Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Bebauungspläne Nr. 000 „E.-straße/Q.-straße“ und Nr. 000 1. Änderung „E.-straße/Q.-straße“ der Stadt U. sind unwirksam.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsteller zuvor Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. 000 „E.-straße/Q.-straße“ sowie den Bebauungsplan Nr. 000 1. Änderung „E.-straße/Q.-straße“ der Antragsgegnerin.
3Die Antragsteller zu 1. und 2. sind Eigentümer des im Plangebiet liegenden Grundstücks E.-straße 12 und Q.-straße 22 in U. (Gemarkung U. , Flur 0, Flurstück 523). Das überwiegend bebaute Plangebiet umfasst einen Baublock am südlichen Rand der Altstadt. Es wird von der E.-straße, einem Teil der B.-straße, der Q.-straße sowie dem südlichen Teil der R.-straße eingefasst. Nordöstlich davon liegt die Haupteinkaufsstraße (Fußgängerzone). Das Grundstück der Antragsteller ist überwiegend unbebaut.
4Das Verfahren zur Aufstellung des streitgegenständlichen Ursprungsbebauungsplans verlief folgendermaßen: Am 27.8.2015 beschloss der Stadtentwicklungsausschuss die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 000 „E.-straße/Q.-straße“ und die Durchführung eines Verfahrens nach § 13a BauGB sowie die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange. In der Beschlussvorlage heißt es u. a., Anlass zur Überplanung des Gebietes sei die Vorstellung von Bauabsichten bzw. der Eingang eines Bauantrages für die Baulücken O./Q.-straße sowie E.-straße/Q.-straße. Die Bekanntmachung erfolgte in der Tageszeitung vom 6.10.2015. Die Antragsteller machten mit mehreren Schreiben Einwendungen geltend. Am 20.1.2016 beriet der Gestaltungsbeirat der Antragsgegnerin den Bebauungsplanentwurf. In der Tageszeitung vom 2.9.2017 wurde im Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung der Zeitraum der Auslegung des Planentwurfes vom 4.9.2017 bis 6.10.2017 bekannt gemacht. Mit Schreiben vom 16.10.2017 machten die Antragsteller Einwendungen geltend. Am 24.1.2019 beschloss der Stadtentwicklungsausschuss den Bebauungsplan Nr. 000 gemäß § 3 Abs. 2 BauGB öffentlich auszulegen. Die Bekanntmachung erfolgte unter Angabe des Auslegungszeitraums vom 22.2.2019 bis einschließlich 27.3.2019 in der Tageszeitung. Es wurden keine Einwendungen erhoben. Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 27.5.2019 den Bebauungsplan Nr. 000 als Satzung. Die Bekanntmachung erfolgte in der Tageszeitung vom 13.8.2019.
5Für das Plangebiet werden im Osten ein Kerngebiet (MK) und im westlichen Teil ein urbanes Gebiet (MU) festgesetzt. Nach der in Ziffer I. 1.2 (2) Nr. 6 der textlichen Festsetzungen zu dem Kerngebiet getroffenen Festsetzung sind sonstige Wohnungen oberhalb des Erdgeschosses zulässig. Weiterhin setzt der Bebauungsplan Verkehrsflächen sowie Flächen für Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes u.a. als Lärmpegelbereiche gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB i.V.m. § 9 Abs. 2 BauGB fest. Die Lärmpegelbereiche werden in den textlichen Festsetzungen unter Ziffer I. 4. 5.1 in einem farbigen Kartenausschnitt für den Nachtzeitraum dargestellt. Dieser Kartenausschnitt trägt keinen Maßstab.
6Die Antragsteller haben am 4.8.2020 den Normenkontrollantrag gestellt.
7Am 16.3.2023 hat der Stadtentwicklungsausschuss der Antragsgegnerin die Durchführung der 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 000 und deren öffentliche Auslegung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB beschlossen. Zur Begründung heißt es in der Beschlussvorlage u. a., eine Intention der Ursprungsplanung sei gewesen, eine alleinige Nutzung eines Baugrundstücks für eine Stellplatzanlage auszuschließen. Nun sei ein solcher Bauantrag für eine Stellplatzanlage eingegangen, der allerdings durch die Vereinigung zweier Grundstücke - davon eines mit Bestandsbebauung - keine nach dem Ursprungsplan unzulässige alleinige Nutzung eines Grundstückes betreffe. Um den Planungswillen hinreichend umsetzen zu können sei es angebracht, die entsprechenden textlichen Festsetzungen dahingehend klarstellend anzupassen. Dies gelte umso mehr, da sich die Stadt mit dem Antragsteller in einem Rechtsstreit befinde. Die Bekanntmachung erfolgte in der Tageszeitung vom 29.3.2023. Die Bekanntmachung des Zeitraums der öffentlichen Auslegung vom 22.5.2023 bis einschließlich 21.6.2023 erfolgte in der Tageszeitung vom 13.5.2023. Mit Schreiben vom 21.6.2023 haben die Antragsteller Einwendungen erhoben. Der Rat der Antragsgegnerin hat am 25.9.2023 die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 000 als Satzung beschlossen. Die Bekanntmachung erfolgte in der Tageszeitung vom 9.10.2023. Mit der 1. Änderung des Bebauungsplans hat die Antragsgegnerin u. a. die Festsetzung unter Nr. 6 „Fläche für Stellplätze und Garagen“ neu formuliert. Ziel ist eine Beschränkung von Stellplätzen und Garagen auf der Grundlage des § 12 Abs. 6 BauNVO.
8Für das Plangebiet des Änderungsbebauungsplans werden ebenfalls im Osten ein Kerngebiet (MK) und im westlichen Teil ein urbanes Gebiet (MU) festgesetzt. Nach der in Ziffer A. 1.2 a) Nr. 6 der textlichen Festsetzungen zu dem Kerngebiet getroffenen Festsetzung sind sonstige Wohnungen oberhalb des Erdgeschosses zulässig. Der Änderungsplan setzt zudem auch Flächen für Vorkehrungen zum Schutz vor täglichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes u.a. als Lärmpegelbereiche gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB i.V.m. § 9 Abs. 2 BauGB fest. Die Lärmpegelbereiche werden in den textlichen Festsetzungen unter Ziffer A. 7.1 in einem farbigen Kartenausschnitt für den Nachtzeitraum dargestellt. Dieser Kartenausschnitt trägt keinen Maßstab.
9Zur Begründung ihres Normenkontrollantrags tragen die Antragsteller im Wesentlichen vor: Sie seien antragsbefugt, da sie Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks seien. Ihnen fehle auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag. Ziel sei es, eine verbesserte Ausnutzung ihres eigenen Grundstücks zu erreichen. Der Antrag sei auch begründet. Dem Ursprungsbebauungsplan fehle die erforderliche städtebauliche Rechtfertigung. Er sei mit städtebaulichen Grundsätzen nicht vereinbar und trage nicht zur städtebaulichen Ordnung bei. Vielmehr handele es sich um eine Verhinderungsplanung, die allein dem Zweck diene, ihre Bauabsichten zu verhindern. So gehe der Plangeber bereits fehlerhaft von mehreren Baulücken im Plangebiet aus. Die unterschiedliche Festsetzung eines urbanen Gebietes und eines Kerngebietes erschließe sich nicht. Die Behauptung der Antragsgegnerin, sie wolle mit der Bebauungsplanung historische Gebäude erhalten, sei ebenfalls nur vorgeschoben. Die Festsetzung zur Begrünung von Baulücken mit hochstämmigen Bäumen betreffe nur ihr Grundstück. Ebenso sei die textliche Festsetzung zur Begrenzung der Anordnung von Stellplätzen fehlerhaft. Schließlich sei die Inkorporation der städtischen Gestaltungssatzung fehlerhaft. Die Gestaltungssatzung sei selbst unwirksam. Sie sei in weiten Teilen unbestimmt und funktionslos. Der Bebauungsplan sei auch abwägungsfehlerhaft. Dies betreffe insbesondere die Ermittlung der Höhenfestsetzungen. Eine Festsetzung ihres Grundstückes als Kerngebiet stelle auch keinen Etikettenschwindel dar. Es werde ausdrücklich klargestellt, dass Gegenstand des Normenkontrollantrages auch der Bebauungsplan der Beklagten Nr. 000 in der Fassung der 1. Änderung vom 9.10.2023 sei. Der Berichterstatter des 2. Senats habe im Ortstermin Bedenken an der Wirksamkeit des Ursprungsbebauungsplans geäußert. Da dieser rechtswidrig sei, könne auch die 1. Änderung keinen Bestand haben. Die vom Berichterstatter geäußerten Bedenken seien von der Änderungsplanung nicht aufgegriffen worden. Auch der Änderungsbebauungsplan sei eine alleinige Reaktion auf ihr geplantes Bauvorhaben. Sie hätten mit Bauantrag vom 28.12.2022 eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Stellplatzanlage für ursprünglich 40 Stellplätze, nunmehr 35 Stellplätze, beantragt. Dieser Bauantrag sei zurückgestellt worden. Der Bebauungsplanänderung sei zu entnehmen, dass es sich um eine reine Verhinderungsplanung handele. Der Änderungsplan leide an mehreren materiellen Fehlern. Die in Ziffer 6.1 getroffene Festsetzung zu Stellplätzen und Garagen könne nicht auf § 12 Abs. 6 BauNVO gestützt werden. Es sei auch nicht ersichtlich, warum Baulücken einerseits und Stellplätze andererseits unterschiedlichen Einfriedungsregelungen unterlägen. Die Bebauungspläne seien auch deshalb unwirksam, weil in den jeweils festgesetzten Kerngebieten das Wohnen allgemein oberhalb des Erdgeschosses und auch ausnahmsweise im Erdgeschoss zugelassen werde. Außerdem seien die in beiden Bebauungsplänen festgesetzten Lärmpegelbereiche unbestimmt.
10Die Antragsteller beantragen,
11den Bebauungsplan Nr. 000 „E.-straße/Q.-straße“ der Antragsgegnerin in der Ursprungsfassung sowie in der Fassung der 1. Änderung für unwirksam zu erklären.
12Die Antragsgegnerin beantragt,
13den Antrag abzulehnen.
14Sie trägt im Wesentlichen vor: Von einer fehlenden städtebaulichen Rechtfertigung könne keine Rede sein. Die Planung erfolge auch vor dem Hintergrund zahlreicher Abrisse und großer Neubauten in der Altstadt. Da in der Altstadt sehr differenzierte Bestandssituationen vorzufinden seien, seien Bebauungspläne mit kleinräumigen Geltungsbereichen das geeignete Instrument, um eine verträgliche Entwicklung zu gewährleisten. Es handele sich um keine Verhinderungsplanung. Der Bebauungsplan ermögliche eine sehr umfangreiche Ausnutzung des Grundstücks der Antragsteller. Die Tatsache, dass überhaupt eine Beschränkung der möglichen Nutzung erfolge, begründe keine Verhinderungsplanung. Sie sei auch mit Blick auf das von den Antragstellern angeführte Vorhaben Z. nicht anders vorgegangen. Auch dort sei erst nach umfangreicher Beratung und Abstimmung sowie der Anpassung des Vorhabens an die Ziele des Bebauungsplanes die Baugenehmigung erteilt worden. Angesichts der bereits rechtskräftig erteilten Baugenehmigung erscheine die Behauptung der vorsätzlichen Verhinderung des Vorhabens der Antragsteller absurd. Die Ausweisung eines Kerngebietes im Bereich des Grundstücks der Antragsteller entspreche nicht der Zielsetzung des Bebauungsplans. Bei der Ausweitung des Kerngebiets über den unmittelbar an der Fußgängerzone angrenzenden Bereich hinaus würde es sich vermutlich um einen sogenannten Etikettenschwindel handeln. Die unterschiedlichen Gebietskategorien (Kerngebiet und urbanes Gebiet) seien in den Ziffern 4.1.1 und 4.1.2 der Bebauungsplanbegründung hinreichend nachvollziehbar erläutert worden. Die Aspekte zur historischen Bausubstanz seien in der vom Rat beschlossenen Abwägung der im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung eingegangenen Anregungen hinreichend erwogen worden. Auch die Festsetzungen zur Eingrünung seien in der Bebauungsplanbegründung unter Ziffer 4.7 erläutert worden. Die Bestandssituation auf dem benachbarten Grundstück der Sparkasse habe keinen Vorbildcharakter für die weitere Entwicklung der Altstadt. Rechtsgrundlage für die Festsetzungen von Stellplätzen sei § 12 BauNVO. Auch hier werde die Festsetzung in der Planbegründung unter Ziffer 4.4.4 begründet. Auch die 1. Änderung des Bebauungsplans stellte keine Verhinderungsplanung dar. Tatsächlich bliebe die städtebauliche Zielsetzung für das Plangebiet gegenüber dem Ursprungsplan unverändert. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Antragsteller zu ihrer Vermutung kämen, Stellplätze widersprächen nicht dem historischen Stadtbild. Die um die Volksbank und die Sparkasse entstandenen großen Stellplatzanlagen stammten noch aus einer Zeit, als die autogerechte Stadt das maßgebliche städtebauliche Leitbild in Deutschland gewesen sei. Die Stadt habe in den letzten Jahren konsequent darauf hingewirkt, bisher als Stellplatz genutzte Flächen zu bebauen. Hinsichtlich des von den Antragstellern geltend gemachten Parkdrucks in der Innenstadt sei anzumerken, dass zu jedem Zeitpunkt hunderte freier Stellplätze vorhanden seien, die meisten davon in Parkhäusern. Daher überwiege das öffentliche Interesse an einem hochwertigen Stadtbild und einer urbanen Nutzung der Grundstücke das Interesse an einer Verwertung eines Grundstücks als gewerblichen Parkplatz in erheblichem Maße.
15Der Berichterstatter des (ehemals zuständigen) 2. Senats hat die Örtlichkeit am 9.6.2021, der Berichterstatter des erkennenden Senats am 10.7.2024 besichtigt. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die dazu gefertigten Niederschriften und Lichtbilder Bezug genommen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Vorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
19Streitgegenstand ist sowohl der Bebauungsplan Nr. 000 in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.8.2019 als auch die 1. Änderung des Bebauungsplans in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.10.2023. Mit Schriftsatz vom 6.5.2024 haben die Antragsteller klargestellt, dass Gegenstand des Normenkontrollantrags „auch“ der Bebauungsplan Nr. 000 in der Fassung seiner 1. Änderung sein soll. Dem so verstandenen Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplanes in der Fassung der 1. Änderung wegen Wegfalls der Normenkollision der Ursprungsbebauungsplan wieder auflebt und fortgilt. Die Antragsgegnerin hat den Bebauungsplan Nr. 000 in der Ursprungsfassung mit der Änderungsplanung nicht ausdrücklich aufgehoben.
20Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16.5.2017 - 4 B 24.16 -, BRS 85 Nr. 33 = BauR 2017, 1498 = juris, Rn. 4 und vom 27.3.2019 - 4 BN 28.18 -, BRS 87 Nr. 28 = juris, Rn. 5; Bischopink in Bischopink/Külpmann/Wahlhäuser, Der sachgerechte Bebauungsplan, 5. Auflage, Rn. 325.
21Der so verstandene Antrag ist auch im Übrigen zulässig.
22Die Antragsteller sind antragsbefugt.
23Antragsbefugt ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Ein Antragsteller genügt seiner Darlegungspflicht nur, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO.
24Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.1.2018 - 4 BN 33.17‑, BRS 86 Nr. 192 = juris, Rn. 4, m. w. N.
25Die Antragsbefugnis steht danach regelmäßig dem Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks zu, der sich gegen sein Eigentum betreffende Festsetzungen wendet. Die Antragsteller zu 1. und 2. sind Grundstückseigentümer im Plangebiet und wenden sich u. a. gegen ihr Eigentum betreffende Festsetzungen des Plans.
26Der Antrag ist hinsichtlich beider Bebauungspläne jeweils fristgerecht innerhalb eines Jahres nach der jeweils erfolgten Bekanntmachung des Bebauungsplans gestellt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
27Der Normenkontrollantrag ist begründet.
28Die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 000 „E.-straße/Q.-straße“ ist ebenso wie der Bebauungsplan Nr. 000 „E.-straße/Q.-straße“ unwirksam.
29Die jeweils für einen Teil des Plangebiets vorgenommene Kerngebietsfestsetzung entbehrt einer Rechtsgrundlage. Insbesondere kann sie nicht auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i. V. m. §§ 1, 7 BauNVO gestützt werden. Diese Regelungen stellen keine hinreichende Rechtsgrundlage für die hier ausweislich der Ziffer I. 1.2 (2) Nr. 6 der textlichen Festsetzungen des Ursprungsbebauungsplans und Ziffer A. 1.2 a) Nr. 6 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans getroffenen Festsetzungen eines Kerngebiets dar, in dem in sämtlichen Geschossen oberhalb des Erdgeschosses allgemeines Wohnen ohne Einschränkungen zulässig ist.
30Nach § 7 Abs. 1 BauNVO dienen Kerngebiete vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur. Daraus ergibt sich, dass die genannten Nutzungen im Kerngebiet ein Übergewicht gegenüber anderweitigen Nutzungen haben müssen.
31Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 10.5.2019 - 7 A 1419/17 -, BauR 2019, 1563 = BRS 87 Nr. 55 = juris, Rn. 52f., sowie Beschluss vom 16.11.2021- 7 D 231/21.NE -, BRS 89 Nr. 14 = juris, Rn. 22, m. w. N.
32An dem notwendigen Übergewicht der Handelsbetriebe bzw. zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, Verwaltung und Kultur fehlt es nach den in Rede stehenden Festsetzungen. Der Ursprungsbebauungsplan und auch der Änderungsplan setzen für das Kerngebiet maximale Firsthöhen von 19 m bzw. 15,5 m fest. Somit ermöglicht diese Festsetzung in allen Obergeschossen eine allgemeine Wohnnutzung. Damit überwiegt hier nach der Planfestsetzung das zulässige Wohnen die Nutzung für Handelsbetriebe bzw. zentrale Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur. Abzustellen ist hier bei der Beurteilung - entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung - allein auf das Plangebiet und nicht auf die außerhalb des Plangebiets liegende Fußgängerzone.
33Die Regelung über zulässige Wohnnutzung oberhalb des Erdgeschosses kann auch nicht auf § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO gestützt werden. Danach sind im Kerngebiet sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans zulässig. Mit sonstigen Wohnungen sind solche ohne die Zweckbindung des § 7 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO gemeint.
34Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10.5.2019 - 7 A 1419/17 -, BauR 2019, 1563 = BRS 87 Nr. 55 = juris, Rn. 55, sowie Beschluss vom 16.11.2021 - 7 D 231/21.NE -, BRS 89 Nr. 14 = juris, Rn. 26, m. w. N.
35Die Vorschrift gestattet keine unbeschränkte Festsetzung von Wohnungen für einzelne oder sämtliche Kerngebiete. Erlaubt sind vielmehr nur solche Festsetzungen, bei denen die allgemeine Zweckbestimmung des § 7 Abs. 1 BauNVO gewahrt bleibt. Andernfalls würde die in § 1 Abs. 3 Satz 1 BauNVO normierte Pflicht des Normgebers verletzt, im Bebauungsplan nur ein in § 1 Abs. 2 BauNVO bezeichnetes und nach Maßgabe der §§ 2 ff. BauNVO näher ausgestaltetes Baugebiet festzusetzen.
36Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10.5.2019 - 7 A 1419/17 -, BauR 2019, 1563 = BRS 87 Nr. 55 = juris, Rn. 57f., sowie Beschluss vom 16.11.2021 - 7 D 231/21.NE -, BRS 89 Nr. 14 = juris, Rn. 28f., m. w. N.
37Die Festsetzung von sonstigen Wohnungen oberhalb des Erdgeschosses im gesamten Kerngebiet wahrt die allgemeine Zweckbestimmung des § 7 Abs. 1 BauNVO nicht.
38Dass die tatsächlichen Umstände im Plagebiet eine zumindest gleichwertige Wohnnutzung hinreichend ausschließen, ist nach dem Eindruck des Berichterstatters im Ortstermin, den er dem Senat vermittelt hat, nicht ersichtlich. Dies wurde seitens der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht.
39Die Festsetzung kann auch nicht auf § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO gestützt werden, wonach in Kerngebieten ausnahmsweise Wohnungen zugelassen werden können, die nicht unter § 7 Abs. 2 Nr. 6 und 7 BauNVO fallen. Diese Norm stellt keine selbstständige Grundlage für planerische Festsetzungen dar, sondern regelt, nach welchen Maßstäben die Baubehörden Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung zu beurteilen haben. Danach dürfen sonstige Wohnungen, die nicht im Plan für zulässig erklärt oder betriebsbezogen sind, nur ausnahmsweise zugelassen werden. Nichts anderes gilt, soweit man diese Bestimmung i. V. m. § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauNVO für anwendbar hält. Danach kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Ausnahmen, die in den Baugebieten nach §§ 2-9 BauNVO vorgesehen sind, in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.11.2021 - 7 D 231/21.NE -, BRS 89 Nr. 14 = juris, Rn. 30, m. w. N.
41Denn aus den vorstehenden Gründen ist ein Verstoß gegen den Gebietscharakter und die allgemeine Zweckbestimmung des Kerngebiets gegeben.
42Schließlich sind auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 Satz 1 BauNVO nicht erfüllt. Danach kann festgesetzt werden, dass oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist. Die hier jeweils in Rede stehende Festsetzung zu zulässigen Wohnnutzungen beschränkt die Zulässigkeit von Wohnungen nicht auf Teile des festgesetzten Kerngebiets und geht schon deshalb über den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 4 Satz 1 BauNVO hinaus.
43Anderweitige Rechtsgrundlagen für die in Rede stehenden Festsetzungen sind nicht ersichtlich.
44Dieser Mangel der Rechtsgrundlage führt insgesamt zur Unwirksamkeit des Plans.
45Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen nur dann nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Plans, wenn die übrigen Regelungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und wenn die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gelangten Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26.6.2014 - 7 D 68/12.NE -, BRS 82 Nr. 86 = BauR 2015, 79 = juris, Rn. 52, m. w. N.
47Jedenfalls die letztgenannte Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Es kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin die übrigen Regelungen des jeweiligen Plans ohne die unwirksame Kerngebietsfestsetzung getroffen hätte.
48Die unter Ziffer I. 4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 000 „E.-straße/Q.-straße“ sowie unter Ziffer A. 7 der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 000 „E.-straße/Q.-straße“ getroffenen Festsetzungen zu den Schalldämm-Maßen der Außenbauteile sind zudem unwirksam, weil sie mit den jeweiligen zeichnerischen Darstellungen nicht hinreichend bestimmt sind.
49Das Gebot hinreichender Bestimmtheit von Rechtsnormen ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Es gilt auch für Bebauungspläne. Dies gilt für die zeichnerischen und die textlichen Festsetzungen.
50Vgl. OVG NRW, Urteile vom 30.10.2015 - 7 D 28/14.NE -, juris, Rn. 78f., und vom 13.2.2014 - 7 D 102/12.NE -, juris, Rn. 67f., m. w. N.
51Soweit Bereiche - wie hier - mit unterschiedlichen Schallschutzanforderungen festgesetzt werden, sind die betreffenden Bereiche in der Planzeichnung eindeutig zu kennzeichnen. Dabei ist auch klarzustellen, für welche Bereiche innerhalb von Baufenstern die jeweiligen Schallschutzanforderungen gelten sollen.
52Vgl. OVG NRW, Urteil vom 31.10.2024 - 7 D 429/21.NE -, BauR 2025, 72 = juris, Rn. 57, m. w. N.
53Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB gestützte textliche Festsetzung in Kombination mit der - in beiden Bebauungsplänen identischen - zeichnerischen Darstellung der maßgeblichen Außenlärmpegel lässt die Planbetroffenen jedenfalls im Unklaren, in welchem Grundstücksbereich welcher Lärmpegel maßgeblich ist und welche daran anknüpfenden Anforderungen an die Luftschalldämmung der Außenbauteile mithin zu beachten sind.
54Die zur räumlichen Begrenzung der Außenlärmpegel in beiden Planurkunden verwendeten farbig dargestellten Bereiche sind durch die Zeichnung im Maßstab von etwa 1:5.000 nicht hinreichend abgegrenzt. Im Hinblick auf die Bestimmtheit von Normen muss eine Planurkunde lesbar sein und insbesondere der Grenzverlauf von Gebieten unterschiedlicher Festsetzungen nachvollziehbar sein.
55Vgl. OVG NRW, Urteile vom 30.10.2015 - 7 D 28/14.NE -, juris, Rn. 83f, und vom 3.12.2003- 7a D 118/02.NE -, juris, Rn. 51.
56Diesen Anforderungen ist hier nicht genügt. Wegen der erheblichen Verkleinerung der Zeichnung der Lärmpegelbereiche gegenüber der Planzeichnung im Maßstab 1:500 bleibt sowohl bei der Festsetzung Ziffer I. 4. 5.1 des Bebauungsplans Nr. 000 als auch bei der Festsetzung Ziffer A. 7.1 der 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 000 unklar, welcher Lärmpegel entlang der festgesetzten Baulinie gelten soll. In beiden Bebauungsplänen wird zur Festsetzung der Lärmpegelbereiche derselbe farbige Kartenausschnitt ohne Maßstabsangabe dargestellt. Weitere konkretisierende Festsetzungen der Lärmpegelbereiche lassen sich weder der jeweiligen Planzeichnung noch den jeweiligen textlichen Festsetzungen entnehmen. Insbesondere an der westlichen Plangebietsgrenze finden sich „Einsprengsel“ des Lärmpegelbereichs V innerhalb des diese umgebenden Lärmpegelbereichs IV, deren Abgrenzung ohne weitere Konkretisierung nicht möglich ist. Desweiteren können auch die Übergänge der jeweiligen Lärmpegelbereiche dem jeweiligen Grundstücksbereich nicht mit der notwendigen Genauigkeit zugeordnet werden.
57Auch dieser Mangel ist ohne weiteres beachtlich und führt zur Gesamtunwirksamkeit beider Bebauungspläne.
58Ob und welche weiteren Mängel die Bebauungspläne aufweisen, bedarf danach keiner weiteren Klärung.
59Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
60Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
61Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.