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Zum Anfallen einer Erledigungsgebühr in einem auf Verpflichtung zur Reaktivierung gerichteten Klageverfahren, wenn die Reaktivierung aufgrund eines späteren weiteren Antrags in einem parallel angestrengten Verwaltungsverfahren erfolgt.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde, über die der Senat in der Besetzung von drei Richtern
3- allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der männlichen und weiblichen Sprachform verzichtet und gilt die männliche Sprachform für alle Geschlechter -
4entscheidet,
5vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 24.3.2023 ‑ 6 E 997/21 ‑, juris, Rn. 1 ff., und vom 2.5.2022 ‑ 9 E 181/21 ‑, juris Rn. 1 f., jeweils m. w. N.,
6ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 14.3.2024 zu Recht zurückgewiesen.
71. Die Klägerin kann die Festsetzung der nunmehr ausdrücklich geltend gemachten Erledigungsgebühr gemäß § 2 Abs. 2 RVG i. V. m. Nr. 1002, 1003 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (Vergütungsverzeichnis - RVG-VV) nicht beanspruchen. Nach Nr. 1002 RVG-VV entsteht die Erledigungsgebühr - soweit hier von Relevanz -, wenn sich durch die anwaltliche Mitwirkung eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Daran fehlt es hier.
8Die anwaltliche Mitwirkung im Sinne von Nr. 1002 RVG-VV muss in einer besonderen Tätigkeit des Rechtsanwalts liegen, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgeht und auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung gerichtet ist. Erforderlich ist darüber hinaus eine für die Erledigung kausale Mitwirkung des Rechtsanwalts. Eine rechtliche Vermutung für die Ursächlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist in Nr. 1002 RVG-VV nicht enthalten. Hat der Rechtsanwalt im Fall von Nr. 1002 Satz 1 RVG-VV eine auf die Aufhebung oder Abänderung des Verwaltungsakts gerichtete Tätigkeit entfaltet und erfolgt anschließend die Aufhebung oder Abänderung des Verwaltungsakts, so spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung für die Ursächlichkeit seines Handelns. Gibt aber der Sachverhalt Anhalt dafür, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts für die Aufhebungs- oder Abänderungsentscheidung der Behörde nicht ursächlich war, ist die Kausalität zu verneinen.
9Vgl. OVG NRW, 9.8.2022 - 6 E 324/22 -, juris Rn. 10 ff., m. w. N.
10Dies gilt entsprechend für die vorliegend einschlägige Konstellation des Nr. 1002 Satz 2 RVG-VV, in der sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.
11Von diesen Vorgaben ausgehend ist hier keine Erledigungsgebühr entstanden. Mit der Erinnerung bzw. mit der Beschwerde sind keine Bemühungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin dargetan worden, die eine für die Erledigung des Verfahrens ursächliche Mitwirkung erkennen lassen, welche über die bereits mit der Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) abgegoltenen Tätigkeiten hinausginge. Das gilt sowohl für die im Erinnerungsverfahren angeführte Mitwirkung im Wege einer telefonischen Beratung der Klägerin mit dem Ergebnis, das Verfahren für in der Hauptsache erledigt zu erklären und auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage zu verzichten (a.), als auch für die mit der Beschwerde angeführte Beratungstätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Zusammenhang mit einem von dieser parallel zum vorliegenden Klageverfahren im Frühjahr 2023 gestellten erneuten Antrag auf eine bereits klagweise verfolgte Reaktivierung (b.).
12a. Eine die Erledigungsgebühr auslösende Mitwirkung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat zunächst nicht darin gelegen, diese dahin beraten zu haben, das Verfahren insgesamt für erledigt zu erklären, obwohl es in der Sache weiterhin um die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Ablehnung gegangen sei. Soweit die Beschwerde darauf abheben möchte, es sei auf Anraten der Prozessbevollmächtigten ein nur teilweise materiell-rechtlich erledigtes Verfahren in Übereinstimmung mit der Beklagtenseite insgesamt für erledigt zu erklärt worden,
13vgl. zu einer solchen Konstellation: Beschluss des Senats vom 30.8.2011 - 6 E 775/11 -, NJW 2012, 329 = juris Rn. 6,
14trifft dies im Streitfall nicht zu. Die Klage war ausweislich des Klageantrags darauf gerichtet, dass der Bescheid der Bezirksregierung Detmold vom 6.12.2022 aufgehoben und das beklagte Land verpflichtet wird, die Klägerin erneut in das Beamtenverhältnis gemäß § 35 Abs. 2 LBG NRW zu berufen.
15Durch die zum 1.9.2023 erfolgte Reaktivierung hat sich das Verpflichtungsbegehren vollumfänglich erledigt. Die Klägerin irrt, wenn sie meint, in der Sache sei es eigentlich weiterhin darum gegangen, ob die ursprüngliche Ablehnung rechtswidrig gewesen sei. Bestandteil des Streitgegenstands der Verpflichtungsklage ist nicht die Feststellung, dass der Verwaltungsakt, in dem die Ablehnung nach außen Gestalt gefunden hat, rechtswidrig ist. Der Streitgegenstand beschränkt sich vielmehr auf die Feststellung, dass die Weigerung der Behörde in dem für das Verpflichtungsbegehren entscheidenden Zeitpunkt, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, die Rechtsordnung verletzt.
16Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 4.12.2014 - 4 C 33.13 -, NVwZ 2015, 986 = juris Rn. 18, ferner Schoch/Schneider/Clausing/Kimmel, 46. EL August 2024, VwGO § 121 Rn. 63 ff., und Decker in:
17BeckOK VwGO, 72. Ed. 1.1.2025, VwGO § 113 Rn. 98.
18Soweit die Beschwerde geltend macht, die Prozessbevollmächtigte habe die Klägerin dahin beraten, die Klage nach Aufhebung des angefochtenen Bescheids nicht als Fortsetzungsfeststellungsklage fortzuführen, folgt daraus ebenfalls keine Mitwirkung an der Erledigung der Rechtssache. Eine Mitwirkung an der Erledigung im Sinne der Nr. 1002 RVG-VV liegt keineswegs immer dann vor, wenn durch das anwaltliche Verhalten (irgend-)eine gerichtliche Entscheidung erspart wird. Es muss vielmehr wegen der Mitwirkung des Rechtsanwalts eine Entscheidung in der bereits anhängigen Rechtssache entbehrlich werden. Mit einer Umstellung der Klage auf einen Feststellungsantrag hätte die Klägerin eine neue Streitsache zwischen den Beteiligten zu begründet. Eine Weiterführung des Verfahrens mit dem Antrag, der ablehnende Bescheid sei rechtswidrig gewesen, ist auf der Grundlage des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nur zulässig, wenn der für eine solche Feststellung maßgebliche Zeitpunkt sich mit dem des bisherigen Verpflichtungsbegehrens deckt. Andernfalls geht der Fortsetzungsfeststellungsantrag über den ursprünglichen Streitgegenstand hinaus. Richtet sich nach dem einschlägigen materiellen Recht die Begründetheit der Verpflichtungsklage nach dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, so muss auch der Fortsetzungsfeststellungsantrag diesen Zeitpunkt betreffen. Weicht der Feststellungsantrag hiervon ab, so ist er nicht schon nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Vielmehr liegt dann eine Klageänderung vor, die nur unter den Voraussetzungen des § 91 VwGO zulässig ist.
19Vgl. BVerwG, Urteile vom 24.1.1992 - 7 C 24.91 -, BVerwGE 89, 354 = juris Rn. 7 f., und vom 16.5.2007 - 3 C 8.06 -, BVerwGE 129, 27 = juris Rn. 18 m. w. N.
20Letzteres wäre bei einer Umstellung auf einen Feststellungsantrag bezogen auf die Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Reaktivierung mit Bescheid vom 6.12.2022 der Fall gewesen, weil insoweit maßgeblich der Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung und nicht die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt einer im Klageverfahren ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses durchzuführenden mündlichen Verhandlung gewesen wäre. Eine ausführliche Beratung der Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte in Bezug auf die Erfolgsaussichten einer Umstellung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag betraf demzufolge einen anderen Streitgegenstand als das ursprüngliche Verpflichtungsbegehren und war bezogen auf die materiell-rechtliche Erledigung des im Zeitpunkt des Eintritts der Erledigung anhängigen Rechtsstreits unerheblich. Durch die Entscheidung, keinen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zu stellen, sondern eine Erledigungserklärung abzugeben, hat die Prozessbevollmächtigte lediglich an der formellen Beendigung des Rechtsstreits mitgewirkt. Dies genügt nicht, um eine Erledigungsgebühr zur Entstehung zu bringen.
21Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 24.3.2023 ‑ 6 E 997/21 -, juris Rn. 24 m. w. N.
22Ins Leere geht ferner der weitere Einwand der Klägerin, die Klage sei ursprünglich gegen den Bescheid vom 6.12.2022 gerichtet gewesen, mit dem "die Beklagte die Reaktivierung der Klägerin aufgehoben [habe]". Das trifft nicht zu. Mit diesem Bescheid ist der Klägerin keine Rechtsposition entzogen, sondern die von ihr beantragte Rückkehr in den aktiven Dienst im Wege der Reaktivierung abgelehnt worden. Auf eine Verpflichtung der Beklagten zu einer solchen Reaktivierung ist dann auch die Klage als Verpflichtungsklage gerichtet gewesen.
23b. Nicht zu folgen ist der Auffassung der Beschwerde, die anwaltliche Unterstützung der Klägerin in einem im März oder April 2023 angestoßenen weiteren Verwaltungsverfahren mit dem Ziel, die bereits mit der anhängigen Verpflichtungsklage angestrebte Reaktivierung parallel mit einem aktuellen Antrag auf Reaktivierung zu erreichen, habe eine Mitwirkung an der Erledigung des anhängigen Rechtsstreits dargestellt. Diese Bemühungen haben in einem weiteren Verwaltungsverfahren stattgefunden, dem in Bezug auf das bereits seit dem 24.2.2023 anhängige Klageverfahren, mit dem ebenfalls die Reaktivierung durchgesetzt werden sollte, ein einheitlicher Lebenssachverhalt resp. ein identisches Begehren zugrunde gelegen hat. Erkenntnisse in Bezug auf aktuelle Änderungen der gesundheitlichen Verfassung der Klägerin, auf die sich diese offensichtlich durch Vorlage privatärztlicher Atteste sowie im Rahmen einer erneuten amtsärztlichen Untersuchung berufen wollte, um ihre Reaktivierung zu erreichen, wären im Rahmen einer allgemeinen Verfahrensförderung und prozessökonomischen Verfahrensführung in das laufende Klageverfahren einzuführen gewesen.
24Vgl. zur Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts in mehrere Mandate: LSG Nds., Beschluss vom 14.8.2023 - L 3 R 965/21 B -, juris Rn. 28.
25Stattdessen haben sich die geltend gemachten Tätigkeiten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Bezug auf die Vorlage privatärztlicher Atteste und/oder der Anregung einer erneuten amtsärztlichen Untersuchung allein auf eine Verbesserung der Erfolgsaussichten des Antrags in dem weiteren Verwaltungsverfahren bezogen. In das gleichzeitig anhängige Klageverfahren sind sie nicht eingebracht worden. Die Klägerin hat vielmehr in diesem Klageverfahren weder auf das parallel laufende Verwaltungsverfahren noch auf die in diesem Zusammenhang vorgelegten Unterlagen hingewiesen. Vor diesem Hintergrund scheidet eine Berücksichtigung dieser Bemühungen ihrer Prozessbevollmächtigten als qualifizierte Tätigkeit in Bezug auf das in der Hauptsache erledigte Klageverfahren, die mit einer Erledigungsgebühr zu honorieren wären, aus. Bezeichnenderweise sind sowohl das weitere Verwaltungsverfahren als auch die dort berücksichtigten aktuellen Erkenntnisse dem Verwaltungsgericht, das zunächst einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und dann mit Hinweisverfügung vom 5.10.2023 angekündigt hatte, ein Sachverständigengutachten zum aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin einzuholen, bis zuletzt verborgen geblieben.
26Hinzu kommt, dass die mit der Beschwerde geltend gemachte Vorlage privatärztlicher Atteste, wäre sie im Klageverfahren erfolgt, kein besonderes Bemühen dargestellt hätte, das nicht bereits mit der Verfahrensgebühr abgegolten wäre. Ob eine gesondert zu honorierende Tätigkeit vorliegt, wenn der Prozessbevollmächtigte seinen Mandanten veranlasst, ein Beweismittel erstellen zu lassen, und dieses dann dem Gericht vorlegt, hängt davon ab, ob das Verfahrensrecht ein solches Verhalten von der Prozesspartei verlangt.
27Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.11.2011 - 6 B 34/11 -, Buchholz 363 § 2 RVG Nr 4 = juris Rn. 6; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 26. Aufl. 2023, RVG VV 1002 Rn. 57.
28Bei einer Reaktivierung auf Antrag muss die Dienstfähigkeit zwar nicht bereits mit der Antragstellung nachgewiesen werden,
29vgl. zur materiellen Beweislast: v. Roetteken in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, 409. AL Oktober 2021, § 29 BeamtStG, Rn. 51, mit zahlreichen Nachweisen auf Rechtsprechung und Literatur,
30weil die Verpflichtung, sich untersuchen zu lassen, nach § 29 Abs. 5 Satz 1 BeamtStG von der Weisung der zuständigen Behörde beziehungsweise nach Satz 2 der Vorschrift von einem Verlangen oder einer Anregung des Ruhestandsbeamten abhängig ist. Nach Absatz 5 Satz 2 kann die amtsärztliche Untersuchung schon vor einer Antragstellung angeregt werden. Bestehen - wie offensichtlich im vorliegenden Fall - aus Sicht der Ruhestandsbeamtin Anhaltspunkte dafür, dass sich seit der letzten amtsärztlichen Untersuchung eine Verbesserung ihres Gesundheitszustands ergeben hat, obliegt es ihr, diese allein ihrer Sphäre zuzuordnenden Erkenntnisse in das bereits anhängige, auf eine Reaktivierung gerichtete Klageverfahren einzubringen, etwaige Belege hierfür vorzulegen und eventuell eine weitere amtsärztliche Untersuchung anzuregen.
312. Die Klägerin kann auch die Festsetzung der weiter geltend gemachten fiktiven Terminsgebühr gemäß § 2 Abs. 2 RVG i. V. m. Nr. 3104 RVG-VV nicht beanspruchen. Eine solche Gebühr kann im vorliegenden Fall allenfalls auf Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV in der dort letztgenannten Alternative einer Erledigung der Rechtssache im Sinne der Nr. 1002 RVG-VV gestützt werden. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind aber aus den unter 1. genannten Gründen nicht gegeben.
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren eine Festgebühr vorgesehen ist (vgl. KV Nr. 5502 der Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG).
33Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).