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Erfolglose Beschwerde eines aufnehmenden Dienstherrn, der die Rücknahme seines Einverständnisses mit einer Versetzung erklärt hat.
Zur Verwirkung der prozessualen Geltendmachung eines Alimentationsanspruchs im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes sowie zur arglistigen Täuschung durch Verschweigen im Rahmen einer versetzungsbedingten ärztlichen Untersuchung (jeweils verneint).
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird unter entsprechender Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge jeweils auf die Wertstufe bis 19.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
3Aus dem Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufzuheben und der Antrag des Antragstellers vom 21.7.2024 abzulehnen ist.
4Das Verwaltungsgericht hat auf den sinngemäßen Antrag des Antragstellers hin die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
5weiterhin die Rechte und Pflichten als Dienstherrin, insbesondere die Zahlung der Alimentation ab dem 01.02.2024 wahrzunehmen,
6und seinen Beschluss im Wesentlichen wie folgt begründet:
7Der vom Antragsteller geltend gemachte Alimentationsanspruch sei nicht verwirkt. Es sei nicht erkennbar, aufgrund welcher Umstände das Verhalten des Antragstellers ‑ das Verstreichenlassen von fünf Monaten ab der Einstellung der Besoldung bis zu seinem Antrag auf verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz - den Eindruck bei der Antragsgegnerin erweckt habe, er werde seinen Anspruch auf Alimentation nicht (mehr) geltend machen. Der Antragsteller habe auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er habe seit dem 1.11.2023 einen Besoldungsanspruch gegen die Antragsgegnerin aus § 3 Abs. 1 LBG NRW. Es könne im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes nicht festgestellt werden, dass die Versetzungsverfügung der Stadt M. vor dem Hintergrund der Rücknahme des Einverständnisses der Antragsgegnerin zu der Versetzung wegen arglistiger Täuschung durch den Antragsteller nichtig sei, denn bei summarischer Prüfung sei eine solche nicht feststellbar. Ob die beweisbelastete Antragsgegnerin (hinreichend) dargelegt habe, dass der Antragsteller bei der betriebsärztlichen Untersuchung am 8.9.2023 arglistig Tatsachen über seinen Gesundheitszustand verschwiegen habe, bedürfe der weiteren Aufklärung in einem (noch anhängig zu machenden) Klageverfahren in der Hauptsache. Ein Anordnungsgrund sei ebenfalls glaubhaft gemacht. Die Besoldung sei ab Februar 2024 eingestellt und der Antragsteller sei zur Sicherung seiner Existenz auf die vorläufige Alimentation angewiesen.
8Diesen Erwägungen setzt die Beschwerde nichts Durchgreifendes entgegen. Das gilt sowohl in Ansehung der von der Antragsgegnerin vorgetragenen Verwirkung (I.) als auch bezüglich eines vom Verwaltungsgericht angenommenen Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes (II.).
9I. Die Beschwerde dringt zunächst nicht mit der Behauptung durch, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine Verwirkung verneint. Diesbezüglich bringt sie im Wesentlichen vor: In der Rechtsprechung werde im Allgemeinen ein Zeitraum von maximal zwei Monaten zur Geltendmachung der Rechte mittels Eilrechtsschutz als Höchstfrist angenommen; in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung werde regelmäßig nur ein Monat als Richtschnur angesetzt. Im Streitfall sei die Besoldung seit dem 1.2.2024 eingestellt, worüber der Antragsteller schon am 22.1.2024 informiert worden sei. Der Antrag auf Eilrechtsschutz sei erst am 19.7.2024 gestellt worden. Der Antragsteller habe damit sechs Monate verstreichen lassen. Seit der letzten Korrespondenz per E-Mail mit der Antragsgegnerin im März 2024 seien vier Monate bis zur Antragstellung vergangen. Die Antragsgegnerin habe daher davon ausgehen dürfen, die Angelegenheit sei erledigt. Auch im Hinblick auf die Besoldungsgruppe des Antragstellers (A7 LBesG) sei für die Antragsgegnerin nicht damit zu rechnen gewesen, dass dieser derart erhebliche finanzielle Rücklagen für seinen Lebensunterhalt gebildet haben könne, um über mehrere Monate auf eine Besoldung zu verzichten.
10Dem folgt der Senat nicht. Verwirkung sowohl eines materiellen Rechts als auch einer prozessualen Rechtsposition kann eintreten, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (sog. Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (sog. Umstandsmoment), wenn also der Anspruchsteller
11- allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der männlichen und weiblichen Sprachform verzichtet und gilt die männliche Sprachform für alle Geschlechter -
12während eines längeren Zeitraums unter Verhältnissen untätig geblieben ist, unter denen vernünftigerweise etwas zur Rechtswahrung unternommen zu werden pflegt, so dass beim Anspruchsgegner - hier der Antragsgegnerin - der Anschein erweckt worden ist, er werde bezüglich des Anspruchs nichts mehr unternehmen. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.
13BVerwG, Beschluss vom 29.8.2018 - 3 B 24.18 -, juris Rn. 14 ff., 19; OVG NRW, Urteil vom 17.6.2019 ‑ 6 A 1133/17 -, IÖD 2019, 218 = juris Rn. 103 ff., und Beschluss vom 5.12.2012 - 6 B 1156/12 -, juris Rn. 6 f., jew. m. w. N.;
14Diese Maßgaben gelten auch für die Antragsbefugnis nach § 123 VwGO.
15Vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 67 f.; Schoch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 46. EL August 2024, § 123 VwGO Rn. 111.
16Hiervon ausgehend hat der Antragsteller weder die geltend gemachte Rechtsposition noch das Recht ihrer prozessualen Durchsetzung in einem verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren verwirkt.
17Aus der von der Beschwerde in Bezug genommenen Rechtsprechung zur Stützung der Behauptung, eine Rechtsverfolgung im Eilrechtsschutz müsse innerhalb von zwei Monaten oder gar innerhalb eines Monats erfolgen, folgt für den hiesigen Fall nichts. Die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts zum Az. 5 U 173/06 (die anders als von der Antragsgegnerin angegeben vom 15.8.2007 datiert) betrifft das Wettbewerbsrecht und konkret die Bestimmung des § 12 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), die besondere Regelungen für den einstweiligen Rechtsschutz im Wettbewerbsrecht abweichend von den sonst im Zivilrecht geltenden Maßgaben trifft. Das gilt gleichfalls für den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22.2.2018 (Az. 2 W 37/17). Die Entscheidungen sind auf den hiesigen Fall nicht anwendbar und aufgrund der Besonderheiten der Materie nicht übertragbar. Die Behauptung der Beschwerde, die prozessuale Antragsbefugnis im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO sei nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung "regelmäßig" nach einem Monat verwirkt, trifft nicht zu. Sie wird auch von den zitierten Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13.11.2020 (Az. 3 CE 20.2213) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.12.2014 (Az. 2 A 3.13) nicht gestützt. Diese betreffen den (hier nicht einschlägigen) Sonderfall des Abbruchs eines Auswahlverfahrens. Mit der letztgenannten Rechtsprechung wird, wie sich aus Rn. 24 (juris) des vorzitierten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts ergibt, das Vertrauen des Dienstherrn darauf geschützt, dass der Bewerber den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht angreift, sondern sein Begehren im Rahmen einer neuen Ausschreibung weiterverfolgt. Warum diese Rechtsprechung, wie von der Beschwerde geltend gemacht, in der hiesigen Fallkonstellation "erst recht" gelten müsse, erschließt sich nicht ansatzweise. Dass eine Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Dienstverhältnisses von essentieller Bedeutung sei, trägt einen solchen Erst-Recht-Schluss nicht.
18Vielmehr kommt es - wie dargetan - auf die Umstände des Einzelfalls an. Diese begründen eine Verwirkung hier nicht. Es trifft nicht zu, dass der Antragsteller sein Begehren "erst sechs Monate später" geltend gemacht hat. Vielmehr hat er - allgemeinen Regeln zur nachrangigen Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes folgend - sein Begehren zuerst außergerichtlich an die Antragsgegnerin herangetragen. So hat er mit E-Mail vom 20.2.2024 bei der Antragsgegnerin angefragt, ob er sein Gehalt erhalten werde, da er nach Angaben der Stadt M. weiter bei der Antragsgegnerin in Dienst stehe. Aus den an die Antragsgegnerin gerichteten E-Mails des Antragstellers vom 4.3.2024 und vom 5.3.2024 ist ersichtlich, dass dieser sich angesichts der konfligierenden Auskünfte der Stadt M. und der Antragsgegnerin mit Blick auf die Dienstherreneigenschaft im Unklaren gezeigt und gleichzeitig die ausgebliebene Besoldungszahlung für März 2024 bemängelt hat. Erst die E-Mail der Antragsgegnerin vom 8.3.2024 hat der Antragsteller nach objektivem Empfängerhorizont als endgültige Ablehnung seines Begehrens durch diese verstehen müssen. Die im Kontext des (notwendigen) Zeitmoments der Verwirkung in den Blick zu nehmende Zeitspanne konnte mithin erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen; bis zur Stellung eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz sind (demnach nur) viereinhalb Monate vergangen. Auch das erforderliche Umstandsmoment liegt nicht vor. Im Anschluss an die E-Mail der Antragsgegnerin vom 8.3.2024 gab es außergerichtlich - soweit aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlich - zwischen den Beteiligten keine weitere Korrespondenz. Insbesondere hat der Antragsteller nicht erklärt oder sonst zu erkennen gegeben, dass er von seinem Begehren - namentlich der Fortzahlung der Besoldung - nunmehr Abstand nehmen werde, etwa weil er mittlerweile davon überzeugt wäre, die Stadt M. sei sein Dienstherr. Aus der Höhe der Besoldung des Antragstellers (Besoldungsgruppe A 7, Stufe 3) in Verbindung mit dem Zeitablauf folgt für sich betrachtet nicht, dass die Antragsgegnerin "die Angelegenheit für erledigt" halten durfte, und zwar auch dann nicht, wenn diesbezüglich auf den Zeitpunkt der Einstellung der Besoldung (Februar 2024) abgestellt wird. Zuletzt bezog der Antragsteller eine Besoldung i. H. v. 4.304,19 Euro brutto (3.838,37 Euro netto), einschließlich des Familienzuschlags, der Strukturzulage und der Feuerwehrzulage. Dies schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus. Im Übrigen ist ohne Weiteres die Inanspruchnahme eines Darlehens im privaten Umfeld denkbar. An welchem Ort sich die Personalakte des Antragstellers befunden hat, ist - anders als die Antragsgegnerin meint - nicht von Relevanz. Der Antragsteller hat somit in Ansehung des Zeitablaufs kein Verhalten an den Tag gelegt, das bei der Antragsgegnerin am 21.7.2024 - dem Zeitpunkt der Antragstellung im gerichtlichen Eilverfahren - schutzwürdiges Vertrauen dahingehend geschaffen haben könnte, er werde den ursprünglich geltend gemachten Besoldungsanspruch nicht mehr (gerichtlich) durchzusetzen versuchen.
19II. Das Verwaltungsgericht ist auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs (1.) und eines Anordnungsgrundes (2.) ausgegangen.
201. Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin geltend, es liege kein Anordnungsanspruch vor, weil ein Dienstverhältnis angesichts der entsprechend § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) i. V. m. § 17 Abs. 2 Landesbeamtengesetz NRW (LBG NRW) erfolgten Rücknahme des Einverständnisses der Antragsgegnerin zur Versetzung des Antragstellers nicht bestehe. Im Wesentlichen bringt sie dazu vor: Der Antragsteller habe bei seiner amtsärztlichen Untersuchung am 27.7.2023 erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen verschwiegen und falsche Angaben über seinen geplanten Einsatz bei der Antragsgegnerin gemacht. Er habe vorsätzlich einen Irrtum bei der Amtsärztin und damit auch bei der Antragsgegnerin über seine Diensttauglichkeit hervorrufen wollen. Auch bei der betriebsärztlichen Untersuchung am 8.9.2024 habe der Antragsteller unvollständige Angaben gemacht und sei daher fälschlich für uneingeschränkt dienstfähig erklärt worden. In einem Gespräch zwischen dem Antragsteller und Bediensteten der Antragsgegnerin am 14.11.2023 habe er angegeben, nach einer Ohnmacht am 3.1.2023 Vieles wieder neu erlernen und die Abläufe nochmal wiederholen zu müssen. Er habe gesagt, das habe er auch im Alltag teilweise. Diese Angaben habe er bei den beiden Untersuchungen in dieser Deutlichkeit nicht gemacht. In dem Gutachten der Amtsärztin werde zwar eine psychische Belastungssituation erwähnt, aber keine eingeschränkte Dienstfähigkeit. Hätte der Antragsteller damals diese Angaben gemacht, hätte die Amtsärztin dies ‑ wie sie am 17.11.2023 telefonisch bestätigt habe - erwähnt. Sie habe auch davon berichtet, dass der Antragsteller ihr - was in der Sache unzutreffend sei - mitgeteilt habe, er werde keinen 24-Stunden-Dienst absolvieren, sondern eine Tätigkeit als Lehrer in der Schule wahrnehmen. Neurologische Aussetzer habe er nicht erwähnt. In dem Gespräch am 14.11.2023 habe der Antragsteller insgesamt eine große Unsicherheit gezeigt und sich an dessen Ende selbst als einsatzunfähig eingestuft. Bei der Nachuntersuchung am 8.12.2023 sei dann eine eingeschränkte Dienstfähigkeit festgestellt worden. Der Betriebsarzt habe das abweichende Ergebnis im Nachgang damit begründet, die vormaligen Angaben des Antragstellers zu seinem Gesundheitszustand und seinen Vorerkrankungen seien unvollständig gewesen.
21Damit dringt die Beschwerde nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass bei der hier nur gebotenen summarischen Prüfung eine arglistige Täuschung des Antragstellers nicht festgestellt werden kann.
22Die Versetzung wird nach § 25 Abs. 5 Satz 2 LBG NRW von dem abgebenden im Einvernehmen mit dem aufnehmenden Dienstherrn verfügt; das Einverständnis ist schriftlich oder elektronisch zu erklären. Das Einverständnis des aufnehmenden Dienstherrn ist kein Verwaltungsakt, sondern eine sonstige öffentlich-rechtliche Willenserklärung. Der aufnehmende Dienstherr kann sich nachträglich von seiner Einverständniserklärung unter den Voraussetzungen lösen, die für die Aufhebung einer dienstherrnübergreifenden Versetzung maßgebend sind. Hierzu muss er durch schriftliche Erklärung das dem abgebenden Dienstherrn schriftlich erklärte Einverständnis zurückziehen. Gelingt dem aufnehmenden Dienstherrn die Beseitigung seines Einverständnisses, führt dies unmittelbar zur Wiederherstellung des vor der Versetzung bestehenden Zustandes, da ein materielles Wirksamkeitserfordernis der Versetzung entfällt. Die Versetzungsverfügung ist dann nichtig.
23Grundlegend zu § 123 BRRG BVerwG, Urteil vom 23.9.2004 - 2 C 37.03 -, BVerwGE 122, 58 = juris Rn. 16 ff., 23 ff.; im Anschluss daran OVG NRW, Beschluss vom 5.6.2014 - 6 A 914/14 -, ZBR 2015, 55 = juris Rn. 4; siehe auch Bodanowitz, in: Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 11. Aufl. 2024, § 4 Rn. 36 f. sowie Hilg/Baßlsperger, ZBR 2015, 145 (146 ff.).
24Die Wirkung, die der Beseitigung des Einverständnisses zukommt, verlangt eine strenge Begrenzung der Voraussetzungen. Weil die Versetzung für den Beamten und den aufnehmenden Dienstherrn ernennungsähnliche Wirkung hat, sind auf sie die Grundsätze anzuwenden, die auch für die erstmalige Begründung eines Beamtenverhältnisses gelten.
25Vgl. erneut BVerwG, Urteil vom 23.9.2004 - 2 C 37.03 -, BVerwGE 122, 58 = juris Rn. 25.
26Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG ist die Ernennung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sie durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt wurde. In entsprechender Anwendung dieser Bestimmung ist eine Versetzungsverfügung des abgebenden Dienstherrn - soweit hier von Relevanz - daher nichtig, wenn die Einverständniserklärung des aufnehmenden Dienstherrn wirksam wegen arglistiger Täuschung zurückgenommen wurde.
27Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist unter "arglistiger Täuschung" im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG jedes Hervorrufen oder Aufrechterhalten eines Irrtums bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Bediensteten der Ernennungsbehörde in dem Bewusstsein zu verstehen, diesen durch die Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen. Unrichtige Angaben sind stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Ernennungsbehörde hiernach gefragt hat oder nicht. Im Übrigen besteht zwar keine Offenbarungspflicht bezüglich jeglicher Gesundheitsfragen. Allerdings muss der Bewerber Fragen nach seiner gesundheitlichen Verfassung nach ihrem erkennbaren Sinn richtig und vollständig beantworten. Das Verschweigen von Tatsachen ist eine Täuschung, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Ernannte ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich sind oder sein können. Eine arglistige Täuschung liegt nach alledem dann vor, wenn der Täuschende erkennt und in Kauf nimmt, dass bei der Ernennungsbehörde durch die Nichtoffenbarung von Tatsachen irrige Vorstellungen über für die Ernennung potentiell erhebliche Umstände entstehen oder aufrechterhalten werden.
28Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20.1.2004 - 1 D 33.02 -, BVerwGE 120, 33 = juris Rn. 117; ferner OVG NRW, Beschluss vom 26.2.2020 - 6 B 1575/19 -, juris Rn. 10; Thomsen, in: BeckOK, Beamtenrecht Bund, BeamtStG, Stand 15.7.2023, § 12 Rn. 9 ff.
29Die (materielle) Beweislast für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung liegt bei dem das Einverständnis zur Versetzung zurücknehmenden Dienstherrn, hier also der Antragsgegnerin, auch wenn es sich bei der Arglist um eine innere Tatsache handelt.
30Vgl. VGH BW, Urteil vom 18.5.2010 - 4 S 922/09 -, IÖD 2010, 182 = juris Rn. 29; VG Schleswig, Urteil vom 1.11.2022 - 12 A 81/21 -, juris Rn. 29; Roetteken, in: Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Stand Okt. 2021, § 12 BeamtStG Rn. 190.
31Gemessen daran kann bei summarischer Prüfung von einer arglistigen Täuschung der Antragsgegnerin durch den Antragsteller nicht ausgegangen werden; nach Aktenlage und dem Vorbringen der Beteiligten lässt sich ohne weitergehende und hier dem Hauptsacheverfahren vorbehaltene Amtsermittlungsmaßnahmen nicht feststellen, dass der Antragsteller durch aktives Tun oder durch Unterlassen getäuscht hat. Im Einzelnen:
32a. Eine arglistige Täuschung kann dem Antragsteller zunächst nicht hinsichtlich des Untersuchungstermins am 27.7.2023 bei der Amtsärztin Dr. W. vorgehalten werden.
33Auf eine Täuschung durch aktives Tun durch den Antragsteller - bezogen auf dessen gesundheitlichen Zustand - beruft die Antragsgegnerin sich nicht. Eine Täuschung durch Unterlassen kann indes auch nicht festgestellt werden. Es ist auf der Grundlage des Akteninhalts und des Beschwerdevortrags nicht feststellbar, dass der Antragsteller bei seiner amtsärztlichen Untersuchung am 27.7.2023 erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen verschwiegen hat. Nicht nachvollziehbar ist zunächst das Vorbringen der Beschwerde, im Gutachten der Amtsärztin vom 18.8.2023 werde zwar auf eine psychische Belastungssituation verwiesen, allerdings keinerlei psychische Einschränkung der Dienstfähigkeit erwähnt; hätte der Antragsteller "diese Angaben" gemacht, hätte die Amtsärztin dies in ihrem Gutachten erwähnt. In dem vorerwähnten Gutachten der Amtsärztin heißt es ausdrücklich, der Antragsteller sei "seit Anfang Januar 2023 arbeitsunfähig" und befinde sich "wegen einer Anpassungsstörung (bei familiärer Belastungssituation) in psychologischer Behandlung". Eine "verlässliche Aussage zur weiteren Krankheitsentwicklung bei Fortbestehen der familiären Belastung und unter laufender Psychotherapie" sei derzeit "nicht möglich und wäre spekulativ"; eine valide "Prognose, ob mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine vorzeitige Dienstunfähigkeit und häufige Fehlzeiten zu erwarten" seien, sei "(noch) nicht möglich". Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwieweit der Antragsteller seine psychischen Beschwerden, die offensichtlich Gegenstand der Untersuchung waren und überdies erkennbar zu einer mehrmonatigen (noch andauernden) Dienstunfähigkeit geführt haben, der Amtsärztin falsch bzw. unzureichend mitgeteilt hat. Ob die psychischen Beschwerden eine (eingeschränkte bzw. mangelnde) Dienstfähigkeit begründen, unterliegt nicht der Beurteilung des Antragstellers.
34Der Antragsteller hat der Amtsärztin gegenüber auch keine neurologischen Beschwerden oder für die Beurteilung der Dienstfähigkeit in diesem Zusammenhang relevante Tatsachen pflichtwidrig verschwiegen. Bedeutsam ist diesbezüglich der vorläufige Arztbrief der St. H. Klinik vom 6.1.2023 - Abteilung Neurologie -. Dass dieser Arztbrief der Amtsärztin vorlag resp. dieser vom Antragsteller vorgelegt wurde, bestreitet die Antragsgegnerin nicht. Darin wird folgende Diagnose genannt: "Neu: unklare Bewusstseinsstörung mit Verkrampfung des linken Armes DD im Rahmen einer Hyperventilation DD erstmaliges rechts-hemispherisch eingeleitetes, nicht bewusst erlebtes, tonisches Anfallsereignis" [sic]. Es wird sodann ausführlich ein "neurologischer Untersuchungsbefund" mitgeteilt. Unter anderem heißt es, zu Beginn sei der Antragsteller "zu Ort, Zeit und eigenen Person verlangsamt orientiert" gewesen, ebenso sei die "Sprache verlangsamt" gewesen. "Stand und Gang" hätten sich "initial" - also anfänglich - als "nicht möglich" dargestellt. Im Rahmen der "Epikrise" erfolgt - wohl im Sinne einer Wiedergabe der Angaben der damaligen Partnerin des Antragstellers - eine dezidierte Schilderung der die Notaufnahme im Klinikum begründenden Situation, die den Verdacht auf ein "erstmaliges Anfallsereignis" nach sich zog. Nachdem der Antragsteller sich habe übergeben müssen, habe er gezittert und hyperventiliert; sein linker Arm habe sich vor der Brust verschränkt verkrampft; er habe nicht interagiert, sondern "verbale Laute von sich gegeben"; dieser Zustand habe über einen Zeitraum von 4 Minuten bis zum Eintreffen des Notarztes angedauert. Weitere neurologische Untersuchungen blieben laut vorläufigem Arztbrief ohne Befund. Zusammenfassend deuteten die behandelnden Ärzte das Ereignis "am ehesten als Stressreaktion verbunden mit Hyperventilation" aufgrund einer ausgeprägten akuten Belastungssituation. Ein "iktales" - also anfallsbedingtes, ggf. auch epileptisches - Ereignis werde für "unwahrscheinlich" gehalten. Eine fachneurologische / fachpsychiatrische Anbindung wurde empfohlen.
35Eine arglistige Täuschung durch Unterlassen (im Sinne einer Nichtmitteilung neurologischer Auffälligkeiten bzw. Beschwerden) gegenüber der Amtsärztin liegt vor dem Hintergrund dieses Arztbriefes auch dann nicht vor, wenn man zu Ungunsten des Antragstellers davon ausgeht, er habe dieser lediglich den Arztbrief vorgelegt und im Übrigen nichts weiter erklärt. Denn alleine angesichts seines Inhalts war die Amtsärztin über die (möglicherweise) neurologischen Auffälligkeiten hinreichend informiert. Soweit sie wegen der Erheblichkeit der im Arztbrief geschilderten Probleme - etwa die anfängliche mangelnde Fähigkeit, zu stehen und zu gehen - Bedarf nach Mitteilung weiterer Einzelheiten gesehen hätte, hätte sie von sich aus nachfragen können und müssen. Dass sie dies offenbar unterließ, begründet keine weitergehenden aktiven Mitteilungspflichten des Antragstellers. Es kann auch nicht zu Lasten des Antragstellers angeführt werden, die Amtsärztin habe - wie sich aus dem Telefonvermerk vom 17.11.2023 ergibt - angegeben, von "neurologischen Aussetzer[n]" nichts gewusst zu haben, und aus ihrer Sicht habe im Arztbrief "nichts von neurologischen Aussetzern" gestanden; dort sei "der Erschöpfungszustand Grund des zusammenbruchs" [sic] gewesen. Dies gibt den Inhalt des Arztbriefs offensichtlich nur unzureichend wieder; insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Ob ‑ was die Antragsgegnerin als (auch nur) "fraglich" bezeichnet - der Arztbrief bei der Untersuchung noch "aktuell" war, ist unerheblich. Er dokumentiert erhebliche gesundheitliche Probleme des Antragstellers, die nur wenige Monate zurücklagen und die Amtsärztin zu Nachfragen hätte veranlassen müssen. Es ist im Übrigen mit der Beschwerde nicht konkret vorgetragen, welche weiteren, im Arztbrief nicht erwähnten gesundheitlichen Probleme der Antragsteller verschwiegen haben sollte.
36Hinreichende Anhaltpunkte für eine arglistige Täuschung des Antragstellers lassen sich im Rahmen der nur gebotenen summarischen Prüfung auf der Grundlage des Akteninhalts und des Beschwerdevortrags auch nicht mit Blick auf die Äußerungen desselben gegenüber der Amtsärztin Dr. W. hinsichtlich seines künftigen Tätigkeitsfeldes und -umfangs feststellen. Unabhängig von der Frage, ob es nicht an der Antragsgegnerin gelegen hätte, Dr. W. diese Informationen vorab im Rahmen des Untersuchungsauftrags mitzuteilen, ist die Behauptung der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe Dr. W. gegenüber wahrheitswidrig angegeben, er werde künftig keinen 24-Stunden-Dienst mehr absolvieren, sondern als Lehrer in der Schule unterrichten, vom Antragsteller substantiiert bestritten worden. In seiner Stellungnahme vom 30.12.2023 hat der Antragsteller vorgetragen, er habe gesagt, er werde "als Brandmeister im 24-Stunden Dienst tätig sein" und "daraufhin arbeiten […] als Ausbilder in der Feuerwehr Schule […] tätig zu sein" [sic], wobei er dafür aber noch zuvor Lehrgänge absolvieren müsse. Die Divergenz der Angaben gibt Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung, die allerdings - wie bereits ausgeführt - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist.
37b. Ohne weitergehende Amtsermittlungsmaßnahmen lässt sich im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes auch keine Täuschung des Antragstellers durch aktives Tun oder durch Unterlassen gegenüber dem Betriebsarzt Dr. C. feststellen. Ob eine Täuschung des Dienstherrn durch eine Täuschung des hier bei der Stadtwerke I. GmbH beschäftigten Betriebsarztes überhaupt möglich ist, kann angesichts dessen auf sich beruhen.
38So ist schon unklar und mit der Beschwerde nicht dargelegt, was Zweck und Gegenstand der Untersuchung beim Betriebsärztlichen Dienst waren; davon hängen selbstredend auch entsprechende Mitteilungspflichten des Untersuchten und damit vorliegend des Antragstellers ab. Die Untersuchung, die der "Ärztliche[n] Bescheinigung für Arbeitgeber" vom 8.9.2023 zu Grunde lag, wird ausdrücklich als "Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung" bezeichnet. "Arbeitsmedizinische Vorsorge" umfasst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV), die nach § 1 Abs. 2 ArbMedVV, §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Nr. 4 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) auch auf den Antragsteller Anwendung findet, nicht den Nachweis der gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen nach sonstigen Rechtsvorschriften oder individual- oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen. Es handelt sich vielmehr um eine arbeitsmedizinische Präventionsmaßnahme; sie dient der Beurteilung der individuellen Wechselwirkungen von Arbeit und physischer und psychischer Gesundheit und der Früherkennung arbeitsbedingter Gesundheitsstörungen sowie der Feststellung, ob bei Ausübung einer bestimmten Tätigkeit eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung besteht (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 ArbMedVV). Nach § 3 Abs. 3 Satz 3 ArbMedVV soll arbeitsmedizinische Vorsorge nicht zusammen mit Untersuchungen, die dem Nachweis der gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen dienen, durchgeführt werden, es sei denn, betriebliche Gründe erfordern dies; in diesem Fall hat der Arbeitgeber den Arzt oder die Ärztin zu verpflichten, die unterschiedlichen Zwecke von arbeitsmedizinischer Vorsorge und Eignungsuntersuchung gegenüber dem oder der Beschäftigten offenzulegen. Demgegenüber handelte es sich bei den am 8.9.2023 hinsichtlich des Antragstellers durchgeführten Untersuchungen "25,001 Betriebsdienst-/Gleistauglichkeit" (wohl die ehemalige sog. G 25-Untersuchung, nunmehr DGUV Empfehlung Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten - E FSÜ -)
39siehe dazu die DGUV Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen, S. 1082 ff., 1227,
40"G41 Arbeiten mit Absturzgefahr" (nunmehr DGUV Empfehlung Arbeiten mit Absturzgefahr - E ABS -)
41siehe dazu die DGUV Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen, S. 1050 ff., 1226,
42und "Sonderuntersuchung durch PA" um Eignungsuntersuchungen. Dementsprechend wurde der Antragsteller jeweils auch als "Geeignet" beurteilt. Was konkret zwischen dem Betriebsarzt Dr. C. und dem Antragsteller mit Blick auf den Untersuchungszweck (Prävention und/oder gesundheitliche Eignung) besprochen wurde, hat die Antragsgegnerin nicht dargetan und ergibt sich auch im Übrigen nicht aus dem Akteninhalt. Davon hingen aber etwaige Mitteilungspflichten des Antragstellers ab. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch ein Verstoß des Antragstellers gegen ihn in Ansehung der betriebsärztlichen Untersuchung etwaig treffende Mitteilungspflichten im Rahmen des vorliegenden Eilbeschwerdeverfahrens nicht feststellen.
43Zudem ist dem Beschwerdevortrag nicht zu entnehmen, inwieweit konkret die Angaben des Antragstellers gegenüber dem Betriebsarzt unvollständig gewesen sein sollen. Die Beschwerde belässt es zunächst bei der ohne jede Erläuterung bleibenden (Rechts-)Behauptung, auch bei der betriebsärztlichen Untersuchung am 8.9.2024 (gemeint wohl: 2023) habe der Antragsteller unvollständige Angaben zu seinem Gesundheitszustand und seinen Vorerkrankungen gemacht. Auch der nachfolgende Hinweis auf die E-Mail des Betriebsarztes Dr. C. ist kaum konkreter. Dieser hat in der ärztlichen Bescheinigung vom 8.12.2023 - abermals überschrieben mit dem Passus "Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung" - hinsichtlich der "Sonderuntersuchung durch PA" befundet, der Antragsteller sei "geeignet unter bestimmten Voraussetzungen", dies dahingehend erläutert, dieser solle aufgrund der "jetzt vorliegenden Befunde […] zunächst befristet bis zum 04.01.2024 nicht mit Aufgaben mit erhöhter Eigen- oder Fremdgefährdung eingesetzt werden" und schließlich auf Nachfrage der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 12.12.2023 mitgeteilt, die "Abweichung bei den arbeitsmedizinischen Beurteilungen" komme "dadurch zustande, dass bei der Beurteilung im September die Angaben des Mitarbeiters zu seinem Gesundheitszustand und zu Vorerkrankungen unvollständig" gewesen seien. Es ist unklar und auch nicht anderweitig erläutert, welche "Befunde" damit gemeint sind und inwieweit die Angaben des Antragstellers unvollständig gewesen sein sollen; dies erschließt sich auch nicht aus dem Kontext. Angesichts des nochmaligen Untersuchungsauftrags der Antragsgegnerin und des dem Betriebsarzt zugleich vorgelegten Berichts der Diplompsychologin Anja Wirth vom 28.11.2023 kommen insoweit sowohl neurologische als auch psychische "Befunde" in Betracht. Dies ist deswegen von Relevanz, weil der Antragsgegnerin die Psychotherapie des Antragstellers und die damit einhergehenden Befunde explizit durch das Ergebnis der amtsärztlichen Begutachtung der Amtsärztin Dr. W. vom 18.8.2023 bekannt waren und insofern eine arglistige Täuschung ausscheidet. Auch die Bescheinigung des Betriebsarztes Dr. C. vom 8.12.2023 erhellt dies nicht, weil die im Untersuchungsauftrag formulierten Fragen, welche Beeinträchtigungen beim Antragsteller aufgrund neurologischer Ausfälle vorlägen und ob mit erneuten Ausfällen zu rechnen sei, in keiner Weise beantwortet wurden. So bleibt offen, ob die befundete eingeschränkte Eignung ggf. ausschließlich auf den der Antragsgegnerin bekannten psychischen Befunden beruhte. Es ist auch unklar, ob Dr. C. das Untersuchungsergebnis ("Geeignet unter bestimmten Voraussetzungen") aus eigenen Untersuchungen, einer Durchsicht eingereichter ärztlicher Unterlagen, einer (bloßen) Wahrunterstellung des im Untersuchungsauftrag mitgeteilten Sachverhalts oder einer erneuten Anamnese deduziert hat.
442. Das Monitum, es liege kein Anordnungsgrund vor, da die vom Verwaltungsgericht angenommene Existenzbedrohung des Antragstellers nicht schlüssig sei und dem Antragsteller insbesondere kein wesentlicher Nachteil drohe, der nicht mehr rückgängig gemacht werden könne, geht fehl. Die Beschwerde bringt diesbezüglich vor, es gehe vorliegend nicht um einen Lebenssachverhalt, in welchem gerichtlicher Rechtsschutz besonders zeitnah gewährt werden müsse. Der Antragsteller sei auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen. Es liege eine deutliche zeitliche Diskrepanz zwischen der Einstellung der Besoldungszahlung und der Stellung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz.
45Damit dringt die Beschwerde nicht durch. Aus den E-Mails des Antragstellers vom 20.2.2024, vom 4.3.2024 und vom 5.3.2024 ist - wie bereits zuvor erläutert - ersichtlich, dass dieser die ausgebliebene Besoldungszahlung für März 2024 bemängelt und mithin gegenüber der Antragsgegnerin beansprucht hat, wobei er gleichzeitig darauf hingewiesen hat, dass seine "Kosten […] weiter" "laufen" würden. Sein Zuwarten bis zur Stellung des Antrags im gerichtlichen Eilverfahren machte es ihm - anders als die Antragsgegnerin meint - nicht gleichsam a limine unmöglich, einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Der Antragsteller kann ferner nicht auf ein gerichtliches Hauptsacheverfahren verwiesen werden, das sich über mehrere Monate oder Jahre hinziehen kann. Ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens über einen derart langen Zeitraum ist für den Antragsteller nicht zumutbar. Nicht nur in besoldungsrechtlicher, sondern auch in statusrechtlicher Hinsicht gilt, dass dieser nicht monate- bzw. jahrelang im Unklaren darüber gelassen werden kann, wer ihm gegenüber als Dienstherr fungiert.
46Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG. Streitwert ist danach die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge, wobei für die Wertberechnung nach § 40 GKG der Zeitpunkt der den jeweiligen Rechtszug einleitenden Antragstellung (hier: 21.7.2024 am Verwaltungsgericht und 29.11.2024 im hiesigen Verfahren) maßgebend ist. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben gemäß § 53 Abs. 6 Satz 3 GKG außer Betracht. Ferner ist die für den Antragsteller jeweils geltende Erfahrungsstufe (hier: Besoldungsgruppe A 7, Erfahrungsstufe 3) zugrunde zu legen. Im Jahr 2024 betrug die Besoldung in dieser Stufe von Januar bis einschließlich Oktober 2.748,92 Euro und ab November 2024 2.948,92 Euro, sodass die Summe der für dieses Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge 33.387,04 Euro beträgt. Wegen der Vorläufigkeit der im Wege des Eilverfahrens begehrten Entscheidung ist dieser Betrag zu halbieren.
47Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).