Wohngebäude nicht eingehalten würden, insbesondere werde die großflächige Verglasung nach Südwesten in Richtung der geplanten Anlagen den tieffrequenten Schall kaum dämmen. Die Verwaltungspraxis anderer Bundesländer im Hinblick auf tieffrequenten Schall durch Biogasanlagen lege wenigstens die Erforderlichkeit von Auflagen zur Pegelreduzierung nahe, wie sie auch im Rahmen ihrer Einwendungsschreiben gefordert hätten. Im Rahmen der derzeitigen Überarbeitung der DIN 45680 werde zudem eine Hör- bzw. Wahrnehmungsschwelle unter Bezugnahme auf eine neue Studienlage nicht mehr gefordert werden. Durch die unzureichende Berücksichtigung tieffrequenter Lärmimmissionen habe der Beklagte gegen den Untersuchungsgrundsatz nach § 24 VwVfG verstoßen.
15Ferner seien die Auswirkungen von Bauverkehr und Baulärm nur unzureichend berücksichtigt worden. Es sei weder in zeitlicher noch in quantitativer Hinsicht prognostiziert worden, in welchem Umfang die Einwohner beeinträchtigt würden. Auf Basis der AVV Baulärm sei eine Prognose der zu erwartenden Auswirkungen erforderlich gewesen. Es sei zu bezweifeln, dass die maßgeblichen Werte von tags 55 dB(A) und nachts 49 dB(A) eingehalten würden.
16Zudem verstießen die beiden Windenergieanlagen gegen das Gebot der Rücksichtnahme, da ihnen eine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung zukommen werde. Ihr Wohnhaus sei nach Südsüdwesten ausgerichtet, die zur WEA 1 hin orientierte Fassade bestehe zum überwiegenden Teil aus Glas, auch Küche, Esszimmer, Kinderzimmer und die Terrasse orientierten sich in diese Richtung. Der Hauptblickwinkel sei direkt auf die WEA 1 ausgerichtet, aufgrund der Hauptwindrichtung werde der Rotor regelmäßig im ¾-Profil zu sehen sein. Hinreichende Abschirmung bestehe nicht, die bestehenden Gebäude seien zu niedrig. Anderweitige Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe seien ihnen nicht zumutbar. Die geplanten Anlagen würden sich zudem vor dem Hintergrund des dahinter liegenden Waldgebiets besonders eindeutig abheben. Diese „Hervorhebung“ der Anlagen durch einen besonderen Hintergrund gehöre auch nicht zu den typisierten Aspekten, die dem Gesetzgeber bei der Regelung des § 249 Abs. 10 BauGB vor Augen gestanden hätten.
17Das Gebot der Rücksichtnahme werde ferner durch den von den Windenergieanlagen ausgehenden Schattenwurf beeinträchtigt werden. Dies zeigten die Schattenwurfprognosen der H. GmbH vom 26.8.2021 (Bericht Nr. 20-1-3074-002a-S - WEA 1 und Bericht Nr. 20-1-3074-002b-S - WEA 2) sowie der Bericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung der D. vom 15.10.2021. Aus ihnen ergebe sich, dass ihr Wohngebäude mehr als 30 Stunden im Jahr und mehr als 30 Minuten am Tag beeinträchtigt werde. Da die Prognosen fehlerhaft seien, sei tatsächlich sogar von einer noch stärkeren Beeinträchtigung auszugehen. Für die beiden Windenergieanlagen seien getrennte Prognosen erstellt worden, so dass die Gesamtbelastung durch beide Anlagen nicht erkennbar sei. Die Nebenbestimmung unter Ziffer 15. der Genehmigungsbescheide helfe nicht darüber hinweg, dass die astronomisch maximal mögliche Gesamtbelastung rein rechnerisch ermittelt werden könne und dies im Genehmigungsverfahren zu erfolgen habe. Zudem seien die Prognosen mit veralteten Klimadaten erstellt worden. Aktuelle Daten zeigten eine stetige Zunahme der Sonnenscheinstunden durch den Klimawandel. Schließlich seien die Prognosen auch deshalb ungenügend, weil sie sich nicht zu sämtlichen schutzbedürftigen Orten verhielten. So seien nach den maßgeblichen LAI-Hinweisen Terrassen zwischen 6:00 und 22:00 Uhr den schutzwürdigen Räumen gleichgestellt. Zudem sei aus den Genehmigungsbescheiden nicht erkennbar, ob beide Anlagen über eine gemeinsame Steuerung der Schattenbelastungskonten betrieben werden sollten. Dies sei jedoch erforderlich, da sonst die Einhaltung der Richtwerte nicht sichergestellt sei. Zudem sei problematisch, dass an den Anlagen jeweils nur ein Lichtsensor nach Süden ausgerichtet werden solle, da sich dieser bei Sonnenschein aus Nordwest oder Nordost selbst beschatte.
18Zudem begründeten die Windenergieanlagen Gesundheitsgefahren. Die Anlagen sollten in der Wasserschutzzone Reichswald IIIb errichtet werden, im Fall einer Leckage sei zu befürchten, dass wassergefährdende Stoffe in das Grundwasser eindrängen. Diese Gefahren, insbesondere in Fällen gravierender Havarien, seien durch das hydrologische Gutachten und den UVP-Bericht nicht hinreichend ermittelt worden. Es sei auch nicht erkennbar, ob die Beigeladenen den Anforderungen aus § 40 AwSV gerecht geworden seien.
19Die Kläger beantragen,
20die Genehmigung zur Errichtung und Betrieb einer Anlage zur Nutzung von Windenergie mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern vom 02.10.2023, Az. N01 (W. T. II, WEA 1)
21sowie
22die Genehmigung zur Errichtung und Betrieb einer Anlage zur Nutzung von Windenergie mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern vom 02.10.2023, Az. N02 (W. T. I, WEA 2) aufzuheben.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Er trägt im Wesentlichen vor: Die Genehmigungen verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten. Selbst wenn es zu einer fehlerhaften Anwendung von Nr. 3.2.1 Abs. 3 TA Lärm gekommen wäre, begründete dies im Hinblick auf die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der WEA 1 keine Rechtsverletzung der Kläger. Die Anwendung von Nr. 3.2.1 Abs. 3 TA Lärm begegne jedoch keinen Bedenken. Die Definition der Vorbelastung nach Nr. 2.4 TA Lärm grenze nicht nach einem zeitlichen Kriterium ab, sondern nach der zu beurteilenden Anlage. Nach der TA Lärm zu beurteilende Geräuscheinwirkungen, die nicht der zu beurteilenden Anlage zuzurechnen seien, zählten zur Vorbelastung. Der Begriff der Anlage orientiere sich an der Reichweite der Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 BImSchG. Eine Beurteilung aller in einem räumlichen Zusammenhang stehenden genehmigungsbedürftigen Anlagen sei nicht zulässig, auch dann nicht, wenn es sich um Anlagen desselben Betreibers auf einem einheitlichen Betriebsgelände handele. Entsprechend dem Genehmigungsantrag für die WEA 2 sei daher nur die dort beantragte Anlage zu betrachten gewesen. Die Berücksichtigung der WEA 1 als Vorbelastung sei möglich und geboten gewesen, weil die Immissionen hinreichend konkret geplanter Anlagen zu berücksichtigen seien. Keine der von den Klägern zitierten Entscheidungen enthalte den Rechtssatz, dass bei „parallelen“ Genehmigungsverfahren die Anlagen als einheitliche Zusatzbelastungen qualifiziert werden müssten. Auch die Einwände hinsichtlich der gewerblichen Vorbelastung griffen nicht durch. Die Vorbelastung betrage lediglich 26 dB(A). Selbst bei einer deutlichen Zunahme der gewerblichen Vorbelastung wirke sich dies nicht relevant auf die Gesamtbelastung aus. Insoweit liege die Schallimmissionsprognose „auf der sicheren Seite“. Die Biogasanlage am Betriebsstandort R.-straße 6 sei zutreffend berücksichtigt worden. Im Schallgutachten seien zu Recht die genehmigten Schallleistungspegel zugrunde gelegt worden, maßgeblich seien die rechtlich zulässigen Emissionen. Darüber hinausgehenden Emissionen sei im Rahmen der Anlagenüberwachung zu begegnen. Der Einwand der Kläger, es werde zu Reflexionen und Richtcharakteristik kommen, sei unsubstantiiert. Die Kläger übergingen zudem, dass das Schallgutachten eine Dämpfung durch Abschirmung nicht berücksichtige, diese gleiche etwaige Reflexionen wieder aus. Auch der Einwand der Kläger, das angenommene Dämm-Maß Rw = 40 dB(A) für das Gebäude der Biogasanlage treffe nicht zu, greife nicht durch. Das Blockheizkraftwerk (Motoren und Generator) sei in einem eigenständigen, fensterlosen Raum eingehaust, der nur über Türen nach außen und zum Steuerungsraum, Schächte für Zu- und Abluft und Durchführungen für Abgasrohre verfüge. Dieser Betriebsraum befinde sich wiederum innerhalb der Stahlträgerhalle, wie sich aus dem Grundriss ergebe. Insoweit sei das Schalldämm-Maß für die Gebäudehülle realistisch. Ein Betrieb mit geöffneter Tür betreffe nicht die Plausibilität der Schallimmissionsprognosen, sondern die Betriebsüberwachung. Die Prognose sei auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sie keine Einzeltöne berücksichtige und eine Abnahmemessung nicht vorliege. Der im Hinblick auf den Immissionsrichtwert am Haus der Kläger allenfalls kritische Nachtbetrieb werde erst aufgenommen, wenn das im Schallgutachten angenommene Schallverhalten nachgewiesen sei; dazu zähle auch, dass der genehmigte Anlagentyp keine Ton- oder Impulshaltigkeit aufweise. Auch eine Abnahmemessung sei vorgesehen. Dass Oktav- und keine Terzspektren berücksichtigt worden seien, entspreche dem Interimsverfahren. Es sei kein zur Nachtzeit unzulässiger Betriebsmodus gestattet. Selbst wenn die Schallimmissionsprognose nicht auf Grundlage aktueller Herstellerangaben erfolgt sei, folge daraus jedenfalls keine Rechtsverletzung der Kläger. Die Genehmigungsbescheide gäben das maximal zulässige Emissionsverhalten vor. Sollte der Anlagentyp Betriebsmodi aufweisen oder erhalten, die dieses Verhalten nicht gewährleisteten, sei der Betrieb insoweit nicht von der Genehmigung gedeckt. Die Prognose weise auch keine Mängel hinsichtlich der Berücksichtigung tieffrequenter Geräusche auf. Die Rechtsprechung gehe einheitlich davon aus, dass die von Windenergieanlagen ausgehenden tieffrequenten Schallimmissionen einschließlich des Infraschalls unzumutbare Beeinträchtigungen nicht erwarten ließen. Die von den Klägern insoweit vorgelegte Prognose des Gutachters Dr. X. (O.) genüge nicht den Anforderungen an eine belastbare Schallimmissionsprognose. Sie enthalte unangezeigte Ausführungen und nicht belegte Behauptungen; sie verweise auf „zahlreiche Veröffentlichungen“, ohne diese zu benennen, enthalte fachfremde Ausführungen zum Untersuchungsgrundsatz nach § 24 VwVfG und wende die Quellterzpegel einer anderen Anlage desselben Herstellers an, ohne dass sich diese dem Gutachten entnehmen ließen, erläutere die Berechnungsmethode nicht, stelle die angeblich überschrittenen Anhaltswerte nicht dar und lasse nicht erkennen, dass Unsicherheiten berücksichtigt worden wären. Eine Ausbreitungsberechnung für tieffrequente Geräusche sei nicht erforderlich. Die Kläger würden auch keinen unzumutbaren Beeinträchtigungen durch Bauverkehr oder Baulärm ausgesetzt. Die AVV Baulärm sehe insoweit keine Prognose vor, eine Richtwertüberschreitung führe auch nicht zur Einstellung der Bauarbeiten. Zudem seien schon angesichts der Entfernung zum Haus der Kläger unzumutbare Beeinträchtigungen nicht zu erwarten. Ein Verstoß gegen die Verkehrslärmverordnung (16. BImSchV) könne durch den Baustellenverkehr nicht eintreten, für eine Rücksichtslosigkeit im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB fehle jeder Anhaltspunkt. Es liege auch keine optisch bedrängende Wirkung vor. Die Anlagen lägen in einer Entfernung von 568 m bzw. 729 m und damit dem 2,3- bzw. 2,9-fachen der Gesamthöhe vom Wohnhaus der Kläger entfernt. Eine Ausnahme von der Regelvermutung des § 249 Abs. 10 BauGB sei nicht ersichtlich. Der freie und unverstellte Blick in die Natur sei rechtlich nicht geschützt. Die beiden Windenergieanlagen führten auch nicht zu einem unzumutbaren Schattenwurf zu Lasten der Kläger. Den Schattenwurfprognosen liege ein worst-case-Ansatz zugrunde, indem die astronomisch maximal mögliche Schattenwurfdauer berechnet worden sei. Diese betrage am Wohnort der Kläger durch die WEA 1 maximal 106:29 h pro Jahr und 1:09 h pro Tag, durch die WEA 2 55:27 h pro Jahr und 0:54 pro Tag, in der Gesamtbelastung 161:56 h pro Jahr und 2:01 h pro Tag. Die Einhaltung der dadurch überschrittenen Richtwerte von 30 h pro Jahr und 0:30 h pro Tag werde durch Nebenbestimmungen sichergestellt. Die Anbringung eines Lichtsensors an der Südseite entspreche der Standardausrüstung und könne den Sonnenstand hinreichend erfassen, dies gelte jedenfalls hinsichtlich des nördlich der Anlagen gelegenen Grundstücks der Kläger, auf dem Schattenwurf nur bei Sonnenständen verursacht werden könne, in denen der Sensor der Sonne direkt ausgesetzt sei. Der Einwand einer unklaren gemeinsamen Steuerung greife nicht durch, da die WEA 2 keine weitere Schattenwurfbelastung hervorrufen dürfe, wenn durch die WEA 1 bereits die zulässige Schattenwurfdauer erreicht sei. Aus dem Gutachten vom 26.8.2021 Nr. 20-1-3074-002b-S ergebe sich auch ohne Weiteres die Vorbelastung, die Zusatzbelastung und die Gesamtbelastung. Die Klimadaten oder die Anzahl der Sonnenstunden seien ohne Belang, da die astronomisch maximal mögliche Schattenwurfdauer berechnet und die maximale Belastung der Kläger durch Nebenbestimmungen begrenzt sei. Eine eventuelle Erhöhung der realen Belastungen in der Zukunft betreffe ggf. eine Anpassung der Betreiberpflichten. Jedenfalls sei durch die Abschaltautomatik eine Rechtsverletzung der Kläger ausgeschlossen. Aus den Ausführungen der Kläger zum Grundwasserschutz ergebe sich keine eigene Rechtsverletzung.
26Die Beigeladenen beantragen,
27die Klage abzuweisen.
28Sie tragen im Wesentlichen vor: Die Genehmigungen verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger würden durch den Betrieb der Windenergieanlagen keinen unzumutbaren Immissionen ausgesetzt. Dies ergebe sich zunächst aus der Stellungnahme des mit dem Verfahren bislang nicht befassten Gutachterbüros L. GmbH vom 3.5.2024. Die Schallimmissionsprognose für die WEA 2 berücksichtige die geplante WEA 1 als Vorbelastung, umgekehrt gelte dies jedoch nicht. Die Schallimmissionsprognosen berücksichtigten die Biogasanlage am Standort R.-straße 6 in zutreffender Weise. Die Annahme eines Quellschallpegels von 81,8 dB(A) für die Biogasanlage und eines Werts von 40 dB(A) für das Dämm-Maß des Gebäudes seien stimmig, insoweit werde auf die Stellungnahme der L. GmbH verwiesen. Nach dem bei dem gerichtlichen Ortstermin gewonnenen Eindruck sei die Biogasanlage schon an der Grundstücksgrenze kaum wahrnehmbar gewesen, obwohl der aus dem Schornstein aufsteigende Rauch auf einen Betrieb hingedeutet habe. Zudem sei am Wohnhaus der Kläger eine Schallabschirmung durch weitere Gebäude auf dem Hofgelände vorhanden. Eine höhere Lärmbelastung bei geöffneter Tür zur Maschinenhalle könne ihnen, den Beigeladenen, nicht negativ angelastet werden. Die Berücksichtigung von Einzeltönen sei nicht erforderlich, die Behauptung der Kläger, Vermessungen von Anlagen im Neuzustand mit Getrieben zeigten immer Einzeltöne, sei der L. GmbH zufolge unzutreffend. Soweit die Kläger mit der Rüge, es fehle an einer Abnahmemessung, das Fehlen einer Typenvermessung monierten, führe dies nicht zu einem Fehler der Schallimmissionsprognosen. Die LAI-Hinweise mit Stand vom 30.6.2016 griffen diese Möglichkeit auf, das Vorgehen sei auch in der Praxis anerkannt. Eine Aktualisierung der Herstellerangaben zu verschiedenen Betriebsmodi führe nicht zur Fehlerhaftigkeit der Prognose, es genüge eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters zu eventuellen Auswirkungen einer solchen Aktualisierung. Zudem hätten die Kläger nicht dargelegt, dass ein anderer Betriebsmodus tatsächlich zu höheren Geräuschimmissionen an ihrem Wohnhaus führen werde. Die Schall-immissionsprognosen seien auch hinsichtlich der Berücksichtigung von tieffrequentem Schall nicht zu beanstanden. Die Prognosen seien nach der TA Lärm erstellt, die kein Verfahren zur Messung von tieffrequentem Schall vorsehe. Die von den Klägern vorgelegten Unterlagen begegneten durchgreifenden fachlichen Bedenken. Bei Anlage 1 handele es sich schon nach dem eigenen „Disclaimer“ nicht um ein Gutachten, sondern um eine „Expertenmeinung“, die auf erheblichen methodischen Mängeln beruhe, wie die Stellungnahme der L. GmbH aufzeige. Auch die als Anlage 2 vorgelegte Messung belege die von den Klägern behauptete tieffrequente Vorbelastung durch die Biogasanlage am Standort R.-straße 6 nicht. Ergänzend werde auf die Rechtsprechung auch des erkennenden Gerichts hingewiesen, nach der Infraschall und tieffrequenter Schall nicht zu Gesundheitsgefahren führten. Die Prognose der Zusatzbelastung durch tieffrequenten Schall halte einer fachlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand. Der Hinweis auf eine aktuelle Überarbeitung der DIN 45680 sei unerheblich. Der Beklagte habe auch nicht gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen. Der bei der Errichtung der Anlagen auftretende Baulärm sei nicht Gegenstand einer immissionsschutzrechtlichen Schallprognose, sondern werde durch eine Messung während des Betriebs der Baustelle beurteilt, selbst eine solche Messung sei nur gerechtfertigt, wenn besondere Umstände vorlägen, an denen es vorliegend fehle. Eine optisch bedrängende Wirkung liege ebenfalls nicht vor, insbesondere fehle es an Gründen, von der Regelvermutung des § 249 Abs. 10 BauGB abzuweichen. Ein atypischer Sonderfall sei nicht ersichtlich. Dies habe auch der Ortstermin bestätigt. Ein „Recht auf schöne Aussicht“ sei nicht schützenswert. In technischer Hinsicht sei zu ergänzen, dass die Rotorblätter mit 10-12 Umdrehungen pro Minute verhältnismäßig langsam rotierten. Der Vortrag der Kläger zur Schattenwurfprognose sei in sich unschlüssig und angesichts der umfangreichen Nebenbestimmungen zur Reduzierung des Schattenwurfs nicht geeignet, eine Verletzung ihrer Rechte aufzuzeigen. Auf die behaupteten Gefahren für die Wasserschutzzone S. IIIb könnten die Kläger sich nicht stützen, zudem würden die Gefahren durch Nebenbestimmungen minimiert. Aus den gleichen Gründen sei der Vortrag zu § 40 AwSV nicht relevant.
29Die Berichterstatterin des Senats hat die Örtlichkeit am 12.12.2024 in Augenschein genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen immissionsschutzrechtlichen Verwaltungsvorgänge des Beklagten - auch zu den Verfahren 7 D 177/23.AK, 7 D 178/23.AK, 7 D 211/23.AK und 7 D 214/23.AK - Bezug genommen.
30Entscheidungsgründe:
31Die Klage hat teilweise Erfolg.
32Der Senat versteht den Klageantrag in sachdienlicher Weise dahin, dass die Kläger neben der Aufhebung der Genehmigungen vom 2.10.2023 hilfsweise auch die Feststellung begehren, dass die Genehmigungen rechtswidrig und nicht vollziehbar sind. Das haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung des Senats bestätigt.
33Vgl. zur Einordnung des Antrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit als Hilfsantrag: Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2023, § 75 Rn. 53.
34Die Klage ist mit diesen Begehren zulässig (dazu A.); in der Sache ist die Klage aber nur mit dem Hilfsantrag begründet (dazu B.).
35A. Die Klage ist mit dem Hauptantrag (dazu I.) und mit dem hilfsweisen Klagebegehren statthaft und auch im Übrigen zulässig (II.).
36I. Die Anfechtungsklage ist zulässig.
37Dem steht nicht entgegen, dass nach § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG eine Verletzung materieller Rechtsvorschriften nur dann zur Aufhebung einer Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b oder 5 UmwRG führt, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. In einer solchen Konstellation hat das Gericht die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der angegriffenen Entscheidung festzustellen. Daraus folgt indes nicht etwa die Unzulässigkeit einer Anfechtungsklage, inwieweit ein Aufhebungsanspruch ausgeschlossen ist, ist im Rahmen der Begründetheit zu prüfen.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.12.2024 - 7 D 21/24.AK -, juris Rn. 33 ff. m. w. N.
39Die Kläger sind nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Nach dieser Vorschrift ist eine Anfechtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Verletzung eigener Rechte muss auf der Grundlage des Klagevorbringens möglich erscheinen. Diese Möglichkeit ist dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Kläger verletzt sein können. Da die Kläger nicht Adressaten der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide sind, kommt es darauf an, ob sie sich für ihr Begehren auf eine öffentlich-rechtliche Norm stützen können, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm auch sie als Dritte schützt.
40Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.3.2022 - 7 D 303/20.AK -, BauR 2022, 906 = juris, Rn. 20 ff. sowie OVG NRW, Urteil vom 5.10.2020 - 8 A 894/17 -, ZNER 2020, 558 = juris, Rn. 47 ff., jeweils m. w. N.
41Die Kläger berufen sich hier insbesondere darauf, dass die Erteilung der streitgegenständlichen Genehmigungen für sie als Bewohner und Eigentümer des Grundstücks mit der Anschrift R.-straße 6f mit schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG verbunden sei. Hierzu machen sie u. a. geltend, die den Genehmigungen zugrundeliegenden Schallimmissionsprognosen hätten eine der Windenergieanlagen unzutreffend nur als Vorbelastung berücksichtigt und zudem die bestehende Biogasanlage am Standort R.-straße 6 nur unzureichend einbezogen. Danach ist eine Rechtsverletzung nicht offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen.
42Die einmonatige Klagefrist nach § 74 VwGO ist eingehalten. Die Zustellung der Bescheide vom 2.10.2023 gilt gemäß der öffentlichen Bekanntmachung des Beklagten am letzten Tag der Auslegungsfrist, dem 3.11.2023, als bewirkt. Die Klage wurde am 4.12.2023, einem Montag, erhoben.
43II. Die hilfsweise auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der angegriffenen Bescheide im genannten Umfang gerichtete Klage ist ebenfalls statthaft und auch im Übrigen zulässig.
44Insbesondere sind die Voraussetzungen der Klagebefugnis, die auch erfüllt sein müssen, wenn der Klageantrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit zielt,
45vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.12.2024 - 7 D 21/24.AK -, juris Rn. 45 ff. m. w. N.,
46aus den vorstehenden Gründen gegeben.
47B. Die Klage ist im vorgenannten Umfang auch in der Sache begründet.
48Die angegriffenen Genehmigungen sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (dazu I.). Eine Entscheidungsergänzung kommt zur Behebung des Rechtsmangels nicht in Betracht (II.). Andere durchgreifende Mängel der Genehmigungen liegen nicht vor (III.). Die Kläger haben danach gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigungen, sondern nur einen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Entscheidung des Beklagten (dazu IV.).
49I. Die den Beigeladenen erteilten Genehmigungen des Beklagten vom 2.10.2023 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten.
50Die Kläger sind mit Blick auf die in Rede stehende Lärmbelastung unzumutbaren Immissionen durch das Vorhaben ausgesetzt.
51Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen von Windenergieanlagen schädlich im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, bestimmt sich maßgeblich nach Nr. 6.1 TA Lärm.
52Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.10.2020 - 8 A 894/17 -, ZNER 2020, 558 = juris, Rn. 155 f.
53Ausgehend von dem danach maßgeblichen Richtwert (dazu 1.) werden die Kläger nach den zugrunde zu legenden Schallimmissionsprognosen vom 17. bzw. 18.1.2022 und der ergänzenden Stellungnahme vom 18.10.2022 zur Nachtzeit unzumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt sein, wenn die von den Beigeladenen geplanten Windenergieanlagen verwirklicht werden (dazu 2.). Dieser Fehler führt auch zur Rechtswidrigkeit der Genehmigungen für beide Anlagen (dazu 3.).
541. Der nach der TA Lärm in den Blick zu nehmende Immissionsrichtwert für das Grundstück der Kläger mit der Anschrift R.-straße 6f liegt jedenfalls nicht unterhalb des Werts von 45 dB(A) nachts. Dieser Wert ist mit Blick auf die Lage im Außenbereich als maßgeblich zu betrachten.
55Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 5.10.2020 - 8 A 894/17 -, juris, Rn. 157 f.
562. Ausweislich der Schallimmissionsprognosen vom 17. bzw. 18.1.2022, die das Gebäude R.-straße 6f als Immissionsort IO 09 berücksichtigt haben, wird der Richtwert von 45 dB(A) zur Nachtzeit allein durch die WEA 1 eingehalten (Gesamtbelastung von (gerundet) Lr = 44 dB(A)), und durch die zusätzlichen Immissionen der WEA 2 um 1 dB(A) überschritten (Gesamtbelastung (gerundet) Lr = 46 dB(A)).
57Der Beklagte hat zu Unrecht und zu Lasten der Kläger diese Überschreitung des Immissionsrichtwerts durch die WEA 2 unter Anwendung von Nr. 3.2.1 Abs. 3 TA Lärm nicht als erhebliche Umwelteinwirkung angesehen.
58Nach Nr. 3.2.1 Abs. 3 TA Lärm soll für die zu beurteilende Anlage die Genehmigung wegen einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm aufgrund der Vorbelastung dann nicht versagt werden, wenn dauerhaft sichergestellt ist, dass diese Überschreitung nicht mehr als 1 dB(A) beträgt. Nach Nr. 2.4 Abs. 1 TA Lärm ist die Vorbelastung die Belastung eines Ortes mit Geräuschimmissionen von allen Anlagen, für die die TA Lärm gilt, ohne den Immissionsbeitrag der zu beurteilenden Anlage.
59Die Anlagen WEA 1 und WEA 2 bilden eine gemeinsame Anlage im Sinne des insoweit maßgeblichen § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV (dazu a)). Anders als in den Schallimmissionsprognosen vom 17.1.2022 bzw. 18.1.2022 und der ergänzenden Stellungnahme vom 18.10.2022 angenommen, durfte die WEA 1 nicht als „Vorbelastung“ und die WEA 2 nicht als „zu beurteilende Anlage“ betrachtet werden; vielmehr hätten die WEA 1 und die WEA 2 hinsichtlich der von ihnen verursachten Schallimmissionen gemeinsam als „zu beurteilende Anlage“ bewertet werden müssen (dazu b)). Eine solche Betrachtung hätte dazu geführt, dass Nr. 3.2.1. Abs. 3 TA Lärm nicht zur Anwendung gekommen wäre (dazu c)).
60a) Die Anlagen WEA 1 und WEA 2 bilden eine gemeinsame Anlage im Sinne des auch bei der Anwendung der TA Lärm maßgeblichen § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV.
61Die TA Lärm selbst regelt nicht, was die „zu beurteilende Anlage“ ist. Daher ist auf den Anlagenbegriff des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der darauf gestützten Verordnungen, insbesondere der 4. BImSchV, zurückzugreifen.
62Nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG sind Anlagen im Sinne des BImSchG u. a. Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen.
63Gemäß § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV bilden mehrere Anlagen derselben Art, die in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen, eine sog. gemeinsame Anlage; ein enger räumlicher und betrieblicher Zusammenhang in diesem Sinne ist gegeben, wenn die Anlagen auf demselben Betriebsgelände liegen, mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen verbunden sind und einem vergleichbaren technischen Zweck dienen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 4 der 4. BImSchV ist zudem nur auf Anlagen desselben Betreibers abzustellen.
64Die Anlagen WEA 1 und WEA 2 bilden eine gemeinsame Anlage in diesem Sinne.
65Es handelt sich um Anlagen derselben Art.
66Sie liegen auf demselben Betriebsgelände. Als Betriebsgelände ist in diesem Zusammenhang nicht nur die Grundstücksfläche bzw. das Flurstück anzusehen, auf dem sich die jeweilige Anlage befindet, sondern die von demselben Betreiber im räumlichen Zusammenhang mit Anlagen bebaute Fläche, insoweit kommt es auf eine Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls an.
67Vgl. Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: September 2024, § 1 der 4. BImSchV, Rn. 25; Ludwig, in: Feldhaus, BImSchG, Stand: August 2024, § 1 der 4. BImSchV, Rn. 21.
68Danach befinden sich die Anlagen WEA 1 und WEA 2 vorliegend auf demselben Betriebsgelände. Sie liegen - in Anbetracht ihrer Bauart und Größe - in unmittelbarer Nähe zueinander. Angesichts dessen steht der Annahme eines einheitlichen Betriebsgeländes weder die Lage auf verschiedenen Flurstücken noch der Umstand entgegen, dass sich zwischen den Mastfüßen ein weiteres Flurstück befindet.
69Es handelt sich auch um Anlagen desselben Betreibers.
70Anlagenbetreiber ist diejenige natürliche oder juristische Person oder Personenvereinigung, die die Anlage in ihrem Namen, auf ihre Rechnung und in eigener Verantwortung führt, die die unmittelbare Entscheidungsgewalt über den Betrieb der Anlage innehat und die wirtschaftlichen Risiken des Betriebs trägt. Dabei kommt es vor allem darauf an, wer den bestimmenden bzw. maßgeblichen Einfluss auf die Lage, Beschaffenheit und den Betrieb der Anlage ausübt.
71Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1.12.2011 - 8 D 58/08.AK -, BauR 2012, 773 = juris, Rn. 327, m. w. N.
72Danach sind die WEA 1 und die WEA 2 vorliegend trotz der formal unterschiedlichen Zuordnung zu unterschiedlichen juristischen Personen - Antragstellerin und Genehmigungsadressatin hinsichtlich der WEA 1 ist die Beigeladene zu 2., hinsichtlich der WEA 2 die Beigeladene zu 1. - Anlagen desselben Betreibers.
73Jedenfalls in Situationen, in denen trotz der formalen Zuordnung zu unterschiedlichen juristischen Personen sowohl die Kontrolle über die Anlagen als auch das wirtschaftliche Risiko in einer Hand verbleiben, ist nach dem dargestellten Maßstab von einem - einheitlichen - Betreiber auszugehen.
74Vgl. Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: September 2024, § 1 der 4. BImSchV, Rn. 26; Ludwig, in: Feldhaus, BImSchG, Stand: August 2024, § 1 der 4. BImSchV, Rn. 22; vgl. allgemein auch Agatz, Windenergiehandbuch, 19. Ausgabe 2023, Seite 7 ff.
75Dies ist vorliegend der Fall. Ausweislich der im Handelsregister veröffentlichten Informationen ist an beiden Beigeladenen im Umfang von jeweils 51 % die B. UG beteiligt. Dies verschafft ihr ausweislich der Gesellschaftsverträge die maßgeblichen Entscheidungsbefugnisse in den Beigeladenen. Danach sind Gesellschafterversammlungen beschlussfähig, wenn mindestens 51 % des Stammkapitals vertreten sind, Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Dass die Gesellschafterstruktur vollständig deckungsgleich ist, ist - anders als von den Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vorgetragen - nicht erforderlich. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Geschäftsführer beider Beigeladener inzwischen zugleich Geschäftsführer und Gesellschafter der B. UG ist und alle drei Gesellschaften unter derselben Anschrift firmieren.
76Die beiden Windenergieanlagen sind zudem mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen verbunden.
77Gemeinsame Betriebseinrichtungen sind Anlagenteile, Maschinen, Geräte und sonstige technische Vorkehrungen, die für den technischen Betrieb der Anlage Bedeutung haben und aus denen sich ein objektiv feststellbarer betrieblicher Zusammenhang ergibt.
78Vgl. Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: September 2024, § 1 der 4. BImSchV, Rn. 27.
79Sie müssen nicht selbst dem Genehmigungserfordernis unterliegen.
80Vgl. Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: September 2024, § 1 der 4. BImSchV, Rn. 27; a. A. Ludwig, in: Feldhaus, BImSchG, Stand: August 2024, § 1 der 4. BImSchV, Rn. 23.
81Danach sind vorliegend gemeinsame Betriebseinrichtungen gegeben. Aus den ursprünglichen Planungen ist ersichtlich, dass für die WEA 1 und die WEA 2 jedenfalls eine gemeinsame Zufahrt vorgesehen ist, die die Anlagen nach der Verkehrsanschauung als betrieblich zusammengehörig wirken lässt. Des Weiteren lässt sich den Antragsunterlagen der beiden Anlagen der Sache nach entnehmen, dass entlang der Zuwegung auch die elektrischen Leitungen verlaufen, die die Anlagen mit der Elektrizitätsleitung entlang der R.-straße verbinden sollen.
82Dass darüber hinaus ein funktionaler Zusammenhang dergestalt erforderlich wäre, dass die gemeinsamen Betriebseinrichtungen die beiden Anlagen in einer Weise verbinden, die zu einer gemeinsamen Steuerung oder einem (nur) gemeinsamen Betrieb führte, wie von den Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, lässt sich § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der 4. BImSchV nicht entnehmen.
83Der Annahme gemeinsamer Betriebseinrichtungen steht auch nicht entgegen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit Höchstspannungsfreileitungen darauf verwiesen hat, dass Grundstücke, Schutzstreifen und Zuwegungen, die von parallel verlaufenden Leitungen gemeinsam genutzt werden, ebenso wie Umspannanlagen keine gemeinsamen Betriebseinrichtungen im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV seien.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 12.6.2024 - 11 A14.23 -, juris, Rn. 47.
85Diese Erwägungen sind vorliegend nicht übertragbar. Linienförmig und über weite Strecken parallel verlaufende Infrastruktureinrichtungen, die nur vereinzelt durch Einrichtungen wie etwa Umspannanlagen verbunden sind, unterscheiden sich insoweit erheblich von punktförmigen und hinsichtlich der von ihnen ausgehenden Immissionen in einem begrenzten Umkreis wirkenden Windenergieanlagen.
86Vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 14.3.2018 - 4 A 5.17 -, BVerwGE 161, 263 = juris, Rn. 58 m. w. N.
87Die WEA 1 und die WEA 2 dienen auch einem vergleichbaren technischen Zweck, nämlich der Nutzung von Windenergie.
88Ein gemeinsamer Zweck im Sinne eines Zusammenwirkens der Anlagen, wie von den Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, ist dagegen nicht erforderlich.
89Vgl. auch unter Verweis auf den früheren Verordnungswortlaut Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: September 2024, § 1 der 4. BImSchV, Rn. 28.
90Der Anwendung des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV auf Windenergieanlagen im Allgemeinen oder auf die hier streitgegenständlichen Anlagen WEA 1 und WEA 2 steht auch nicht das weitere Vorbringen der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung entgegen.
91Soweit sie darauf verweisen, historischer Ausgangspunkt der Regelung in § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV seien Feuerungsanlagen auf einem „klassischen Betriebsgelände“, dies lasse sich auf Windenergieanlagen nicht übertragen, ergibt sich eine solche Einschränkung aus dem Wortlaut der Norm nicht. Vielmehr nimmt § 1 Abs. 3 Satz 1 der 4. BImSchV ausdrücklich auf Anhang 1 der Verordnung Bezug, in dem unterschiedliche Anlagen, darunter auch solche zur Nutzung von Windenergie, aufgezählt werden.
92Nichts anderes ergibt sich aus dem Vorbringen, die Anwendung von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV führe zu einer Abweichung von dem bisher für die Abgrenzung von Vor- und Zusatzbelastung im Sinne der TA Lärm herangezogenen Prioritätsgrundsatz bzw. zu dessen Aufweichung. Die Frage, ob eine Anlage nach dem Grundsatz der Priorität als Vor- oder Zusatzbelastung anzusehen ist, stellt sich nur im Verhältnis zwischen selbstständigen Anlagen, eine gemeinsame Anlage im Sinne des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV kann nur insgesamt vor- oder nachrangig zu anderen Anlagen sein.
93Die dargestellte Auffassung steht auch nicht - wie die Beigeladenen meinen - im Widerspruch zum Beschluss des 8. Senats des erkennenden Gerichts vom 20.7.2017 - 8 B 396/17 -, juris, Rn. 11 ff. Dort wird ausgeführt, bei der Frage, in welcher Reihenfolge planerisch bereits verfestigte Projekte in die immissionsschutzrechtliche Betrachtung einzubeziehen sind, sei in ständiger Rechtsprechung vom Prioritätsprinzip auszugehen, bei gleichzeitiger Prüffähigkeit mehrerer Genehmigungsanträge desselben Betreibers seien grundsätzlich sämtliche Windenergieanlagen wechselseitig bei der Untersuchung ihrer jeweiligen Genehmigungsfähigkeit in den Blick zu nehmen, im dortigen Einzelfall habe sich die Betreiberin jedoch auf eine bestimmte Antrags- und Prüfungsreihenfolge festgelegt und damit auch bestimmt, dass die vorrangige Anlage bei den nachrangigen Anlagen als Vorbelastung zu berücksichtigen sei, jedoch nicht umgekehrt. Dies ist schon deshalb nicht auf den vorliegenden Sachverhalt zu übertragen, weil der Begründung des genannten Beschlusses nicht zu entnehmen ist, dass die dort betrachteten Anlagen desselben Betreibers eine gemeinsame Anlage im Sinne des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV gebildet hätten. Ungeachtet dessen ist den Antragsunterlagen der Beigeladenen nicht hinreichend konkret zu entnehmen, dass die WEA 1 vorrangig und die WEA 2 nachrangig zur Genehmigung gestellt werden sollten.
94Der aus den vorstehenden Gründen gebotenen Anwendung des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV stehen auch nicht die von den Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen praktischen Aspekte - Rechtsunsicherheit auf Seiten von Behörden und Betreibern, Beeinträchtigung der Verkehrsfähigkeit von Anlagen, vermehrte Errichtungen getrennter Betriebseinrichtungen zur Vermeidung der Annahme gemeinsamer Anlagen - entgegen.
95Es schließlich bestand kein Anlass, den Beigeladenen gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 283 ZPO vor einer Entscheidung die in der mündlichen Verhandlung beantragte Schriftsatzfrist zur Frage der Anwendbarkeit von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV einzuräumen. Die Frage, ob die Anlage WEA 1 und WEA 2 hinsichtlich ihrer Schallimmissionen in Vor- und Zusatzbelastung aufgeteilt werden durften, war bereits schriftsätzlich, sowohl durch die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 5.2.2024 (dort Seite 4) als auch durch den Beklagten in seinem Schriftsatz vom 20.9.2024 (dort Seite 3 ff.), thematisiert worden. Zudem wurde die Frage in der mündlichen Verhandlung umfassend mit den Beteiligten erörtert.
96b) Eine solche gemeinsame Anlage im Sinne des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV ist auch hinsichtlich der von ihr verursachten Schallimmissionen einheitlich zu beurteilen.
97Vgl. Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus, BImSchG, Stand: August 2024, Nr. 2 TA Lärm Rn. 45; im Ergebnis offenlassend VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.12.2023 - 14 S 218/23 - UWP2024, 65 = juris, Rn. 178; zum Planfeststellungsrecht BVerwG, Urteile vom 12.6.2024 - 11 A 14.23 -, juris, Rn. 46 f., und vom 14.3.2018 - 4 A 5.17 -, BVerwGE 161, 263 = juris, Rn. 58 m. w. N.
98Soweit der Beklagte unter Verweis auf eine Literaturansicht
99- Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: September 2024, Nr. 2 TA Lärm, Rn. 29 ff. -,
100meint, eine Beurteilung aller in einem räumlichen Zusammenhang stehenden Anlagen sei nicht zulässig, auch dann, wenn es sich um Anlagen desselben Betreibers auf einem einheitlichen Betriebsgelände handele, ist dem aus den dargelegten Gründen für den vorliegenden Fall nicht zu folgen. Die vom Beklagten zitierte Fundstelle bezieht sich im Übrigen dem Gesamtzusammenhang nach nur auf solche Konstellationen, in denen - anders als hier - gerade keine gemeinsame Anlage im Sinne des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV, sondern lediglich ein räumlicher Zusammenhang sowie derselbe Betreiber gegeben sind.
101Nichts anderes ergibt sich aus den von den Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen LAI-Hinweisen zur Auslegung der TA Lärm aus Februar 2023. Soweit diese auf Seite 25 bei der Unterscheidung zwischen Vor- und Zusatzbelastung nicht zwischen eigenen oder für den Betreiber „fremden“ Anlagen differenzieren, betreffen diese Ausführungen - hier nicht streitgegenständliche - nachträgliche Anordnungen und verhalten sich auch nicht zu gemeinsamen Anlagen im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV. Dagegen führen die genannten Hinweise auf Seite 7 ausdrücklich aus, bei genehmigungsbedürftigen Anlagen sei zur Bestimmung dessen, was zu einer Anlage gehöre (Anlagenteile, Nebeneinrichtung, gemeinsame Anlage), § 1 Abs. 2 und 3 der 4. BImSchV heranzuziehen.
102c) Eine gemeinsame Betrachtung beider Anlagen als „zu beurteilende Anlage“ hätte dazu geführt, dass Nr. 3.2.1. Abs. 3 TA Lärm nicht zur Anwendung gekommen wäre.
103In diesem Fall ergäbe sich die Überschreitung des Immissionsrichtwerts zur Nachtzeit nicht „aufgrund der Vorbelastung“, sondern bereits aus den von der gemeinsamen Anlage ausgehenden Schallimmissionen. Ausweislich der Schallimmissionsprognosen der H. GmbH vom 17. bzw. 18.1.2022 verursacht die WEA 1 am Wohnhaus der Kläger (IO 09) einen Beurteilungspegel von 43,7 dB(A), die WEA 2 führt zu einem Beurteilungspegel von 41,3 dB(A). Addiert ergibt sich daraus eine Belastung von mindestens 45,6 dB(A).
104Vgl. dazu „Rechnen mit Schallpegeln“, Hessisches Landesamt für Natur und Umwelt, hlnug.de sowie https://sengpielaudio.com/Rechner-spl.htm.
105Nach den maßgeblichen Rundungsregelungen,
106vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 24.1.2024 - 7 D 59/23.AK -, BauR 2024 = juris, Rn. 85 ff.,
107entspricht dies einem Beurteilungspegel von 46 dB(A), der den hier maßgeblichen Richtwert überschreitet.
108Nichts anderes ergibt sich aus dem Vorbringen der Beigeladenen und des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, für die Anwendung von Nr. 3.2.1. Abs. 3 TA Lärm auch im vorliegenden Fall spreche, dass die Kläger eine Belastung von 46 dB(A) hätten hinnehmen müssen, wenn eine der beiden Anlagen von einem anderen Betreiber unterhalten würde oder keine gemeinsamen Betriebseinrichtungen bestünden, Hintergrund der Regelung in Nr. 3.2.1 der TA Lärm sei, dass eine Erhöhung des Lärmpegels um 1 dB(A) nicht wahrnehmbar sei. Dieses Vorbringen ändert nichts daran, dass die Voraussetzungen, unter denen nach Nr. 3.2.1. Abs. 3 TA Lärm eine Überschreitung des Immissionsrichtwerts ausnahmsweise hinzunehmen ist, - wie ausgeführt - nicht vorliegen. Dass die TA Lärm insoweit strengere Regelungen für Anlagen desselben Betreibers trifft, ergibt sich aus dem dargestellten, der TA Lärm zugrunde liegenden Anlagenbegriff und vermag vom Wortlaut nicht gedeckte Erweiterungen der Ausnahmeregelung in Nr. 3.2.1. Abs. 3 TA Lärm nicht zu rechtfertigen.
1093. Der aufgezeigte rechtliche Mangel führt auch zur Rechtswidrigkeit der Genehmigungen für beide Anlagen. Die WEA 1 und die WEA 2 hätten gemeinsam beurteilt werden müssen. Daher kommt eine Aufspaltung der gemeinsamen Anlage und isolierte Betrachtung der WEA 1 und WEA 2 im Hinblick auf die von ihnen ausgehenden Immissionen nicht in Betracht. Dementsprechend führt es zu keinem anderen Ergebnis, dass die Anlagen jeweils für sich genommen den maßgeblichen Immissionsrichtwert am Grundstück der Kläger einhalten.
110Dass es dem Willen der Beigeladenen entsprochen hätte, im Fall der fehlenden Genehmigungsfähigkeit der gemeinsamen Anlage ein anderes Vorhaben, nämlich nur die WEA 1 als eigenständige Anlage, zur Genehmigung zu stellen, ist im Genehmigungsverfahren nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen. Dagegen spricht u. a., dass die Antragsunterlagen keine entsprechende Erklärung der Beigeladenen enthalten und auch nicht durchgehend auf nur eine Anlage, etwa die WEA 1, bezogen sind, dies gilt etwa für den Fachbeitrag zur Artenschutz-Vorprüfung (ASP Stufe I) vom 22.9.2021 (z. B. Seite 7), den Fachbeitrag zur vertiefenden Artenschutzprüfung (ASP Stufe II) vom 22.9.2021 (z. B. Seiten 1 und 9) und den Bericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung mit integrierter FFH-Verträglichkeitsvorprüfung vom 15.10.2021 (z. B. Seiten 1 und 17, 19 ff.).
111II. Der Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit im genannten Umfang ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil eine auf eine bestimmte Entscheidungsergänzung gerichtete gerichtliche Entscheidung in Betracht käme.
112Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 13.6.2019 - 7 B 23.18 -, NVwZ 2019, 1611 = juris, Rn. 6.
113Hierzu fehlt es bisher an abschließenden Ermittlungen zu den im Einzelnen notwendigen Beschränkungen zum Schutz der Kläger vor schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Schallimmissionen sowie an einer Entscheidung des Beklagten darüber, wie diese im Einzelnen umgesetzt werden sollen.
114Danach ist es dem Senat verwehrt, eine entsprechende Verpflichtung des Beklagten auszusprechen.
115III. Schließlich leiden die Bescheide auch nicht an sonstigen - in nachbarrechtlicher Hinsicht relevanten - Rechtsmängeln. Diese Prüfung ist geboten, weil der Erlaubnis anhaftende Rechtsfehler wegen der Rechtskraftwirkung des Urteils abschließend zu benennen sind.
116Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 13.6.2019 - 7 B 23.18 -, NVwZ 2019, 1611 = juris, Rn. 6.
117Solche Fehler sind weder von den Klägern aufgezeigt noch vom Senat bei einer Prüfung von Amts wegen festgestellt worden.
118Sie ergeben sich weder mit Blick auf den weiteren Vortrag der Kläger zu Schallimmissionen (dazu 1.) noch durch tieffrequenten Schall (dazu 2.), Schattenwurf (dazu 3.), optische Auswirkungen der streitgegenständlichen Anlagen (dazu 4.) oder sonstige Auswirkungen der Anlagen (dazu 5.).
1191. Die weiteren gegen die Schallimmissionsprognosen hinsichtlich beider Windenergieanlagen gerichteten Einwände der Kläger greifen ebenfalls nicht durch.
120a) Die Schallimmissionsprognosen berücksichtigen die Biogasanlage am Standort R.-straße 6 in ausreichender Weise.
121Die Kläger beanstanden ohne Erfolg, die Prognosen hätten einen zu geringen Quellschallpegel von Lwa = 81,8 dB(A) angesetzt, dieser falle aus dem Rahmen und sei im Gegensatz zum realistischen Eingangswert der weiteren drei als Vorbelastung angesetzten Biogasanlagen von Lwa = 92,8 dB(A) zu gering.
122Der den Schallimmissionsprognosen zugrunde gelegte Quellschallpegel von Lwa = 81,8 dB(A) ist zutreffend angesetzt. Er beruht auf den für die konkrete Anlage genehmigten Schallleistungspegeln.
123Vgl. zu deren Maßgeblichkeit auch LAI-Hinweise zur Auslegung der TA Lärm (Fragen und Antworten zur TA Lärm), Stand: 24.2.2023, Seite 13.
124Soweit die Kläger auf eigene Recherchen zu den Motoren der Blockheizkraftwerke verweisen, ergibt sich daraus nichts anderes.
125Sollte die Biogasanlage die für sie verbindlichen genehmigten Werte - etwa infolge von Verschleiß oder aufgrund geöffneter Türen im das Blockheizkraftwerk umgebenden Gebäude - nicht einhalten, wäre dem im Wege der Anlagenüberwachung zu begegnen.
126Die Kläger beanstanden weiter ohne Erfolg, das für das Blockheizkraftwerkgebäude angesetzte Schalldämm-Maß von 40 dB sei zu gering, das Maschinenhaus sei ein nachgerüstetes Gebäude mit Schallbrücken und ihnen als das am lautesten hörbare Anlagenteil bekannt. Aus dem vom Beklagten vorgelegten Grundriss sowie den in den Akten befindlichen Lichtbildern ist zu erkennen, dass es sich - jedenfalls im unteren Bereich - um gemauerte Wände handelt.
127Hinzu kommt, worauf die Beigeladene unter Berufung auf die Stellungnahme der L. GmbH hinweist, dass sich zwischen der Biogasanlage und dem Grundstück der Kläger weitere Gebäude befinden, die zu einer Abschirmung beitragen und in den Schallimmissionsprognosen nicht berücksichtigt werden.
128Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang weiter bemängeln, die genaue Position des schutzbedürftigen Raums am IO 09 sei dem Gutachter nicht bekannt gewesen, zeigen sie nicht auf, dass sich bei Zugrundelegung dieses - schon nicht näher konkretisierten Raumes - ein höherer Immissionspegel ergeben hätte, der dazu geführt hätte, dass die von der Biogasanlage ausgehenden Immissionen die in den Prognosen herangezogene Irrelevanzschwelle in Ziffer 2.2 der TA Lärm erreicht hätten.
129b) Die Schallimmissionsprognosen sind auch nicht mit Blick auf Schallreflexionen fehlerhaft.
130Die Kläger beanstanden insoweit, da einige geräuscherzeugende Quellen am Standort der Biogasanlage R.-straße 6 vor einer nach Ost-Südost gerichteten Wand lägen, komme es zu Reflektionen und Richtcharakteristik in Richtung ihres Wohnhauses, zudem gebe es am das Blockheizkraftwerk umgebenden Gebäude ein Fenster sowie mitschwingungsfähige und schallabstrahlende Stahlprofile.
131Dies berücksichtigt jedoch nicht, dass zwischen der Biogasanlage und ihrem etwa 120 m entfernt liegenden Grundstück Gebäude liegen, die sie von den Schallimmissionen der Anlage abschirmen. Zudem haben die Kläger nicht aufgezeigt, dass die Annahme der Schallimmissionsprognosen unzutreffend wäre, die für eine relevante Pegelerhöhung durch Reflexions- und Abschirmungseffekte notwendige Lagekonstellation liege u. a am IO 09, ihrem Wohnhaus, nicht vor (Seite 11 bzw. 12).
132c) Die Schallimmissionsprognosen sind auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sie durch die streitgegenständlichen Windenergieanlagen verursachte Einzeltöne zu Unrecht nicht berücksichtigten.
133Die zu den jeweiligen Genehmigungen gehörenden Schallimmissionsprognosen vom 17. bzw. 18.1.2022 gehen jeweils davon aus, ausweislich der Herstellerangaben liege eine Ton- oder Impulshaltigkeit nicht vor (Seite 19 bzw. Seite 18 der Prognosen). Die Einhaltung dieser Annahme ist gemäß der jeweiligen Nebenbestimmung Nr. 12 durch eine FGW-konforme Vermessung nachzuweisen, bevor der Betrieb zur - hier allein kritischen - Nachtzeit aufgenommen werden darf.
134Dass diese Annahme der Prognosen nicht einzuhalten wäre, weil Windenergieanlagen an sich oder Anlagen des hier geplanten Typs grundsätzlich impulshaltig wären, legen die Kläger mit ihrem Vortrag, bei der Verwendung eines Getriebes bzw. eines Frequenzumformers kämen Einzeltöne mit einer PMW-Frequenz von 1 kHz immer vor, nicht hinreichend substantiiert dar.
135d) Soweit die Kläger auf eine nicht vorliegende Anlagenvermessung hinweisen, zeigen sie ebenfalls keine Fehlerhaftigkeit der Schallimmissionsprognosen auf.
136Allein der Umstand, dass eine Schallimmissionsprognose (nur) auf Herstellerangaben und nicht auf einer Typenvermessung beruht, führt nicht zu ihrer Fehlerhaftigkeit.
137Vgl. zu dieser Möglichkeit etwa auch die LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen (WKA), Stand: 30.6.2016, dort unter 4.2.
138e) Schließlich ergibt sich auch keine Verletzung der Kläger in ihren Rechten aus ihrem Vorbringen, die den Prognosen zugrunde liegenden Herstellerangaben seien nicht aktuell.
139Die angefochtenen Genehmigungen enthalten in der jeweiligen Nebenbestimmung Nr. 9 die Vorgabe, die Anlage zur Nachtzeit im „Modus 1“ mit einer maximalen Leistung von 6.800 kW gemäß der Herstellerangabe im Dokument Nr. F008_277_A19_IN_R01 vom 8.7.2021 zu betreiben.
140Dass - wie die Kläger vortragen - nach den aktuellen Herstellerangaben der „Mode 0“ der lauteste Betriebsmodus sein könnte, führt danach auf keine Rechtsverletzung, denn er darf nach den Genehmigungen zur Nachtzeit nicht genutzt werden.
1412. Bei dem Betrieb der Windenergieanlagen sind unzumutbare Beeinträchtigungen der Kläger durch tieffrequenten Schall ebenfalls nicht zu erwarten. Die Rüge der Kläger, die Schallimmissionsprognosen vom 17. bzw. 18.1.2022 sowie die Stellungnahme vom 18.10.2022 berücksichtigten tieffrequente Geräuschemissionen der Windenergieanlagen nicht hinreichend, greift nicht durch.
142Einer Prognose der tieffrequenten Schallimmissionen bedurfte es im Genehmigungsverfahren nicht (dazu a)). Auch im Übrigen waren weitere Ermittlungen des Beklagten zu tieffrequenten Geräuschen nicht veranlasst (dazu b)). In die streitbefangenen Genehmigungen mussten deshalb nicht die von den Klägern für erforderlich gehaltenen Nebenbestimmungen aufgenommen werden (dazu c)). Es liegt auch kein Verstoß des Beklagten gegen den Untersuchungsgrundsatz vor (dazu d)).
143a) Es bedurfte keiner Ausbreitungsberechnung für tieffrequente Geräusche hinsichtlich des Grundstücks der Kläger.
144Gemäß Nr. 7.3 TA Lärm ist für tieffrequente Geräusche, d. h. solche Geräusche, die vorherrschende Energieanteile im Frequenzbereich unter 90 Hz besitzen, die Frage, ob von ihnen schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen, im Einzelfall nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen (Abs. 1 Satz 1). Dabei können schädliche Umwelteinwirkungen insbesondere auftreten, wenn bei deutlich wahrnehmbaren tieffrequenten Geräuschen in schutzbedürftigen Räumen bei geschlossenen Fenstern die nach Nummer A.1.5 des Anhangs ermittelte Differenz LCeq – LAeq den Wert 20 dB überschreitet (Abs. 1 Satz 2). Hinweise zur Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche enthält Nummer A.1.5 des Anhangs (Abs. 1 Satz 3). Nr. 7.3 Abs. 2 TA Lärm sieht vor, dass, wenn unter Berücksichtigung von Nummer 1.5 des Anhangs schädliche Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche zu erwarten sind, geeignete Minderungsmaßnahmen zu prüfen sind (Satz 1). Ihre Durchführung soll ausgesetzt werden, wenn nach Inbetriebnahme der Anlage auch ohne die Realisierung der Minderungsmaßnahmen keine tieffrequenten Geräusche auftreten (Satz 2).
145Nr. A.1.5 Abs. 1 des Anhangs zur TA Lärm listet verschiedene zu tieffrequenten Geräuschen neigende Anlagen beispielhaft auf. Für Hinweise zur Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche verweist die Vorschrift auf die DIN 45680 und das zugehörige Beiblatt 1 (Nr. A.1.5 Abs. 3 Satz 1 des Anhangs). Schädliche Umwelteinwirkungen sind danach nicht zu erwarten, wenn die in Beiblatt 1 genannten Anhaltswerte nicht überschritten werden (Nr. A.1.5 Abs. 3 Satz 2 des Anhangs).
146Diese liegen nach der auch von den Klägern für maßgeblich erachteten Tabelle 2 des Beiblatts 1 bei tieffrequenten Geräuschen ohne deutlich hervortretende Einzeltöne in den Nachtstunden bei 25 dB und in den Tagesstunden bei 35 dB.
147Eine Prognose tieffrequenter Geräusche ist danach - neben der nach Nr. 3.2.1 Abs. 6 Satz 1 TA Lärm ausdrücklich im Regelfall geforderten Prognose der Geräuschimmissionen, die Bandmittenfrequenzen ab 63 Hz umfasst (vgl. Nr. A.1.2 des Anhangs zur TA Lärm i. V. m. Nr. 6 der DIN ISO 9613-2) - nach der TA Lärm nicht vorgesehen.
148Die über Anhang A.1.5 Abs. 3 TA Lärm in Bezug genommene DIN 45680 regelt ausdrücklich nur die Messung und Bewertung tieffrequenter Geräuschimmissionen. Für eine Prognose tieffrequenten Schalls existieren in Deutschland hingegen keine normativen Vorgaben.
149Vgl. ausführlich OVG NRW, Urteil vom 23.8.2024 - 8 D 15/23.AK -, ZNER 2024, 556 = juris, Rn. 67 ff. m. zahlr. w. N.
150Aus dem Vorbringen der Kläger, in anderen Bundesländer seien Behörden verpflichtet, eine Prognose nach der DIN 45680 in Genehmigungsverfahren von Windkraftanlagen zu fordern, ergibt sich nichts anderes.
151Unabhängig davon, dass Verwaltungsvorschriften anderer Bundesländer nicht für nordrhein-westfälische Genehmigungsbehörden gelten, findet diese Auffassung der Kläger keine Stütze in der von ihnen benannten Nr. 2 und 3 der Tabelle 2 der Anlage 2 der „Hinweise zur Genehmigung und Überwachung von Biogasanlagen in Mecklenburg-Vorpommern“. Die dort genannten Kriterien wurden spezifisch auf Biogasanlagen zugeschnitten. Dass und weshalb sie sich „sinngemäß“ auf Windenergieanlagen übertragen ließen, legen die Kläger nicht dar.
152Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 23.8.2024 - 8 D 15/23.AK -, ZNER 2024, 556 = juris, Rn. 81 ff., und Beschluss vom 26.1.2024 - 8 B 1072/23.AK -, EnWZ 2024, 318 = juris, Rn. 44 ff.
153b) Auch im Übrigen waren weitere Ermittlungen des Beklagten zu tieffrequenten Geräuschen nicht veranlasst.
154Die Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und auch anderer Obergerichte geht davon aus, dass tieffrequenter Schall - wie auch Infraschall (Schall mit Frequenzen von weniger als 20 Hz) - durch Windenergieanlagen nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. v. § 3 Abs. 1 BImSchG wie etwa erheblichen Belästigungen oder Gesundheitsgefahren führt.
155Vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 23.8.2024 - 8 D 15/23.AK -, ZNER 2024, 556 = juris, Rn. 94 f., vom 24.5.2024 - 22 D 68/23.AK -, juris, Rn. 71 ff., vom 17.3.2022 - 7 D 303/20.AK -, juris, Rn. 83 ff., jeweils m. w. N., vgl. zudem auch BVerwG, Beschluss vom 30.9.2024 - 7 B 7.24 -, juris, Rn. 7.
156An dieser Bewertung der Erkenntnislage hält der Senat fest.
157Die von den Klägern in Bezug genommenen „Expertisen“ der J. vom 27.5.2022 bieten ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch tieffrequenten Schall durch die von den Beigeladenen geplanten Windenergieanlagen zu erwarten sind.
158Dies gilt zunächst für Dokument „KD-BG-220011: Prognose tieffrequenter Schallimmissionen am Standort T.-G.“. Die darin vorgenommene Prognose der am Wohnhaus der Kläger zu erwartenden tieffrequenten Schallimmissionen ist schon deshalb nicht belastbar, weil sie sich nicht auf eine plausible Methode stützt. Die einerseits genannte DIN 45680 beschreibt kein Prognose-, sondern ein Messverfahren für tieffrequenten Schall. Die andererseits als Grundlage des verwendeten Ausbreitungsmodells benannte DIN ISO 9613-2 gilt nach ihrer Nr. 6 für Bandmittenfrequenzen von 63 Hz bis 8 kHz und deckt damit nicht den gesamten Bereich der betrachteten Frequenzen von 20 bis 100 Hz ab. Dass und weshalb das Ausbreitungsmodell der DIN ISO 9613-2 dennoch uneingeschränkt übertragbar wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Hinzu kommt, dass das Dokument nicht die Eingangsdaten der streitgegenständlichen Anlagen verwendet und aus prognostizierten Beurteilungswerten am Gebäude auf die Nichteinhaltung der Anhaltswerte der DIN 45680 innerhalb des Gebäudes schließt, ohne auf die insoweit bestehenden - und selbst benannten - Schwierigkeiten einzugehen.
159Auch das Dokument „KD-BG-220012: Messbericht, Auswertung und Bewertung tieffrequenter Immissionen R.-straße 6f, T.“ zeigt keine Anhaltspunkte für schädliche Umwelteinwirkungen auf. Anlass der Messung war die Feststellung der Vorbelastung des Messortes durch tieffrequenten Schall durch die Biogasanlage am Standort R.-straße 6 (Seite 5). Daraus ergeben sich keine Erkenntnisse zu tieffrequenten Geräuschen durch die geplanten Anlagen der Beigeladenen.
160c) Da schädliche Umwelteinwirkungen durch tieffrequente Geräusche der Windenergieanlagen demnach nicht zu erwarten sind, musste der Beklagte auch keine geeigneten Minderungsmaßnahmen prüfen (vgl. Nr. 7.3 Abs. 2 Satz 1 TA Lärm) bzw. Nebenbestimmungen in die Genehmigung aufnehmen.
161d) Es liegt auch kein Verstoß des Beklagten gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 24 VwVfG) vor, so dass es auf die Entscheidungserheblichkeit eines solchen Verstoßes nicht ankommt.
162Aus den dargestellten Gründen musste der Beklagte keine weiteren Ermittlungen zu Belastungen der Kläger durch tieffrequente Geräusche der von den Beigeladenen geplanten Anlagen anstellen.
163Die von den Klägern zitierte Entscheidung
164- OVG NRW, Urteil vom 22.5.2014 - 8 A 1220/12 - juris, Rn. 146 ff. -
165führt zu keinem anderen Ergebnis. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt existierten bereits Messungen tieffrequenten Schalls nach den Vorgaben der DIN 45680, die auf eine Überschreitung des Anhaltswerts nach Beiblatt 1 der DIN 45680 hinwiesen. Außerdem lässt sich die Entscheidung auch deshalb nicht übertragen, weil sie sich thematisch nicht mit der Genehmigung einer Windenergieanlage, sondern mit dem Betrieb einer Anlage zur Aufbereitung und zeitweiligen Lagerung von Aluminiumschrott befasst.
1663. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger durch periodischen Schattenwurf der genehmigten Anlagen ist nicht zu befürchten.
167Dies ergibt sich aus den von den Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegten Schattenwurfprognosen der H. GmbH vom 26.8.2021, Bericht Nr. 20-1-3074-002a-S (WEA 1) und Bericht Nr. 20-1-3074-002b-S (WEA 2) sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 18.10.2022.
168Danach wird am Wohnhaus der Kläger, dem Immissionsort IO 30, der Wert von maximal 30 Stunden im Jahr und maximal 30 Minuten am Tag bereits durch die als Vorbelastung betrachtete WEA 1 überschritten, bereits insoweit werde eine Abschaltautomatik empfohlen, jede weitere Belastung durch periodischen Schattenwurf sei zu vermeiden.
169Dies wird vorliegend durch die Nebenbestimmungen Nr. 15 bis 20 zu den Genehmigungsbescheiden vom 2.10.2023 sichergestellt.
170Der Einwand der Kläger, die Beigeladenen hätten zwei Schattenwurfprognosen vorgelegt, aus denen die Gesamtbelastung - astronomisch maximal möglich und meteorologisch wahrscheinlich - nicht erkennbar sei, greift nicht durch. Der Bericht Nr. 20-1-3074-002a-S ermittelt diese Belastungen hinsichtlich der WEA 1, der Bericht Nr. 20-1-3074-002b-S greift diese Daten als Vorbelastung auf und ermittelt sodann die durch die WEA 2 verursachte Zusatzbelastung sowie die sich aus beiden Anlagen ergebende - astronomisch maximal mögliche und meteorologisch wahrscheinliche - Gesamtbelastung.
171Dass die beiden Anlagen WEA 1 und WEA 2 - wie oben ausgeführt - eine gemeinsame Anlage im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV bilden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Anders als im Hinblick auf die von den Anlagen ausgehenden Schallimmissionen führt die getrennte Beurteilung der Anlagen hinsichtlich der von ihnen ausgehenden Schattenwurfbelastung zu keinen für die Kläger nachteiligen Ergebnissen.
172Soweit die Kläger geltend machen, die der Schattenwurfprognose zugrunde liegenden Klimadaten seien veraltet, aktuelle Daten zeigten eine infolge des Klimawandels deutlich höhere Zahl an Sonnenstunden, führt auch dies nicht auf eine unzumutbare Beeinträchtigung. Ausweislich der ergänzenden Stellungnahme der M. GmbH vom 18.10.2022 stammen die verwendeten Klimadaten aus den Jahren 1980 bis 1993. Dass diese Wetterdaten möglicherweise nicht die aktuellen meteorologischen Verhältnisse wiedergeben, führt jedenfalls nicht zu einer Rechtsverletzung der Kläger. Wie die Stellungnahme vom 18.10.2022 noch einmal ausdrücklich bestätigt, wurde die Bewertung der Ergebnisse nur mit der maximal möglichen Beschattungsdauer durchgeführt, also davon ausgegangen, dass an allen Tagen im Jahr die Sonne von Aufgang bis Untergang durchgängig scheint.
173Vgl. zu diesem Ansatz auch die LAI-Hinweise zur Ermittlung und Beurteilung der optischen Immissionen von Windkraftanlagen (WKA-Schattenwurfhinweise), Stand: 23.1.2020, Seite 4 f.
174Eine unzumutbare Beeinträchtigung ergibt sich auch nicht aus dem Einwand der Kläger, die Prognosen verhielten sich nicht zu allen schutzbedürftigen Orten im Sinne der LAI-Hinweise, Terrassen seien zwischen 6:00 Uhr und 22:00 Uhr den schutzwürdigen Räumen gleichgestellt. Damit zeigen sie nicht auf, dass die in den Prognosen betrachteten Immissionsorte die zu ihrem Wohnhaus gehörenden schutzwürdigen Außenbereiche nicht hinreichend abbildeten bzw. dort mit anderen astronomisch maximal möglichen Schattenwurfbelastungen zu rechnen sei. Dagegen spricht auch, dass die Nebenbestimmungen Nr. 15 und Nr. 17 die Außenbereiche der im Einwirkungsbereich der Anlagen gelegenen Wohnhäuser ausdrücklich einbeziehen.
175Soweit die Kläger bemängeln, es sei nicht erkennbar, ob die Antragsteller beide Anlagen über eine gemeinsame Steuerung der Schattenbelastungskonten betreiben wolle, zeigen sie nicht auf, dass nur so der Schutz ihrer Nachbarrechte gewährleistet werden könnte. Durch die Nebenbestimmungen Nr. 15 bis 20 ist gewährleistet, dass an ihrem Wohnhaus eine tatsächliche Beschattungsdauer von 8 Stunden pro Jahr bzw. 30 Minuten pro Tag nicht überschritten wird. Darauf, ob die danach zumutbare Beschattung allein durch die WEA 1, allein durch die WEA 2 oder durch das Zusammenwirken beider Anlagen verursacht wird, kommt es nicht an.
176Soweit die Kläger darauf verweisen, es sei problematisch, dass an den Windenergieanlagen jeweils nur ein Lichtsensor nach Süden ausgerichtet werden solle, da sich dieser bei Sonnenschein aus Nordwest oder Nordost selbst beschatte, führt auch dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung. Die Nebenbestimmungen Nr. 15 bis 20 sehen weder Anzahl noch Position von Lichtsensoren vor. Sollte die von den Beigeladenen im Betrieb genutzte Abschaltautomatik sich- aufgrund der Positionierung von Lichtsensoren oder aus anderen Gründen - als nicht geeignet zur Einhaltung der vorgegebenen maximalen Beschattungsdauer erweisen, beträfe dies die nachträgliche Anlagenüberwachung durch den Beklagten.
1774. Von den genehmigten Windenergieanlagen geht eine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung auf das Wohnhaus der Kläger nicht aus.
178Nach § 249 Abs. 10 BauGB steht der öffentliche Belang einer optisch bedrängenden Wirkung einem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, das der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dient, in der Regel nicht entgegen, wenn der Abstand von der Mitte des Mastfußes der Windenergieanlage bis zu einer zulässigen baulichen Nutzung zu Wohnzwecken mindestens der zweifachen Höhe der Windenergieanlage entspricht; dabei ist die Höhe die Nabenhöhe zuzüglich des Radius des Rotors.
179Durch die Regelung werden die Anforderungen des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots konkretisiert.
180Vgl. allgemein OVG NRW, Urteile vom 15.12.2022 - 7 D 301/21.AK -, BauR 2023, 462 = juris, Rn. 71 f., und vom 3.2.2023 - 7 D 298/21.AK -, ZNER 2023, 193 = juris, Rn. 74 f.
181Danach liegt eine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung nicht vor.
182Die Anlagenhöhe beträgt 247,5 m. Die Entfernung zwischen dem Mastfuß der näher gelegenen Anlage WEA 1 und dem Gebäude R.-straße 6f beträgt ca. 570 m und liegt damit bei etwa 2,3 H.
183Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der dadurch begründeten Regelvermutung, dass eine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung nicht gegeben ist, liegen nicht vor. Der Senat versteht die Ausnahmeregelung, die keine benannten Ausnahmegründe enthält, dahin, dass die Annahme einer unzumutbaren optisch bedrängenden Wirkung bei Einhaltung bzw. Überschreitung des Abstands von 2 H nur in atypischen Konstellationen in Betracht kommt und nach einem strengen Maßstab zu beurteilen ist. Dafür spricht schon der Umstand, dass für die nach dem Gebot der Rücksichtnahme - im Rahmen des verbleibenden Spielraums - erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen von Nachbarn, Anlagenbetreiber und Genehmigungsbehörde § 2 EEG in der seit dem 29.7.2022 geltenden Fassung (BGBl. I S. 1237) zu beachten ist. Nach § 2 Satz 1 EEG liegen die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen (vgl. § 3 Nr. 1 EEG) sowie den dazugehörigen Nebenanlagen im überragenden öffentlichen Interesse; nach § 2 Satz 2 EEG sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist. Zu den - dem Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Prüfung einer optisch bedrängenden Wirkung von Windenergieanlagen bekannten - typischen Gegebenheiten zählen zum einen die jeweilige Anlage betreffende Umstände, wie etwa unterschiedliche Rotorgrößen und unterschiedliche Rotorstellungen in Abhängigkeit von der Hauptwindrichtung. Dazu zählen des Weiteren unterschiedliche Gegebenheiten auf dem schutzbedürftigen Wohnhausgrundstück. In Bezug auf diese typischen Aspekte versteht der Senat die Entscheidung des Gesetzgebers dahin, dass davon mit der „2 H-Regel“ grundsätzlich abstrahiert werden soll; anders gewendet: Der Gesetzgeber geht davon aus, dass auch bei der hinsichtlich dieser Aspekte für den Anlagennachbarn ungünstigsten Konstellation die Regel greifen und eine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung durch eine Windenergieanlage nicht gegeben sein soll.
184Vgl. dazu das Urteil des Senats vom 3.2.2023- 7 D 298/21.AK - ZNER 2023, 193 = juris, Rn. 79 ff. m. w. N.
185Eine an diesen Maßstäben gemessene atypische Konstellation, die eine Ausnahme bei Einhaltung des 2 H-Abstands und die Annahme einer unzumutbaren optisch bedrängenden Wirkung begründet, ist vorliegend nicht gegeben.
186Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der von den Klägern hervorgehobenen Glasfassade und Ausrichtung des Hauses und der Terrasse nach Südsüdwesten und damit in Richtung der Anlagen, oder aus der optischen Wirkung des hinter den Anlagen liegenden Waldgebiets. Dabei handelt es sich vielmehr um typische Aspekte, die der Gesetzgeber bei der Regelung des § 249 Abs. 10 BauGB im Blick hatte. Dies gilt auch für die von den Klägern in der mündlichen Verhandlung betonte „Hervorhebung“ der Anlagen vor der „Waldkulisse“. Dass Windenergieanlagen an unterschiedlichen Standorten errichtet werden und damit vor unterschiedlichen landschaftlichen Hintergründen wahrgenommen werden können, zählt ebenfalls zu den typischen, dem Gesetzgeber vor Augen stehenden Gegebenheiten.
187Auch im Übrigen sind mit Blick auf die konkreten örtlichen Verhältnisse keine Anhaltspunkte für einen atypischen Fall vorgetragen oder ersichtlich.
1885. Es sind auch nicht sonstige Beeinträchtigungen zu befürchten, die Rechte der Kläger verletzen.
189Dies gilt zunächst, soweit sie sich gegen den mit der Errichtung der Windenergieanlagen verbundenen Baustellenverkehr und -lärm wenden. Damit zeigen sie keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Genehmigungen auf. Sollten die nach der in Bezug genommenen AVV Baulärm maßgeblichen Immissionsrichtwerte überschritten werden, sollen nach Nr. 4 der AVV Baulärm Maßnahmen zur Minderung der Geräusche angeordnet werden.
190Soweit sich die Kläger auf mögliche Gefahren für das Grundwasser im Fall einer Leckage oder Havarie der Anlagen, auf mögliche krebserregende Additive in dem im Getriebe verwendeten Öl sowie auf die Anforderungen des § 40 AwSV beziehen, zeigen sie keine Verletzung von Vorschriften auf, die auch ihrem Schutz dienten.
191IV. Aus den vorstehenden Gründen zu I. bis III. ergibt sich, dass die Kläger gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG nicht die Aufhebung der Genehmigungen, sondern nur die aus dem Tenor ersichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit beanspruchen können. Das Verfahren betrifft eine Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG. Bei der gebotenen abstrakten Betrachtung besteht die Möglichkeit, dass eine Verpflichtung zur Durchführung einer UVP bestehen kann. Die Kläger machen auch Verstöße gegen materielles Recht geltend.
192Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat geht davon aus, dass die Kläger etwa zur Hälfte obsiegen; die Beigeladenen und der Beklagte unterliegen insoweit etwa zu gleichen Teilen. Die Beigeladenen sind an den Kosten zu beteiligen, weil sie einen Sachantrag gestellt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Soweit die Kläger im Übrigen unterliegen, entspricht es der Billigkeit, dass sie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen anteilig tragen, weil die Beigeladenen sich durch ihren Sachantrag einem prozessualen Kostenrisiko ausgesetzt haben.
193Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO und §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
194Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 132 Abs. 2 VwGO; Zulassungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.