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Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ist nicht an den zur Ausstrahlungswirkung von Art. 8 GG entwickelten Maßstäben („Vorfeldwirkung“) zu Polizeimaßnahmen im Zusammenhang mit Versammlungen zu messen.
Die Datenerhebung und Speicherung nach § 81b Abs. 1 2. Alt. StPO dient – ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren – der Strafverfolgungsvorsorge durch Bereitstellung sächlicher Hilfsmittel für die Erforschung und Aufklärung von Straftaten, nicht aber einer konkreten restriktiven oder pönalisierenden Bewertung von Anlasstaten, seien diese auch im Zusammenhang mit Versammlungen im Schutzbereich von Art. 8 GG erfolgt.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Der Senat entscheidet über den Antrag auf Zulassung der Berufung durch den Berichterstatter, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3, § 125 Abs. 1 VwGO).
3Der Berufungszulassungsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg.
4Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO zuzulassen, wenn einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt wird und vorliegt. Darlegen in diesem Sinn bedeutet, unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fallbezogen zu erläutern, weshalb die Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Streitfall vorliegen sollen. Das Oberverwaltungsgericht soll allein aufgrund der Zulassungsbegründung die Zulassungsfrage beurteilen können, also keine weiteren aufwändigen Ermittlungen anstellen müssen.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2025 – 5 A 906/24 –, juris, Rn. 2; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 186, 194.
6Die mit dem Zulassungsbegehren vorgebrachten Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (dazu 1.). Sie zeigen auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf (dazu 2.).
71. Ernstliche Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind gegeben, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
8Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. März 2022 – 2 BvR 1232/20 –, NVwZ 2022, 789, juris, Rn. 23; VerfGH NRW, Beschluss vom 13. Oktober 2020 –VerfGH 82/20.VB-2 –, juris, Rn. 19; OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2025, a. a. O., Rn. 5.
9Für die Darlegung ernstlicher Zweifel genügt jedoch das bloße Anzweifeln der Richtigkeit der Entscheidung ebenso wenig wie die bloße Wiederholung des Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren. Erforderlich ist vielmehr, dass der die Zulassung begehrende Verfahrensbeteiligte sich substantiiert inhaltlich mit der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und dabei aufzeigt, warum diese Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis unzutreffend ist. Soweit dabei tatsächliche Feststellungen des Verwaltungsgerichts in Zweifel gezogen werden, reicht es nicht aus, bloß deren Richtigkeit in Frage zu stellen oder das schlichte Gegenteil zu behaupten, sondern muss der Rechtsmittelführer konkret aufzeigen, welcher Sachverhalt zutreffend sein soll und woraus er seine Sicht der Dinge konkret ableitet.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2025, a. a. O., Rn. 7; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 3. Dezember 2001 – 8 S 2385/01 –, juris, Rn. 3.
11Hiervon ausgehend sind ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht dargetan.
12Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
13die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung durch den Beklagten vom 6. Februar 2022 aufzuheben,
14abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung sei materiell rechtmäßig. Richtige Ermächtigungsgrundlage der Maßnahme sei § 81b Abs. 1 2. Alt. StPO, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Anordnung Beschuldigte in einem Strafverfahren gewesen sei. Ihre erkennungsdienstliche Behandlung sei für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig. Aus den gegen sie geführten Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Klimaprotesten lasse sich angesichts der Vielzahl ähnlich gelagerter Verfahren rechtsfehlerfrei die Prognose ableiten, dass sie abermals Beschuldigte eines Ermittlungsverfahrens sein werde. An der Angabe der Klägerin, seit Anfang 2022 nicht mehr in der Gruppe „Y.“ aktiv zu sein, bestünden schon beachtliche Zweifel; ungeachtet dessen sei selbst der unterstellte Zeitraum fehlender Aktivität für die Gruppe nicht so lang, dass auf die Durchführung der Maßnahme verzichtet werden könne. In die Prognose könnten hier – auch unter Hinwegdenken des Verfahrens 50 Js 401/21 der Staatsanwaltschaft Wuppertal – die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren 80 Js 598/21 der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, 600 Js 418/21 der Staatsanwaltschaft Dortmund, 216 Js 61/21 der Staatsanwaltschaft Bielefeld sowie das in einem Strafbefehl gemündete Verfahren 521 Js 2511/19 der Staatsanwaltschaft Wuppertal einbezogen werden. Gründe des Klimaschutzes könnten ihre Aktionen des „zivilen Ungehorsams“ von vornherein nicht rechtfertigen. Auch das erst nach Erlass der angegriffenen Anordnung eröffnete Ermittlungsverfahren 80 Js 1865/22 der Staatsanwaltschaft Düsseldorf bestätige die Gefahrenprognose, die Klägerin werde künftig erneut in den Verdacht von Straftaten gelangen. Ihr in diesem Verfahren geltend gemachter Einwand, sie habe die vorgeworfene Straßenblockade lediglich als Pressevertreterin begleitet, sei eine Schutzbehauptung. Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen sei erforderlich, um etwaige Ermittlungen zu fördern. Soweit die Klägerin die Erforderlichkeit unter Hinweis darauf in Frage stelle, dass sie bei früheren Vorfällen nicht versucht habe, ihre Identität zu verschleiern, dringe sie damit unter Würdigung der konkret in Raum stehenden Deliktsbilder nicht durch. Auch Ermessensfehler lägen nicht vor, Anhaltspunkte für eine Schikane der Klägerin als Aktivistin der Gruppe „Y.“ gebe es nicht. Die Anordnung sei schließlich unter Beachtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung verhältnismäßig. Eine übermäßige Belastung gehe mit den angeordneten Maßnahmen nicht einher.
15Die Einwendungen der Klägerin ziehen diese tatsächlichen und rechtlichen Wertungen nicht durchgreifend in Frage. Dies gilt sowohl hinsichtlich der gegen die Notwendigkeit der Anordnung vorgebrachten Rügen (dazu a) als auch hinsichtlich der gerügten fehlerhaften Berücksichtigung von Art. 8 GG (dazu b).
16a) Das Verwaltungsgericht hat seiner Prüfung der Voraussetzungen von § 81b Abs. 1 2. Alt. StPO zutreffend die auch in der Rechtsprechung des beschließenden Senats begründeten Maßstäbe zugrunde gelegt.
17Nach diesen Maßstäben bemisst sich die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen danach, ob der Sachverhalt, der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Ermittlungs- oder Strafverfahrens festgestellt worden ist, Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potenzieller Beteiligter an einer strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten, indem sie den Betroffenen überführen oder entlasten. Maßgeblich sind alle nach kriminalistischer Erfahrung bedeutsamen Umstände des Einzelfalls –insbesondere Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit sowie der Zeitraum, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist.
18Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Juni 2018 – 6 C 39.16 –, BVerwGE 162, 275, juris, Rn. 22, und vom 23. November 2005 – 6 C 2.05 –, NJW 2006, 1225, juris, Rn. 22, sowie Beschluss vom 6. Juli 1988 – 1 B 61.88 –, Buchholz 306 § 81b StPO Nr. 1; OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2025 – 5 A 906/24 –, juris, Rn. 14 m. w. N.
19Dabei gebieten der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der präventive Charakter der erkennungsdienstlichen Maßnahmen eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Verhinderung und Aufklärung von Straftaten und dem Interesse des Betroffenen, entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht bereits deshalb als potenzieller Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist.
20OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2025, a. a. O., Rn. 16 m. w. N.
21Diese Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht zutreffend seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Einen Automatismus, wonach erkennungsdienstliche Maßnahmen bei einer prognostizierten Wiederholungsgefahr immer der Förderung der Ermittlungen dienlich seien, hat es entgegen dem Zulassungsvorbringen nicht angenommen. Die Tatsache, dass die Klägerin in der Vergangenheit nicht versucht hat, ihre Identität zu verschleiern, hat es berücksichtigt und dabei in den Blick genommen, dass bei polizeilichen Ermittlungen der Datenabgleich etwa auch die vom Einzelnen in einem Geschehen eingenommene Rolle und damit Verantwortlichkeit aufklären könne. Dies entspricht der Rechtsprechung des beschließenden Senats zur Erforderlichkeit angeordneter erkennungsdienstlicher Maßnahmen. Auch wenn bisher die Identität eines Betroffenen im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen nicht zweifelhaft war, kann sich dies in Zukunft ohne weiteres anders darstellen. So sind Lichtbilder in diesem Kontext etwa geeignet, beispielsweise durch Befragung von Zeugen die Anwesenheit einer Person zu klären, während aus dem Abgleich etwaiger Fingerabdrücke im Einzelfall sowohl Rückschlüsse auf die Anwesenheit an bestimmten Orten als auch die Benutzung von Gegenständen gezogen werden können.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2021 – 5 223/20 –, n. v., S. 8 des Beschlussabdrucks.
23Die weiteren seitens der Klägerin gegen die Erforderlichkeit sowohl der Anfertigung konkret von Lichtbildern zur Personenidentifikation und zur Zuordnung von Tatbeiträgen als auch der Abnahme von Fingerabdrücken vorgebrachten Einwendungen führen auf kein anderes Ergebnis. Diese beziehen sich lediglich auf eigene Einschätzungen einer angeblichen tatsächlichen polizeilichen Ermittlungspraxis und verweisen im Übrigen wesentlich nur darauf, dass in der Vergangenheit die Klägerin unproblematisch identifiziert werden konnte. Das zieht die oben ausgeführten Maßstäbe zur Erforderlichkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung sowie deren konkrete Anwendung im angegriffenen Urteil nicht durchgreifend in Zweifel. Die durch die Verwaltungsvorgänge vermittelten Sachverhalte stützen vielmehr die auf kriminalistischen Erfahrungswerten beruhende Einschätzung des Beklagten, die Klägerin könnte zukünftig erneut in den Verdacht einer Straftat geraten, bei deren Aufklärung die erkennungsdienstlichen Unterlagen – sei es be- oder entlastend – förderlich sein könnten. Eine Pflicht zum „Herausarbeiten“ des „Mehrwerts“ der einzelnen angeordneten Maßnahmen würde die Anforderungen an die Rechtsprüfung überspannen und besteht für das Verwaltungsgericht gerade nicht. Entgegen dem Zulassungsvorbringen hat das Verwaltungsgericht auch in hinreichender Weise die der Klägerin zur Last gelegten Straftaten sowie ihre Person selbst in seine prognostischen Überlegungen miteinbezogen. Ein Abwägungsdefizit liegt nicht darin, dass die Bewertungen im Urteil knapp gehalten und an den jeweiligen Tatvorwürfen ausgerichtet sind. Die Prüfung erfolgte ersichtlich bezogen auf den konkreten Einzelfall der Klägerin. Welche nach kriminalistischer Erfahrung bedeutsamen Umstände des Einzelfalls das Verwaltungsgericht schon grundsätzlich außer Betracht gelassen haben soll, zeigt die Klägerin nicht auf.
24Auch die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Verhinderung und Aufklärung von Straftaten und dem privaten Interesse der Klägerin, nicht anlasslos und über Gebühr in den Kreis potentiell Verdächtiger aufgenommen zu werden, ist rechtsfehlerfrei. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Klägerin hat das Verwaltungsgericht genauso in den Blick genommen wie die jeweiligen Tatvorwürfe. Dass es hierbei nicht zuletzt die Häufung der gegen sie erhobenen Tatvorwürfe im Zeitraum zwischen Mai 2021 und März 2022 herausgestellt hat, ist nachvollziehbar. Inwiefern die angeordneten Maßnahmen die Klägerin unverhältnismäßig belasten sollten, zeigt der Zulassungsantrag unabhängig davon nicht auf. Schließlich führen auch nicht die seitens der Klägerin geltend gemachten „Ausstrahlungswirkungen“ des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG zu einer fehlerhaften Abwägung. Sie beruft sich auf eine derartige Ausstrahlungswirkung – mit daran anknüpfender Pflicht zu einer formalen Abwägungsberücksichtigung von Art. 8 GG – vor dem Hintergrund dessen, dass es sich bei den der Klägerin vorgeworfenen Taten allesamt um „versammlungstypische Straftaten“ gehandelt habe. Diese Argumentation überzeugt nicht und zeigt insbesondere keine ernstlichen Richtigkeitszweifel am angefochtenen Urteil auf. Eine dogmatische Konnexität zwischen dem Merkmal der Notwendigkeit im Rahmen des § 81b Abs. 1 2. Alt. StPO und der „wertsetzenden Bedeutung des Versammlungsgrundrechts“ besteht nicht. Insbesondere findet der von der Klägerin im Zulassungsverfahren benannte Rechtssatz „Was für eine Strafsanktion gilt, muss erst recht für die bloße Strafverfolgungsvorsorge gelten“ keine Grundlage in Gesetz und Rechtsprechung. Die Anordnung und Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen findet noch nicht einmal im weitest verstandenen Vorfeld einer Versammlung statt und nimmt damit auch nicht an der Ausstrahlungswirkung von Art. 8 GG auf ansonsten versammlungsneutrale faktische Maßnahmen teil. Dies folgt schon ohne Weiteres aus der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf den Zeitraum der Durchführung einer Versammlung begrenzt, sondern entfaltet seine Wirkung bereits in deren Vorfeld; denn andernfalls liefe die Versammlungsfreiheit Gefahr, durch staatliche Maßnahmen im Vorfeld der Grundrechtsausübung ausgehöhlt zu werden. Der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG entfaltet daher Vorwirkungen und umfasst den gesamten Vorgang des Sich-Versammelns, wozu auch der Zugang und die Anreise zu einer bevorstehenden bzw. sich bildenden Versammlung gehören. Mit anderen Worten, neben der Teilnahme an sich zählen zu den geschützten Handlungen auch Vorbereitung, Anmeldung und Organisation einer Versammlung sowie der tatsächliche Zugang zu dieser.
25Vgl. zuletzt eingehend OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 2025 – 5 A 855/22 –, juris, Rn. 35, 64 ff. m. w. N. aus der höchstrichterlichen Rspr.; zu Vorwirkungen durch faktische Maßnahmen mit abschreckender oder einschüchternder Wirkung (Videoüberwachung) auch OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2022 – 5 B 137/21 –, juris, Rn. 200 ff.
26Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen steht mit einer derartigen Vorfeldwirkung noch nicht einmal in einem weit verstandenen Zusammenhang und ist nicht geeignet, eine „deutlich abschreckende und pönalisierende Wirkung“ zu entfalten (S. 29 der Zulassungsbegründung). Die seitens der Klägerin bemühte Gleichsetzung der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen (Strafverfolgungsvorsorge) mit Polizeimaßnahmen im Zusammenhang mit Versammlungen verfängt nicht. Die Datenerhebung und Speicherung dient vielmehr – ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren – der Strafverfolgungsvorsorge durch Bereitstellung sächlicher Hilfsmittel für die Erforschung und Aufklärung von Straftaten,
27vgl. nur BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2018, a. a. O., Rn. 16; OVG NRW, Beschluss vom 31. Januar 2021 – 5 A 3822/18 –, juris, Rn. 19,
28nicht aber einer konkreten restriktiven oder pönalisierenden Bewertung von Anlasstaten, seien diese auch im Zusammenhang mit Versammlungen im Schutzbereich von Art. 8 GG erfolgt. Um eine während oder auch nur im Vorfeld einer konkreten Versammlung durchgeführte Datenerhebung,
29vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009 – 1 BvR 2492/08 –, BVerfGE 122, 342, juris, Rn. 130 ff.; OVG NRW, Urteil vom 17. September 2019 – 15 A 4753/18 –, NWVBl 2020, 127, juris, Rn. 59 ff.,
30geht es hier gerade nicht.
312. Das Zulassungsvorbringen zeigt auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen bedarf es neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- oder Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
32Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. April 2020 – 1 BvR 2705/16 –, NVwZ-RR 2020, 905, juris, Rn. 23, und Beschluss vom 18. Juni 2019 – 1 BvR 587/17 –, BVerfGE 151, 173, juris, Rn. 33, jeweils m. w. N.; BVerwG, Beschlüsse vom 15. August 2024 – 1 B 21.24 –, juris, Rn. 3, vom 7. November 2022 – 1 B 66.22 –, juris, Rn. 12, und vom 28. März 2022 – 1 B 9.22 –, juris, Rn. 21 ff. (zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2024 – 5 A 1365/22 –, juris, Rn. 20 m. w. N.
33Eine Rechtsfrage ist dabei nicht schon klärungsbedürftig, wenn sie noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Entscheidung war. Nur wenn ihre Klärung gerade eine solche Entscheidung verlangt, muss ein Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache durchgeführt werden. Um dies darzulegen, muss ein Kläger aufzeigen, dass die Frage nicht schon anhand der üblichen Auslegungsregeln unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung aus dem Gesetz- oder Verordnungsrecht zu beantworten ist.
34Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Juni 2018 – 2 BvR 350/18 –, juris, Rn. 17 m. w. N.; BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2024 – 6 B 71.23 –, juris, Rn. 10, vom 9. März 2022 – 1 B 24.22 –, juris, Rn. 21, vom 29. September 2021 – 1 B 61.21 –, juris, Rn. 2, vom 13. Mai 2020 – 8 B 69.19 –, juris, Rn. 5, und vom 18. Januar 2017 – 8 B 16.16 –, LKV 2017, 126, juris, Rn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 23. Mai 2024 – 5 A 355/23 –, NWVBl 2024, 428, juris, Rn. 23 m. w. N.
35Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht. Die von der Klägerin formulierte Frage führt nicht auf Umstände grundsätzlicher Bedeutung. Sie legt nicht dar, dass die zunächst von ihr aufgeworfene Rechtsfrage,
36„Ist bei Beschuldigten, denen Straftaten im Zusammenhang mit Versammlungen vorgeworfen werden (z. B. Nötigung durch Straßenblockade, Hausfriedensbruch, jeweils im Rahmen einer Versammlung), aufgrund der Ausstrahlungswirkung des Grundrechtsschutzes aus Art. 8 GG auf die Auslegung und Anwendung einfachgesetzlicher Normen an die ‚Notwendigkeit‘, d. h. die Verhältnismäßigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 81b Abs. 1 2. Alt. StPO, ein strengerer Maßstab anzulegen als sonst, d. h. als bei Betroffenen, denen Straftaten ohne einen Zusammenhang mit Versammlungen vorgeworfen werden?“,
37nach den obigen Ausführungen zu 1. auf der Grundlage der vorhandenen höchst- und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung klärungsbedürftig und anders als verneinend zu beantworten ist. Ebenfalls führt die weiter von der Klägerin aufgeworfene Frage,
38„Fördert das Vorliegen von Lichtbildaufnahmen aus einer erkennungsdienstlichen Behandlung auch dann die Ermittlungen bei versammlungstypischen Straftaten (Nötigung durch Straßenblockade, Hausfriedensbruch), namentlich die Identifikation potentieller Täter, wenn (1) durch die Polizei von der Versammlung Lichtbilder und Filmaufnahmen angefertigt wurden und (2) vom potentiellen Täter bereits in anderem Zusammenhang aussagekräftige, polizeiliche Lichtbilder mit Zuordnung zur Person angefertigt wurden?“,
39nicht zur tatsächlichen Grundsatzbedeutung. Verallgemeinernd klärungsfähig ist diese Frage unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zu 1. in einem etwaigen Berufungsverfahren nicht. Über die auch vom Verwaltungsgericht vorgenommene Erforderlichkeitsprüfung hinausgehende Bewertungen der „Förderlichkeit“ sind weder von Gesetzes wegen angezeigt noch sonst geboten.
40Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
42Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).