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Erfolglose Beschwerde einer Widerrufsbeamtin, die sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen ihre Entlassung wendet.
Ein Widerrufsbeamter kann entlassen werden, wenn er wegen seines Gesundheitszustands auf unabsehbare Zeit an der Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes und der Ablegung der Prüfung gehindert ist.
Die Regelungen über das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX sind auch auf Beamte anwendbar.
Ein betriebliches Eingliederungsmanagement und das Verfahren zur Entlassung eines Widerrufsbeamten stehen in den Fällen krankheitsbedingter Fehlzeiten in einem zeitlich gestaffelten Stufenverhältnis zueinander.
Aus dem Unterlassen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements folgt jedenfalls nicht für sich betrachtet die Rechtswidrigkeit der Entlassung aus dem Widerrufsbeamtenverhältnis.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 5.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
3Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gibt keine Veranlassung zur Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin gegen die Entlassungsverfügung des Antragsgegners vom 24.7.2024 erhobenen Klage (1 K 4907/24) wiederherzustellen.
4I. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten falle zu Lasten der Antragstellerin aus. Die auf § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG gestützte Entlassungsverfügung unterliege keinen durchgreifenden formellen Bedenken und erweise sich in materieller Hinsicht als offensichtlich rechtmäßig. Die Antragstellerin sei ordnungsgemäß angehört worden. Die Beteiligung des Personalrats und der Gleichstellungsbeauftragten sei ordnungsgemäß erfolgt. Es sei ein atypischer Ausnahmefall gegeben, der die Entlassung der Antragstellerin rechtfertige. Der Antragsgegner sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen auf unabsehbare Zeit gehindert sei, den Vorbereitungsdienst zu beenden und die Prüfung abzulegen. Sie sei zwischen November 2021 und Mai 2022 und erneut seit dem 14.9.2022 (durchgehend) dienstunfähig erkrankt. Mit Gutachten vom 4.10.2023 habe der Amtsarzt zwar die Prognose getroffen, mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit sei innerhalb der nächsten sechs Monate zu rechnen, diese sei aber offensichtlich unzutreffend gewesen. Bis zum Zeitpunkt der Entlassungsverfügung habe die Antragstellerin den Dienst nicht wieder aufgenommen. Die während der gerichtlichen Eilverfahrens vorgetragene Behauptung, sie sei wieder dienstfähig, entbehre jeder belastbaren Grundlage. Es bestehe auch ein besonderes öffentliches - insbesondere finanzielles - Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung.
5II. Diese vom Verwaltungsgericht näher begründeten Annahmen werden mit dem Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt.
61. Es ist nicht erkennbar, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts - wie die Antragstellerin meint - in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.6.2020 - 2 BvR 469/20 - steht. Die Beschwerde legt schon nicht dar, worin ein solcher Widerspruch liegen soll. Sie verkennt zudem, dass das Bundesverfassungsgericht in der zitierten Entscheidung im Kern dargelegt hat, der kategorische Ausschluss des Erlasses einer verwaltungsgerichtlichen einstweiligen Anordnung im Falle einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis kraft Gesetzes verstoße gegen die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG (Rn. 26 ff., juris). Von einem solchen kategorischen Ausschluss vorläufigen Rechtsschutzes kann hier keine Rede sein; vielmehr hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als zulässig angesehen und ihn - lediglich - aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung in der Sache für unbegründet erachtet. Erfolglos bleibt auch der ergänzende Beschwerdevortrag mit Schriftsatz vom 13.1.2025, durch das Zuwarten im Hauptsacheverfahren werde der Antragstellerin die Möglichkeit genommen, zeitnah ihren Vorbereitungsdienst zu beenden, und angesichts des eintretenden Wissensverlustes werde sie dazu später "zwangsläufig" nicht mehr in der Lage sein. Insoweit ist zunächst weder dargelegt noch sonst ersichtlich, welche präsenten Kenntnisse und Fähigkeiten hier in Rede stehen sollen, nachdem die Antragstellerin mittlerweile seit November 2021 - mit der Ausnahme weniger Monate im Sommer 2022 - keinen Dienst mehr verrichtet hat. Mit dem Vortrag, die Antragstellerin werde später zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes nicht mehr in der Lage sein, belässt es die Beschwerde zudem bei einer durch nichts belegten Behauptung. Hiervon abgesehen setzt sie sich in keiner Weise damit auseinander, dass das Bundesverfassungsgericht den Aspekt des drohenden Verlusts präsenter Kenntnisse und Fähigkeiten zur Begründung der Unvereinbarkeit des kategorischen Ausschlusses der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Art. 19 Abs. 4 GG herangezogen hat,
7Beschluss vom 9.6.2020 - 2 BvR 469/20 -, NVwZ 2020, 1187 = juris Rn. 25, 29,
8der nach dem oben Ausgeführten hier nicht in Rede steht. Dazu, was daraus für die Begründetheit des hier gegebenen (und für zulässig erachteten) Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO folgen soll, verhält sich die Beschwerde in keiner Weise. Nur angemerkt sei daher, dass allein der Aspekt des drohenden Wissensverlusts weder die Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung zu begründen geeignet ist, noch er ohne Weiteres zum Wegfall des besonderen Vollziehungsinteresses führt.
92. Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe die "formale Prüfung des Ankündigungsschreibens" unterlassen und in diesem fehle "der Hinweis auf das Antragsrecht der Beteiligung der Personalvertretung und der Gleichstellungsbeauftragten", dringt die Antragstellerin ebenfalls nicht durch. Das gilt auch, wenn der - kaum nachvollziehbare - Vortrag zugunsten der Antragstellerin dahingehend aufgefasst wird, in dem Anhörungsschreiben fehle der Hinweis darauf, dass die Antragstellerin die Beteiligung der Personalvertretung und der Gleichstellungsbeauftragten beantragen könne. Zwar ist ein solcher Hinweis im Anhörungsschreiben vom 29.5.2024 nicht enthalten; er war aber auch nicht geboten. Nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 LPVG NRW hat der Personalrat unter anderem mitzubestimmen in Personalangelegenheiten bei Entlassung von Beamtinnen und Beamten auf Widerruf, wenn die Entlassung nicht selbst beantragt wurde. Die Mitbestimmung hat zwingend zu erfolgen und ist - anders als in den Regelungen anderer Bundesländer - nicht abhängig von einem Antrag des Widerrufsbeamten
10- im Folgenden wird allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die gleichzeitige Verwendung der männlichen und weiblichen Sprachform verzichtet und gilt die männliche Sprachform für alle Geschlechter -;
11über ein entsprechendes Antragsrecht ist folglich auch nicht zu unterrichten. Vorliegend hat der Personalrat unter dem 4.7.2024 mitgeteilt, er gebe keine Stellungnahme ab. Damit galt die Entlassung gemäß § 66 Abs. 2 Sätze 3 und 5 LPVG NRW als gebilligt. Die nach § 18 Abs. 1 Satz 1 LGG NRW erforderliche Unterrichtung und Anhörung der Gleichstellungsbeauftragten - insoweit besteht ebenfalls kein Antragserfordernis des Widerrufsbeamten - ist erfolgt. Die Gleichstellungsbeauftragte hat sich unter dem 1.7.2024 mit der beabsichtigten Entlassung der Antragstellerin einverstanden erklärt.
123. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Entlassungsverfügung sei materiell rechtmäßig, wird durch das Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht durchgreifend in Frage gestellt. Nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG kann ein Beamter auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Das dem Dienstherrn eingeräumte Ermessen wird durch § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG eingeschränkt. Hiernach soll Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden. Daher ist die Entlassung eines Widerrufsbeamten nur dann ermessensfehlerfrei möglich, wenn die tragenden Ermessenserwägungen mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang stehen. Dies ist anerkanntermaßen der Fall, wenn der Widerrufsbeamte wegen seines Gesundheitszustands auf unabsehbare Zeit an der Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes und der Ablegung der Prüfung gehindert ist. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Ursachen dieser Zustand zurückzuführen ist. Maßgebend ist, dass der Zweck des zeitlich befristeten Dienstverhältnisses auf unabsehbare Zeit nicht erreicht werden kann. Das Beamtenverhältnis auf Widerruf dient der Ausbildung und nicht der Unterhaltssicherung. Widerrufsbeamte können nicht verlangen, auf unabsehbare Zeit im Vorbereitungsdienst zu bleiben und Unterhaltsleistungen zu erhalten, obwohl sie das Ausbildungsziel aus gesundheitlichen Gründen nicht erreichen können.
13Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.1.2010 - 2 B 47.09 -, juris Rn. 6; OVG NRW, Beschlüsse vom 16.9.2015 - 6 B 937/15 -, juris Rn. 6, vom 20.8.2012 - 6 B 776/12 -, juris Rn. 13, und vom 19.2.2009 - 6 A 356/06 -, juris Rn. 45.
14Es genügen ernsthafte Zweifel daran, ob der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes erreichen kann.
15Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.1.2010 - 2 B 47.09 -, juris Rn. 10, und Urteil vom 9.6.1981 - 2 C 48.78 -, BVerwGE 62, 267 = juris Rn. 20 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 19.2.2009 - 6 A 356/06 -, juris Rn. 45, und vom 4.5.2006 - 6 A 4679/04 -, juris Rn. 5 ff.
16Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich.
17Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.1.2010 - 2 B 47.09 -, juris Rn. 10; OVG NRW, Beschlüsse vom 12.6.2017 - 6 B 1450/16 -, juris Rn. 10 und vom 16.9.2015 - 6 B 937/15 -, juris Rn. 11.
18Der Annahme des Verwaltungsgerichts, es habe im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ein die Entlassung rechtfertigender Sachgrund in Form des atypischen Falles der Verhinderung auf unabsehbare Zeit vorgelegen und es seien keine Ermessensfehler erkennbar, setzt die Beschwerde nichts Durchgreifendes entgegen.
19a. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Entlassungsverfügung vom 24.7.2024 war die Annahme, die Antragstellerin sei aus gesundheitlichen Gründen auf unabsehbare Zeit an der Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes und der Ablegung der Prüfung gehindert, berechtigt. Bereits aus der Dauer der Erkrankung - einer Krankheitsphase zwischen dem 15.11.2021 und dem 9.5.2022 sowie sodann einer durchgängigen Dienstunfähigkeit seit dem 14.9.2022, also seit annähernd zwei Jahren - ergaben sich durchgreifende Zweifel daran, dass die Antragstellerin ihre Dienstfähigkeit innerhalb eines absehbaren Zeitraums wiedererlangen würde. Dem Antragsgegner lagen keine Erkenntnisse bzw. Bescheinigungen vor, mit denen die Zweifel an einer absehbaren Wiederherstellung der Dienstfähigkeit der Antragstellerin hätten ausgeräumt werden können. Der Antragsgegner hat - von der Antragstellerin unwidersprochen - vorgetragen, von dieser lediglich weitere Bescheinigungen über ein Fortdauern ihrer Dienstunfähigkeit erhalten zu haben, ohne dass sich aus den Bescheinigungen ergeben hätte, wann mit einer Wiederherstellung gerechnet werden könne. Eine darüber hinausgehende Kontaktaufnahme sei nicht erfolgt. Mit Schriftsatz vom 14.6.2024 hat die Antragstellerin auf das Anhörungsschreiben zur Entlassung vom 29.5.2024 mitgeteilt, sie sei "nach wie vor arbeitsunfähig", "nach Auskunft des behandelnden Arztes" sei indes "mit einer Genesung zum Ende der kommenden Sommerferien zu rechnen". Entsprechende Nachweise dazu hat die Antragstellerin aber vor Erlass der Entlassungsverfügung nicht eingereicht, sodass diese Behauptung in keiner Weise belegt war. Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, aus der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Stellungnahme des Neurologen Y. vom 4.9.2024 ergebe sich eine uneingeschränkte Dienstfähigkeit nicht, hat die Beschwerde nichts entgegengesetzt und insbesondere auch im Beschwerdeverfahren keine Nachweise dazu beigebracht, dass die Antragstellerin nunmehr oder gar zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entlassungsverfügung uneingeschränkt dienstfähig (gewesen) wäre.
20b. Das Vorbringen, der Antragsgegner habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX verweigert (aa.) bzw. ein Wiedereingliederungsverfahren zu Unrecht nicht durchgeführt (bb.), fundiert eine Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung nicht, insbesondere keine Ermessensfehler. Solche folgen auch nicht aus einem etwaigen Fehlverhalten eines dem Antragsgegner zuzuordnenden Amtsträger (cc.).
21aa. Es ist von der Beschwerde nicht dargelegt, dass ein unterlassenes bzw. defizitäres betriebliches Eingliederungsmanagement zur materiellen Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung führen würde.
22Nach § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX klärt der Arbeitgeber, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, mit der zuständigen Interessenvertretung mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement).
23(1) Die Vorschrift findet auch auf Beamte Anwendung.
24BVerwG, Urteil vom 5.6.2014 - 2 C 22.13 -, BVerwGE 150, 1 = juris Rn. 38 zur Vorgängervorschrift § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a. F.; Ritz/Schian, in: Fuchs/Ritz/Rosenow, SGB IX, 7. Aufl. 2021, § 167 Rn. 10 f.
25Allerdings ist sie systematisch mit den beamtenrechtlichen Vorschriften in Einklang zu bringen, namentlich § 23 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BeamtStG. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement und das Verfahren zur Entlassung eines Widerrufsbeamten stehen in den Fällen krankheitsbedingter Fehlzeiten in einem zeitlich gestaffelten Stufenverhältnis zueinander. Während das betriebliche Eingliederungsmanagement als frühzeitiges Instrumentarium auf die Wiederherstellung und künftige Sicherung der ordnungsgemäßen Durchführung des Vorbereitungsdienstes und auf die Vermeidung einer Dienstunfähigkeit zielt, knüpft das dienstrechtliche Instrumentarium der Entlassung bzw. Zurruhesetzung an eine gesundheitsbedingte Dienstunfähigkeit an. Das betriebliche Eingliederungsmanagement nach § 167 Abs. 2 SGB IX kann daher als Ausdruck und Konkretisierung der Fürsorgepflicht verstanden werden. Der Dienstherr muss bereits zu einem frühen Zeitpunkt, überwacht und unterstützt durch den Personalrat und ggf. die Schwerbehindertenvertretung, die Initiative ergreifen und ein gesetzlich vorgegebenes Suchverfahren zur Überwindung der bestehenden Probleme anbieten. Kann damit keine Verbesserung erzielt werden, schließt sich ein dienstrechtliches Verfahren mit dem dort vorgesehenen Instrumentarium an.
26Vgl. für das Verhältnis des betrieblichen Eingliederungsmanagements (zuvor noch in der Vorgängervorschrift § 84 Abs. 2 SGB IX verankert) und der beamtenrechtlichen Vorschriften zur Feststellung der Dienstfähigkeit sowie zur Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit BVerwG, Urteil vom 5.6.2014 - 2 C 22.13 -, BVerwGE 150, 1 = juris Rn. 40 ff.
27(2) Ein unterlassenes bzw. defizitäres betriebliches Eingliederungsmanagement hat keinerlei Einfluss auf die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale von § 23 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BeamtStG vorliegen. Dafür, dass die (vorherige) ordnungsgemäße Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements Voraussetzung dieser Rechtsgrundlage auf Tatbestandsseite wäre, gibt der Wortlaut nichts her. Auch in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung - diese Einschätzung muss für das öffentliche Dienstrecht erst recht gelten - ist anerkannt, dass das Verfahren nach § 167 Abs. 2 SGB IX nicht Wirksamkeitsvoraussetzung einer arbeitsrechtlichen Kündigung ist, sondern arbeitgeberseitige Fehler in diesem Verfahren lediglich die Beweislastverteilung in einem Kündigungsprozess beeinflussen.
28Vgl. BAG, Urteil vom 12.7.2007 - 2 AZR 716/06 -, BAGE 123, 234 = juris Rn. 36, 43 f.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 5.6.2014 - 2 C 22.13 -, BVerwGE 150, 1 = juris Rn. 47.
29Das gesetzliche Regelungsgefüge sieht - auch systematisch - eine Verzahnung des betrieblichen Eingliederungsmanagements und des beamtenrechtlichen Entlassungsverfahrens nicht vor. Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist kein Verfahrensschritt des Entlassungsverfahrens. Es dient - wie dargetan - dazu, (weitere) krankheitsbedingte Fehlzeiten zu vermeiden, während das Entlassungsverfahren an solche gerade anknüpft.
30Vgl. hinsichtlich des Zurruhesetzungsverfahrens wegen dauernder Dienstunfähigkeit BVerwG, Urteil vom 5.6.2014 - 2 C 22.13 -, BVerwGE 150, 1 = juris Rn. 49.
31(3) Es ist von der Beschwerde nicht dargelegt, dass ein unterlassenes bzw. defizitäres betriebliches Eingliederungsmanagement die Entlassungsverfügung ermessensfehlerhaft gemacht hätte. Nach § 114 Satz 1 VwGO ist das Gericht insoweit auf die Prüfung beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
32Es ist schon nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass ein Verstoß gegen § 167 Abs. 2 SGB IX - sein Vorliegen hier unterstellt - zum Kreis relevanter Ermessensgesichtspunkte im Rahmen der Entlassungsverfügung nach § 23 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BeamtStG gehören würde. Denn § 167 Abs. 2 SGB IX begründet nach der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung keinen Anspruch des Betroffenen.
33BAG, Urteil vom 7.9.2021 - 9 AZR 571/20 -, NZA 2022, 257 = juris Rn. 14 ff. m. w. N.
34Es handelt sich um eine bloße Verfahrensregelung, die jedenfalls für sich genommen keinen Anspruch auf Wiedereingliederung vermittelt, sondern auf die Erarbeitung einer Lösung zur Vermeidung der Dienstunfähigkeit zielt.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.6.2014 - 2 C 22.13 -, BVerwGE 150, 1 = juris Rn. 38 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 27.10.2022 - 6 B 870/22 -, juris Rn. 24 ff.; aus arbeitsrechtlicher Sicht BAG, Urteile vom 7.9.2021 - 9 AZR 571/20 -, NZA 2022, 257 = juris Rn. 9, und vom 20.5.2020 - 7 AZR 100/19 -, NZA 2020, 1194 = juris Rn. 32; vgl. auch in Zusammenhang mit dem Personalvertretungsrecht BVerwG, Beschluss vom 23.6.2010 - 6 P 8.09 -, NZA-RR 2010, 554 = Rn. 27 f.
36Selbst wenn man die Ermessensrelevanz der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements unterstellen wollte, so führte dies im vorliegenden Fall nicht zu einer Ermessensfehlerhaftigkeit der Entlassungsverfügung, weil die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements insbesondere kein milderes Mittel i. S. d. Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes war. Das folgt namentlich daraus, dass ein solches bereits - erfolglos - im Jahr 2022 durchgeführt worden war. In jenem - von der Antragstellerin mit Schreiben vom 26.1.2022 eingeleiteten - Verfahren äußerte sich diese u.a. dahingehend, die "Gründe für die Erkrankung" seien "allein situations- und ortsbezogen". Mit einem "Wechsel an eine andere Ausbildungsschule" wäre ihre Dienstfähigkeit "wieder hergestellt" (vgl. das Schreiben der Antragstellerin vom 21.4.2022). Dem Antrag auf Wechsel der Ausbildungsschule entsprach das Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) P. sodann mit Schreiben vom 9.5.2022, woraufhin die Antragstellerin ihren Dienst wieder antrat. Bereits ab dem 14.9.2022 war die Antragstellerin jedoch abermals dienstunfähig erkrankt; die Dienstunfähigkeit bestand weiter fort bis zum Zeitpunkt des Erlasses der Entlassungsverfügung. Angesichts des Umstandes, dass eine Dienstunfähigkeit der Antragstellerin auch nach dem beantragten und gewährten Wechsel der Ausbildungsschule rasch wieder eintrat, bestanden keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass ein nochmaliges betriebliches Eingliederungsmanagement erfolgversprechend sein könnte. Daran ändern auch die umfänglichen Ausführungen der Antragstellerin zur Fehlerhaftigkeit der Durchführung des Verfahrens in der ersten Hälfte des Jahres 2022 nichts (vgl. dazu insbesondere die Anlagen zum Schriftsatz vom 17.3.2025).
37Etwas Anderes folgt hier auch nicht daraus, dass die Amtsärztin in ihrem Gutachten vom 4.10.2023 unter Bezugnahme auf den Zusatzgutachter ausgeführt hat, mit der "Rückerlangung einer ausreichenden Leistungsfähigkeit für die Wiederaufnahme des Referendariats sei innerhalb von sechs Monaten zu rechnen", und eine spätestens im Januar 2024 beginnende stufenweise Wiedereingliederung über einen Zeitraum von insgesamt neun Wochen empfohlen hat. Diese Prognose ist zeitlich überholt und hat sich - da die Antragstellerin unstreitig bis zum Zeitpunkt der Entlassungsverfügung dienstunfähig erkrankt war - als unzutreffend erwiesen. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, eine Dienstfähigkeit wäre wieder hergestellt worden, wenn die empfohlene Wiedereingliederung stattgefunden hätte. Denn eine Wiedereingliederung soll eine - stufenweise - Rückkehr in den Dienst ermöglichen, stellt aber keine unmittelbar der Genesung dienende Maßnahme dar. Aus diesem Grund ist es rechtlich ohne Relevanz, wenn die Beschwerde sich darauf beruft, das amtsärztliche Gutachten sei der Antragstellerin rechtswidrig nicht zur Kenntnis gelangt, andernfalls hätte sie einen Antrag auf die Durchführung der Wiedereingliederung gestellt. Die Beantragung der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements war ihr im Übrigen ganz unabhängig von einer entsprechenden Empfehlung der Amtsärztin möglich; der Frage, ob die Antragstellerin dazu - hätte sie sich entsprechend in der Lage gefühlt - sogar verpflichtet gewesen wäre, muss nicht nachgegangen werden.
38bb. Ermessensfehler folgen auch nicht aus einer unterlassenen Wiedereingliederung nach § 2 Abs. 6 Satz 1 AZVO NRW. Nach dieser Vorschrift kann einer Beamtin oder einem Beamten im Anschluss an eine länger dauernde Erkrankung vorübergehend für die Dauer von bis zu sechs Monaten eine Ermäßigung der regelmäßigen Arbeitszeit unter Fortzahlung der Dienstbezüge bewilligt werden, wenn dies nach ärztlicher Feststellung aus gesundheitlichen Gründen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess geboten ist (Arbeitsversuch). Die Norm kann gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 AZVO auch für Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen Anwendung finden. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Möglichkeit einer Wiedereingliederung im vorstehenden Sinn auch für Widerrufsbeamte gilt. Jedenfalls gelten die vorstehenden Ausführungen mutatis mutandis: Auch eine Wiedereingliederung nach § 2 Abs. 6 Satz 1 AZVO soll eine Rückkehr in den Dienst ermöglichen, stellt aber keine Heilmaßnahme dar. Ist ein Widerrufsbeamter auch nach Ablauf einer geplanten, aber nicht durchgeführten Wiedereingliederung noch dienstunfähig, lässt das nicht aus sich heraus darauf schließen, bei erfolgter Wiedereingliederung wäre die Dienstfähigkeit wiederhergestellt worden.
39cc. Das Ermessen des Antragsgegners war auch nicht dadurch eingeschränkt, dass ein fürsorgepflichtwidriges oder sonst rechtswidriges Verhalten seiner Bediensteten die Erkrankung der Antragstellerin zurechenbar hervorgerufen hätte.
40Vgl. zu diesem Aspekt als potentiell ermessensrelevantem Belang OVG NRW, Beschluss vom 19.2.2009 - 6 A 356/06 -, juris Rn. 51.
41Denn selbst wenn man in dem Verhalten des Leiters des ZfsL P. N. oder des Personalratsvorsitzenden S. (der allerdings ohnehin nicht für den Dienstherrn tätig werden kann) ein fürsorgepflichtwidriges oder sonst rechtswidriges Verhalten sehen wollte, wäre von der Antragstellerin nicht hinreichend dargelegt und belegt, dass dieses Verhalten adäquat kausal für ihre Erkrankung resp. fortdauernde Dienstunfähigkeit war. Dies gilt ebenfalls für das Vorbringen, das betriebliche Eingliederungsmanagement im Jahr 2022 sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Antragstellerin bleibt einen entsprechenden Nachweis schuldig. Mit den mit der Beschwerdeschrift vom 23.12.2024 eingereichten Unterlagen ist ein solcher Nachweis nicht geführt.
42c. Soweit die Antragstellerin geltend macht, zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sei sie mehr als vier Monate nicht mehr krankgeschrieben gewesen, lässt sie außer Acht, dass - wie dargetan - maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entlassung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ist,
43vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12.6.2017 - 6 B 1450/16 -, juris Rn. 10 und vom 16.9.2015 - 6 B 937/15 -, juris Rn. 11,
44hier also der Verfügung vom 24.7.2024. Dafür, dass etwaige danach eingetretene Umstände einen Rückschluss auf den im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung gegebenen Sachverhalt zulassen, gibt das Beschwerdevorbringen nichts her. Im Übrigen bestand mit Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung keine Dienstleistungspflicht der Antragstellerin mehr, so dass diese keinen Anlass hatte, sich ihre Dienstunfähigkeit bescheinigen zu lassen; dem Unterbleiben solcher "Krankschreibungen" fehlt damit die Aussagekraft, die die Antragstellerin ihr zuschreibt.
45d. Eine - von der Antragstellerin behauptete - materielle Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung ergibt sich auch nicht aus den von der Beschwerde angeführten gerichtlichen Entscheidungen.
46Die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 19.1.2024 - 5 ME 104/23 - wird lediglich in Auszügen wiedergegeben, ohne ihren Inhalt in irgendeiner Weise zu erläutern und die dortigen Rechtsausführungen zu jenen des Verwaltungsgerichts in Beziehung zu setzen. Die in dem Auszug zitierten Rechtsausführungen stehen unabhängig davon in Einklang mit den abstrakten Rechtssätzen, die das Verwaltungsgericht zu Grunde gelegt hat.
47Ohne Erfolg beruft die Antragstellerin sich zudem auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 28.9.2004 - 1 B 61/04 -. Sie verkennt dabei zunächst, dass der dortigen Entlassungsverfügung eine andere (und auch nicht vergleichbare) Rechtsgrundlage zu Grunde lag, nämlich eine solche des niedersächsischen Landesrechts, wonach ein zum Land Niedersachsen in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis stehender Referendar im juristischen Vorbereitungsdienst zu entlassen ist, wenn er dienstunfähig ist. Eine Dienstunfähigkeit ist kein Tatbestandsmerkmal von § 23 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BeamtStG. Daher führt auch der Einwand der Beschwerde nicht weiter, trotz negativer amtsärztlicher Prognose - eine solche liege im Falle der Antragstellerin noch nicht einmal vor - habe das Verwaltungsgericht Lüneburg die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt. Soweit die Beschwerde unter Rekurs auf die zitierte Entscheidung sinngemäß weiter ausführt, das amtsärztliche Gutachten vom 4.10.2023, das im Kontext der Entlassungsverfügung herangezogen werde, sei nicht hinreichend aktuell und nicht mehr verwertbar gewesen, und dieses Vorbringen mit Schriftsatz vom 13.1.2025 unter Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27.7.2016 - 2 K 1331/14 - wiederholt, vermag sie die entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts nicht zu erschüttern. Unabhängig davon, dass der vom Verwaltungsgericht Potsdam zu entscheidende Fall eine andere Konstellation betraf (die Dienstunfähigkeit eines Lebenszeitbeamten), hat der Antragsgegner sich anders als in den in Bezug genommenen Entscheidungen im Rahmen der Entlassungsverfügung nicht auf das amtsärztliche Gutachten i. S. e. diese fundierenden Erkenntnisquelle gestützt - jenes prognostizierte, wie bereits erwähnt, eine vollumfängliche Dienstfähigkeit der Antragstellerin ab Ende der stufenweisen Wiedereingliederung -, sondern gerade in Abweichung von den Ausführungen des amtsärztlichen Gutachtens angenommen, die dortigen Feststellungen hätten sich nachweislich als unzutreffend erwiesen.
48e. Schließlich ist mit der Beschwerde nicht dargelegt, dass von dem Antragsgegner eine alternative Einsatzmöglichkeit nach § 23 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i. V. m. § 26 Abs. 2 BeamtStG zu prüfen gewesen wäre. Es bleiben jegliche Ausführungen dazu aus, aufgrund welcher Zusammenhänge dies im Streitfall angezeigt gewesen wäre; die Antragstellerin legt nicht einmal dar, dass in ihrem Fall eine dauernde Dienstunfähigkeit gegeben gewesen wäre, sondern bestreitet diese. Der Hinweis auf das oben zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach ersetzt diese Darlegung nicht.
49III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Sätze 2 und 3 GKG i. V. m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
50Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).